Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 30, 1897, Sonntags-Blatt., Image 13
das atra n näherte « »..»-. » DtUtsch von O. Berg. . »Selbstoersiiindlich! Keine Regel « thue Auenahme", bemerkte EdwinLau ded, indem er dee Zeitschrift, in der er flüchtig geblättert hatte, aus den Tisch legte und sich anschickte, den Klub zu verlassen; »aber soviel steht fest, daß kaum die Zehnte der jungen Damen von heutzutage daran denken würde, einen Mann ohne Vermögen zu heira thei, ebensowenig wie sie sich dazu ver stande, den ganzen Zonen-see in New geil zu verbringen. Das ist meine einung —- und nun adieu!« Damit schritt er hinaus und wars die Their geräuschooll ins Schloß. Die Zurückgebliebenen sahen sich ver wundert an, und Mr. JlmeZ meinte be dächtig: »Ich fürchte, Landen wird Pessimtst. Er war doch früher ganz anders." »Bielleicht kjat er tiirzlich böse Er sahrungen gemacht —- wer kanns wi. sen —«, wars ein junger Mann da zwischen, der in sehr nachlässiger Hal tung am Kamin lehnte. . »Nun, es ist auch wirtlich der Fall«, sagte Mart Grabam ,ein Freund Lan detfsz »seine Braut hat ihn über Bord geworsen, weil sie einen Reicheren be tommen hat« »Na, da kann er srob sein, daß sie » nicht seine Frau geworden ist,« sagte der phelgmatische Mr. Amei-! und streif te vorsichtig die Asche von seiner Cigars re ab. »Er ist ja auch ganz zufrieden; aber er glaubt, sein Fall bilde die Regel und nicht die Ausnahme«, entgegnete Gra . han« »Jch meine, Landen bat das über äzupt nicht so schroff gemeint«, sagte r. Ames nachdenklich »Er hat we der gesagt, daß die Mädchen im Allge meinen berechnend seien, noch daß die echte, wahre Liebe ganz aus-gestorben ist; er hat nur gesagt —- nnd ich theile diese Ansicht —-, daß den jungen Damen von heute der moralische Muth fehlt, mit dem Manne, den sie lieben, Armuth nnd Ent behrungen zu theilen· Wir alle sind La an die vielen kleinen Annehmlichkeiten es Lebens gewöhnt, daß wir nicht eine bezeichnete könnten, die uni- nicht schon zur wahren Notwendigkeit geworden wäre. Kann man es da einem Mäd chen derdenten, wenn es nicht gern eine est luxeriöse Existenz im Elternhause verlassen will, um mit einem schlecht situirten Manne ein mekjr als bescheide nes Dasein im sünsten Stocke irgend ei nes verriiucherten Hinterhauses zu süh ren?« ,,Alj, wenn man sich lieb hat, läßt sich alles Unangenebme leicht ertragen!« wars der romantisch deranlagte Roth- s haarige am Hamen ein. »Mein guterJunge,« erwiderte Ames mitleidig lächelnd, »was heißt Liebes Wo bleibt dieses selige Gefühl, wenn man hungern muß! Es liebt sich wohl ganz schön, so lange alles Andere, was nr Leiden Nahrung und Nothdurst ge klärt, im reichsten Maße vorhanden ist. Sobald aber das Elend einzieht, flüch tet die Liebe, nnd die Frau wird dann in den meisten Fallen dem Manne znr Last.« Um am anderen unoe org Zimmer-s sihender junger Man-i, Trank Hollan, hatte bisher schweigend diese Aus einandersetzungen angehört. Er schien war in das Lesen eines Journals ver ·est, hatte sich aber doch lein Wort der allgemeinen Unterhaltung entgehen las en. Die kräftige, imposante Gestalt hoch aufgerichtet, daieI scharsgeschnittene Gesicht mit den tlugen, dunklen Augen " dem Sprecher zugewandt, kam er jetzt E einige Schritte näher, lehnte sich mit aus der Brust getreuzten Armen an drn«! Tisch und sra te langsam und nach- . drucksvoll : » taudeh hat doch zugege- « «ben, daß Ausnahmen vorkommen, und; Du, Ameis, glaubst Du es nicht?" .« »O ja,« entgegnete dieser ruhig, «eine von zehntausend. Aber ich tenne leine zehntausend Mädchen, mein Bester; ha e also leine Aussicht, jemals dieser Ausnahme von der Regel zu begegnen. obgleich ich’s wohl gern möchte. Muß wahrhaftig eine ganz besonders veran tagte junge Dame sein« solche Ausnah me.« »Nun, tch wünsche Dir, daß Du ihr bald begegnest! Ek- möcbte Dir sehr gut thun; jedenfalls würdest Du dann von Deinen eigenen Schwestern etwas besser denken.« Der hochgewachsene, junge Mann legte einen besonderen Nachdrucl aus dag- Wort ,,S·hwestern« und streiste dabei die Gestalt des vor ihm Sitzenden mit einem eigenthümli chen Ausdruck in den spreche-wen Au gen. Ames wars ihm einen tiihlen Blick zu und sagte dann ebenso nachlässia wie vorher : »Ich spreche sowohl aus eigener Erfahrung wie aus der Lau deh’s und verschiedener Anderer, die die Denttveise unserer heutigen Mädchen kennen. Ich glaube, von allen hier an wesenden Herren, dir das Glück haben, verlobt zu sein, wird sich nicht einer ge trauen, seiner Braut zu gestehen, er ha be Unglück gehabt, sein Geschäft gehe nicht gut und dergleichen mehr. Wenn er es thöte, wäre er sicher in der nächsten Stunde ein sreier Mann.,·« Die wenigen verlobten jungen Leute ini Zimmer sahen sich lächelnd an und schwiegen. Jeder dachte wohl, das; seine Braut die bewußte Ausnahme bilde. Die Anderen nickten Ames beistimmend « u und betrachteten die reitenhaste Ge stalt des jungen Phantasten, der noch an das Glück in der Hütte oder vielmehr tin sünsten Stock einer schmuhigen Miethslnserne glaubte, mit halb idijttis schen-, halb neidischen Biiclrm M Frant hollan ließ sich nicht beirren. »ngleich ich nicht oerlobt bin und auch lerne Gelegenheit gehabt habe, mir ein Ukthtiltüber die Sinnesart unserer mo dernen jungen Damen zu bilden,« sagte l er mit tlarerStiniiiie, »so fühle ich doch. sdaß Du vollkommen im Unrecht bist, « Morton Ame-T Jch bin fest überzeugt, daß manch eines der Mädchen, die wir Beide kennen, freudig die überflüssigen Niithiwenoigleiten ihres Lebens, ja selbst Reichthum und soziale Stellung hingeben wird, um Hand in Hand mit dem Manne seiner Wahl, wenn es nö thig ist, selbst Anmutb und Entbehrun gen aus sich zu nehmen. Ganz angster ben werden die schönen, edlen Regun gen im Menschenherzen nie —- sie wer den immer wieder zum Vorschein tom men — immer von Neuem uns Sterb liche beglücken ..... Die Liebe ist und bleibt das einzig Wahre, Erhabenste auf Gottes weiter Erdel« ,,H«immel, was ist denn eigentlich mit sDir los?« fragte Ames jetzt endlich et was aus seinem Gleichmuth heraustre tend und Frant Hollan mit erstaunt aufgerifsenen Augen betrachtend. »Mensch, glaubst Du wirllich in allem Ernst an diesen Unsinn, dies Gefasel von ewiger Liebe und Treue? Das ist ja unerhört! ——- Die Welt scheint wirt lich noch voll von solchen —« »Narren zu sein. Nun,s gerade diese Narren sind es, die das Leben noch le benswerth machen.« Damit nahm Hol lon sein Journal wieder auf und zog sich aus seinen Plan zurück, ehe Ames sich von seiner Ueberraschung erholen und die ausgegangene Cigarre wieder in Brand setzen konnte. si- V Franl Hollan war nicht ganz auf richtig gewesen, als er behauptet «hatte, noch frei zu sein und sich ein Urtheil über die Dentiveise der modernen jun gen Damen erlauben zu dürfen. Ganz genau wußte er allerdings noch nicht, wie eine gewisse junge Dame über das Heirathen und über ihn, Franl Hollan, speziell dachte, aber unverlobt würde er sicher nur noch so lange fein, wie das Schicksal und Carrie Ames es für an gemessen hielt. Mit seinen Gedanken noch bei desni eben stattgefundenen Ge spräch, machte er sich auf den Heimweg; zu Hause angelangt, unterzog er seine Person einer ernsten, eingehenden Be trachtung vor dem Spiegel. Ob er es wohl wagen darste, heute sein Schicksal herauszuforderii. —-— ---— — Die Antwort mußte nicht ungünstig ausgefallen sein, denn als Franl Hol lan viel später als gewöhnlich sein Junggesellentieim betrat, lag ein selt sam verliiirter Ausdruck in den männ lich schönen Zügen, und der zarte Veil chenduft, das Lieblingsparfiim Carrie Aines’, unischwebte ihn wie ein Hauch. Jn dieser Nacht tonnte er nicht schlafen und doch hielt er sich für den glücklich sten Menschen aus der Welt. Einen Monat später war er einer der Unglück lichsten er hatte sein ganzes Ver mögen verloren. Man hat bisher nie eine befriedigen de tirtliirung dafin finden können, weshalb Geld und Gut oft im ungeeig netsten Momente Flügel erhält und auf Nimsmerwicderseben davonsliegt —— ob gleich einem solch Vortommniß eigent lich zu jeder Zeit ungelegen lommen mag. Meisteiisz aber ist es der Fall, daß gerade dann, tveiin man in« Begriff steht« irgend eine lsrillante Jdee zu ver wirklichen, oder sich wie Frant Hollan im siebenten Himmel irdischer Glückse ligleit befindet, urplötzlich alle Einnah-» mequellen versiegen oder die Gelder, in deren unbestrittenem Besitz man sich vermuthete, unerwartet polnischen Ab schied nehmen und hartnäckig jede Wie derkehr verweigern. f - Es war ern dürrer Schlag, welcher den armen Phantaften, der fo felfenfeft an das Glück in der Hütte glaubte, in« die Lage verfefzte, nun einmal praktifch die Probe zu machen, ob feine Annahme keine irrige gewefen. » Anfangs gab sich der junge Mann vollkommener Verzweiflung hin; die entfetilichftenGedanten fchwirrten durch fein wiiftes Hirn, er fiihlte sieh wie be täubt, iioie vernichtet. Dak- Gefpenfi des Selbftniordes tauchte in feinen ver worrenen Jdeen auf — fchausdernd wandte er sich ab. · Endlich lehrte feine llare Vernunft ziiriietx feine frifche Lebenskraft ge wann die Oberhand, und muthig blickte er denr Unglück, das ihn betroffen, in das talte, grauiame Auge. . Es war Viel verloren -- fein ganzes nicht unbedeutend-ec- Verniögen; aber noch blieb ihm etwas. herzlich wenig al lerdings, jedoch würde es genügen, um mit Sparfamteit, Fleiß und eiferner Willengtraft wieder langsam vorwärts zu kommen. Langfani ach wie unendlich lang fam das war der schrecklichste Ge danke, der ihn ietzt inarterte. Nicht feiner felbft wegen —-— er machte sich nichts aus Entbehrnngen und Ein fchriintungen aller Art - aber sie, feine fiifze Braut. wie würde sie eg aufnelk men? Konnte er von ihr verlangen, daß sie feine Armuth jeyt mit ihm theilte? Durfte er hoffen, daß sie lange Jahre auf ihn swarten wiirde, vielleicht vergeblich warten würde. wenn es ihm nicht gelänge, wieder etwas zu errei chen? Der Gedante an ihr bleicheg, entfes tes Gesicht, aus dem die großen Augen ihn fo angftvoll fragend anfehen wür den, wenn er ihr Alles sagte, machte ihn wieder fchwach und muthlos. Hatte Laudeh, hatte Morton Ames nicht doch Recht? Gab es tein Mäd chen, das freudig Kummer und Entfa aunaen mit dem Manne, den es liebte, tue-n kriiriseDJ Tie innifchen Muße tun-gen feiner Klubgenvssen tönten ihm unablässig in den Ohren. Würde Car tie sich von ihm loösagrm ihr Wort u riieknchntenI Nein, und tausend al »ne:n«! rief es in seinem Herzen. Aber ; durfte er ihr die Zumuthung stellen, ihr ungenehmes Heim, ihre Eltern, von de s nen sie verwöhnt und ver-göttert wurde, jzu verlassen, um mit ihsm eine beschei ! dene Wohnung im fünften Stock einer EMiethskaserne zu beziehen . . .. mit ihm l zu arbeiten, zu sparen, vielleicht zu dar « ben? Sie sollte mit ihren zarten Hän den schwere Haugarbeit verrichten, ih ; ren rosigen Teint an der Hitze des Herd jfeuers verderben, vielleicht auch ihre F eigenen Kleider mühsam mit den feinen l Fingern zusammensticheln ? —- Nein, I nie und nimmer konnte er das mitanse then! ) Nach langem, furchtbarem Kampfe Endlich zu dem Entschlusse gekommen, isreiwillig seinem Glück, seiner Liebe zu entsagen, begab er sich eines Abends, wenige Tage nach dem Zusammener iche seines Vermögens, in das Haus sei ner Braut. i Er glaubte gewappnet zu sein, das ;Schwerfte, dem er jeht entgegenging, jwenigstenez äußerlich ruhig zu ertra .gen. Ach kann Dich nicht bitten, aus mich zu warten," schloß er die unter namen losen Qualen hervorgebrachte Darle gung feiner Verhältnisse. Er sprach sehr langsam, aus Furcht, seine Stim me könnte die innere Verzweiflung ver rathen. »Die Zukunft ist zu unsicher . . . es wäre ungerecht . . . grausam von mir, Dein junges, blithendes Leben an meine vernichtete Existenz zu fesseln. Du bist . . . o mein Liebling. . . ich kann es nicht ertragen!« Und mit einem Stöhnen wandte er sich ab und verbarg dass Gesicht in den Händen. Einen Augenblick herrschte Todten stille —- sein Herzschlag drohte zu sto »cken — das Ende —- jetzt mußte es kommen. Da trat Carrie einenSchritt vor und Lftreclte ihm einen weißen Arm entge fgen, von dem sie den Axrmel zurückge Istreift hatte. i »Sieh mal. Frank, was ist das?« Isaate sie leise. l Mechanifch nahm er den hübschen . Arm in seine Hände und betrachtete ihn. »Ein lanne, rothe Schramme lief wie ein :Feuermal quer iiber die zarte Haut. ; »Was ist damit . . . wag soll das be ;deuten?« fragte er verwundert. ; »Das bedeutet, daß ich schon längst »von Deinem Unglück gehört habe, und dies —--— dies- ist eine Brandwunde.« l »Eine Brandwunde«, meinte Hollan ;verwirrt, »aber wie —s--- was —« l »Nun, lannst Du eH nicht errat·hen, FDU lieber, dummer Schatz?« fragte sie .halb lachend, halb weinend. »Ich habe sangesangem kochen zn lernen, denn zu erst werden wir un- wohl kein Mädchen halten tönnen.« i Das blonde Lockenkövfchen senkte sieh tief, rosige Gluih bedeckte die zarten ,Wangen. Da begriff er endlich. Mit einem Jubelruf preßte Frant Hollan die reizende Gestalt an sein Herz und hielt sie dort so lanae und so innig fest, als tönnte er in diesem Augenblick iiber angemessene Reichthnmer verfügen. —-... Xter Zierr Speiinlarkt · Von Henry Second. 1. »Mein Herr. Sie sind ein » -—— —« j .Bumm !« : Zwei Ohrfeigen fallen, zwei tüchtige Ohrfeigen von der Sorte, daß man· glaubt, die Engel im Himmel pfeiien zu hören. Die beiden »Kämpfer« halten sich die Wange mit der einen Hand, gestituliren dazu mit der andern nnd brüllen dazu wie besessen ! . E »Mein Herr, ich sage anen, das- soll Ihnen nicht so hingeben!« »Das hofse ich, mein Herrl« »Hier ist meine Karte, mein Herrl« f »Meine Zeugen werden morgen sriih bei Jhnen sein, mein Herr!« ! Nachdem die Anwesenden die beiden Streithähne auseinander gebracht ha ben, trennen sich die Gentlemen und be geben sich nach Hause. i 0 Jn einer tleinen Jniiggeiellenwob nung der Rue Caumartin finden wir einige Stunden später den jungenOerrn Achille Lousignac in großer Korkferenz mit zweien feiner Freunde, die eine den Umständen angemessene Miene aufge steckt haben; er sieht noch immer sehr zornig ane, der Herr Achille, nnd geht aufgeregt mit langen Schritten in sei nem Zimmer auf und ab. - ,,·2llto,« meint einer der Freunde, »es ist nicht möglich, die Sache gütlich bei zulegen?« Achille springt wie ein Tiger auf und brüllt: »Die Sache gütlich bei Izulegen? ——— Was fällt Tin Denn ein? — Nach einer Ohrfeige!« »Ja, ich weiß es,« unterbricht der zweite Freund, »das muß allerdings »mit dem Tode bestraft werden!« s »Seid ruhig,« brüllt Achille, von » Neuem aufspeingend, ,,er soll sein Leben verlieren, oder ich will das meine verlie ren! Eher will ich tausendmal an ver dorbenem Magen sterben, ehe ich eine solche Beleidigung t)inunterschlucke.« »Tausendmal, das lasse ich mir ge fallen,« bemertt wieder der ersteFreund, der augenscheinlich weniger triegerisch gesinnt ist« »aber leider stirbt man nur einmal.« Der junge Achille muß die iiriumstöß liebe Richtigkeit dieser Tiiatsache aner — — — — -.-- — i i kennen. Wenn man nur einmal sterben muß, so ist das Sterben immer unan genehm. Doch es ist zu spöt, und da rum behält er seine triegerische Haltung bei, wobei er sich nur durch die verächt lich hingewarsenen Worte eine Hinter thiir offen hält: »Wenn dieser Tölpel nicht einwtlligt, sich zu entschuldigen, gehörig zu entschuldigen. · . .« ,,Abgemacht!« rufen die beiden Zeu gen mit verständnißinntgeni Augen blinzeln. ,,Rechne aus uns, wir drin-Z gen die Geschichte in Ordnung,« mur-s Inelt der martialische Freund; ,,späte steng morgen ist alles in Ordnung.« »Ja, morgen früh,« stimmt der erstes Freund bei, —— ,,doch wo ist die Kartei des Herrn? —- Sehen wir die Karte!« Archille reicht den Zeugen eine Visi tenlarte. und der Freund nimmt, um besser sehen zu tönnen, das Pincenez ab; dann liest er mit lauter und vernehm licher Stimme : »Dottor Fumichon von der Falultät zu Philadelphia. Spezialarzt in allen Genus-. Alltäglich Sprechstundeu von 1()——12x Uhr. 413 rue des Nouvelles Haudriette3.« l »Ein Arzt! Sehr guts Um ihn sicher l zu treffen, werden reit- ihn in seinerz Sprechstunde aufsuelxen.« « »Ich verlasse mich ganz aus Euch, thut Euer Bestes!« ruft Achille, der sichs seit einiger Zeit beruhigt zu haben scheint. « Dann tauschen die drei Helden träf tige Händedrücke aug und quetschen sich so kräftig die Finger, daß sie sich fast ge genseitig die Hände zerbrechen. 0 Am nächsten Tage ertönt es an der Thür des Doktors Alingelingelingt Ein schwarzer Groom öffnet den bei den tadellos gekleidete-n Zeugen die Thür. Tiesschwarz, von oben bis unten zugetnöpft, mit kaltem, strengem Ge-j sichte, militärischer, würdiger nnd ern-i ster Haltung treten sie ein, wie zwei Be vollmächtigte, die außer ihrem Schirrne und ihrem Hute das Leben zweier Mut-s schen in ihren Händen halten. »Herr Doetor Fumichon?« »Das ist hier, meine Herren«, ver setzte der Schwarze, »aber es kostet für einen jeden von Jhncn Jst Francs«. »Wie, 10 France- . . . wir kommen ja nicht zur Consultation, wir kommen um . . .« Die beiden Zeugen versuchen dieThür auszustoßen, doch diese wird von einer Sicherheitstette festgehalten und läßt sich nicht öffnen. Nun beginnen sie zu varlainentiren. Doch der schwarze Afrikanen der nur Eine Ordre kennt, antwortet auf alle rgumente unveränderlich: ,,Zehn Franks Pro Kopf, meine Her ren, einen Louis für beide.« Da die Freunde Achilles nicht fortge hen und ihre delieate Mission nicht un erfiillt lassen wollen, so müssen sie sich schon entschließen, dem schwarzen Cer berug die 20 Franes einzuhändigen, um das Allerheiligfte des Arztes betre-; jten zu können. s i Der kleine, ebenholzsarbene Dieners Jgiebt ihnen nun respektvoll eine Neun-s Tmer und fithrt sie in einen großen, ele-. gant tnöblirten Solon. J Dort warten ein halbes Dutzendl ebenso schwarz gekleideter, ebenso tor retter, ebenso zugeknöpster Herren mit mehr oder weniger großer Ungeduld,s bis die Reihe an sie kommt. . »Sieh, steh,« murmelt einer der Be vollmächtigten des Herrn Achilles Lou signar seinem Freunde in’s Ohr, ,,lau ter Kranke im Gehroel, Feine Praxis. -Dieser Fumichon scheint ein sehr tüch tiger Arzt zu sein« Doch das Zischeln der beiden Freun de ist bemerkt worden, und die Herren werfen auf die Neueingetretenen ein halbes Dutzend strenger Blicke. »Teusel,« sagen sich die beiden Freun de, »das Haus macht aber keinen beson ders vergnügten Eindruck, das Schwei gen und die Unbeweglichteit ist hierVor schrist . . .. Man möchte schwören, die Patienten des Dr. Fumichon wohnten schon im Voraus ihrem eigenzn Be-l gräbniß bei. Brrrr!" - Und beide setzten sich und verhalten sich tniiugchenstill 4 Dann tein Geräusch mehr, kein — Hauch, nichts. Von Zeit zu Zeit hebt sich eine Ta pisserie, eine mit dem Sprechzimmer des Arztes ist Verbindung stehende Thürs öffnet sich und irgend eine Nummer wird aus«-gerufen Dann sieht jeder seini Kärtchen an, und zwei Herren treten in dag Allerheiligste. Dann ist für eines halbe Stunde Alles still. Darauf Aus-! ruf der folgenden Nummern und Ver-I schwinden zweier neuer Patienten I Denn, seltsam, die Patienten des Dr.» Fumichon lommen nnd aehen nur paar-» weise, wie die Ochsen, die tlassischsew Verse, und . . . . die Zeitgen. , Die Zeugen . .. Welch ein Licht-J strahl! . . .. Sollten diese Herrscht-stem anstatt Ferante, wirllich Duellzeugen sein? . . . Aber was ist denn dag fiir ein Arzt, der sich nicht damit begniigt, die-. Leute mit Medilamenten nmzubrinaent » Die Freunde Achilles haben teine Zeit, - diese Verinuthung weiter zu erwägen Sie sind jetzt an der Reihe; endlich überschreiten sie die Schwelle des ärzt-. lichen Sprechzimniers und setzten daJ Motiv und Ziel ihrer Mission ausein ander. Aber der Doktor ist ja gar nicht kriegerisch. Jn zwei Minuten iso. dse ganze Geschichte erledigt. , Der Doktor Fttmichon von der Fa kultät zu Philadelphia schmiert mit sei ner schönsten Feder, aber nicht mit sei ner schönsten Handschrift, einen fast un leserlichen Wisch, irrt-ein er alle mögli W chen und unmöglichen Entschuldigungen vom Stapel läßt. Und die Zeugen gehen, im Grunde ge nommen entzückt, von einer großen Last erleichtert von dannen, ganz abgesehen von deInLouisdor, den sie in den schwar zen Klauen des kleinen Aftilaners zu rücklassen, der, wie ein neuer Cerberus, an der Thür des Sprechzimmers auf gestellt ist. 5. Während dieser Zeit hat der Dr. Fu michon seine Kasse gemacht; er reibt sich die Hände und sagt: ,,Bilanz des gestri gen Abends . . . acht mehr oder weniger lebhafteAuseinandersetzungen in ver schiedenen Cassss und Restaurants. Davon heut Morgen Besuch von 16 Zeugen, it 10 Franks, macht 160 Fres. Für einen wirklichen Kranken 10 Fres. Gesammtsumme 170 FrancsI« Dann ruft er vergnügt: »Die Sache macht sich! Die Sache macht stehl« Zier Gliictegnagei. —-.s.-—- ----—— Von Ernst Rügen. Die Fenster aus den langen, holperi gen Hof hinaus standen offen, denn es war schon mächtig warm. Vor einem dieser Fenster zu ebener Erde blühten Reseda- Und Balsaminen stöcke und dazwischen lugte ein weibli cher Kopf hervor. Das war Fräulein Poldi. Sie saß gerade über einer Hand arbeit, und als sie Schritte hörte, blickte sie aus und grüskte mit freundlichem Lä cheln. »Guten Abend, Fräulein Poldi,« sagte der junge Mann artig, und lüs tete den Hut. »Schon wieder fleißig, und dazu noch ganz allein?« »Ja, die Mutter ist zum Kaufmann und dann muß sie noch Arbeit holen . . . aber Sie haben ja schon wieder was Neues! So einen noblen Stock!« »Ich habe mich heute in Auslagen ge stürzt, nicht wahr, er ist nicht übel?« meinte der junge Mann sichtlich erfreut und reichte ihr den Stock durch das of fene Fenster-. »Ja, und der schöne Griff! Sie wer den noch das reinste Gigerl, Herr Kurz« »Na, so schlimm ist es doch nicht,«« lachte er gutmüthig. »Was bedeutet denn dieses Ding, das sich da herumschlängelt?« »Das ist ein GlücksnageL Fräulein Poldi, eine Art von Talisman,« setzte er ihr sehr ernsthaft auseinander, und wiederholte ungefähr, was der Vertäu-« fer gesagt hatte, als er dem arglosen Vorstadttinde eine abgelegte Mode auf geschwatzt hatte. Auch die Ladensrtzer müssen ihre Abnehmer finden! Und überdies war der junge Mann Von sei nem Kaufe entzückt! »Sind Sie denn so abergläribisch?" fragte das hübsche Mädchen mit schalt haster Miene und gab Herrn Kurz den Stock zurück . . .. »Das gerade nicht, aber ich könnte es noch werden . . . ." »Wie so denn?« »Schauen Sie, seit Mittag trage ich meinen Glücksnagel und jetzt vor einer Stunde hat mir gerade mein Chef ange kündigt, daß er mich zum Leiter unserer Filiale in Brünn bestimmen will . . . .« »Sie gehen also fort von Wien?" fragte sie etwas betroffen. »Natürlich!« bestätigte der junge Mann, aber im selben Augenblick em pfand er die Nothwendigteit, etwas Passendes zu sagen, und meinte verle gen: »Ja, es thut mir einerseits sehr leid, daß ich nicht hier bleiben kann . . .« Sie verzog das zarte Gesicht zu einer halb ärgerlichen, halb schmerzhaften Grimasse, beugte sich über ihre Arbeit und sagte blos: ,,Hosfentlich treffen Sie es recht an genehm . . .. ich wünsche Jhnen gewiß das Allerbeste . . »Ich danke Jhnen sehr, Fräulein Poldi«, sprach er etwas befangen, und da sie nichts erwiderte, gerieth ihr Ge spräch ins Starken Er blieb noch eine Weile stehen und zögerte, doch da sie ganz von ihrer Näherei in Anspruch ge nommen schien, grüßte er und ging in sein leschcidenes Hoslabinet, das er nun schon seit geraumer Zeit inne hatte. Er wollte seine Wäsche und Kleider packen, denn obzwar noch eine volle Woche vor ihm lag, quälte ihn schon sein pünttlicher, gewissenhafter Sinn, er trinnte Vielleicht nicht ganz reisefertig sein. Aztetf hatte er sich schon auf diese Vorbereitungen den ganzen Nachmit tag über gefreut —-— aber jetzt. da er Stück um Stück mit peinlicher Sorgfalt in den netten Koffer sehlichtete, überta men ihn allerlei wehmiithigc Empfin dungen. Seine frohe Stimmung war derslogcn. Er empfand dies und war sich doch iiber die Ursache teineswegs llar. Plötzlich dachte er an Fräulein Poldi und an ihre gelriintte Miene. « seelialb sie nur so beleidigt gethan hatte? Herr Kurz war zwar ein sehr tüchtigen rserläszlicher Geschäftsmann, hatte sich in ein- und demselben Hause wacker Dom Lehrlinge zum Vertrauens manne eriidorgearbeitet, aber von Her zcnssachen Verstand er blutwenig. Des halb schiittelte er jetzt den Kon und be gann wieder einzupacken Am liebsten wäre er schon in der Eisenbahn geses sen, anstatt noch so viele Tage hinzu warten! Die turze Frist verging übri gens rascher, als er geglaubt hatte, aber wenn er an Fräulein Poldi vorüber ging und ein paar Worte mit ihr wech selte beschlich ihn stets eine seltsame Besangenheit. Sie benahm sich auch so ganz verändert: Waren ihre Gespräche früher schon so harmloser Art, daß sie jede i Kindergarten zur Zierde gereicht v - « J · '-H«-F». hätten, so bewegten sie sich Ith pgat en nerhalb einiger nichtssagender even-s - arten. Vielleicht hätten die Beiden » Stoff genug zum Plaudern gefunden, würden sie das richtige Thema gesucht haben. Daran fehlte es eben . . . . So taiii der Tag der Abreise heran, nnd Herr Kurz, der von e: ner gewissen Unruhe geplagt war, trat bei Zeiten seine Abschiedsbesuche an. Jn seinem besten Anzuge, mit einem neuen Hut und, nicht zu vergessen. mit dem ele ganten Stock, klopfte er zuletzt bei Fräu lein Poldi an. Er sah recht vortheil haft aus-, der neue Leiter der Bronner Filiale »Ist Jhre Frau Mutter nicht zu Hause?" fragte er, nachdem er denZweck feiner Visite angetündigt hatte. »Nein, sie ist liefern gegangen. .je den Samstag — meinte Fräulein Poldi niedergeschlagen. —— Aber nehmen Sie Platz, vielleicht kommt sie noch zurück « Er setzte sich auf einein der gebliimten Fauteuils, welche dem einfachen, doch sehr neiten Wohnranin einen Schimmer von Komfort verliehen, legte Hut und Stock bei Seite, nnd lsie begannen zu plaudern; von allerlei nichtigen Din gen. Von der Reise, wie es ihm in Brünn gehen wiirde und ob es dort auch so thener zu wohnen wäre, und so schleppte sich ihr Gespräch schwerfällig hin, bis Herr Kurz meinte, er könne nicht länger warten, so leid es ihm auch thäte, die Mutter nicht mehr gesehen zu haben. Er stand also auf und reichte ihr die Hand zum Abschied. Er fiihite wie ihre Hand bebte, fühlte auch, daß er gerne Iein paar herzliche Worte gesagt hätte, ,wie schwer ihm das Fortgehen werde, iaber er fand sie nie«f., nnd so schritt er hinaus mit einem alltäglichen Gruße, und sie schloß die Thüre hinter ihm, Isagte adieu, just ale- ob er in einer Vier telstunde wiederkam Aergerlich und in gedriiriter Stim mung entfernte sich Herr Kurz nach sei ner Wohnung, urn den Dienstinann mit dem Gepäel abziifertiaen, doch während )er die Treppe hiiianfschlich, bemerkte er iplötzlich daß er seinen Stocknicht hatt-e l «Zu dumm,« iniirnielte er, Jetzt habe ich ihn unten vergessen.« Ohne übrigens lange z:i zaudern, lehrte er wieder um zind klopfte an. Nie mand antwortete-. Er klopfte nach mals, jetzt etwas stärker-, nnd di wurde plötzlich die Thüre ausgerissen nnd vor ihm stand Fräulein Poldi. Aber in welchem Zustande! Die Augen roth-ge- . weint, die zarten Züge von Schmerz und Erregung fast entstellt. Sie machte eine iiniriilliaelöeioeaung da sie ihn erblickte, nnd wallte fortlau fen, aber er hielt sie zurück nnd rief be stürzt : »Was ist denn geschehen, Fräulein Poldi?« · »Nichts, gar nichts . . . ,« sträubte sie sich nnd schliichzte heftig, doch er bat sie »so eindringlich und bit sie so herzlich . . . HEndlich hatte Herr Kurz verstanden, daß es neben Cehloii Cuba nnd Portoi rico noch andere Tit-nie giebt, die ein Menschenaemütli iii inillem und ob zwar diese-H Gebiet f:ii ihn fast iien war, machte er docb als file diaer strebsame: Mensch die ei- siaiix lfichstcn Fortschritte, küßte seine liebe, ante Poldi, so daß er im Nu der LehreriNi 1jise den Kopf tie tvachsen war »Aber weshalb bistT it denn eigent lich zurückgekbii i:.en«?« fragte sie end lich, Unter Thränen selig lächelnd . »Ich habe meinen Stdn mit dem Glücknagel vergessen- ’« rief er ganz ans gelassen vor Freude nnd schloß sie sesi, recht fest in seine Arme. --—-O—--———- --——— s Ein interessantes Judi lä u m will in diesem Sommer das südlich vom großen Miiggel-See gele »gene Dörschen Miiggelheim begehen, nämlich den Tag, an welchem es vor 150 Jahren von Friedrich dem Großes » egriindet wurde. Die Müggelheimet Jätistungsurtnnbe lautete vom I. Juli s1747, Griinan folgte 1753, Adler-Elias »und Süßengrund 1754, ebenso Johan inisthah Friedrichs-nagen 1755, Ner TBohnsdors 1768 und Neu-Glienicke J1765. Jn Grünerlinde (1752) und TSchönweide (1.764) siedelte der König »Böhmen an. T Die letzte Nummer des ",,Leipziger Musikalischen Wochenblat tes'· bringt eine bisher unbekannte Kla vier-Komposition Richard Wagners. Dieselbe is: im Jahre 1861 in Paris entstanden, ,,«.)lniunst bei den schwarzen Schtviinen« betitelt nnd trägt die Wid mung: »Er-inne edlen Wirthin Frau Gräsin Pourtalecs zur Erinnerung von Richard Wonnen« Gräsin Pourtales war die Gemahlin des preußischen Ge sandten in Paris-, Grafen Poiirtales« mit dessen Familie Wagner freund schaftliche Veziebunzsen unterhielt. —— Jn Läitartiugvkllh J11d.· brach am Samflaa Abend die Maschine der Conimercial iklectrie Liaht Co. »zu sammen und fast siinnntliche Geschäfts häuser der Stadt laan im nächsten Mo ment im Dunkeln Das Unglück neig nete sich kurz Vor dem Akte-wessen und in Hotels, woselbst die Gäste sich soeben zu Tische setzen wollten, trat eine heillose Verwirrung ein« Viele Geschäste muß ten schließen. Jn den Kirchen, die alle mit elektrischen-. Licht erleuchtet werden« mußte der Abendaettekdienst ausfallen. »s- In ein feines Case am New Bettler Broaomay kam ein junges Elegant, tranl drei Flaschen des beste-i Chanipaanerg, einige isocktails u: ; fiillte sich die Tasche mit seinen Giga ren, dann legte er T Muts als feine ganze Bank-mass t«sin. Xlsian liesz ihre verhaften, aber der ««lioli«zeiriel;ier setzte ihn Proinpt in Freiheit.