Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 05, 1897, Sonntags-Blatt., Image 12

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    « f"' genitlnllnm
Roman von H n n s R i W I c r.
(ertseSu-vg-)
Und wie trägt es Mekitta?
Ganz als Frau! Sie hat Trauer
-.1."-gebegi, Schwarz kleidet sie neben-bei
vorziiglsich wein-t. bereut, betet, möchte
im liebsten selber sterben und wird sich
ebenso trösten wie jede andere Darin
jin-d die Wälder sich alle gleich.
Konrad biß die Lippen zusammen;
Diese Fridolität empörte ihn-, doch
sählte er sich schon zu abhängig von
Cng, um den Tadel, der ihm aus den
Lippen lag, auszusprechen
Um die Lippen Egon’s, dem dies
nicht entging, flog ein sarkastisches Lä
— chelsk
Ich eHhielt, fushr er fort, die benach
richtigensde Depesche auf dem Rigi, eilte
natürlich sofort hierher und übernahm
die Rettungs- und Bergangsarbeidm
Wollen Sie mich nachher zur wilden
Klamm begleiten? VII-ficht interessirt
es Sie. Die Burschen kkettern, daß eine
Gemse ein Trampelthier dagegen ist;
seit gestern operiren wir sogar unter
Leitung ein-es aus Eisen-ers berufenen
Vergängensieusrs mit elektrischem Licht
vund Dynamit — sehr interessant ver
sichert ich Ihnen Sie sind ja ein
Sonxniasgskinsa haben schon so oft sa
Hcklkafles Glück gehabt; möglicherweise
ftnnen Sie vie Leiche-.
Das Wäre entsetzlisfz,ini:rrnel:e Kcrsx
rcD erblassend.
Egon schlug eine bessere Lache cui.
Sein feines Gesicht guckte in einer hef
tigen-, bösen Erregung
Unser Glück wäre ex. Sie blinder
Tugendmenfch, klang esjs scharf von sei
nen sich aufeinander weisend-en Lippen
c;!?«ke«rnand zweifelt an dem Tode Ro
bert-L, mir von Rchts wegen das Ge
richt so lange, bis wir seine Leiche auf
weisen. Können wir das nicht, so gilt
er einfach als verschollen, ist noch im
mer Majoratssherr nnd Gatie und wir
haben zehn Jahre zu warten, zehn
lange Jahre, in denen wir alt und
stumpf werden, ehe wir auf die Todes
rkliirung antragen dürfen. Bis da
? Ein bin ich nur verantwortlicher Ver
walter des Nach-lasse2, Melitia — eine
verheirathete Frau. Begreisen Sie
min, warum ich die Leiche finden will
tin-d muß, und sollte ich sie mit eigenen
Händen aus dem tiefsten Erdinnern
scharren?
Angewidert wandte e: sich erb. Seil
er Lichtenau verlassen, war er nicht zu
klarer Besinnung gekommen, und nun
es geschahe sah er sich in ein Netz von
tkgoiiörn-us, Habgier, riisichtsi unt
mitleidslosen Begierden und Plänen
oerstrickt. Seine Stimmung macht-:
aus sein-en Mienen zu lesen sein, denn
Egon griff nach seinem Huie Und sagte
kühl: Sie bleiben also hier? Jch muss
jetzt fort, und da ich von der wilden
Alammnoch nach Schloß Schönberg
hiniibersahre, wen-n ich meine Cousmse
dort nicht treffe, so dürfte es ziemlich
spät werden, elx ich zurücklomme Ha
ben Sie mir einig-e Zeilen mitzugebeni
Rein, sagen Sie ihr« nur, daß ich
angekommen bin und mich ihr ganz zur
Verfügung stelle.
Schön —- amiisiren Sie sich derwei
len so gut als möglich, gab Egon be
reits in der Thiir ironisch zurück.
Einige Minuten später rollte sein
leichter Wagen rasselnd über das gras
iiberwucherie, holprige Pflaster. Kon
rad ging sisn das ihm zugewiesene, mehr
als bescheidene Stäbchen hinan und
versuchte, an Melitta zu schreiben.
Nachdem er ein halbes Dutzend Mal
angefangen und jeden Entwurf schon
nach den ersten Zeilen zerrissen hatte,
gab er es seufzend aus. Einmal er
schienen ihm seine Worte als hohles
Pathos, ein anderesmal zu nüchtern
und für die in ihm wogende Fluth
herzlicher Gedanken und Gsesiilhle fand
er keinen Ausdruck; er sollte an eine
. Frau schreiben, deren Gatte in den
jiingsien Tagen ein jähes Ende genom
men-, und zugleich an die Frau, welche
er liebte, die ihn- znriickgeroiesen und
-" WM mchk Ihm ihng gelas
sen hat-te —- nnlösbare Ausgabe! Sie
ßtx scheitern an dem ewigen Con
Mi Mike-l der Leidenschäst des ein
sehen ern-s dem anerzogenem uralten
Werk-O des Menschheit- tie so we
Madamch fragt ob dass, was die
Wicht-it zusammenhält, das Herz
M M zerreißt, fein Glikck end Le
W; dir wie ein Hundeser
« kal er Sieger achtlos über
» n « Erd-breiten derm- Ge
im de- Wie ge
Em »I- dem
W ihr se
W
drücken zu wollen« schienen. Ziellos
strich er durch die kleine, ärmliche
Stadt. Ein ihm begegnender Gen
darrn zeigte ishm das etwa eine Stunde
entfernte Schloß Schönberg, das mit
seinen weißschimmernden Mauern wie
ein Bogetnsest auf eine schroffe Felsen
spitze angefleht erschien-. Er fragte
nach dem Baron und der Baranin; der
Beamte zuckte die Achseln: der gnädige
Herr werde allgemein bedauert, denn
wenn e: auch nur selten ans kurze Zeit
hier gern-eilt, so habe er durch seine Be
amten den Leuten manch-en hübschen
Verdienst und besonders den Armen
vielerkei Wohltbaten zukommen lassen.
Finden werde man ihn wohl kaum; er
—— der Gendarm —- sei ein Schönber
ger Kind und wisse ganz genau, daß
die wilde Klamm mit ihren gewunde
nen Klüfte-n- und Spalten noch weit
tiefer ins das Erdinnere reiche als der
tiefste Bergwerksstollen, wen-n er auch
nicht« wie manche alte Leute, heimw
ten wolle, sie gehe durch die ganze Erd
kugel Dindurch und wer hier hineinfalle
und an keiner Felsen-zarte hängen
bleibe. komme aus der anderen Seite
bei den Schwarzen wieder ·herans, frei
lich nimener als lebender Mensch. Das
werde der gnädige Herr schon selbst
besser wissen-; aber der gnädigr Herr
sei wole gar auch ein Verwandter wir
der Herr Baron, der im ,,Hirschen«
wohne-?
Konrad dem-Hinte: nur ein Bekann
ter; wie denn die Frau Baronin das
Unglück trag-e?
O schwer, schwer-, sie sei selbst meer
todt als lebendig; »ja-sc wie eine Leiche
sehe sie aus mit ihr-ern weißen Gesicht,
in dem nur noch die großen, brennen
den- Augen lebten. Born frühen Mor
gen an bis es dunkle, set sie an der
wilden Klamm, und wenn man sie
nicht mit Gewalt zurückgehalten wäre
sie bei Gott schon selbst hinabgestiegen
« Der gnädiae Herr werde ja wissen, daß
sie unsd ihr Mann wie zwei Turteli
täubchen aeledt hätt-en.
Jch weiß, Lich weiß, sprach Konrad
mit zuckender Lippe, drückte dem
Manne ein Geldstück in die Hansd und
ging schnell weiter. Als er ziemlich
spätb in seinen Gasthof zurückkehrte
fand er das Herrenstüble fast gefüllt,
doch hatte man für ihn und Egon höf
lich die obersten Plätze des Stamm
tifches freigelassen. Mit der achtunng
vollen und dabei so angenehm zutrau
lichen österreichischen Höflichkeit be
grüßt, bat er, sich nicht stören zu las
sen, zwang sich sogar, an: der lebhaften
Unterhaltung theilzunehmm, die sich
natürlich um den Unglück-Stall an der
wilden Klamm drehte. Fast allgemein
äußerten diese mit der Oertlichleit ge
nau vertrauten Männer die Ansicht, es
werde unmöglich sein« rie Leiche zu
finden, die wilde Khmn iii in ihren
zahlreichen Zerlliifxrxnern irrer-FIED
lich.
lind Baron Robert Nicolai ist in
den Augen des Gesetzes noch ein Le
bender, sag-te sich Konrad Buchrodt in
bitter emporquellendem Groll. Weder
die Natur noch Gott hat dieses Gesetz
geschaffen, von Menschen, die irrten
und fehlten wie sich, rührt es her —
und doch soll ich mich ihm beugen-.
Erst gegen Mitternacht als nur
noch der trinlfeste alte Förfter uwd der
nicht minder ausdmternde wohlbeleibte
« Bürgermeister bei Konrad saßen, kehrte
ngon zurück, ein-e finstere Wolle auf
der-Stirn
wieder ern vergeblich-er Arbeitstag!
knurrte er, nach kurzem Gruß sicd in
das Sofa werfen-d Jetzt giebt sogar
der Jngenieur die Hoffnung aus -—-—
verrückt könnte man werden! Hol der
Satan . . .. Es mußte ein wilder-, un
bändige: Zorn sein, der ihn seine son
stige unzerstört-are äußere Gelassenheit
derart vergessen ließ. Auch trank er
mehr und hastiger als gewöhnlich und
schenkte den anderen nicht minder flei
ßig ein. Endlich wurde der Bürger
meister durch das besorgt hereinsschaus
ensde Auge des Gesetzes — dens Nacht
wächter —— ans seine Pflicht als Fami
lienvsater und Stadtobersbaupt erinnert
und brach aus, nicht ohne die höfliche
Bemerkung, daß es für sdie Herren na
türlich kein-e Poiizeistunde gäbe. Auch
der Förster verabschiedete sich, wenn
gleich er mit Genugthuuswg äußerte,
dasß ihn, Gott und seiner eigenen Vor
sicht sei Dank, keine Frau daheim er
warte.
Egon rief nach ein-er neuen Flasche.
Trinken Sie, Buchrootl Spulen
Sie den Aetger hinunter-, der einem
sonstdie Kehle zuschwiirU Wen-n Sie
Staubes-, mit Pauken und Trompeten
und weit geöffneten Atmen empfangen
zu werden, so hcrbeni Sie sich leider in
meiner Cousine schmäbiich getäuscht
Da glaubt man dsie Weiber zu ten-nen
Lächerlicher Wahn! Und wenn wir
beide, die sie wohl zur Genüge studirt
haben, Wahns Alter erreichten so
wer-den wir das Mithsel Frauenberzen
)
i
doch niemals lösen. Sie w: ssen wohl, i
daß die beiden knapp vor einer ent
schiedenen Trennung standen daß Sie,
wenn eine solche erfolgte, was ich nur
noch siir eine Frage der Zeit hielt zehn
Chaneen gegen eine Wien-und nun,
man könnte wahrhaftig driiber lachen,
wenn man nicht fluchen müßte, nun
sieht man da einen untröstlichen Jam
mer, als fei ein Pärchen Sympathie
vögel in den Fliiierwochen auseinan
dergerissen worden und wir schuld da
ran. Jch wünschte
Was Egon von Ni: olai wünschte,
verschwieg e:, doch der gehässige fun
lelnde Bli y, der unter seinen halbge:
i
jsenkt-sen Liedern hervor-schoß, verrieid
deutlich, daß es kein frommer Wunsch
war, der sich in ihm regte.
Meliiia Iifk über mein Kommen er
zürnt-? fragte Konrad erblaßt.
Nur erzürnt? Das ist viel zu we
nig —erst zu Tode erschrocken und
dann entrüstet empöri,ganz außer sich.
Jch versichere Jlniein bester Freund, es
hat mir keine geringe Mühe gekostet
alrr zu beweisen, daß Sie ja nur die
lauterste, selbstlofesie Absicht hegien
ihr als Freund beizustehen Wieviel
sie davon wirklich glaubt. vermögen;
Sie vielleicht besser zu erraihen als ichs
Darf ich Meliiia sehen?" fragte;
Buchde j
Kein Gedanke daran; jeder Versuch
wiirde Ihnen die ganze Zukunft ver
derben. Jch weiß Jsbnen —- auf Ehre,
wie Freund Alienegg sagt —-— keinen
besseren Rath zu geben« ais für einige
Monate iede Annäherung zu vermei
den, einstweilen ruhig nach Lichte-nun
kzuriickzukehrm
I Konrad zuckte des diesem Namen zu
Lsammen und murmelte Das kann ich
Inichi mehr. Jch habe alles aufgegeben,
·an: allem gebrochen
Der Teufels Wie kann man so nn
borsrchtig sein, alle Schiffe hinter sich
zu verbrennen, wenn man seine Zu
kunft aus dieLaune einer schönen Frau
setzt? —- Was nun? rief Egon mit
freundschaftlichem Vorwurf. Eifrig
glättete er den unsichtbaren Bart. Ein
oerstoiblenes, spöttisches Lächeln zuckte
um seine Lippen.
Konrad starrte, ohne zu antworten,
mit finster-er Miem in sein Glas.
Ich habe Ihnen schon gesagt Nahm
Egon nach einer Pause wieder das
Wort, daß das Schicksal uns zu Ver
biindeten bestimmt hat. Wir können
uns gegenseitig nützen, wenn wir zu
sammenhalten Wollen Sie-?
Er reichte Konrad die Hand herüber,
welche dieser stumm erfaßte.
Es gilt also, ein Mann ein Wort!
Fiir mich, der ichMelittas leidenschaft
lich-en Charakter und die Geschichte ily
rer nichts weniger alå befriedigenden
Ehe genau kenne, unterliegt es gar kei
nen Zweifel, daß dieser Paroxysrnus
des Schmerzes über luer oder lang,
und das erstere ist wahrscheinlicher
umschlagen muß. Sie giebt sich jeder
Gefühlswallung mit ihrem ganzen
heißen Herzen hin und erkaltet ebenso
rasch und gründlich wieder, sobald die
sem Gefühl die Nahrung, neue Anre
gung fehlt. Daraus können Sie rech
nen. Unzd so rathe ich Jhnen denn in
bester Absicht: schreiben Sie ihr ein
paar höfliche Zeilen, ja nicht zu warm,
nur als Freund, und warten Sie ir
gendwo ab, bis ich, der ich ja als Ma
joratsverwalter in steter Verbindung
mii ilye bleiben muß, Sie benachtiche
tige, daß es Zeit ist, eine vorsichtige
Annäherung zu versuchen, Freilich tön-.
nen darüber Monate vergeben-, eine
recht harte Geduldsprobe, aber ich weiß;
nichts besser-ex Sie vielleicht? ESJ
sollte rnir lieb sein! s
Nein! erwiderte Konrad. Ich werdet
morgen früh schreiben nnd dann soforts
gewesen —- Guie nach-! s
« Er reichte Ggon die Band und gings
ymaus.
Der Zurückblseibende goß den Nest
der Flasche in sein Glas und trank ess
bchaglich aus. Noch timmer lag die
finstsete Wolle auf seiner Stirn, doch
glitzerte in seinen dunklen Augen eine
gewisse höhnischeBefriedigung — über
zeugt, daß Konrad Buchwdt sein ihm
gegebenes Wort halten werde, hielt er
jetzt dessen und Melitta’s Geschick »in
den eigenen Händen. Mußte er es klug
zu lenken, so flxelen alle Vortheile ihm
zu — und an dieser seiner Gewandt
hesit und Macht zweifelte er nicht.
(
i
»
l
»
Zweites Capitel·
; Die Monate, von denen Egon ge
»sprochen, waren vergangen Ja der
Neichslyauptstadl ließ elin scharfer
Nordwind die Flocken tanzen, bis sie
endlich müde and zerzaust zu Boden
sanken, um hier die bekannte feucht
zähe, graue Masse zu Aber-, svie dem
WMEWWUFUS Hm gseichm
Widerstand entgegenfetl wie den Wa
geneidem nnd Schwimmer und so
W
oft zum Verhängnis zarter Damenstie
selchen und altettniidet Dkoschtengäule
wird. «
tin-bekümmert um das Wetter ——— die
wenigsten hatten es ja nöthig, dann zu
Fuß nach Hause zurückzukehren —— ließ
im Saale eines eleganten Restaurants
eine leitete Gesellschaft die Pfropfen
springen und der übermüthigen Cham
pagnerlaune die Zügel schießen. Ein
Siege-Lan war es, das hätt gefeiert
wurde. Ein Erstlingsdrama hatte
heute seine Premiere glänzend über
standen nnd der glückliche Autor, sei
nes Zeichens eigentlich Rentnek, die die
Schriftstellerei nur als eleganten Sport
betrieb, daraus das darstellende Perso
nal zu einem imptovisirten Nachtessen
geladen. Einige einflußreiche Kritiket
und nähere Bekannten vervollständig
ten den Kreis.
Wenn böse Zungen auch behaupte
ten, det Held des Abends verdanke den
«größten Theil seines Erfolges eilnem
ungenannten ,bül;nentundigen Mitar
beiter, sowie nicht minder seinen in der
Lebewelt berühmten Diners, ein-er aus
der eignem-Tasche bezahlten glänzen
den Ausstattung des Stückes und der
geschickt sversbeeiteten Retlame, von der
Masse der Freibillets ganz zu schwei
gen, so war diese beshafte Nacht-de
doch an den Thüren desSnales zurück
geblieben. Redegewandte Lippen bat
ten begeistert den Wieder-erweitet des
deutschen Dtamas gepriesen, schöne
Hände ihm einen Lorbeerkranz aus das
(vom Friseut) gelockte Haupt gedrückt
und donnernde »Hochr1rfe« die Geburt
eines neuen, glänzenden Dichtermhmes
Uklctcti.
Bei den 3atllosen Trintsnrijchm aus
den Dichter-, sein Wert und dessen
Dsirsrcller, auf die eKunst, die Poesie,
die Schönheit und wer weiß was sonst
noch alles, war das Trintan selbst no
tiitlich nicht vergessen worden, und die
bereit-J Ziemlich ftiimiisch gehenden
Wogen der Heiterkeit hatten vie Tafel
runde in einzelne Gruppen zersprang
die sich scherzend und lachend unter
hie!ten, hier übermäßig laut, dort, wo
sich vielleicht viin Winkel ein Pärchen
zusammengefunden oder zwei Krititer
unter sich das gepriesene Drama uns
barmherzig zerfleischtem im vorsickti:
;gen Flüstertone·
; Ganz abseits- lehnte in einer Fenster
snische, hakb von der faltenreichen Gar
idine verborgen, Konrad Buchrodt
znicht mehr der jugendfrische, bliåsdewde.
rothwangige DragonersLieutenanr nrij
dem überrnüthigen Lächetn urn den
ischerzettden Mund und dein kacken
sLeuchten der hellen Augen, sondern ein
day-erer, bkasser Mann, gesnrcht die
höher gewordene Stirn, die Lippen
von einem eigenthiimlichen Zug-e der
Bitterkeit und Ermüdung entstellt.
zWiite nich-i von seiner Cigarette ein
dünnes Rauchwöltchen emporgestiegen
hätte man ihn für schlafend halten
können , so nachlässig und unbeweglich
stand er da mit tiefgesenkten Lidem
Und langsam, wie erwachend, hob er
dieselben-, als er einen leichten Schritt
auf sich zukommen hörte. Auch der
Blick der tief umränderten Auge-in Hatte
etwas unbeschreiblich Müdes, wenn
nicht in seltenen Augen-blicken der Erre
gung ein fast loanthast unruhiges ; er
in ihnen emporslackerte.
Vor ihrn stand eine Dame, eine über
schiarrke Gestalt mit von den Händen
zu unrspwnnender Taille und ausfal
lend zart-en Zügen, denen das unter der
seinen Haut deutlich heworschsimmernde
blaue Geäder, das röthlich braune
Lockengewirr, die tiesrothen, etwas zu
vollen Lippen und die von starken,
dunkeln Brauen uberwölbtem inc
Gritnliche schillernden Augen einen ei
gentlziirnlich sesseiaWM sinnlichen Reiz
verliehen — Fräulein Asda Martotvicz,
der geseierisste Stern der betreffenden
Bühne
Also in den Winkeln muß man Sie
suchen, wenn man ein Wort von Ih
nen hören will? begann sie mit einem
tokettens Augenausschlag. Wissen Sie,
daß das geradezu unverannvortlsich
von Ihnen ist, Herr Lieutenant?
Einfach Buchwdt, wenn ich bitten
darf —-, es ist theute so viel ges prochen
Jawohl, so viel von den nämlichen
Phrasen, nrit denen man sich von
Amts wegen auf der Bühne langweili,
daß nvan sich nach einem wenig ge
müthlichen Plaudern sehnt wie nach
einem Trunke frischen Wassers.
Und ich soll Ihnen tredensent ant
wortete Konrad mit seiner Ironie. Sie
werden leicht manchen- geeigneten-n
Schenken finden
Cin kurzer heißer Bliß der schim
gieernden Augen traf thu. scharf und
rechmt wie der ertstoß eines ge
übten Fechten. M
Einen Warten wollten Sie sa
wzssi qui-eines zog ankqu di
Mitekn empor.
Sie find ein Barbar, ein Hypochow
der, fchmollie die Schauspiel-erin- mit
gut gespielt-r Entriifisung, wobei sie
jedoch nicht näher ans ihn herantrat, so
daß ihn die Spitzen ihres Kleides be
rührten. Man soll-te Sie in letem
Menschen-baß vereinfatnen lassen, doch
habe ich nun einmal die Tugend, mich
fiit meine Freunde zu opfern, zu denen
ich auch Sie noch immer-zähle, wag,
gestehen Sie es nur ruhig ein« wahrlich
nicht Jhr Verdienst ist
Nieinsawd kann von feiner Unwijxd
digieit mehr überzeugt fein als ich —
und worin besteht das Opfer?
Ungalanter Spötter!
Jch begreife — da drüber-. steht die
alte galante Durchlaucht, verwendet
kein PincesnekGlaö von Ihnen- und
brennt vor Verlangen Ihnen eine
Krone zu Füßen zu legen, falls Sie
gestatten, daß er sich dazu-legt
Fräulein Ada athmeie auffallend
tief und preßte die Lippen zusammen
Abetnmls zuckte unter den starken
Bmuen ein jäher heißer Blitz hervor,
der sich wie eine zündende Flamme in
Konrad-S Brust senken zu wollen schien.
Besinne Sie so wenig Muth und
Selbstveritauen, daß Sie einem Gecken
weich-en, nur weil diesem der Zufall
eine Prinzenkrone auf den hohlen Koin
drückte? Stellen »Sie einen Mann,
welchen Namen er auch tragen mag,
niedciiiger als eine ordenverzierte
Puppep —-« sie beugte sich so weit vor,
daß ihre zuckcnden Lippen fast Kon
rad-s Antlitz berührten, und sprach
noch leiser, doch auch noch leidenschaft
licher fort: Jch nicht —— ich . . . .
Sie hielt inne und vollendete den
abgebrochenen Satz nur durch einen
sprechen-den Blick. Egon von Nicolai
war heran-getreten wie mit zufriedener
Billigung mit dein Kopfe nickend.
Sieh. da, das lobe ich mir. Ich
hatte Sie schon im Verdacht, sich auf
französischempfohlen zuchadei:, Freund
chen.
Darrtrsn Sie es mir, baß Herr Buch
rodst blieb, lachte die Schauspielerin
Von den Aktien der Schönheit nnd
Liebenstoiirdigieii festgehalten zu wer
den, ist ein beneidenstverthes Lord-Z,
scherzte Egon. Wie aber löst sich der
Gefangene auf-? Legen Sie ilnn eine
Ritters-flicht ans, mein-e Gnsädigste,
einen Drachen in Gestalt eines Hieran
senten zu erlegen, wie der edle Tann
hiiuser in sden Benusberg zsu ziehen
und wie Joseph aus Poliplrarå Hause
zurückzukommen —- dazu entwickelt er
iiberhauspt seit Kurzem eine hemmen-i
werihe Anlage -—— sinden Sie nicht
mich?
Dasspricht Ver Neid aus- Jlinen er
klärte die Dame, in deren Wangen der
feine Spott eine leichte Röthe getrieben
hatte. So grausam bin ich iibrigens
nicht.
Jm Gegentilpeil voll Erbarmen nnd
Mitleid, spotstete Egon.
Fiir Sie? gewiß nicht, Sie sind ein
boshoster Spötter! gab sie lachen-d zu
rück, und mir ein sehr scharfer Beob
achtet hätte unter Diesem kindlich nai
ven Lachen ihre scharfe Gereiztheii be
merken können. Sie legte den linder
haft kleinen Zeigesinger an den leiden
schaftlich geblähten Nasensliigel und
smarkirvte ein allerliebstes Nachdenken
Endlich rief sie Jch halt-? Baron!
Wir wollen morgen im Thiergarten
Schlittschuh fahren und Herr Buchrodt
wird mein Cavalier sein-!
Aber das ist ja ein-e Belohnung, eine
Gnade-, für welche Jhnen mancher, den
ich kenn-e, was sden Knien danken würde,
und seine Strafe.
Herr Buchrodst sieht es aber doch für
eine solche an. ich bin —- leiderl — sest
davon überzeugt
Lächeln-o wandte sich vie Schauspie
lerin zu Konto-d, der dem Zwiege
spräch so ruhig zugehört hatte, als sei
et damit tschi im Mindesten irrt-erei
sitt.
Jetzt verneigte er sich leicht und sagte
ednsache Ich arewiite die Ansicht un
seres Freundes und danke Ihnen-, mein
Fräulein
Lachen-d, mit skeuwefumäelndm AU
g—en, ilajschte Aha in dde Hände. Die
zuletzt etwas laut gesühtte Unterhal
tumig hatte auch andere hetbeigerusen,
welchesich an der Prof-Hirten Schlitt
schiukyPariiie zu betheiligen verser.
Ein allgemeknies Rende3-vous am näch
sten Vormittag wurde verabredet,
scherzend Pariner und Pattnetinnen
ewgagitL Inzwischen war Vi- Zrit so
weit vorgerückt, daß dir Dom-en zum
Ausbtuch drängten.
Jch wollte, es wären morgen nicht
so viele dabei, schmollte Ada, nachdem
itzt Konrad den Pelzmaatel um die
zarten Schultern gelegt hatte. Diese
ausdrinliche, fade Geselligkeit ist
wahrhaft unausstehlichZ man müsste
absagem einen andern Plah wählen.
Das dürfte Ihnen verübelt werden.
Sicherfich nur von demn, an den-n
Meinung mit so viel liegst — sie blies
W
itberdie Handfliiche usnd zeig-te liaka
ein wenig auffällig das nur von einem
schwarzen Sammetbansd musme »
außerordentlich zarte und weiße Hand- L
gelent —. Wie angenehm diese kühle
Nachtluifst wirkt nach der dumper
Zimmerlchwiilel Wie herrlich, fest
langsam durch die still-en Straßen zu
wandern!
Die Wanderitden waren am Fuße
der Treppe angelangt, wo man sich
lauter als gerade nöthig verabschiedete.
Konrad schien die verborgen-e Bitte in
den Worten seiner Tame ebensowenig
Vetstehen zu wollen wie den sanften
Druck ihres auf dem seinen ruhenden
Armes- und den langen Blick, der in
seine Augen tauchte. Ruhig führte er
sie zu ein-sent der lkerbeigerufenen Wa
gen, hob sie hinein, nannte dem Kut
scher die Adresse und trat, den ut
ziehen-d, zwick. Noch im Davonro len
rasselte das anster nieder, Gesicht und
Hand grüßten heraus . .. .. mit einem
melancholifchen Lächeln wandte er sich
ab nnd schlug den Heimweg ein
Nach wenigen Schritten befand sich
Egon an feiner Seite.
Das muß man- ssngem begann er nrit
seinem spöttischen Tone, der felige
Joseph war gegen Sie ein lasterhafter
Kerl, der reine Lovrlacr. Da macht
Jllpnen eins von ganz Beran ange
schmärmteg Weib die denkbarsten
Eil-danken stellt sich auf »den Präsentir
teller, damit der grindige Herr nur zu
zngrseifrn braucht aber der gnädige
Herr steckt beide Hände in die Taschen,
zuckt mit keiner Wimper und dankt
eiskalt: ich habe keinen Appetit! .....
während andere sich mit Wonne fijr
einen einzigen der Blicke, welche die
Bedmxerngwerthe vergeblich wie Sand
ans Meere an Sie verschwendet, ruini
ren würden-.
Wogen ne es ooaks irr-nn.
Wenn sie es können . . » Sie wissen
so gut tvle ich, das-, re sich nicht tkm
eine von-»Tris- dames« handelt, um eine
beliebig-e leeaterprinzeß sondern unn
eine echte, große K«iinstlerin, ein geist
volles, ehe-dates und schöne-J Mädchen,
dem selbst die losesten Berliner Mäuler
nichts nachziireden wissen, als daß sie
zu spröde sei
Konrad blieb stehen uird maß bei-In
unsichere-. Scheine der flackern-den Gas
lcksterne seinen Begleiter mit einem lern
qen, vorwurfsvollen Blick, indem or
sehr ernst erwiderte: Was- soll das bei
ßen, Baron? Sie lennen meine s—
meine Verhältnisse nnd ernmthigen
mich, deute nicht zum ersten Male, zum
Antniipsen von Beziehungen denen- ich
durchaus fernbleiben will und inwle
Aber wer wird denn dergleichen so
verzweifelt ernsthaft nehmen? lcchte
ann. Möge-n Sie sonst denlen uned
fühlen, was Sie wollen, so ist es des
halb doch nicht nöthig, sich in die höre
ne Kutte leis-kalter Enthaltsamleit zu
zwingen. Eine schöne Frau,die ihr
Wohlgefallen so deutlich zu erkennen
giebt, läßt man doch nicht vergeblich
schmachten. Was hätten Sie noch vor
einem Jahre gethan, alg Sie es durch
aus nicht unangenehm fanden, daß das
ganze weibliche Neustadt Jlmen süße
Augen machte?
Das ist für mich aus immer vorüber
» ich bin ein anderer geworden-.
Stimmt aufsallend, doch wäre es,
denke ich, besser gewesen, Sie wären
der alte geblieben· Aus jeden Fall
würden Sie sich angenehmer die Zeit
vertreiben.
Diese Zeit, die mir zur Ewigkeit
wird; brach Konrad bitter los. Wann
wir-d sie ein Ende nehmen? Seien Sie
aufrichtig, Baron! Kann es nicht an
ders sein, so sagen Sie mir geradezu,
daß ich nichts nicht zu hoffen habe
Jch werde es leichter ertragen, als diese
Ungewißheit mit ihren Zweifeln, die
mich nsoch wahnsinnig machen.
Aber-, bester Freund, so weter Sie
doch nicht sogleich wieder die Büchse
in's Korn, begütierte der Baron, Kon
rad vertraulich unter den Arm fassend.
Natürlich haben Sie Hoffnung, die
beste sogar. Jn meinem letzten Briese
an Melitta ließ ich einiges iiber Sie
einsließen und erwarte bestimmt, daß
ihre Antwort, die in den nächsten Ta
gen ein-treffen muß, die Erlaubniß zu
einem Besuche oder wenigsten-H zurn
Brieswechsel enthält.
Konrad antwortete nur mit einem
Seufzer. Er war an seiner Wolmmg
angelangt Mit herzlicher Wärme
schüttelte ihm Ggon die Hand.
Vergessen Sie nur unsere Schlitt
gclojxixrhparstie nicht« . . darf ich Sie ab
EB wir-d mir lieb sein.
Alsolyaldels . . . . gute Nacht, träu
men Sie susz von Ihrer schönen Be
wunderin und Herrint lachte Egon usw
begann im Weiterschoeiten Wut
seinen Lieblingswalzer aus «Mieetlle«
zu singen- O Walt, Geiste-biet
(WW Wo