Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 09, 1897, Sonntags-Blatt., Image 7

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    Sottittaas-Blaxt.
—- Bcilagkdes »Anzciger nnd Herold« zu No. Bl, Jahrgang l?. .
J P Windolph, Herausgehen
Grund Island-, Nebr» dcn LI. April MIN.W
» gemilleclinm
Roman von H a n s R i eh t e r.
(Fortsetz-ung.)
Schust, knirschte er, sich mühsam
sassetw, du hast mich verrathen und
betrogen-— was soll das GaukelspieR
Wer sist der Mann drin?
Der Herr Baron.
Der Todte?
Er war ja gar nicht todt —- ich
durfte es aber nicht verrathen Er
schwur-, mir eine Kugel Vor Den Kopf;
zu schießen, wenn ich auch nur durch
eine Miene ahnen liesß, was- ich durchs
einen Zufall wußte, und, so wahr ich
vor Ihnen stehe, gnädigster Herr, es·
war ihm blutige-r Ernst damit. Jch!
habe noch nie-Jemand gesehen-, Irem sein
und ein paar andere Leben so gleich-I
gültig gewesen wären. Was sollte ichs
thun — Sie kennen ihn ja! «
Egoni begriff nach jmmsesx nicht. Er
faßt-e sich an den glühenden Kopf und
mnrmielte: Kommen Sie Heute noch zu?
mir —- ich kanns nicht berste-den« wie
das möglich war· " :
Ganz zu Jhrxn Befehlen, gnädigsten
Herr, sagt-.- Jacanes, mit Inn-: Ver
beugung, die fast zu tief war, :::n nicht
spöttisch zu sein« Und dffnekc ji«-In die
Thür. !
Sirbendcs Capitci.
Nach jenem Schrei war Jlieiitta besi
wußtlosz niedern-sanken Ali- ihre;
Sinne Iangsam mit-berichten fand sie«
sich halbliegend auf dem «Zopho, vor
ihr. ihre eine Hand fest mit derieinigan
umschließend, stützt-: sich Robert auf ein
Knie. Wie um ein-en wirren, schre
ckensvollen Traum zu verfcheuchms
strich fi: mit Der freien Linien über-;
Stirn und Augen. Mit von sEeiigteiis
krfiillims imiz doch noch zweifeinden,s
scheuen Mitten sash sie auf den vor ith
Krisis-kirren nieder. I
Ich weiß nichtqräutne oker wache
ich? Gieb! das Felsengrcb fein-e Tod
ien wieder? Rohr-cis Du bist es sp— ich
hörte deine Stimme, ich sehe kein liebes
Gesicht und fühle den warmen Irrt-L
deiner Danks-lebst du? Lebe ich Miit
noch?—Wie ein Hauch iieierz Die Weiter
von ihr-en Lippen.
Wir beide, und ich hoffe-, noch recht
lange und glücklich, sagte ric: Bart-:
leise lächelnd Finde dich drein. »Jet
ste, mich noch bildend zu wissen
Und du- warst nicht todt! --- Was
spreche ich! Ich begreife es noch nicht«
es ist zu Viel derlleberrusckmng und Ists
GkückeHZ rief Mclittcn ihre Arme um·
seinen Hals schlingt-no unsd iin zu sich
empotziehend. «
Er fühl-in daß ihr verstörteå Ge
miiih der Beruhigung bedurfte, bevor
er wag-en- tonnie, ihr das immiågiichl
Scheinen-de zu erilärm Leise sprach
or auf sie ein, zärtliche Liebes-winte,
tän-delnde, kosmde Erinnerungen in je- ;
m innigem zarten Weise, welche an
dern missen leidenschaftlichen Manne
so wunderbar berührte, einst ihr Herz.
zuerst gefangen genormnien hatte unb«
auch jetzt wieder mit Zauberbnnsdens
umstrickte. Und wie sie sich innig ins
skinen Arm schmiegt-h an sein-e breiiej
Brust lehnt-, sein Herz an dem ihrigen:
klopfen fühlte, so schien alles Mißverssz
ständniß und Leid, thsen und Ver
schalt-en wie die Glieder einer gesk
sprengten Fessel an- ihr niavrzitsmkemj
sie Mbst sich UND-Mng in eines
rein-ere, glückltichereWelt, »in welcher nur !
gertramnde Liebe wnsd Wracht wohn-l
n.
DIE-. —-t. -- s-.«, m-« - . i
i
?
our-onu- Jquu u W cll FO! Ucll llclcy UllDs
begann zu berichten: Rege di ch nicht«
auf, wenn ich dir sage, ich suchte den
Tod. Jshn zu finden war oft meine
Absicht, als ich in disn Bergen jagte.
Einst war den Gedanke sin mir ausge
stiegen, mich im Duell durch Buchrorc
tödten zu hassen —- MeitttaL unterbrach
er sich mit zärtlicher Mahnung, als er
sie in seinem Arme zusannwenzuden
fühlte —- ich verwarf ihn. ebenso wie
denn auch denfenigen an Sebbstsnwrd «
Du solltest soei sein, ganz frei. dem
fernere-E- Gkiick zu suchen wo und wie
der wollt est, und jener Tod hat-re di.r
doch einse steckte umgeme vielleicht deine«
Herze-närer und deinen Ruf für im-««
mer vernichten Der Zufall, den ich
herausforderte, kam mir entgegen; ans
der wilden Felamm stürzte ich ab.
Nazi. der alie Revierjägen reitet mich.
mit eigener Lebensgefahr und schier-vier
mich ins seine Hütte-. »Zum Dank;
fluchte ich il,-n1. als ich zmn Leben wies- ’
der erwachte Mein letzter Gdantk irr
Sätzen war dein Gluck gen-e se.1, i ,
mochte mich nun nicht darein equh n, -
es dir noch länger herzu-entwallen —- .
glaubte ich doch, du könntest es nur
an der Seite eiqu andern finden.
Plöhkich aber erwachte ein-. unwider
stehliches Verlangen ins mir, nenne es
grausam, absurd, wahnsinnig — es
ivar da und ich vermochte ihm nicht zu
widerstehen: ich wollt-e todt gelten für
alle Weit und dich mir einmal noch
sehen iii deinem neuen Glück. Nazi ließ
sich leicht dazu bereden; während ihr
msich siii der wildem Fllanim s uchtet, lag
ich in seiner Hütte mit gebrochenem
Arm unsd eiiidrückten Rippen in der
hintersten Kammer. Wie osi hörte ich
in der Borderstube Egons fluchen, wie
oft dich weinen und klagen, nnd dann
bedurfte es aller meiner Willens-trost,
um iiischt aus demBeitt zu springen und
mich dir zu Füßen zu werfen.
Robert — Robert, wie ionntest du
so grausam mich leidenlassent rief Me
litta mit zärtliche-m Vorwurf.
annig küßte de r Baron ihre lMino
die tie iim seine Schulter g legt hatte.
Es war ein Wohin wie alles, ion
hinier uns liegt! Litt ich doch selbst
wohl am meisten. -— Jacque:, den ich
durch Gold und Drohungen gen-Dienen
berichtete mir in kurzen? ,iiv seist-män
iiiseii von deinem Leben, und iiiin be
gann ich zu wanken. Seit zwei Mo
noteii bin ich in Berlin, its deiner im
msittselborsten Nähe sogar-. Wi e oft ink;
ich iich an meinem Fenster vorüberge
heii oder fahren, wie oft stand ich stun
oznlcinq vor dem deinigen odei folgte
dir, von weitem wi e ein Spion, ioenn
ti- i cui-gingst! Schon war ich .ii. Be
qriii neiresen mich dir iim Berge -"-::;i.
flehend iii Füan in meri n, nsl kein
Bei .sb i Biichrodt -:« «7Boh:.i:!k3 tsiiett
noch einmil irre nnchte.
JJCTUUU lUUl åsclllg Ell-DELIT
Akso auch das weißt ruf - -— Ok.
ietzt erinnere ich mich! Der Mann im
Mantel, der mich mit den glänzenden
so wunderbar an dich erinnernben klu
gen im Vosriiberaehen sixirks . . . .
War ich selbst! Jch trink di
Und du glaubtesi . ..
Nichts-, was dich verletzten kö::nte!
Jsch wußte bereits, Kcß Vaxsrnrt im
Duell verwundet war, und rser Todte
hatte dich schon genauer erkenan ge
lernt, als es: letter der Lebende gethan
Der letzte Zweifel, hätte ich noch einen
solchen gehegt-, müßte ja jetzt geschwun
den sein. Vergiß auch nicht, disk-, Ich
deine letzte Unterredung mit Entw,
ich meine die soeben- stattgektnbte, völlig
act-hörte Jacqttexs unterrichtete mich
sofort von seinem Besuche, ich Verdaer
mich in deinem Echlafzimnten Unbe
wuszt gabst du mir den unzwciielhastes
sten Beweis deiner Liebe.
Wnßte ich doch selbst nicht, wie nn
en«dlich sie war, wie unauslöiliclx mein
Leben mit dem deinen vertettet ist, bis
ich dich verloren hatte! rief ZUielitta.
Und wie ich dich, liebtest du mich wo
ber und warum denn alle diese unsrig
lichen Leiden? ·
Darüber-, erwiderte der Bart-n mit
ernster Stimme, habe ich unzählige
heiße, schwere Stunden gegrijdelt in
dem stillen Kämmerchendes eilten Nazi.
Der Sturm, der über Fette Hütte dahin
brnuste, die schneebedertten Vergl-Linn
ter, die zum Fensterlxreingriifjtein Das
Ticken der Uhr, das in nimmer mildern
Gleichgang die schleichenden Minuten
maß, mach-ten mir die Wettstreit ltarx
zwischen Tod und Leben schwebend,
ja, schon ein Todtersiirdie Welt, fühlte
ich, dasz es keinen Sieg und Preis giebt
ohne Kampf, keine wahre Ruhe ohne
voran-gegangenen Sturm. Wir waren
zu glücklich gewesen« Melitta, trir hat
ten nichts zu fürchten und zu soraten
gehabt, kein Hindernis-, zu überwinden
keinen Widerstand gegen unsere Ver
bindung zu beseitigen « so geschah es,
daß wir uns trotz unserer Liebe noch
nsicht ganz verstanden, ich eine blinde
Eifers uchi Gewalt über indich gewinnen
liess» du mich fürchte-n lerntesi und sw
hest· An jenem letzten Abend hör-le ich
lich zu Buchrobt einige Worte spre
chen-, die wie glühen-de Funken in mein
Herz fielen: »Wie gern- wünschte ich,
daß alles and-ers gekommen wäre, aber
ich bin snsschi srei — nsicht mehr!«
O, häsiiest du doch g-elanscht, was
wir vor-dem und nachher gesprochen!
Spät-er sagte ich mir das selbst; da
mals genügie dieser einzige Satz, um
die wahnsinnigste Wnih in meiner
Brust anzusachem Gedanken, die mir
noch fest die Schamröihe in L-Ec Wan
gen trieben-. Blick-todt war nie seinem
Tode so nahe als an jenem Abend. —
Was dann- geschash, weißt du; ou selbst
hast mich Dir giereiiei. Eli-ich immer
glaubte ich nicht an deine Lieben wohl
aber wiedcr an dein edles, großes Terz«
und dieser Glaube streifte mit einein
Ijiale alle Schladen von meinem ein-:
nsen Gefühle ab. Kein Begehren- tout-die
mehr wach in mir. ich suchte nsur noch
dein« Glück Und sür mich — den Tod,
der dich befreite. Jch hoffte aus einen
Unglücksfall, suchte Streit wie ein
Raufbold, nur um nicht den Gifdanlen
sin dir zu erwerben, ich sei freiwillig aus
dem Leben geschieden Zuerst erschüt
terte dein Bei-lehr mit Redruth diesen
Vorsatz; deine Absicht, meine Eifer
sucht zu erregen, iag der-Mich zu Tage
—- wise hätte dieser steife Geck dir mehr
sein können als, um Buchrodts Aus
druck zu gebrauchen-eine Karte, die du
gegen mich ausfpieltesU Zweifel, die
eine beseligensde Hoffnung in sich
scllossem begannen in mir emporzu
steigen; kaum entstanden, wurden sie
wieder svernichtet durch den Ring
Buchrodts, den ich unter deinen Juwe
len fand.
Wahr-haft entsetzt faßte Melitta noch
der Stirn. Ein Ring Buchrodts nn
ter meinen Juwelen siammselte sie fas
sungsloå
Ein Fam-ilienerbstijck,an das sich der
sonderbare Aberglaube knüpft. daß er
den Gebet nnd die Empfänger-in zu ei
nem unlöslichen Bunde vereinige. Er
erzählte mir das selbst an jenem letzten
Abend auf der Nicolsbutg. Wahr
scheinlich hatte er ihn nachlässig wieder
aufgesteckt, denn Egion fand ihn im
Schloßhofe und ließ ihn vskurch Joches
in mrine Casfette einsschmusggeln. Der
Nichtswiirdige hätte keine schärfere
Waffe finden können, mich ins tiefste
Herz zu treffen und uns fiir immer zu
tr-nnen. welchem Ziele er schon seit
Jahren nackt-strebte Jn Zürich noeli
lonnie icb nicht anders glauben, cl
diefkr Reif sei ein Geschenk leirodts
Tau dich und dir dEe scltscznis Any-tät
ebenso bekann: wie mir.
Jxxii fis-de ihm nie besessen, fern-XI Mc
ri. I- ' '
li.iii KZYTIC.
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Jacques verrisxtb mir das späier, als
ich seine Verräther- und Spionen:ksk:ezs.:
ste lscsser bezahlte ais Egons —- der Bez
ron zog den Ring mit dem flammender-i
Rubknberzen und dem zierlichen B her-s
vor, und Melitta erinnerte Ich nun ins
die That, ihn an Buchkodtss Hand ge-:
sehen zu haben. ——« Nun-, fuhr er als-i
diente fort. war mein Entschluß ent
giiltig gefaßt. und um ihn so rasch und
mvekdächtig als möglich ausführen FU«
lkönnem betrieb ich unsere schleuniqej
Reise nach Schönberg» . . Und sichs
Melisita, in dieser bossnungelosen Nie-(
distgeschlagenbeii, am Rande des Gra
bes stehend, füblte ich, das-, es erweist
Heilige5, ja, Göttliches um die wechke
Liebe isi und sie allein unk- Zu est-m
lGoti emporheben kann, der- sie, einen
Odem seines Tlliundieä in unser Herz
pflanzte, Jch hatte mich-selbst til-er
wunden-, ich lonnite gefaßt und wills-g
sterben fiir dein Glück .....
Lebe, lebe fiir mich, denn nn: in dir
kann ich selbst leben und glücklich sein!
ries"Melltta, ihn fester umschlingen-U
als strecke das Grab noch einmal seine
Arme nach ihm aus«
Er ist vorüber-, der Kante-L Joch
seine köstlich-e Frucht wollen und mer
den wir durch unser ganze-S Leiden gie
nießen, sagt-e der Baron in feierli-.i;se:n
Ton-e. Erinnsetst du dich, Liebste, noch
deinet·Wott«e, es sei auch unser-di Le
benshimmel ein Gewittersturm ausge
zogen? Wohl wars er uns hart nie
der, doch er reinigte auch unser .«-3er;,
von Schmächm und Jrsttshiimem jagte
sie wie Staub von- dannen, für immer,
und frohen, festen ruhigen Muthes kön
nen wir von neue-m in die wollenlose
Zukunft schauen. Was auch geschehen
mag, uns schreckt und trennt kein
Sturm mehr!
Amen! sprach Meist-ja leise-, doch
bestimmt. —
Ockp m---— m-k.-—t -». cu.«
Ost-« WLUU IllUUcCc UJI LULUHÅYU
lMorgm die Wohnung Egoitk auf-«
suchte, fand er dortalles in unbeschreib
licher, fchwckensvollet Verwirrung; er
erhielt sogar erst Ein-Laß, als- ist sich
dem anwesenden höherm- Criminalbess
amtvn legitimirt hatte. Egoni trat ci
nm Mit-brechen zum Opfer psefallm
Sein Kammerdienser wußte mir fol
gendes zu berichten: Iomlich spät am
Abs-nd war, wie öfters-, Jocqich ge
kommen-, Tessen Untern-bangen mit sei
nem Hex-m zu stören, oder mich dabei
nur im Nebenzimmsesr zu- blseiben, ihm
strengstens verboten- war. Da der Va
ron ihm außersdiym bedeutede, daß et
sein-er nicht mehr bedürfe, Um er sich
alsbald zu Bett gelegt. Als er heute
Morgen Musen Herrn zu der gewohn
Lsen ziemlich späthtusnde weckt-n woll
te, fand er ähn- todt in einer VIII-flache
vor sein-km SchreibiisckY noch di: Was
er, ein Papier-messen in der Brust.
Für Robert war dersusaimmembang
leicht etllärlsichx Eigon heute dem doppel
ten Vier-rächen der ishn um die Frucht
seiner Intriquen gebracht, beschimpr
wahrscheinlich sogar, wie disI noch auf
dem Teppich liegen-be Resitpeitsche an
deutet-e, mit thätkichen Msißhandlungcn
bedroht, uind der rachsüchtig-e, leid-en
schafiliche Franzose die nächste Waffe,
das ihm zur Hanod liegende dolchtartige
Papiermesser, ergriffen und seinem
Gegner in- die Brust gestoßen. Mög
licherweise war Mc That auch die Folg-e
eines vor-her gefaßten Planes-, wen-ig
stens ließen dies beflecktens Handtücher,
das blutige Wasser in der Waschtoilette
des Schlafzimmersund idsise durchwühl
ten, beraubt-en- Schreibtischfächer dar
auf schließen-, daß der Mörder sehr bald
seine ruhig-e Ueberleguing wieder-ge
wonnen, sich sorgfältig gesäubert und
sich fiir seine Flucht mit einer sehr
beträchtlichen Geldfumme versehen
hatte.
Auf Melitta iibte die Schreckens
nachricht eine tiefniederschlagsende Wir
kung, so verhaßt ihr auch der Todte ge
wesen war. Wesentlich gleischgülstiger
nahm sie der Baron. Vielleicht regte
sich in ihm sogar-Anmut auch unbewußt«
eine gewisse Befriedigung den heuchle-»
rischen Schurken, ini dessen Adern doch
immerhin das gleiche Blut floß, der
außer ihm einzig seinen Namen trug,
bestraft zu sehen, freilich sehr hart, aber
doch ohne daß er selbst sein-e Hand an
ihn gelegt hätte.
Die, nach dem journasliftischen Aus
druck, senfationelle Mordaiffaire stellte
stkn Namen Nicolati zwar in den Vor
dergrund des Tages, lenkte aber auch
zugleich die Aufmerksamkeit von dem
Wiedererscheinen des seit Monaten
todtaesagten Barons Robert sehr we
sentlich ab. Man bxsaniigte sich, mit
den Achseln zu zucken «—- dies-er oftin«di
sehe Capitän war nie-um einen barocten
Einfall Verlegen aewsssenx Das nächste
This-i wird cr, ivise Karl der Fünfte, zur
Probe sich in den Sara legen nnd feier
lichsi in derFsamiliengruft beifetjen las-—
se:i. Damit ging man in der Hoch
fluili Der Ereignisse --—s es liatte noch
ein Aufsehen erreaendegs DuilL ein
Bienenstande-eh eine große Var-also
dir Entführung einer bekannten Dame
der Gesellschaft und ein Dampfe-run
fall firttgefunden, ——-— iiber die- Angele
aenkieiien bund-ca welche in kleiner-en
und stiller-en Kreisen die liebe YOU-Zier
De noch :::o.".-Jtel.i:ig befijniftiat habet-.
"; -
Wirer
«
Lronpcnr krirrrinæ MAan Der Bo
den unter den Füßen Sie sehnie sich
nach Einsamkeit, ihr wiederqewonnenesi
Gliick Tiinlfse Zu genießen ——— imd doch
wnr sie es, irclche zuerst den Wunsch
ans-sprach, Berlin ersi zu Verlassen,
n-.rchd:iii sie Konrad Buschrodt versöhnt
hobe, worin sie übrigen-J nur ihres
Gesten cinineni Verlangen zuvorkom
»
X«
TieE erwies sich nun als einer jener
Wünsche, die sich leichter aus-sprechen
als erfüllen lassen. Nachdem es dem
Baron nicht oskmse Miikie
Biichrodfs zum zweiten Male gewech
selte Wohnung zu erfragen, wurde er
Von dir Wirtbin so oft rnit dem Be
reit-en, Herr Buchrodi sei ausgegan
gen, ebne-triefen daß rie Absicht selbst
beim großien Yohlwollen nicht Ver
knnnt werden tonnie. Nun sandte er
ils-n den Ring mi: einer kurzen Erklä
rung, wie derselbe in seine Händ-e ge
kommen sei, und der Bitte nm eine Un
lerr»ednng, welche sicherlich die Wieder
herstellnng des einstigscn freiiii-k-schnftli
chen Verkehrs, die er ebenso lebhaft
wiinsche, til-Z seine Gsii«:mkilin, herbei
siiliren werde.
Niclii m der höflika
förmlich-er antwortete « er
spreche sowohl siir die Ziniicsznrk dec
ihm sehr rlyeuren Ringes wie fiir daz
ilnn ohne sein Verdienst entnezrennks
tragene Wohlwollen seinen verbindlich
sien Dank Aus-, sei-e sich aber lekkser au
genblicklich niswt in der Oriac
schriftliche Pflicht-en
men.
Vergebens schrieb der Baron zuriiH
es handle sich doch keineswegs um For
mensachen, sondern um ein vier-trauli
ches, alle Jrrilyiimer lösende-Z Aus-spre
chm Von Herzen
fügte
Worte binzu —— Konrad gab keine Ant
wort mehr-, wnr nie zu Hause-, noch ir
gend anderswo zu treffen. Wen-n- auch
widerstrebeno und zögern-d, konnten sie
sich Doch nicht länger der Einsicht ver
schließen-. daß weiteres Drängscn seinen
jetzt noch unversiiihnlichen Groll ledig
lich verschärsen würde. Mit einem
schriftlichen Libewohl, das zugleich die
Hoffnung aus ein balsdisges und fröhli
cheres Wiedersehen ausdrückte, verlie
ßen sie Berlin und Mist-en den Zugvö
geln entgegen wieder nach Schön-berg.
sv
lot
..4,.
gelungen-«
q:sell-.
nuf sich zu noli-»
zu- Herzen, vergsebensz
Melilta einige herzlich bittende«
Achse-s CapiteL
Finstern Auges vor sich l)inbrijtmd,
saß Konrad Buchrodtin einem größern
Restmzrc1ni, abseits an einem Fenster
t-ischchen. Er hatte den »Arbeitsmarkt«
der Tagessblätxer durchflogen, um nach
einer für ihn geeigneten Stellung zu
such-en —- lächserlicher Wahn! Was das
praktische Lesbsen, der Kampf um das
tägliche Brod, erforderte, hatte er nicht
gelernt, und was er gelernt, konnte er
nicht verwerthen, wenn er nicht noch
einig-e Stusfen weiter abwärts steigen
wollte. Noch tmmer hielt ihn sein
Stolz vor diesem letzten Schritt, der
ihn vielleicht in deni Stall eines Circus
oder auf den Fechtboden gefiishrt hätte,
zurück, obwohl sein ganzes Vermögen
nur noch aus einer kleinen Rolle Geld
bestand, etwa für zwei oder drei Mo
nate ausreichend.
Wieder hatte er nichts gefunden —
da er weder zum Portier noch zum
Provisionsreisendens in Lexikien oder
Cigarren genügende Neigung und An
lage fühlt-e —- nun blätterte er gedan
kenlos in den Beilagen, kaum wissend,
was- fein Auige las. Da blickte ihm
plötzlich aus dem Absatz Familien
nachrichien aus andernZeitungsen« sein
eigener Name entgegen; unter der Ru
brik Verlobungen stand: Fräulein Eli
sabeth Buchrodt mit Herrn Brenner
lieutenant Grafen Emmo Schmk zu
Altenegg, Freiherrn von Hohenstein
und Rebberg fLichtenau-Neusta"dt).
Elli? . . . er las noch einmal, urn sich
zu veraewissern, daß er sich nich-i ge
täuscht hatte. Wie seltsam es ihn be
rührt-e, daß Clara, deren Verbindung
mit Alten-eige( er stetserwartet, noch frei
war! Er errieth, daß sie ihn noch nicht
überwunden hatte. .. arme Claral Sie
litt nicht weniger als er, in der Liebes
ist ja nicht die Hoffnungslosigkeit der;
bitt-erste Schmerz,so11kern die Erkennt
niss, der Unwiiridiqteitdes aelisebten Gie
qenstkindes. Liebe ohne Achtung mag
bei starken, stolzensttarakteren ein Un
din feins, feiner organisirie, bei aller
Leidenschaft zart empfindende Naturen
llnmnsern sich daran fest, selbst wenn,
sie fühlen, des: an dieser Tttipve ibrl
acumi- Lelxrnealiiet sche-E:eri.
I
i
Konrad war ruhig genug geworden
darüber nachzudenken Jrn Geist wan
rerte er oft durch das freundliche Lich
tenauer Haus, er sah den Oheim Land
ratli mit Dem runzeligen guten Gesicht,
die lange Pfeife im Munde, seine Zei
tungen lesen, Mama immer beschäftigt
in Küche und Speisekasmmer energisch
das Scepier führen, Elli und Altenega
ixr its-end ein-ein Winkel fliisstern oder
sicli stumm die Hand drücken nach echter
Verlobtenart —«s wie seltsam komisch
1sicls der unbeholfene, vierschröiigse Mann
als Bräutigamausnehmenmußiek Und
kann, ganz allein in ihrer Fensterni
sche, Slara tränmersischhinauf-sinnend
über die frisch ariinenden Wiesen nach
dem Dunkeln Höhenznae, von welchem
die grauen Tliiirnie Der Nicolsburg
stolz heriiliergriißien ——- eine welkende
Blume-, hatte Alieneaa sie aenannt —
und mit entsetzlicher Deutlichkeit er
schien sie ilnn vor seinem innern Aug-e:
gebleicht die rosigen Wangen, umflori
das Hinwede so oft strahlend in
Glück, Liebe und Hoffnung an dem
seinigen gehangen, entfärbt und
schmerzlich zuckend die Lippen, deren
Rosen iksn wie Gnaelsliauch berührt,
gebrochen die elastisclie,jnnaendlich blü
hende Gestalt, die ihn so oft in zärt
licher Hinaebuna mit weich-en Armen
umschlunan —--— ob, ej- war ein entsetz
liebes Bild in seinerriihirenden Trzserix
Ei stand vor ilsm wie die Werkbiene
rnna seiner bösen Gewissens, die Man
nunan an eine untilabare Schuld, es
faßte ilsn wie mit eisiqu Klammern
tin-:- preßte sein Herz zum Bersten zu-.
samtnen, gaulelie vor Elnn ber. wenn er
ziellog durch die Straßen strich und.
verfolakc ihn bis in seine Träume.
Tauscndmal wünschte er, den Tod sie-!
sxickii zu haben, eke er untreu a-ewor
den, es wäre besser gewesen fiir sie und;
siir ihn -—— die Trauer um den Todtens
hätte sie leichter getragen, und eri
wäre der unerträalichm Bürde eines
Lebens ledig gewesen, welches tausend
fach schmierzlicher war als der grau
samste Tod. .
wo unumimranu nayin oag Bim
Claras von seinem ganzen Sinnen und
Fühlen Besitz. so ausschließlich be
bertschte ihn die Reue, daß er sein ei
genes Leiden darüber fast völlig ver
gaß. Fast gleich-gültig wie sein eigen-es
Geschick war ihm Melitta geworden —--.
was hätten, nun er Vergangenheit undl
Zukunft zugleich verlor-en, haarspal
tenide Griibeleien gemitzn ob er, ob sie
die größere Schuld taran trug! Jn
dem, was ihm noch Vom Leben übrig
geblieben war, gab es fiir sie leinen
Raum mehr, kaum ein Erinnem Das
von der Verachtung und der Scham
iiber seine eigene Rolle erstickt wurde.
Selbst die Nachricht von dem Tode
Egons nnd demWiedemuftauchen Ba
ron Rober ts- lief-. ihn satt «t gleichaiil ig
nnd ri: frenndl leben Vriefe deks letztern(
beachtet keine and ere Wirtnna in ils n
hervor als ein verächt liebes Lächeln
sollte die THAT-onst s fortneleizj Wes
den? Möcht-In sie, Feoniödi Wien des
Lebens-, tr-: im fis-. Elen ritt Dies s« und
T :eue, Nne nno tszliicl er lett-e die
Lust, ihnen al: Marionette gedient
zn haben, zu ik,ener gebiißt, um selbst
das Verlangen nach Vergeltung zu am
pftn-den!
Ebenso eifrig als Konrad vordem
ernsten Betrachtungen über sein Han
deln und den damit verbundenen
Elbstvorwitrfen ausgewichen war unid
sim Taumel gesellschaftlicher Zerstreu
ungen Vergessen gesucht hatt-e, gab er
sich ihnen jetzt hin. Es lag für ihn-da
rin dieselbe genievolle, sofort wieder
zur Begier entflammte Befriedigung,
mit welcher vielleicht ein Schiffbrüchi
ger den brennenden Gaum-en mit See
wasser feuchtet, obwohl er weiß, daß es
seinen Durst nach Minuten niur noch
quälender vermehren und ihm endktch
den Tod bringen wird. Mit schmerz
lich-er Wollust wühlte er Eins seinem Her
zen, deckte er vor sich selbst die tiefsten
Falten seines Empfind-Jus aus, gefiel
er sich ins der immer fester wurzeltnden
Ueberzeugung daß er wie im statische
gehandelt und einem trügerisch-en
Phantom nachgejagt hatte, währentd er
das wahre Glück, das sich sihm gleich
einer nur des Pslückens harren-den
Frucht darbot, achtlos von sich stieß.
Das wahre Glück, weliches nicht in der
Erfüllung thörichter Wünsche. in der
Befriedigung maßloser Leidenschaft
liegt, sondern weit mehr in der Selbst
beschsränkung, im Bewußtsein erfiillter
Pflicht, im ruhigen Genuß des durch
eigene Kraft Gewionsnenen und tm An
schluß an ein barmonisches, treu-es, lie
bend-es Gemütb — es wäre sein gewe
sen, hätte er dem übermiistsbig selbst
herausbeschworenen Sturm als ein
Mann zu trotzen gewußt! Den Ver
blendeten, den schwankend-en Schwäch
ling schmetterte der Wetterstrahl sae
broctien zu Boden, und reckt-: geschah
ihn daran.
Wie gcmlllllg UUcy 91818 UTIEUIIITUB
in Konrad sich durchrang unsd welchen
bestimmendsen Einfluß sie immer auf
seinen Charakter üben- mochte, ließ sie
in «seinem Herzen doch noch eiin unge
wisses Schwanken und Zögern zurück,
wenigstens was sein änßeres Geschick
anbetraf. Sei-ne immer schmal-er wer
dende Börse drängte gewaltsam zu ei
nem fest-en Entschluß über sein-e Zu
kunft und noch immer blieb ihm ein
solcher fern. . Jn Lichtenau hatte er
zwar noch einiges Geld zurückgelassen.
sowie sein edles Pferd, seine werthvolle
unipirung und eine Anzahl kostbarer
Scb·muck- und Kunstgeaensiiinde, doch
wiirde er sich leichter zu irgend welcher
That der Verzweiflung als zur Ein
fordernng derselben entschlossen haben.
Es mochten etwa vierzehn Tage seit
jenem, an dem er von der Verlobung
Ellis mit Altenegg gelesen, Verflossm
fein, als er eines Nachmittags zweckloä
wie stets die Straßen ds:1rchwawdertse,
als hoffe er auf ein-e Begegnung des
entflohe-ten Glückes. Berisiefi in seine
diistern Gedanken wäre er in der Nähe
des Pariser Platzes fast gegen einen
Offizier ansaeitoßem der ihm indeß mit
der Dame-, die er am Arme führte,
rasch anglo-ich Die bekannte blaue
buntbesetzte Mütze ließ ibn aufschauen,
er erkannte Alieneag mit Glli, Frau
Landrath und Clara folgten Ebnen auf
dem Fuße-.
Jn peinvoller Betroffenbeii blieben
sie alle gleichzeitig stehen; verlegen-e
scheue Blicke lreuzten sieb. Tie Ver
lobten macht-en ein-e gemeinsame Bewe
gung, als w:llten sie auf Konrad zus
treten, alg die Mutter, die zuerst ishre
Fassung wiedergewcsnneiu in scharf-ein
Ton-e sprach: Wir belästigen Fremde,
laßt uns weiter gehen!
Erbleichen-d zog Konrad die Haupt-,
die schon nach dem Hute zuckte zurück
nnd wandte sich scharf aus dem Ab
satz herum. Jm nächsten Augenblick
fühlte er seinen Arm berührt, eine leise,
behende Stimme sprach: Konrad —
Konrad, ich sehe dich wieder —— bleibe
bei mir!
k-« « L , » -- -
U-1Ul(l llullu llklspcil UJlll, LUUB, zu
ternd, Thränen in den Augen, aus de
nen ein wunderbarer Glaan fttaskfktr.
Sie faßte unsd drückt-e sein-e beiden
Hände und wiedevholte seinen Namen,
ein unbeschreibliches Lächeln lag aiuf
ihren schön-en Zügen usnid dabei
schwankte sie, als vermöge sie sich kaum
aufrecht zu erhalten. Besorgt ergriff
er ihre-n Arm.
Komm, Clara, ich fiihre dich zu den
Desinsigen zurück.
Nein, nein sie wandte sich wm
und winkte abwehren-d dem Grafen,
der unweit neben einer angehalstsmen
Droschke stand -« oder fürchtest du
mich, Konrad-? Jch will nichts als»
dich einiqse Minuten sehe-, aus deine-m
Munde ein paar Worte hören . sei
freundlich, semirazx ich werde dir nicht
lanae Zur vLast fallen.
Davon kann keine Neide fein, nur
siirclne ich, man wird dir diese den-I
,,7freniden« erzeigte Fretzndlickrkeiå übel
deuten.
cssiknisxsk nicht, nnd wäre es auch der
Fall -— da sied, sie erwarten mich wicht
.niehr. " - «
(Fortssetzung folgU