Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 29, 1897, Sonntags-Blatt., Image 9

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    g— f ————.———-—=——:—I
Aussage-. des Gefangenen in Bau
chempssein.«
General p. Scham est, der Gene
-kcxlstavschef des B " »ich-u Heer-s
nickte befriedigt »Ich bin schon froh,
daß wir wenigstens diese Nacht Ruthe
haben werden. Thut unseren armen
Leuten bitter Noth. Ihnen auch,
Stetten.«
Der Lieutenant lächelte. »Sei-Orden
n.«)enigstens«Z könnte sie weder mir noch
meinem G;.Itle, Herr General! Jst ein
schöndtichesg Wetter draußen.«
,,Glanb«å wohl, wir sind heute ja
auch bis aus den eigenen Pelz naß ge
worden und haben bitter gefroren, so
warm uns der Kaiser auch machte.
Doch der Feldmarschæll will Sie spre
chen lieber Stetten; er hat schon drei
mal nach Jhnen gestagt.«
»Mein- armer Gaul steht draußen
vor der Thiir im Schnee, Herr Gene
ral. Darf ich vielleicht erst —'«
»Ich will Jhnen die Sorge abneh
men. Meine Otdonanz soll die Liese
in unseren Stall ziehen—würden sonst
wodl auch kaum noch ein Fleckchen in
ganz Etogeå frei finden-«
»
txt get-o einem ver Schrein-r emen
kurzen Befehl und wies dann nach
einer der seitlichen Thüren. ,,,Komnien
Sie, Stetten und erschrecken Sie nicht.
Der Feldtnarschall sieht schlecht aus.
Das Unglück der letzten Tage ist ihm
doch sehr zu Herzen gegangen. Aber
der alte gute Muth ist glücklicherweise
ungebrochen."
Eine Minute später stand Lieute
nant Von Sirt-ten von den schlesischen
Dragonern, seit dein Il. Januar 1814
Ordonanz - Offizier im Stabe Blit
cher’s, vor dem greifen FeldmarfchalL
dem Marfchall Vorwärts, wie ilyn die
Preußen und Russen seit der Schlacht
bei Leipzig nannten. Der greife
Heerfiihrer laß in· einem großen Lehn
stuhl vor dein Kamim die kräftige
Gestalt in einem dicken Flausch ge
hüllt ils-er die Beine einen Pelz ge
worfen, auf dem weißen Haupt eine
Feldrniige Das Gesicht war nicht
zu erkennen, denn ein breiter grün-er
Schirm, der underlennbar von einem
Frauen-lia: abgetrennt worden war,
befchattece die sonst so feurig blicken
den Augen des Hufaren Seit den
letzten Tagen litt der Feldmarschall
un einer Augenenstziindung, die seiner
Umgebung um so lebhaftete Sorge
bereitete. als der Greis sich durchaus
nicht schonen wollte. «Hatte er doch
heute noch sich selbst an die Spitze ei
" niger Reiter-Regimenter gestellt, um
den allzu rheftig nacht-klingenden Fein
den »Esin5 auszuwischm«, wie er zu
sagen pflegte
«Melæ mich zur Stelle, Eure Ex
cellenz!«
Bliicher richtete sich halb auf, wand
re den Oberlörper nach den beiden
Ofsizieren um und schob den grünen
Schirm ein wenig in die Höhe. Stet
ten sali, trog der Vorbereitung
Scharnliorst'-J, erschrocken, daß sich
das Aussehen des Greises in der That
seit gestern bedeutend verschlechtert
hatte. Die Wangen waren eingefal
len, und um den Mund lag ein milder
Zug. Auch die Sormme klang matt,
als der Feldmarschall mit einer
freundlichen Bewegung der Hand
Schornhorst und den jungen Osfizier
zu sich heran winkte.
»’n Tag, Stettenl Wie geht’s mein
Sohn? Keine Schraan —- Mann
und Roß wohl aus?«
,,8u Befehl, Eure Excellenz!«
»Frau mich, Stettenl Haben in
samige Kloppe gekriegt in den letzten
»Es-lagenI Der Deubel scheinst ja noch
einmal in den Bomparte gesashsoen zu
sein« Bliicher wirbelte ärgerlich an
seinem weißen Schnurrbart herum.
»Aber wir kriegen ihn schon noch —
rvir kriegen ihn schon. Was, Schorn
liorst, wir kriegen ian«
»Ich hoffe es zuvetsichllich!« sag-te
der General warm.
»Hossen nnd Harren macht Man
chen zum Narren,« sagt zwar ’n altes
Sprichwort, aber ich denke, diesmal
soll's zu Schanden wenden. Donner
wetter, hätt' mir nicht träumen lassen,
daß uns des Räuberhauptmann biet
in Frankreich noch 'mal so arg an die
Hammeldeine kriegen würde. Js man
blos die verflixte Langsamleit vosn der
Hauptarmee dran schuld. Na, wir
selbst auch, natiirlichl Will mich mch
reine waschen. Geben Sie mir doch
’mal ’nen Schluck ’riiber, Stellen-, da
— von dein Tisch -—-«
Aus einem kleinen Nebentisch stand
eine Kanne, aus der ein starker, aw
rnatischer Dust emporstieg. Sterben
goß ein Glas ein« und reichte es dem
Greife, der es mit einem langen Zuge
leerte. »So, das thut gut. Machen
Sie nur nicht so’n Gesicht, Schar-n
hpsse ais ob im Dort-u hear-ex Sk
liiinde. Rufst Sie doch nischt. Was
der Mensch braucht, smuß er haben
und ich weiß am besten-, was mir gut
thut, besser als die Pflastermeisier unt
Rezeptenslribler von der ganze-n Ar
mee zusammengenommen
Na, Stetten, haben wohl auch lang(
nichts Warmes in den Magen getriegtt
Was-W
»Seit gestern Abend nicht, Exak
slensz!"
»So gießen Sie sich mal schnell
auch ’n Glas voll und trinken Sie’i
auf mein Wohl. Ihnen gönnt’s de1
General doch mehr wie mir, mein
Sohn!« fügte er mit einem leichten
Versuch-, zu scherzen, hinzu. »Prosit.««
Der Lieutenant hatte sich? nicht
zweimal sagen lassen; er leerte das
Glas mit einem Zuge, und man sal
ihm an, wie wohl das warme Ge
tränt ihm that. Eine leichte Röthe
stieg in seinem Gesicht auf. »Vielen
Dant, Excellenz!«
»Ke«me Ursach’, mein Junge.« De1
Greis zog den Pelz weiter über sein«
Knie herauf, trotz des hellen Feuers
.im Kamin schien er zu frieren. Einer
iAugenblick sant er in sich zusammen
aber es war wirklich nur ein Moment
IDann raffte er sich wieder energiscl
jempor —- ,,Der Deubel hole der
nichtsnußigem elenden Körper, übei
den man sich ärgert von früh bis spät
Jn meinem Leibe rumort wieder das
; alte Kameel herum —es is eins drin
imögen die Doktors sagen, was si
wollen. (Bliicher litt an hypochonsdri
schen Anfällen und glaubte dann stei«
und fest, ein Kameel im Leib zu ha
ben.) So, kommen Sie ’m-al nä:
her ’ran, Messer, was ich sager
will, braucht kein Unberusener zu hö
ren.«
, General b. Scharnhorst und Stettet
traten dich neben den Kamin
»Sind Sie frisch genug, Stetten
,mein Junge, um heut’ noch ’nen or
jsdentlichen Ritt anzutreteni Haber
Sie irgend' nen Gaul, der noch gut
Izu Wege ist«--m
J Adieu erträumte Ruhe, dachte Stet
sten, aber er erwiderte ohne Zögern
H»Zu Befehl, Eure Errellenz!«
Der General nickte befriedigt.
»Hab’s mir gedacht. Art läßt nich
von Art —- sind ganz wie der Herr Va
ter, Stettenl Fiir den gaW auch lein(
Ermüdung, wenns ein Wagestiick galt
Gute Nachricht von dem alten Kriegs«
tameraden?-«
- ,,Jawohl, Eure Excellenzl Vatei
sitzt aus Kremmrode und hat nur der
keinen Schmerz, daß er nicht bei dei
FArmee sein lann.«
T »Glau-b’z wohl, glaubs wohl. Max
sich mächtig geregt haben, daz alt(
Kriegerblut in ihm, als wir geger
i den Kujon, den Napoleon. zogen! Bit
z te mich zu empfehlen, Stetten; auch ar
HDemoiselle Jakobäa, wenn Sie nad
«Hause schreiben. Aber nun zurr
z Dienstl«
Blücher beugte sich einen Augen-blind
etwas vorniiber, wie um seine Gedan
len zu sammeln Dann richtete er sick
wieder aus und begann in tniapper leb
haster Redeweise:
i »Sie sollen noch heute Nacht zun
ZHauptquartiser der Haupttaserne nei
; ten, Sirt-ten, um den Fürsten
Schwarzenberg einen Bericht iiber dii
iVorgiinge der letzten Tage zu über
bringen. Der Scharnhorst hat dc
IAlles schon schön säuberlich zu Papier
;gebracht, kann er besser als ich. Solch
Papier kann aber verloren geben, Si(
tönnen in die Nothwendigloit kommen
Stetten, es zu vernichten zu müssen
damnt es dein Feinde nicht in die Hän
de fällt. Darum will ich Jhnen mitnd
Ilich kurz wiederholen, um was es sick
handelt. «
DerFeldmarschall machte eine turzi
Pause, das Sprechen schien ihm dort
schwer zu werden »Sie wisseni Stet
ten,« fuhr er fort, »daß uns das Un
sgliick verfolgt hat« seit wir uns Ansane
Idieses Monats von der großen Armes
getrennt haben. Weiß wohl, was di(
supertlugen Vermö, so die Strategii
zmit Löffeln gefressen haben, sagen wer
den: ich hätt’ meine paar Mann nicht
- ordentlich zusammengehalten und wär
izu tollttihn draus los gegangen. Mö
gen Sse reden —- ich weiß auch, daß
mir der Bonaparte nicht mit seinem
ganzen heer aus die Pelle hätte koni
nren können, wenn der gute Fürst
Schwarzenberg nicht so hübsch stille
lgestanden wäre und ihm recht Zeit ge
lassen hätte. Na also, wir haben Kloppe
bekommen-—- der Olsuwiew am 10.
Februar bei Chasmpaubert, der Socken
am Tage daraus beianmaril, ich am
12. bei Ghateau-Thierry —- hieß das
bermaledeite Nest nicht so, Schar-n
horst? —- und heute bei Bauchanips.
Schön ist’s ja nicht! Aber ’ne Schande
ist’s auch nicht, kann jedem ordentlichen
Soldaten begegnen, daß man ’mal
Unglück hat. Na also, über alles das
soll Schwarzenberg unterrichtet wer
-
l
dere- und Seine Majestät der König
auch sammt dem Zaren Alexander.
Da ist aber nux dass Eine —- das-Zwei
tsJist «- wichtiger, Stettin-!- . k Sie - sollen
im großen Hauptquarstier nicht denken,
daß der olle Bliicher nu fertig ist»
Denken Sie das, dann ist tausend ge
gen eins zu wetten, daß ihnen dorten
das Herz wieder ’inal in die Hosen
sinkt und sie sich schleunigst rückwärts
nach dem Rheikc aufmachen, Herr des
Himmels ich könnte rasend werden,
wenn ich daran denke! All’ das edle
Blut umsonst geflossen ,blos weil —
na, Stetten, lusrz unsd gut, der Schwar
zenberg soll beileibe nsicht auf solche
Gedanken kommen. Vorgehen soll er,
das ist die beste Art, mir zu helfen-, und
ich selber — Gott straf’ mir, wen-MS
nicht« war ·ist! — ich werd’ auch sobald
ich nur die Verbände einigermaßen ge
ordnet habe, wieder die Offenswe er
greifen! Was, Scham-borst, das thun
wit?« E
»Jn wenigen Tagen soll es soweit
lseim Excellen3!« bestätigte der Gene-»
ral.
F
« Versteckenss zu spielen sein wird. Na«
, Trupp Kosaten ab. Dlie kurze Ruhe
den Offizier fortwährend an seine
»Da hdkctl Stt’s, Stellen, Und Was
der Schamhorst gesagt hat, ist immer
s noch wahr geblieben! Also melden
Sie das Alles Seiner Durchlaucht dem
’ Fürsten Generalissimus und erzählen
- Sie’s Allen, die es sonst noch hören
s wollen. Jch bleibe dabei, wir marschi
- ren aus Paris.«
Der Greis holte tief Athem, dann
fuhr er fort.
»Der Stetten mag ’nen halben
: Pult von Olsuwiew’s Kosalen mit
nehmen, Scharnhorst. Die Kerle sin
den sich immer noch am besten zurecht,
und ihre kleinen Racker von Gäulen
halten am meisten aus. Seien Sie;
aber vorsichtig, Stetten, mein Junge,
Sie werden die Hauptarmee denk’
« ich, in und um Mery treffen, ich
müßt’ mich aber verflucht irren, wenn
nicht zwischen ihr und uns schon fran
zöstsche Reiter herumschwärmen. Wird
jedoch nicht schwer sein, mein’ ich, den
Kerlsen·’ne Nase zu drehen-, denn nach
der Karte biegt ja ein groß-er Wald
nach der Seine zu, in dem wohl gut
streckte dem jungen Osfizier die Hand
« Sie müssen eben sehen, wie Sie durch
« kommen — mit List, oder wenn« eiJi
sein muß, mit Gewalt!« Bliirber
hin: »Reiten Sie mit Gott« meint
Junge, der verläßt keinen braven Reis-s
tersmanni — Noch was hinzu-zuse
" ken, Schamhorste« »
»Nein-, Excellenz!« (
Stetten wandte sich der Thüre zu»
Aber als er die Klinke schon in ders
J Hand hatte, ries ihn der alte Feld
« marschall noch einmal zurück. »Daß
Sie mir nichts davon verrathen, daß
ich nicht zu Wege bin, mein Junge.
Gerade das Gegentheil sollen Sie im
großen Hauptquartier denken. Jn acht
Tagen wär-« ich bei Schwarzenberg
und dann wollten wir vereint wieder
gut machen, was wir getrennt vers
säumt haben! Draus aus den Notw
leon, drauf aus Paris dont wollen
wir Frieden diktiren und den Kerl vom
Thron ’runterwerfen, eher hat’s doch
kein-e Ruhe fiir Europa!« Und dser
Greis griff nach der Feuerzange und
stiesz in dsie Kamingluth, daß die Fun
ken stoben. ,,’Runter muß er, so wahr
ich Lebrecht Blücher heiße! Das sagen
Sie Jedem, der’s hören will, Stetten,
und wenn’s so’n paar Angstrneier hö
ren, die’s nicht hören möchten -—- desto
besser! Adjes, mein Junge!"
Drei Stunden später, um die zehnte
Abenidstunde, ritt Lieustenanst v. Stet
ten aus Etoges mit seinem kleinen
und ein kräftiges Abendessen, eine gute
Schiiitte Futter für die brave Liese hat
ten die Kräfte von Mann und Roß
wieder völlig hergestellt. Man lernte
sich einrichten im Feldzuge, einrichten
mit sdem hunger und dem Schlaf. Ein
guter Soldat muß immer Hunger ha
ben, wenn er was zu essen findet, und
immer schlafen können, wenn er Zeit
dazu hat. Jszt und schläft er dann
einmal auf Vorrath --— desto besser!
Die Nacht war dunkel und der Weg
kaum erkenn-bar, aber Stetien konnte
sich auf den Pfadfinderinstinlt der Ko
saken, die ihm zugetheilt waren, ziem
lich verlassen. Vor dem Abreisen hatte
er die Karte zwar noch einmal zu Ra
the gezogen, aber mehr als die allgemei
ne Richtung, die er einschlagen mußte,
konnte er aus ihr auch nicht entnehmen.
Ging Alles gut, so durfte er hoffen, ge
gen Mitternacht des nächsten Tages die
am weitesten seitlich vorgefchobenen
Abtheilungen der großen Armee zu
erreichen.
Der Regen hatte aufgehört, aber da
fiir rieselte dichterSchnee hernieder, der
norddeutsche heimath erinnerte So
mochte jetzt auch auf Krennnrode Flo
cke auf Flocke gegen die wohlverwahr
ten Fenster des alten Hurenhaus-es
fallen, dieWege im Bart in ein wei
ßes Kleid hüllen und Feld und Flur
zudecken bis zum kommenden Früh
jahr. Dann und wann stand der
Vater aus feinem bequemen Lehnstuhl
auf, ging zum Fenster und schaute in
die winterliche Landschaft hinaus. Er
schritt dann langsam und gemächlich
wieder zu dem runden Tisch zurück,
stopfte sich eine neue Pfeife mit dem
Kanaster, den der alt-e Jochem immer
in der Stadt besorgte, wenn er zum
Wochenmarite fuhr. Jakobäa, das
liebe Nichtchen, das so gut um alle die
kleinen und großen Bedürfnisse des
Greises Bescheid wußte, und an Alles
dachte, hatt-e schon den Fidibus in der
Hand, uind wenn die erste Dampfwolke
aus der Pfeife aufstieg, dann zog der
Vater gewiß die heute detommene Spe
ner’sche Zeitung aus der Pofttasche
entfaltete sie bedächtig, suchte die letztne
Nachrichten vom ,,Kriegstheatkum« aui
und unter diesen wieder diejenigen, die
von der Armee des alten Bliicher han
delten.
Freilich, es ging ja langsam mit det
Post und ehe die gute Spener’sch eine
Kunde von der Marne und Seins
bracht-e, mochten wohl so gegen vierzehr
Tageverstrichen sein, aber vorn herrli:
chen Rheiniibetgange bei Kaub, des al
ten Borwärts Heldenstüch allenfalls
von der siegreichen Schlacht bei La Ro
thiere mochten sie daheim doch schon
Kenntniß haben. Vielleicht daß ,dei
Vater gerade heute davon vorlas wäh
rend Jakobäa mit den feinen, uner
müdlichen Händen Charpie zupfte für
die Berwundeten. Und die Gedanken
des blondlockigien Mädchens flogen da
bei wohl zu desm fernen Vetter, nach
dem Kriegsschauplatzr.
Wie öde und eintönig doch der Weg
war! Krüppelholz rechts und links.
Die Zweige schwer mit Schnee beladen«
die niederen Zweige in wirrem Durch
einander gespenstergleich im Duntl der
Nacht verschwindend. Dann und wann
eineLichtung, selten eine einsameWald
hütte, von den Bewohnern oerlassn, wie
die Kosaken schnell feststellten. Von
dem Feinde war keine Spur
Wenn man nur schneller hätte bor
wärt-s kommen können! Aber der wei
che Schnee ballte sich zu unförmlichen
Massen an den Hufen der armen
Pferde, er setzte sich im Herabrieseln
zwischen den Kleidern der Reiter fest«
spann Sattel und Zaumzeug «in eine
widrige Hülle ein und entlockte selbst
den weiterharten, wintergewohnter
Stseppensöhnen manchen derben Fluch
Seiten einmal, daß auf einer freien
Stelle, wo der Wind den Schnee fort
geweht hatte, der kleine Trupp in Trak
fallen konnte. Schritt und immer
wiederSchritt war das traurige, ermü
dende Gebot der Nothwendigkesit
Stetten hatte seinen Pult —- etwa
dreißig Mann —— in zwei Abtheilungen
getheilt: die kleinere sollte, nach vorn
und nach den Seiten vorgeschoben, die
Sichrung ausüben, die größere hielt
er dicht hinter sich zusammen Eng an
ander gedrängt, so daß Mann und
Pferd sich wenigstens gegenseitig eini
gen Schuß gegen die Unbill des Wet
ters gewährten, ritten sie die schmalen
Waldwege entlang —-- Stunde auf
aus Stunde, Meile auf Meile. Dann
und wann ließ der Lieutenant seine
Uhr repetiren: Elf ——- Ijtsitternacht
Jetzt war-en daheim die letzten Lichter
im Herrenhause erloschen, aber derMa:
zanke, der Nachtwächter, mochte durch
den Parkund die langgestrctte Dorf
straße gehen, die Stunde auszurusen
und vor »Frau und Licht« zu war
nen. —
Ein Uhr!
Der Wald öffnete sich. Ein breites
Thal schob sich zwischen den großen
Forst, der rechts und links zurücktrat
Seit einer Viertelstunde hatte ver
Schneefall aufgehört. Der Mond
schimmerte, als wage er sich noch nicht
so recht heraus, mit halbem Licht durch
eine dunkle Wolkenschicht
Stetten hatte, als er sdie Lichtung
bemerkte, den Pult halt-en lassen und
war bis an den Waldrand vorgetrabt,
um Umschau zu gewinnen und sich zu
orientireu. Es mußte die Thalsew
kung der Yvonne sein, die sich vor ihm
ausbreitete Sie hatten doch schon ein
größeres Stück Weges-zurückgelegt als
er gedacht hatte. Desto bessert
Nachdem er etwa fünf Minuten re
gungslos am Saum gehalten, wollte
er seinen Leuten den Befehl zum An
traben geben. Da sah er unten in der
Mitte der Lichtung einenSchcuß ausblii
tzem dem gleich dar-auf noch ein zweiter
undein dritter folgten —— dumpf tönt-on
sie durch die stille Winternacht nnd
klangen im Echo von den Hügelwänden
wieder.
Ein leiser Fluch entrang sich Stet
ten’s Lippen. Kein Zweife! -— seine
I-—
» Spitze war dort unten auf den Feind
gestoßen.
Was nun? Womöglich einen andr
ren Weg —- unld wenn’s auch ein ar
ger« Umweg weit-·L«4seinschiagsen;s mir
der weiteren Berührung mxit dem Geg
ner zu entgehen? Er war ja nich-i zum«
Kampf aus-gesandt, seine Aufgabe war
lediglich, die wichtigen Nach-richten an
den Fürsten Schwarzenberg zu über
bringen!
Aber erst gakt es, die Meldung der
vorderen Patrouiille abzuwarten
Unten im Thal war Alles wieder
still geworden-. Die Kosaken mochte-n
an den französischen Posten herange
pvallt sein, waren asber sicher, als sie
Feuer bekamen-, sofort wieder zurück
gegangen. Richtig! Da kam ja schon
eine Vjeeltdung Stetten erkannstie den
Mann von Wekiiem im Seh-ein- des
Mondes ans seiner gebeugten Haltung
auf dem kleinen Pferd-them Esi war
der Führer der Spitze, ein alten-be
sonders tüchtiger Kosakmunteroffi
zier, der ihm schon vor einigen Tagen
durch seine Findigkeit aufgesallen war.
»Nun, Alexandrowitseh, wie stehts?«
fragte Stettens.
»Um paar Franz-elend Balerchen,
» nicht der Rede werth!« meldete der
Kosa«k. ,,Liegen dort unten bei einer
kleinen Mühle —- riii Posten bar der
Brücke, die nicht abgebrochen ist.
Wachtseuerchen hinter dem Geh-Ist —
tannst das Leuchten sehen, Pan, wenn
Du genauer hinschaust, da gerade
über den großen Baum dorti«
,,Sonst noch Posten?«
»Nein, Väterchen. Weit und breit
keine Nasenspttze.«
»Ist der Fluß zugefroren, Alexan
drowtitsch?«
Der Kosatenumteroffzier schüttelte
den Kopf. »Gebt mit Eis-, Pan Wir
müssen über die Brücke.«
Stetten riitt einige Schritte in den
Wald zurück, schlug Feuer und spähte
bei dem flüchtigen Aufleutch en auf sei
ne Karte Wi rtlich kein anderer Ueber
gang weit und breit. Eine fatale
Lage!
»Wie start ist die französische Ab
tlj-eilunsg·. Unteroffizier Z«
Der Kosak überlegte. »Ein-e halbe
Schwadron, Bittender-, tauin mein,
vielleicht weniger. « -
»Schade daß ikir den Posten aufge
ftdbert habe«
»Ein-g nicht anders, Pan Lieute
nant. Wird sich aber nicht viel da
bei gedacht haben-, »denn wir waren
gleich wie der Wind fort, als es wallte
Denkt vielleicht, er bat geträumt«
»Es- wurde aber dreimal geschossen,
Alexandrowitscb.«
»Die Kerl-e knallen so gern, Väter
chen. Nachher war All-es nisasusestill,
Hätte-n sie gedacht, daß für sie eine Ge
fahr, wåkden sie uns ein Patrouillchen
nachgeschickt he ben'
Die Kosatenilogit war ganz richtig,
mit Lan-sen bewaffnet, aber sie hatten
Zögern und Ueberlegen — Stsetten
mußte durch, mußte gerade hier durch!
Er ritt noch einmal nach dem Wald
saum vor und spähte mit angespannter
Aufmerksamkeit in das- Tshal Tiefer
Frieden unten —- kein Hufklappern,
kein Waffengeriiusch Auch der schwache
Feuerscheiii war nach ldeintlich erkenn
bar, die Feindehattrn also nicht einmal
daå Wachstfeuer verlöscht.
Ein kurzer Pfiiff — der Pult trab
te ans.
»Die Lanzen fest! Kein unnützes
Geräusch machen! Die Pistol-en hier
aus-, wer eine hast!«
Die Kosaken waren eigentlich nur
m’it Lanze bewaffnet, aber sie hatten
sich zum großen Theil mit erbeuteten
Feuern-afer versehen-.
Jetzt kam dar dichte Schnee idem
kleine-n Trupp zu gut, die weiße Decke
dämpfte den Schall der Hufe, Und
als ob’s auch der Mond besonders gut
init Stett-an meine, verbarg er sich, ge
rade als der Pult aus dein Schatten
der Hügel heraustrat, wieder ganz hin
ter den ziehenden Wollen
Bis auf etwa fünfhundert Schnitt
trabte der Trupp an die Brücke bedan,
ohne einen Schuß zu bekommen, dann
ein kurz-es energische-Z Pascholli — die
Pferde fielen Ein Galopp, und die Ko
saten sprengten in einem einzigen eng
zusammengeschlossesnen Haufen-. Stet
ten auf seiner Liese weit voran, aus
das Mühlengehöfts z-u.
Ein Knall — dann eine schwache
Salve -—— ein gewendes Hurralhl
Stetiten hörte idixe Hufe seiner Liese,
unter sich aus der hölzelnen Brücken
balin lwen-nein —- er hie-b, ohne genau
zuzusehem einen Soldat-en, der ihm
das Gewehr entgegenstreckte-, zu Bo
den und sprengt-se dann mitten in den
Haufen der Feinde hinein-, der sich ver
geblich zur Weh-r zu seyen versuchte
Schon war-en auch die Koiaben heranz»
Zuerst ihre Pistolen abseipernd. stürm
—
ten sie dann mit ihren Lanzen in- die
um einen hochgewachsenen Osfiziier sich
schaarenden Gegner.
»En avan-t, mes braves-! En avantk«
klang aus dem Wirrwarr ein-e helle ju
gendliche Stimme heraus.
,,Qu(artier——wtir ergeben unsi« rie
fen bereits einig-e der Franzosen mir-ist
unbärtiige, kaum der Schulbank ent
ronnen-e Burschen, wie sie Napoleon
schon 1813 und noch mehr nach den un
geheuren Blntopfern der letzten Feld
züge hatte einreihen lassen.
»Hurrah! Hurrah!« Eine kleine
Seitenpatrouille der Kosaten war her
angekommen und stürzte sich ebenfalls
in das Getümmel Der Knäwel um
den französischen Offziier löste sich, was
nicht unter den Lanzen der Kosalen
fiel, nicht unter den Hufen niedergetre
ten wurde, wandte sich m wilder Flucht
dem Walde zu. «
»O, die Feigiinge!« stöhnte der
feindliche Osfizier, sich mtit geschickten,
kriftvollen Hieben gegen Stetten’s Sö
bel vertheidsigend
,,Nehtwem Sie Pardon, Herr Kam-e
radi Sie sehen ja, weiterer Wider
stand ist verg·ebens,« rief ihm Stett-en
zu. Aber der Franzose schien sein Le
ben so then-er wie möglich verkäusien zu
wollen. Mit einem gewaltigen Sprung
rückwärts hatte er die Man-er der
Mühle erreicht und sich gegen sie anleh
nend, fuhr er fort, sein-e Hiebe auszu
theilen
»Sol( ich ihn niederschießen, Pan?«
Der graubärtige Alexandrowitsch hatt-e
schen die Pistole erhoben. «
»Nein — nein!« wehrte Stetten und
drang von Neuem auf den tapferm
Feind ein. Ein kurzer Zweikampf mit
der blanken Waffe, dann klirrte die
Klinge des Franzosen zu Boden —
eine geschickte Finte des Preußen hat-te
ilm entwaffnet. Zähneknirschend stand
er ra, als Stetien ihm sdie Hand auf
den schwach blutend-en Arm legte:
I »Sie sind mein Gefa.ngener, Herr Ka
j merad!« .
Der Ueberfall war völlig geglücki, vs
aber viel sdamlit gewonnen war, ließ
sich noch nicht übersehen Wahrschein
lich war die klein-e französische Abt-hei
lung jsa nur von einem größeren Hee
reskörper vorgeschoben, sie konnte jeden
Augenblick Unierstiitzung erhalten. Es
galt also sür Stetten, so schnell als
möglich den Walld zu gern-innen isnd
sich »unter dessen Schutz unsichtbar zu
machen-.
Er schickte den Fliehenden einige Pa
trouillm nach, um sich über den Ver
bleib des-Feindes zu versichern ließ
dem gefangenen Offizier das Pferd ei
nes gefallen-en Kohlen rorsiihren und
iZbergab «i«hn einigen seiner Leute. Dann
trabtc der llein-eTriis«-V, von der Haupt
straszc abbkegend wieder dem Forsl zu.
Sie-ten selbst nahm sich nur die Zeit,
noch einen französischen Jäger, der asus
ein r Kopswunoe blutend. am Wege
lag, einem kurzen Verhör zu unterwer
fen. Aug dem-selben gewann er wen-ig
stens die beruxhigensde Gewißheit, dasz
er kaum Gefahr lief, esisnem weitereer
Feinde auf dem Wege zu begegnen.
Die shalbe Kompagnie unter dem Bi
comte Labosurd-Msaca«vd war gestern
entsandt worden-, um die Verbindung
zwischen »dem Heeresthesil Mastmoni’s
und Napoleon’s zu unterhalten; sie
hatte völlig in ider Lust geschwebt utnd
konnte auf kein-e weiter-e Unterstützung
rechnen.
»Labou-rd Macard!« Der Narme
wollte Stett-en nicht aus dein Sinn,
währen-d er s einen Leuten nachgalop
psirte.
War es nicht ein Labourd-Macard
gewesen-, der vor zwei Jahren als die
Trümmer der »großen Arme-e« aus
Rußland zurückflusthsetem in Krumm
rode Aufnahme umd Pflege gefunden?
Er, Streiten hatte ihn freilich nicht
selbst gesehen-, denm er war damals bei
dem Heeresiheil Yorl’s im ferne-n
Ostprcußen gewesen. Aber die Briefe
des Vaters unld auch Jakobäa’s hast-den
von ihm erzählt. Ganz richtig — ge
rade Jakobäa hatte ihn ja wohl aus
den Händen der wüthmsden Bauern- be
freit und »in das Hocrenhaus gebracht.
» Als seinen wacker-en jungen Mann hatte
sogar sder Vaiter ihn geschildert, der
sonst von einem ingriimnigen Haß ge
’gen alle Franzosen vesemelt war. La
bourdsMaeavM Der Name m«·-«.ißte
stimmen. Aber es mochten verschiedene
Mitglieder der Familie im Heere Na
polons’s dienen.
Fortsetzung -folg-t.·)
Durch die Blume.
Mama: ,,. . . Ach, Hatt Referendar,
wenn ich einmal Enkel haben- s-ollste. ich
könnte ihnen keinen besserm Papa
swiinschm ais Sieg«