- Ists-ist III Ve.Kätl)e Echte-nackten Die MutterMartinot war eine wohl undete Gemüsehändlerin von etwa fzig Jahren, die an der Ecke der rue paid-ihren Kram feil hielt. Jhr »Ge fchiift«, wie sie es ftolz zu nennen pflegte, tout eigentlich nur ein geräumiger Ver schlag, im Dreieck zwischen zwei Haus mauern eingeteilt, so daß man die runde Mutter Martinot nicht mit Unrecht ei ner wohigenährten Spinne vergleichen konnte-. die ihr Gewebe in einem Winkel ausgespannt bat und auf Beute wartet. Das war aber auch die einzige Aehnlich keit zwischen der Mutter Martinot und einer Spinne ; denn im übrigen war sie weder böse, noch tückisch ;« noch ir gend Jemanbem spinnefeinb. Jm Ge gentheil, all die liebe, milde Gottesaabe, die sie in ihremLaoen ausgestapelt hatte, schien auf ihr eigenes Wesen mitgewirkt zu haben. Aeußerlich war Mutter Martinot, wie.gesagt, rund und dick wie ihre Kürbisse und Melonen Run zeln trug die gute Frau im Gesicht, wie ein Apfel um Weihnachten ; ihre schwarzenAugen erinnerte-n an schwarze liven oder Pfeffertörner (Schwarz beeren kennt man in Paris nicht) und ihre Wangen strotzten von Gesundheit, wie die rothen Tomaten Die Zeiten, f tvo man Mutter Martinots Teint mit den zarten Farben ch Pfirsichs hätte vergleichen können, waren allerdings schon lange vorbei, aber war die Jugend dahin, so war die rüstigeKrast doch noch geblieben, und wer sah, tvie die Mutter Säcke Kartoffeln anfaßte, Körbe mit Salat beiseite schob, Kisten mit Trau ben zu vieren und sechsen auf Den Arm lud, ber konnte sich der Bewunderung für die muntere Händlerin nicht er wehren. Mutterilltartinot besorgte taglich inre Cintäufe früh Morgens in den großen Markthallen selbst und kehrte dann mit einem schwerbeladenen Hand-vagen voll leckerer Dinge in ihr Gäßchen zurück. Dort wachte, in Abwesenheit der Her rin, ihr junges Mündel. das sie zu sich enornmen und daI mit seinen frischen angen das leibhaftige Radieschen war. Hielt der grüne Handwagen vor der Ladenthiir, so stürzte Radiegchen heraus, um der erbthen .-.7eurter Mar tinot beim Abladen zu helfen ; aus dem Inneren des Verschlags ertönte aber sofort eine schrille Papa geienstimme: »Von jourrr Martinot, bonjour, ma vieille.« Es war Jncquot, der seine Herrin so begrüßte, szarquot, der schöne, roth- und blaugesiederte Ara mit dem gekrümmten Schnabel und dem langen, eleganten Schweif. Er war ein wahrer Erzoater, an die achtzig Jahre alt, ein Erbstiick der Fa milie Martinot, den einst der Großva ter, ein Matrose, von Brasilien heimge bracht. Damals, vor achtzig Jahren, war Jacquot ein kleines, dummes Pa pageilein gewesen, dem kaum die ersten langen Schwanzfedern gewachsen. Wenn Jacquot heute jener Zeit gedachte, wenn et den Abgrund seiner damaligen Men schen- und Weltunkenntniß ermaß, er riss ihn leises Lachen; er wars den ops zur Seite und ticherte oor sich hin: Sancta Simplicitas! Was hatte er seitdem nicht Alles gesehen: Soldaten mit Bärenmützen, Soldaten mit Käp Pis, Soldaten mit Helmen, aber immer Soldaten. Straßen mit und Straßen We Pflaster; Oellampen, Perroleum lampen, Gassz Elektrizitätz Damen in langer-L engen Futteralen nnd Damen in wandelnden Hühnertörben, Krinolinen annt· Eines nur war immer das elbe geblieben: der große goldene Ball, tagtäglich am Himmel ausgezogen wurde, und die kleinen runden Schei ben, die tagtäglich aus den Händen der Häuser in die Geldlade der Mutter Martin-It rollten. Jacquot hatte seit lange begriffen, daß diese kleinen Schei ben und der große Ball am Himmel in dieser Welt, nebst dem KramladenMut tet Martinot’g die Hauptsache seien. Die welterhaltende Rolle dieses Kramladens war Jacquot seit Jahren klar. Wo hätte denn sonst Meister Jac auot’s Stange stehen können? woher wären ihm sonst die leckeren Bissen, die jun-gen Möhren, süßen Aepfel, die aus der Zunge zerschmelzenden Birnen zu ätragen worden? Nein, ohne Mutter artinot’s Gemüsetram wäre die Welt nicht mehr lange weitergegangen, und · r Jaequot war natürlich Jacquot die lt. Ein Papageienstandpunkt, wird man sagen; man kann aber von Jacquot doch nichts Anderes verlangen. So thronie er denn, buntgefiedert, aus schlauen Aeuglein blinzelnd, neben seiner Herrin in dem Ladendreieck. Hin ter ihnen erhob sich eine Wand rather Mutter neben ihnen war die Mauer spie mit grünemSalat tapezirt. Schnitt lanch, Pastinack und Gurken waren in einer Ecke mehr oder weniger bemerkbar. Der gelbe sließende Käse von Brit »-itcchie an heißen Sommertagen das . weh nasenempsindliche Radieåchen fast IN Betsweislun . Mutter Martinot Oder rührten folge Gerüche nicht mehr; sie hielt es stundenlang inmitten des Meissner Brie und des strengen Ro prt aus; schiilte womöglich dabei M Zwiebeln zum Einmachen und Ete- gar nicht zu bemerken. daß Staubes-, Aepfel und Bienen, die W und Melonen lieblicher und Wenn als die in Empörtss . Käse. »Geister es» W l-— -—:- - s waren oft doch recht unverständig. s tasten, suchen, wählen, miikeln, ta z deln und dingen wollen alle; keiner will swarten, das war Mutter Martinot's Urtheil über ihre Käufer. Dabei konnte - sie aber wirklich nicht Alles auf einmal thun: war das Radieschen auf Kom missionen geschickt und mußten in der kleinen Küche hinter dem Laden Früchte oder Gurlen ein-gekocht werden, schäum te der Zucker oder dampste der Essig so war Mutter Martinot doch eben an den Herd gebunden und mußte, nolens do lens, die Kunden, die oft nur ein einzi ges Hühner-ei oder sin siins Centirnes Butter holen tax-nen, eEn Weilchen war ten lassen. Tas hatte nun schon man chen Zank gegeben-, tsizs Jarauot, der in telligente Jarauot sich ins Mittel legte. War die Herrin beschäftigt, oder bei großer Hitze entsas eingenickt, so rief er beim Eintritt eines Kunden : »Gaisse, caisse, il d a du inonde!« und konnte Mutter Mariinot nicht gleich autom men, fo machte Jarqnot den Wirth, schwatzte, sclinatterte lanate ans und ab, kurz belustigte die Häuser so lange, bis die Handlerin selbst sie bedienen tonnte. Jn anderer .i.siiki?a"·! mai-sie er sich »aber auch noch niitzlich: er war ein werthvoller Wächter-, Der von seiner Stange aus ein Auge ans die Vorräthe hatte, die nach Pariser Sitte aus Bret tern und Gesteclen bis weit in Die Stra ße vorgebaut, deriockznd ausgeleat wa ren. Und solche Wacht war nöthig, wimmelte doch die enge Rue Rollin von kzahllosen Kindern, unter denen manch seines Rasch-, Diebs- und Raubgeliiste hatte und mit Jndianerljsr der Mut ter Martinot hier einen Apfel, dort eine ,Möhre zu stibitzen suchte. Am ärgerlichsten nnd gesahrlichsten aber von Allen schienen der Mutter iMartinot die kleinen Lumdensammler, die Nachts alle Ueberbleibsei oer großen -Stadt zusarnniensuchten und des Mor gens mit kleinen Wagen und starren. in sTiichern, Lieben und Backen ihren Fund in die an der äußersten Stadt grenze gelegenen Lumpensamnrlerauan tiere heimtragen. Es waren die gebo renen Diebe, und kamen sie mit ihren vLadungen an Mutter « cartinot’s ge ·heiligtem Dreieck vorbei, so paßte sie doppelt aus« besonders aus einen klei :nen, frechen Schlingel, von dem sie hoch gund theuer schwor, er habe ihr einmal, kbevor Jacquot die Wache hielt, Lein ganzes Bund Fenrotten ge "maust. Daß dies nicht wieder ge schah, darüber wachte nun der bejabrte Jacquot, und darob war zwischen ihm und der Straßen- und der Lumpen Zsammlerjugend eine heiße Fehde ent ?brannt: die Jungen zogen, wo sie konn ;ten, Jacauots bunten Schweif, und er goersetzte ihnen brüderliche Hiebe mit sei Enem krummen, scharfen Schnabel. , Wie sehr Jacauot der Mutter Mar Ztinot ans Herz gewachsen war, braucht sdaher nicht erst besonders geschildert zu ;werden. Sie liebte ihn, wie man ein ZKind, ein Erbstück, einen Mitarbeiter Fund ein treues Hausthier liebt. Er Zstand in ihrer Zuneigung womöglich Znoch über Radieschen, der Mutter Mar ’tinot manchmal ihr sahriges Wesen vor Ewersen mußte, wobei sie sich nur mit 7dem weisen Spruche tröstete: Was jung Hist, ist dumm. Und in Mutter Mar »tinot’s Libe zu Jacquot mischte sich auch sein gut Theil Stolz. Jacguot war ja kdie Fabel und die Freude des Stadt iviertels; wer sich mit Mutter Martinot ,gut stellen wollte, fang Jacquots Lob; swer gerade nichts zu thun hatte, konnte isich ein wenig mit Jacguot unterhalten. sSeine Redensarten und drolligen Ma ;nieren, sein Witz und seine Wachswa Tkeit waren in Aller Mund, und mehr als kEiner beneidete die runde Kürbißfrau ium das werthvolle Thier. ! Daß man Jacguot bewunderte, gefiel ider braven Dame; daß man sie um ihn ibeneidete, nahm sie nicht übel; daß man zihn ihr entwenden könnte, ging ihr in Ischlaflosen Nächten, wenn ein Rest alter zButter oder ein Haufen verdorbener iAepfel sie zu komplizirten Kopfrechnun igen veranlaßte, manchmal erschreckend zdurch den Sinn· Aber sie beruhigte sich fbald wieder: erstens war sie selbst wach isam, und zweitens ließ sich Jacguot inicht, wie ein neugeborenes Käßchen, in sden Sack stecken. Die gute Frau schlief .also getröstet auf ihren getrockneten Lorbeerblättern und Zwiebeln ein. o- sik s An einem lieblichen Frühlings-mor gen, der Paris von Kopf bis Fuß in der Sonne funkeln ließ. kam Mutter Mar tinot wie gewöhnlich mit schwerbepack tem Handwagen vor das »Geschäft« ge fahren. Jhr grünes Gemiise ftrotzte, ihre Möhren lachten, die Kartoffeln streckten sich in ihrer jungen, elaftischen Haut, die Erdbeeren strömten all ihren Dust aus, und Mutter Martinot, von dem schönen Wetter ganz verjüngt, lach te in Gedanken an Jacguot, der ihr das gewöhnliche: »Von sour ma vieille« zu zurufen nicht ermangeln würde. »Mir vieille« war heute wirklich Ironie. Sie eine »Amt« Damit langte Mutter Martinot vor der Thür an. Kein «Bonjour« ertönt Die Alte wundert sich und ruft Medici chen. Alles still. Sie eilt in den La den — ein Blick auf Jaeauots Stank igt ihr, daß der Jubel reis nicht da sä. Fu der buntelsten äcke hinter bete s eltsrben entdeckt sie endxich Us W, die nur»das Eins zu er Mk is M Zucht bei-Mück- II - die Au des Lade-II solt , Feuchthändletinnen nachgetseth Um tdiele Menschen hat man weniger ge « trauert als um dich. Der Anblick dei Inei leeren Thrones, das Fehlen deine-: H.Caisse, il h a du monde« — waren swirtlich unerträglich. « Doch Mutter Maetinot war eine Frau der That; nachdem sie eine Viertelstunde getranert, stöberte sie mit hilse der Nach baren, die aus den Lärm herbeikaineih Laden und nächste Umgebung durch. Die guten Ratbschläge regneten nur so aus sie nieder: d e r hatte Jacquot da vonflicgen sehen, jener meinte, der Vo gel habe sich boshafterroeise versteckt; ein dritter erklärte, Jacquot sei gestohlen, ein oierter endlich gar, er sei gemordet. Die aufgeregten Stimmen von Mann, Weib und Kind, die sich an der Straßen ecke angesammelt, wirrten durcheinan der, und aus dem Summen stieg ab und zu in schtillen Roten Mutter Marti nots Lcckruf: »Juki-not Jacquot!« auf. Dies wahre Papageienbarlament in der Rne Rollin Jog endlich die Aufmerk samkeit des die Runde machenden Poli zisten aus sitt- LIJlit seiner gewohnten Gemüthaisudh den Schnurrbart schön gedreht, in halb niilitärischen, halb dä terlichen Haltung, die der Pariser Schutzmann im Verkehr mit seinen leicht erregten Schützlingen als die deste Art erkannt bat, trat er heran und wandte sich an Mutter Martinot, die gleich der klagenden Niobe in dem Hausen stand. »Herr Schutzmann!« rief Mutter Martinot ihm zu, ,,Jacquot ist fort, mein Jacauot, den Sie kennen; wie oft haben Sie ihn gestreichelt, wenn Sie mir Birnen abaekanst haben. Sie wissen doch, die süßen« H Da der Schutzmann im Stadtdiertel als ein Feinschmecker bekannt war, sing man im Kreise an, zu lachen; der Po lizist beeilte sich dabei. an Ort und Stel le kurz den Thatbestand aufzunehmen und dann mit MutterMartinot und Ra dieschen aus-H Polizeiamt zu wandern. Die liebe Straßenjugend gab ihnen rathschlaaend, rinnsteinplätschernd und pfeisend das Geleit. I E »Jhren Jacquot haben Sie verloren?« fragte der Polizeito niissar mit dem Ton tiefsten Bedauern5, denn er kann te seit lanaen Jahren sowohl die ruhige Händlerin wie ihren kostbaren Vo gel. Außerdem hieß er selbst Monsieur Perruche (Herr Papageij und nahm an dem Verschwin den seineg Namensoetteri noch einen gewissen Familienantheii. — »Ja, Herr Perruche«, seufzte Ma dame Martinot, »wenn ich Den aber erwische, der ihn mir gestohlen hat,tvenn ich den Elenden in die Finger bekomme, ’ — sie schloß mit der energischen Geste des Halsumdrehen5. J Herr Perruche blinzelte aus kleinen, « schwarzen Aeuglein zu Mutter Marti not hinüber und legte den Finger an die wohlgebogene Nase: »Haben Sie einen Verdacht?« fragte er dann. »Nein, Herr Commissar, ich habe keine Feinde, Alle denken gut von mir, hier aus der Nähe ist es lNiemand, höch stens- tann es einer von den verwünsch ten Lumpensarnmlerjungeng sein, die jeden Morgen durch die Straße kom me- und in den Gemiisetästen herum stochern; das ist eine heillose Bande, diese Schlinaels; fähig zu Allem, die bisch wie Elstern, lecler wie Raben, schlau wie Füchse, gemein wie Hunde, T unverschämt wie . . . « I Herr Perruche, der nicht eine Aufzäh lung des ganzen Thierreicheg hören wollte, unterbrach Mutter Martinot: »JhreMiindel weiß nichts zu sagen?« Radieschen schüttelte den Kopf· »Dann will ich Jhnen etwas sagen, Mutter Martinot,die Papageien find-, wie Sie wissen, sehr tluge Vögel,« da bei lachte Herr Perruche vielsagend, «und gar Jhr Jacquot hatte ja dieWeis heit mit Löffeln gegessen. Daraus müssen Sie bauen. Jch werde Jhnen einen meiner Leute mitgeben, den Poli zisten Finderecht, mit dem werden Sie das ganze Stadtviertel absuchen, wer den dann zu den Lumpensammlern ge hen und überall laut und vernehmlich : ,,Jacquot, Jacquot!« rufen. Tausend gegen eins, er meldet sich, falls man ihn gestohlen und dann versteckt hat.« i « se Gesagt, gethan. Das ungleichePaar, Polizist Finderecht, derselbe mit dem schönen Schnurrbart und der langenGe stalt, der Mutter Martinot zum Kom missar begleitet hatte, —und die Pa pageienmutter selbst, in ihrer rundlichen Behäbigteit, machten sich auf die Wan derschaft und bald hallte es durch die engen Straßen in hohen, langgezogenen Roten: »Jacquot! Jacquot!« Doch kein »Caisse, il h a du monde« kam aus Echo zurück und bald begann Mutter Martinot, der der Schrecken in dieGlie der efahren war, ihre Beine zu fühlen. Ja sei dem vergeblichen Suchen wurden ! ihr sogar die schwarzenAugen vonThrö s nett wieder feucht. Ganz ermattet kehrte sie mit ihrem Schutz-traun endlich bei dem dicken Vater Weinroerth an der Avenue des Gehe lini ein, um, ehe sie sich in die Löwen höhle,d. h. zu den Lumpensammlern wagten, eine Stärkung zu sieh zu neh men. Der Weinwirth, von dem Unglück kn Kenntniß gest i- meinte- bei den Lum sannnlern ne Jaequqt sieh wo l nderr. Jeden Tag sehe er die unbelie - te Bande durch die Avenue nach ihrem Zaubtquartlen der tue hart-eh und der its staune Wirt fahren und sehe-. se mache M manchmal seine M mun, wie vier gesteht-use sue us MWthWJUdenassei »Helf Fällen freue. « nd er ersaolte knoch die Geschichte einer Dame,d ethr Itlelnes hilndchem das Lumpensamnrler ihr nein-endet in der Cites Jeanne err wiedergefunden hätte. Dies gab Mut ter Martinot all ihre Hoffnung wieder. Sie mahnte nun zum Aufbruch zog den langen Polizisten, der sich bei der gan zen Sache etwas lächerlich vorkam und außerdem seinen Absinth gerne in Ruhe feschliirft hätte, am Aermel und nahm hn endlich resolut ins Schlepptau. Die breite Avenue des Gobelins ging es nun hinauf, bis zu der Place d’Jtalie, dann über den öden Boulevard de la Gare, wo die Hauser ganz winzig und platt werden wo man sich laufend Mei len von Paris wähnt und dann durch eine rue nationale in die rue Harven »Jacquot, Jacquot!« begann Mutter Martinot schon, aber der Lockruf blieb ihr in der Kehle stecken: es war wirk lich ein gar zu obs-i ):uli ehe-.- Quartier, die tue Hart-: n (s)l :ch vorn stolverte man ilber zwei Lumpensammler, die Hausen alten Eisens aussuchtem dabei halb im Rinn tein lagen und sich puff ten. Aus den offenstebenden Hausthü ren drang schlechte Luft, hörte man Scheltworte, und durch die Spalten sah man brilchigen Hausrath und schlampi ge Menschen. Dabei war die Straße mit Koblstrilnlen und Absiiklen besät, und in den Ecken hoclten unselige Geschöpfchen, ungewaschen, r:naet;r·mmt, selbst anzu sehen wie Päele von Lumpen. Denn Lumpen waren überall aufgestapelt, be sonders in den lleinen Laden der Aus käufer-, und der undesinirbare Duft Von Altem, Schmutziaem lag liber dieser Stadt der Armuth und des Lasters Mutter Martinot empfand wohl, daß es hier nicht geheuer sei. aber der Ge dante, Jacguot könne sich in einer dieser Räuberhöhlen befinden, gab ihr neue Kräfte. und so bega:n sie denn, wie Herr Perruche ihr gerathen, mit durch dringender Stimme: »Jncquot, Jac quot!« zu schreien. —- Keine Antwort; doch fingen die Bewohner der rue Har veh an, aus die Schwellen zu treten: ent weder lumpig-neugierig, nur um etwas Neues zu sehen, oder keck-kampfbereit, um ihre Straße gegen Eindringlinge zu oertheidigen. Mutter Martinot al lein hätten sie rasch an die Lust der äußeren Boulevards beför dert; die Gegenwart des Schutz mannes jedoch wirtte besänftigend auf ihre Gemüthet. Eine ganze Anzahl drilclte sich sogar schleunigst von der Schwelle weg: Sie liebten es nicht ihr Antlitz vor dem Auge der Gerechtigkeit leuchten zu lassen,. lautlos krochen sie wie Ratten in ihre Schlupswinlel, ja unter ihre Lumpenhaufen zurück, sodaß sie im Nothfall nicht mehr zu finden wa ren. anwiichen treifchte Mutter Marti not ganz tapfer weiter : »Jacquot, Jacquot !« und lockte dadurch eine Bande Kinder um sich. Aus diesen ver suchte man etwas herauszufragen Na türlich hatten einige Alles gesehen, den ganzen Jacquot mit den bunten Federn; Andere wußten nichts, noch Andere drehten die Blicke weg, drückten sich mit allen Zeichen des Unbehageng gegen die Mauer. Auch der Schutzmann brachte nichts aus ihnen heraus, machte fich aber bei dieser Heerfchaii über die Ju gend der riie Harvey Notizen im Kopf. »Wir müssen mal in die Citfs Jeanne d’Arc selbst hinein gehen,« sagte er dann, und so traten sie durch ein eiser neS Thor, über ungleiches Pflafter, durchSchmutz und Unrath in diefe Tit-« Dort schliefen in dem Frühlings-zwa nenfchein ganze Familien aus den Stei nen. Und wahrlich, draußen mochte es besser sein als in den verpesteten Höhlen, deren schwarze Oeffnungen in den hel len Tag hineingähnten. »Jacquot, Jacquot !" tlang es nun von Neuem durch die dicke Luft. —— Und »Caifse, il h a dii monde,« rief es plötz lich von oben aus einem der Fenster, worauf ein greulicheg Gezeter folgte, ein blauer Papageienschwanz einen Augen blick sichtbar wurde und dann ver schwand. « Nun, der Schutzmann wußte genug, MutterMartinot auch. Ersterer sprang, an folche Dinge schon gewöhnt, eilig die Stufen der schmutzbetrusteten Treppe hinauf; die Etage hatte er sich wohl gemertt« so schlug er denn an die erste beste Thür, und als sie widerwillig ge öffnet wurde, war auch schon Mutter Martinot nach oben geteucht, und auf ihren Lockruf schrie Jacquot fo laut: »Von jour, Martinot, ma oieille«, daß »die rechte Ttsiir bald gefunden und der Vogel feiner Herrin wiedergegeben war. » Mit zornblitzenden Augen stand ! Mutter Martinoi vor dem tleinen Dieb, demselben, der ihr die Möhren ihrer JAnficht nach gestohlen hatte und den sie , jetzt in einer elenden Kammer fand, wo zer den Fang verborgen hatte und auf Idie Sippe wartete, der er ihn zeigen froolltr. Daß die Sippe setzt nicht da Zwar, machte dem Schutzmann fein Amt leichter. So gab es tein Geziint, Be theuern oder Streiten ; das Kind wurde einfach mitgenommen ; Mutter Martinot mit Jacquot stieg als Erste, gerührt und besänftigt die etelhafte Treppe hinunter ; der Polizist mit dem trotzig und versteckt blickenden Kinde schloß den Zug. Die Nachbaren, merkwürdig theilnahmslog, reckten noch etwas die hälse iiber das Geländer oder uni Fenster hinaus ; im Grunde aber siebten Jeder erleichtert aufzuathmen, aß nicht er, sondern ein Anderer vom Arm der Gerechtigkeit ereilt worden ei, nnd lautlos troch Alles wieder in eine Dishlen zurück. Nur unten auf Gasse summte ei etwas aufgeregtee due nder, einige Männer til-oben Ue , fasten aber nichts, send f fich der Zug tm goldenen Con i Jan chein durch die tue Hart-eh nach dem spol zeibuteau des herrn Petrucht r Der Knabe, demdie anderen Kinder folgten, steckte die hände in die Hafen Jtaschen und ließ die Zunge als Zeichen lserner Verachtung aus dein Munde jballgm Als sie die rue Hart-eh über zfchrttten hatten, fingen wohl einige jKohlftiiete und Schinipfreden hinter ih znen her ; daß mit der Polizei am bel len, lichten Tage aber nicht zu spaßen Isei. das wußten die Lumpenfammler doch recht gut. Mutter Martinot aber, ihren kostba ren Vogel auf dem Arm, strahlte durch zdas häßliche, gottverlassene Stadtvier tel; sie konnte nicht müde werden, das tluge Thier zu .treicheln, ihm die Federn zu glatten, dein Schutzmann zu danten und den kleinen Dieb mit Abscheu zu be trachten. Doch vergaß sie ihn bald. Fröhlich wanderte sie durch die Avenue des Gobelin5, fröhlich lief-, sie beim Weinwirth eins ausfchenkmaerne stand sie Herrn Perrztche Rede und Antwort, ohne Bedauern sah sie den kleinen Dieb aufs Devot schicken, und ganz verklärt hielt sie ihren lfinzug unter den Aep feln und WHAT-ten der Rue Rollin, die, angefüllt von den erwarteten Gevati tern und Stunden, bald mit Entzücken Jacquotg ichrille9: «Caisse il y a du inonde!« -—-— wiedervernahni· Und jedesmal, wenn Mutter Marti not in späteren Zeiten die dramatifche Begebenheitvom Raube Jacquoi’s er zählte, pflegte sie hinzuzusetzein »Wer nun eigentlich klüger war. der Herr Perrucheader derFJerrJacquot, ,das weis-, ich nicht, aber sie sind jeden falls von derselben Familie, und da ztornint es denn ja auch weiter nicht da rauf ant« — If ·Wagner Vater an seinen S o l) n. Mein Sohn, Du bist ein braver, Ein sorscher, junger Mann, Sticht mich einmal der Hafer, Fängst D u zu schreien an. Das macht Dir alle Ehre Als Held, als Solln, als Mensch-— Wenn die Methode wäre ; Nicht gar zu torpsstudent’sch. Hab’ ich Dich unterwiesen Nicht in ganz and’rer Pflicht? Man lässt den Gegner schießen, Doch selber schießt man nicht. Man tömpst nur mit der Zunge Und redet um und um« Das ist prodat, mein Junge, Zumal der Gegner —- Stumm « O zeig’ nicht Deine Schärfe, Reservear«zt, so sehr, E Und bleib’ in der Reserve k Auch stets beim Briefvertehr . . . ; M a l i t iö s. J Dichter: »Von meiner Gedichtsamrn Tlung erscheint demnächst die vierzehnte ·Auslage!« ; Bekannten ,,Wird denn jedes Exem ;plar einzeln gedruckt Z« G u t b e r z i g. . Lehrlina: Herr Leon, eben hat mich »ä lahmer Schnorrer unten im Hausflur snach Jhnen gesragt. Soll ich’n schicken ;heraus? ! Herr Levy: Lahm ist er, sagst Du, ,Moritz? Der arme, arme Mensch! sLauf schnell herunter, Morisz, und sag’ kihm, das; er sich soll nit strapaziren ab isor nix seine armen lahmen Bein! i Auch eine Frage. E Aurelie (,zu ihrer älteren Schwester, itvelche die VerlobungszAnzeigen durch Zfreht): »Ist die heutige Verlust-Aste Hokus-, Helene?« B e w e i S Phrenoloae: Mein Herr, ich ersehe zaus Jhrem Kopf, Sie haben ein wun jderbares Gedacht-tin . herr: Ach, wollen Sie vielleicht so Hsreundlich sein und mir das aufschrei ;ben, damit ich es nicht vergesse! F Auch eine Ausrede. Lehrer: »Nun, Fritz, ljast Du Dich auch heute gewasclzen?« i Fritz: »Ne, Herr Lehrer. am letzten ZSonntag." Z Lehrer: »Aber wäschst Du Dich denn inicht alle Tage?« T Fritz: »Mein Vater sagt, es muß ei jner schon ein rechter Sauigel sein, wenn ier es nöthig hat, sich alle Tage zu wa «schen.'« ; An Allem seinen Tadel auslassem ist zost nur eine versteckte Art des Selbst zlobs. s G e m ii i h i i ch. i »Heute war ich zum letzten Mal bei FJhnent Sie sind seist so gesund, daß jSie hundert Jahre alt werden können!« i »Nun, dann werde ich auch hoffent ,lich ’rnal in die Lage kommen, daß ich ZJhnen Jhre Rechnung bezahlen kann!« s Ein E rso l g. ! Buchhanekiu (zu ihm Inansin EDente Dir, Else, ich werde unsern Chef -heirathen! « l Gratulire, dann hast Du ja glücklich IDein Ehes’chen im Trocknen! ! BeiderSchmierr. · Sol-anspielen here Direktor, ich hin er tiertpkx Schön dam- spannte Sie und der Sousfleur kann Ihre Rolle nimmt —- Æevtrtfcerr Czu einem M - »O- see-« gen-n m We 29 Jan-ti J n d e r D i h e. Ein sehr geduldi er Mann, dem seis als dies wieder geschah, zu thr: »Nun, laß es nur gut sein, mein Kind, ich weiß doch, daß ich ein gutes Weib habe." »Den Teufel hast Dut« ries die Iraie in der hine. Auch nicht übel. Der Lehrer bemüht sich, den Begriss , «böses Gewissen« aus den Kindern her 7 aus zu entwickeln, jedoch vergeben-. z«Nun,« fährt er sort, »was hat der Mensch, der nirgends Ruhe sindet und der selbst des Nachts nicht schlafen kann, sondern sich aus seinem Lager hin- und ; hertvälzt?« Alles schweigt. Endlich s meidet sich ein kleines Mädchen zur Ani s wori. i Lehrer: »Recht so, meine Kleine, ant z worte Du." i Mädchen: »Wan«3en!« i , — tMan muß sieh zu helfen wis se n. ! »Aber, Bär-rin, was macht Jhr denn T da? Ich habe doch stündlich zwei Pul ver derordnet!« »Ja wissen S’. Herr Doktor, mei’ E Ma’ hat d’ Pulver so net nehma mög’n, . und weil i’ teineOblat’n mehr hab’, geb« Fi’ s’ ihm in die Lebertnödel drin’!« sDer wahre Glücksschmied. ; Wen Gott erhob iiber alle Schranken fUnd hals, das; alles ihm wohigerieth, kDek spricht: »Ich hat« Niemand was zu j verdanken. 3 Jch selber bin meines GlückesSchmiedP E —- Wer sich stets bellagt vertannt zu Hein, der ist es auch, und zwar meist — Zdon sich selbst. i i —- Kasernenhosbliithe. Unterossi ,zier: »Mensch, wie haben Sie sich bei ZJhrer grenzenlosen Dummheit nur auf Hdie Welt gesunden ?" J — Jn der Verlegenheit. Dame: »Herr Reserendar, Sie küssen meine ; Köchin?" —-- Reserendar: »Pardon . . . ; ich dachte, es sei das Stubenmiidchen!« —- Auch ein Grund. »Sie machen jmit Jhrem Gatten nieman eine Ver sgniigungsreiie?« --— »Nein, bei diesem stöme ich zu kurz! Franz miirde dann T stets die Gegenstände statt mich bewun « dern.« ; — Jmmer heim Fach. Time saus zeinem Ball, beim Tanze): »Bitte, Herr EKapitäm nicht immer nur vorwärts H chassiren, sondern auch ’mal rück Zwärts!« — Kapitän zur Zer: »Werde z sofort Kontredampf geben« i — Milderung-Lateran Richter szutn YDieh): »Als-) Sie gestehen, dem herrn ? Studiosus den Ueber-ziehet gestohlen ; zu haben ! Können Sie einen Milde I rungsgrund angeben?« ---s Dieb : »O ja!« —— Richter : »Und welchen?" — « Dieb : »E hat ihn noch nicht bezahlt!n Frau immer wider prach, sagte eins-»u « skj i z —- Böse Zungen. Erste Freundin: I»Die Anna hat auch mehr Glück wie Verstand; sie ist nun schon verheirathet : und lann noch nicht einmal ein ordent tliches Mittagessen lochen.« Zweite: " »Das braucht sie bei ihrem Mann auch · nicht zu können-« Erste: ,,Wieso denn nicht«-s« Zweite: »Ihr Mann ; ist ja —- Dichtet.« s . L Künstlerhanorarr. -—Uebet jdie Künstlerbonorare, die siir die Ber s liner Dentmäler des Kursiirsten Fried s tich Wilhelm, Friedrich-Z ll. und Wil Ehelms l. bezahlt wurden, schreibt die i Tägliche Rundschau: Drei Namen, je Zder mit einer bedeutsamen Zeit in der i Entwickelung Berlin-p- verknüpft, treten Z uns da entgegen: Schliiter, Rauch und ; Begas. Der erste und als bald auch ge Z nehmigte Entwurf siir das Kurfiirstens j Standbild stammt aus dem Jahre s1696. Schliiter erhielt von dem iider j den glücklichen Entwurf hocherfreuten Kurfiirften Friedrich, nachmaligem , iKönig Friedrich l» sofort ein »Gan idengeschenl« von 2000 Thalern. Au jszerdem wurde ihm, der ja damals den « großen Umbau des Schlosses zu leiten ;hatte, fiir die Oberleitung des Denk . malbaues für die ersten drei Jahre eine ? Zulage von je 800 Thalern gewahrt« die J aus Dank siir daH schnelle und fehlen T lose Fortschreiten der Arbeiten der Kur i sürst siir die übrige Zeit dann aus 1000 EThaiee jährlich erhöht-. Danach hat II der Bildner des KurfürftemDenirnali Jetwa 11,()0() Thaler erhalten. sp— 150 fJahre später wurde Friedrich ll. ein ! Denkmal gesetzt. 12 Jahre toährte die ZBauzeit In dieser Zeit erhielt Rauch sjährlich Its-in Thaler-, damit er sorgen ; frei sich nur dieser Arbeit tvidmen tön - ne. Außerdem wurden ihm nach Voll Zendung des Dentmalå noch 20,000Thq ? ler Zugetoiesen Danach hat Rauch als J Künstlerhonorar für das Friedrich i Denkmal im Ganzen 56,000 Thaler er k halten. —-— illeinhold Begag empfin fiik zseine Schöpfung eine Million Isari. Wie seltsam es nun auch klingen ma so lornmt im Verhältnisz Begas doch ers an letzter Stelle. sobald man als Maß stab die Gesammtlosten der - Weer nimmt. Da sehen wir Rauch an der Spitze, dessen 168,000 Mart ettva ein Viertel der 720,000 Mart betragenden Gesammtlosten desFriedrich-Denlmals alt-machten Mit einem Siebentel folgt Schlliter, da das Kurfilrflemdenkmst etwa eine Viertelmillion erfordert hat, nnd ihm schließt erst Begai sich an, dem ein Achtel des aus 8 Millionen veran schlaaten Wertes zugefallen ist. ’