Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 15, 1897, Sonntags-Blatt., Image 7
Sonntags-Blatt Beilage des ,,Anzciger und Herold« zu No. 1.9.·.- Jahsgang I?. J— P. Willdvlph, Herausgehen Grund Island, chr» dcn 1.«.'). Januar 1897. pflicht. VonLeoHildeck. »Lifa -—- bist Du da?« fragte der Kranke »Lisa —- —" Ein hastiges Raunen, sin Raschenln im Nebenzimmer. Die cherabgelassene Portiere wirkt-e zur Seite geschlagen, »Am blonde junge Frau mit zardem - blossen Gesicht und getötheten Lidern erschien auf der Schwelle. »Hast Du gerufen, Theodor?« frag te sie zuriich athemlos, mit unterdrück tet Stimme. »Ich dachte, Du schlie zJch bin schon wieder wach. Jst die Pflegetin fort?« · »Sie schläft.« »Willst Du Dich nicht ein Bischen zu mir seyen? Jch glaube, es ist auch Zeit für die Medizin.« »Er-it in einer halben- Stunde,« sagte sie, nach feiner Uhr blickend, die in ei nem Kkyftallgehiiuse auf dem Nacht Hfchchen stund; dmt setzte sie sich zau betnd aus den Stuhl vor dem Bette. Er bemerkte, daß sie nur auf einer Ecke des Stuhles saf; und verstohlen und unruhig nach der Portiere schaute. Und dann begegneten sich ihre Augen. So fort rückte sie sich auf ihrem Sitze zu recht und lebnte sich bequem zurück. »Die Zeitung?« fragte sie, nach dem Platte greifend, das ausgebreitet aus seiner Bettdecle lag. »Ja. Zuerst die Getreidebörse. Hast Du nicht vorhin mit Jemand gespro chen?« »Mit dem Mädchen·« Wie von un gefähr war ihr errötihende Gesicht bin ter der Zeitung verschwunden »Ich hörte eine Männerstimme.« »Dein Bruder Max.« »Warum ist er nicht hereingetoms men? Sieh zu, ob er noch da tist.« Lisa sprang empor und schlüpfte hinter die Portiere Inmitten des klei nen freundlichen Gartenzimmers, in dessen geöffnete Glostsbük durch die Bäume draußen ein grünliches Licht hereinfieh stand ein junger Mann mit einem fast bronzesarbenen, energischen Gesicht, von schwarzem Haar und Bart unnahmi. »Hast Du Dich besonnen?« flüsterte er, und unter den gerunzeltem lang auslaufenden Brauen blickten die lei denschaftlichen dunklen Augen beseh lend aus sie herab. Sie legte hastig den Finger aus den Mund, hob dann flehento die Hände und wies mit einer Kovfbetvegung nach der ossenens Thür, die auf die Ter rafse hinaus sichrtr. Er verzog das Gesicht zu einem son derbaren Lächeln voll Spott und Ei gensinn und schüttelte heftig den Kopf. Sie wiederholte ibsr Geberde, und er die seine. Dann schlich er auf den Fuß spißen über den Teppich und setzte sich mit trotziger Miene an den Sophatisch, betrachtete das Muster einer anaesan genen Stickerei, die dort lag, nahm so dann das daneben-liegende Buch aus und schien sich eifrig in die Lektiire zu vertiefen. Bisa stand ein Weilchen da. ohne sich zu regen, ohne die flehen-den Augen von ihm abzuwenden. Sein schöner Bron zetops war auf das Buch gesenkt» aus dem kurz geschorenen dichten schwarzen Haar lag ein sammtartiger weicher Schimmer dis— « »- - « - s- .- « . -,,usu - — · - wulr olc IMWCM yet-· sere Stimme des Kranken aus-« dem Ne sen-immer. Der fmmr Mann blickte mit dem al ten- spöttifchen Lächelns zu Ltfa bin Ilsbet, di- sich sogleich der Portiere zu wandte. »Warum kommst Du nicht zurücks« fragte der Kranke mit verdrießkichem Klageton »Max schetnt doch fort zu fein —- wie?« - »Er ist fort,« sagte sie ohne khn an zussbm und griff nach dem Kett-angs blatte, währen-v sie Ehren Pfad am Bett-e wieder entnahm. »Alle — den Muth »Die ert —- W doch M wenn ich Dir etwas sage!« rief er un wirsch. Und dann brach ein furchtba rer Hustenansall los. Lisa beugte sich erschrocken über ihn, schob ihren Arm unter sein Kissen und hob ihn mit gro ßer Anstrengung in eine sitzende Stel lung. Aechzend rang er nach Lust, mit den tnöchernen Armen um sich schla gend, von denen die Aerrnel sich-zurück schoben. Nach einer Weile ließ ihn dtie junge Frau sachte nieder. Keuchend lag er da. Dann wies er aus das Zei tungsblatt. »Pomm-,sscher Hafer »kom« 112 — 116," lass die junge Frau. »Weizen still, Roggen matt. . . .« Und vder todtkranke Mann wars er regt den« Koth hin unsd her und mur meltse abgerissene Worte. Draußen waren seine Gedanken-. auf dem lar mensden Markt, beim nimmer ruhenden Kampf um das Geld. Da wurzelte das einzige Interesse seines Lebens. dieses nun gebrochencn Lebens, das sich ntie wieder ausrichten sollte. Und während Lisa mechanisch das Kauderwelsch desMariies herunterlas, shorchte sie zuweilen nach dem Neben zimmen Ob Henry fort war? Sie wünschte es und zitterte doch da vor . . .. Sie las und las. ch-—k«,.- ! m . « »Hutwmuuuuquyc Toulllltlvsuh Basis ,,middl-ing«, nichts unter »low mi·-ddling.« Sie blickte aus. Theotdor lag still mit geschlossenen Augen und ossenem Munde, laut usnd regelmäßig gsing sein Athem. Er schlies. Hinter dem her abgelassen-en Vorhang stimmten die Fliegen und stießen- leise gegen das Fenster. Lautlos erhob sie sich und schlich be hutsam rückwärts, die Augen auf den Kranken gerichtet, der Portiere zu, die sie sachte zurückschlug. Hean saß noch aus derselben Stelle uwd las. »Jetzt schläft er wieder, « flüsterte sie und blieb zögernd in der Thürössnungi stehen Henry schloß das Buch und machte eine einladende Geste nach dem nächsten i Sessel hin Gehorsam kam sie herbei und ließ sich nieder. »Hast Du Dich besonnen?" wieder holte er eigensmnig eben-falls im Flü-: sterton. l »Du weißt doch —— daß ich nicht lann,« versetzte sie wein-.end I Er zog seine Uhr. »Ja weniger als einer Stunde ist Deine Bedenkzeit ab gelaufen. Jch fahre mit dem Nacht zug. Und am Donnerstag fährt mein Schifs von Brindisi ab. ———— Und wenn Du denkst,« setzte er in etwas stärke rem. leicht drohendem Tone hinzu, wenn Du Dir einbildest, ich käme in ein paar Jahren wieder, so sirrst Du Dich. Jch komme nie wieder-. Deine seige Weing verzetilf ich Dir nie mals. Du kennst mich: mein Wort ist so gut wie ein Schqu.« »Ich laan nicht,« wiederholte sie mit zuckewdem Munde, und ihre grauen Auigen irrten hitlflos durch das Zim mer. »Du bypnotisirst Dich selber mit «Deinern ewigen »ich lann wicht,« sagte der fast zornig. »Warum kannst Dul nicht? Bist Du dem Mann da drin snm Etwas schuldige Durch Betrug z bat er Dich gelapert; er war im Corn plut, als Deine Eltern, weil sie all’ den standalöfen Gerüchten über mich Glauben schenkten, meine Briese unter fchlugen. Er wußte es besser aber er bestärlte sie in ihrem Glauben, weil er Deine Mitgift für sein Geschäft brauchte.« »Henty«’·!« Niemand kann Dich tadeln, wenn Du es heimzahlst ——- wenn Du Dir zu rückeroberst, was er Dir hinsterlistig genommen hat. Unlo wenn sie Dich tadeln was liegt uns daran, wenn wir drüben über Meer glücklich sind?!« »Ich würde nicht glücklich seini« stammelte sie· »Du würdest nichts Unt) das soll ich glanbens!« stieß et hervor-. »Ich soll Dich wohl noch fragen-, ob Du den elenden Mann da W? Als ob ich Dich nicht kenn-te —- act ob ich nicht wüßt-, daß Du nie auch nur mit einem Gedanken von- mir abgeirrt Mit« ( Jetzt wars sise sich in den Sessel zu rück und preßte das geballtie Taschen tuch vor das-Gesicht um nicht laut auf zsuschluchzens. Jm Nu war er neben ihr, in einer halb sitzenden Stellung beugte er sich über die Seitenlehne des Sessels und versuchte ihren Kopf an sich zu ziehen. Sie wehrte sich. ,,Arn1e Lisa — armes geliebtes Kindl« flüsterte er mit leidenschaftli cher Zärtlichkeit »Was fiir ein jam mervolles Stlavenleben Du führst! Komm’ doch s— komm’ mit! Glaubst Du nicht, daß sich Dich für Alles tau sendfach entschäsdigen kann? Sieh’ mich an — komm —- gsieb rnir das Tuch her! Kannst Du denn noch wäh len zwischen den elenden Resben eines Menschen da drinnen —- und mir?« Es war ihr gelungen sich frei zu machen, sich zu erheben. Eine Sekunde lang waren vor ishr-en Augen die kalten grauen Nebelwolken, in denen sie nun seit Jashren hoffnungslos eingeschlos sen lebte, zerrissen; von goldener war mer Lichtfluth überströmst war ihr ein fernes Sonnenland erschienen, unid sie hatte ein glückliches treues Paar er blickt, das nisit verschlungenen Hän den hineinwandelte ins die goldene Welt ..... Aber die Wollens schlossen sich wie der, das lichte Bild war verschwunden »Ich habe nicht zu wählen.,« sagte sie mühsam. ,,Wiirest Du gekommen, als er noch gesund war — wer weiß, ob ich nicht mit Dir gegangen wäre! Aber jeyt, da er hiilflos ist, kann isch ihn nicht verlassen « »Er ist nicht hülflos!« rief Henry heftig. »Er hat Geschwister is- Pfle gerinnen. ——« »Ich könnte es nicht ertragen,« fushr sie kopfschüttelnld fort. »Der Gedanke an den tranken Mann und an seinen Kummer würde mich zur Verzweiflung bringen. . . . Jch weiß nicht, ob es recht ist gegen Dich unsd mich. Jch wiirde Keine verurtheilen, die das tthäte was ich nicht kansn —— lich weiß nicht, was mich zurückhält — aber es hält mich et was, was stärker ist, als ich und Du und s- meine Liebe.« - Die letzten Worte waren fast unver ständlich, stockend über ihre Lippen gie kommen. Eine dunkle Blutwelle war in ihr zartes Gesicht emporgestiegen-; sie stand verschämt Und jung wie ein Mädchen vor «ihm, auf den feinen Wangen lagen die gesenkten dunkel blonden Wimpern in zwei leichten Bo gen. Mitten in seinem Schmerz und Zorn über-kam ihn eine heilige Scheu vor dieser Frau, die er seit seiner Jiinglingszeit geliebt hatte; etwas Fremdes. Hohes war zwischen sie ge treten· Er wagte es nicht, sie ein zwei tes Mal an sich zu ziehen. Nur ihre Hand nahm er und ließ lange seine Lippen darauf rathen. Sie fühlte das Brennen dieser Lippen und das Beben, das durch seinen ganzen Körper ging. Aeußerlich ruhig stand sie vor ihm, je doch ein ungeheurer Schmerz, der größ te ihres schmerzenreichen Leben-s, ritt tette an ihrem Herzen. III-)- an —-,- IIan hun- Ks »»4;n und feine Schritte berllanaen draußen auf dem Kies des Gartens, auf dessen Laub das letzte Noth der Abendsonne verblaßt war. Da brachen de Thränen aufs Neue hervor. Schluchzend warf sie sich in ihren Sessel. Was hatte sie gethan! Das Glück selber hatte sie sich von der Thüre g—escheucht, das Glück, das sich unverhofft ein letztes Mal eingefunden, um sie zu entschädsigen für die qualvol fiir die qualvollen Jahre etner aufge zwungenen holen Ehe. Nein, er würde nie wieder kommen —— und drinnen im Krankenzimmer versickerte langsam ein künstlich Oerlängertes Leben, an dem sie zu Grunde ging. Was hatte sie gethan! — Lang-e, lange lag sie so und wansd sich schluchzend sin- sihtek Pein. ler setz wanderte msit sdejn Jugmdgelieb ten in dsle Freiheit, in sa- Glück hinaus und ihre Hände griffen mn sich, wie um Ihre Ketten zu schütteln . . . Als sie sich erhob, war die Dämme rang hewingebwchem Die Büsche tm Garten Mdeten dunkle, konwakleMsas sen, nur der Weg, der auf vie TerrasseY zuführte, leuchtete noch in bleicher; Helle. Siseh’ da kam es heran —- —— eines hohe dunkle Frauengestalt schien sich von dem Schwarz des Buschwerks ab-J zuliisen und langsam, langsam auf dem hellen Gartenweg gegen das Haus vor zuschreiten. Mit verwirrten Sinnen schaute Lisa der Gestalt entgegen So fvemd unsd doch bekannsi erschien fre; ihr, diese dunkle Silhouette, die schat tenjhast mit Iiinmer schärferm Kontin ren aus der Dämmerung heranwuchs. Was war das? War es die Verkörpe- . rnng jener fremden Gewalt, die ihrem Lebensglück für immer die Thiir ge wiesen shattie —(—- war es —- die Pflicht —? Lisa war in s Zimmer zurückgewi chen und starrte aus die gespenstische Erscheinung die lautlos dsieStufen zur Terrasse emporsiieg. »Guten Abend, gnädige Frau,« er tönte die milde Stimme der barmher zigen Schwester, »wie geht es unserem Kranken?« -.—..- -.- .-—. Sittenbild aus Moahit. (Aus einer Berliner Zeitung vom 2· D«ezember.) Die bleiche Spätherbstsonswe warfE gestern Morgen ishre fahlen Lichter durch das Oberlichtsenster des Moabi ter Justizpalastes und sie beschien den gewöhnlichen Apparat, der zu unseren Gerichtstragödiens nun einmal unbe dingt nothwendig unsd unerläßlich ist. An dem grüwverhangeneni Tisch an der einen Schmalfeite saß der ernste Ge richtshof nrit dem Staatsanwalt und den amtlichen Herren gegenüber hatte sich ——— man verzeihe den Ausdruck — dass Stasmmpublilum eingefunden-, das bei keinem noch so entsetzlich-en Drama fehlt, dessen letzte-r Akt sich entweder hinter dens eisernen Traillen oder auf dem Schafsot abspielt. Und es war ei ner der seltsamsten, fast möchte man sagen der graussamsteni Kontraste, die sich uns aufdrängten, wenn der Zug wind das leichte, die-trete Parsiim von den eleganiten Damen herüberwehte, die mit bewaffneten und unbewaffneten Augen asuf die beiden äußerlich so arm seligen Burschen starrt-en, die gestern wegen der schwersten Strafthat, deren sich ein Mensch schuldig machen kann, auf der Antlagebant Platz nehm-en mußten. Unter einem Mörder stellt man sich gewöhnlich einen großen, brutalenKerl vor, dessen« Gesicht alle Merkmale des-s gewerbs- und gewohnsheitsmäfzigen Verbrechers zieren, wie ihn auchSchau erromane und manche medizinischen Schriften schildern. Aber hinter der Var-viere stehen heute zwei dürftige Knaben, ärmlich ausscha-uend, schwäch lich und schlecht genährt. Diese beiden Ouoen haben einen Moroanscyma ges; plant und ausgeführt, wie er glücklii-«» cherweise zu den allergrößten Sehen-z heiten in den Annalen des Verbrechen; tbnms gehört. Werner, der .s)auptan-i stister und eigentliche Leiter des Unter-. nehm-ens, lann kaum über die Brust-; wehr der Anklaaebant sehen, in seinem» sck)arsgeschnitt·enen, wieselartigen Ge-; sicht aber bewegt sich kein Muskel, bei; den ergreifendsten und schaurigstens Schilderunan bleibt er kalt und vor sichtig — Alles, was er sagt, ist bis in die letzten Konsequenzen vorbedacht, er versteht jetdeFrage desPräsidenctem hin ter welcher er eine Falle Vermuthet, ge schickt und mit scharfem Verstande zu par-tren. Wenn man diesen Buben sieht, versteht man, daß es ihm gelingen konnte, die Behörden eine ganze Zeit lang zu hintergehen —— kein Mensch hätte in der knabenhaftsen, jämmerlichen Erscheinung den blutgierigen Mörder vermuthet. Große ist ganz das Ge genthell seines Kumpans, er ist lang ausgeschossen, sein Gesicht ist nicht un svasch- et ist entschied-Its stupidet als Wem-er, aber auch er entwertet zu smanmd und schnell, er ver neigt sich bei jeder Antwort, die er zu geben hat. , Die Einzelheiten dek abschseusliicheni That sind bekannt. In der Verband-H lung selbst machte es ein-en widriger Eindruck, daß die beiden- Burschen, dies mit außerordentlicher Konsequenz ils-; ren Plan gefaßt nnd verfolgt, die bei; Ausführung der That einen halsbreche- s rischen Muth und eine brutabe Energsiek bekundet hatten, jetzt im entscheidenidenk Augenblsiel in elender Feigheit davori zurückbebten, die Folgen ihrer verbre-, cherischen That aus sich zu nehmen.! Keiner von ihnen wollte die Hand ans den ermordeten Justizrath gelegt ha-i ben. —- Sie wollten blin.dlings im Finstern aus die tin-glücklichen Opfer zugestochem reiner von ihnen wollte diei todtbxingmden Stiche gefühskt habt-as Wie ein eisiger Schauer ging es durchs den Saal, als Werner "den Hergangi mit seiner ruhige-n Stimme, ohne zu stocken, erzählte wie er ihn sich zurecht-I geregt hatte »Als ich- vie Thük öffne-I te, hört-e ich eine Stimme fragen: Wer ist da? —- da trat ich auf das rechte Bett zu, hob den Arm mit dem MesserI auf und stieß auf die Frau los.« Der zwerg-enha«st-e Knirps sagte diese Wor-»k te so ruhig, als häte es sich um dies glseigiiltigste Sache von der Welt gis-i handelt —— mit dem Justizrath selbst wollte er nicht das Geringste zu thuni gehabt haben. Und allen Querfragens des Nicht-ers wich er geschickt aus, wie der gewiegteste, abgeseimteste Bahre-i eher, ohne Zweifel hatte er sich sehr gutl unsd eingehend vorbereitet. Aber auch Große wollte es nur auf die Frau des" Justizrasths abgesehen haben; mit: seiner kalten, tonlosen Stimme führte! er hierfür als wahrscheinlich an, daß? es ja von Anfang an abgesprochen war, I daß er als der Stärkere die Frau töd-i ten, während der schwächere Werner. sich auf den Justizrath werfen solltef Beide Verbrecher aber betonten immer wieder auf’s Neue, daß ihnen jede Ab sicht, den Justizrath zu tödten, gefehltl habe. Schließlich gab Große zu, daß! er wohl in der ,,Aufvegung« die Stiche« haben führen können. Als von Seiten der Antlagebehörde darauf aufmerksam gemacht wurde, daß die beiden Mörder zuerst die Ab sicht gehabt hätt-en, mit Schußwaffenx zu opersiren, entgegnete Wernier sehri schlagfertig, daß diese Schußwaffen, deren Anschaffung nur wegen Geld mangels unterblieben fei, nur zur Ver theidigung auf der Flucht diene-n soll ten-. Welche unendliche Seelenruhe und Selbstbeherrschung diesen Knaben überhaupt auszeichnietem geht wohl am! besten aus dem Umstande hervor, daß er sich nach der That zuerst nach der Richtung des Kaiserhofes begab, »dann aber wieder umkehrte usnd das Dienst mädchen des Justizzrsaths Levy, welches inzwischen auf die Straße gseeilt ways in der harmlosesten Weise fragte, was denn los sei, uncd sich erst entfernte, als er sich über den Verblseib seines Kum pans vergewissert hatte. Jeder andere Verbrecher wäre jedenfalls in kopflo sem Schrecken soweit geeilt, wie ihn seine Füße trugen Und in erschre ckendem Cynismus gaben sie Beide zu, sie hätten sehr gut gewußt, daß sie we gen des Mordes in ihrem juqendlichien Alt-er nicht mehr als 15 Jahre Zucht haus erhalten konnten, daß sie, wie sich Werner ausdrückte, vor allen Dingen nicht ,,gel«o«pst« werden dürften. Wie muß es in dem Kopf und ins dem Her zen des 16jährigen Große aussehen, der dem Präsidenten auf die Frage, ob er den Mord auch ausgeführt haben würde, wenns er gewußt hätte, daß er zum Tode verurtheilt werden könne, mit ruhiger Stimme erwiderte: »Das weiß sich niicht!« Als der Vertheidiger W«emer’s diesen fragte, ob er für sich selbst irgensd einen mildern-denUmstan-d anfüthren könne, erhielt er zur Ant wort, daß iihn nur die ewigen Geldwe legenheiten Große’s zu der That ver anlaßt hätten-. Jsmmeri und immer wieder vers-achte Wemety den Große als den eigentlichen geistigen- Urheber der That szstellenwni elendes Be ginnen, welches den jugendlichen Mör der nm noch veteveeflicher erscheinen läßt. Keine Miene verändert sich in seinem Gesicht; erst als der Staatsan walt mit wuchtigen Worten den gan zen Abgrund sittlicher Verworfenheit schildert, senken beide Vserbvecher die Köpfe und Große weinit bitterlisch. Als dann der Vertreter der An-klag·ebehörde aus die Bestialität der Verletzungen hinweist, fährt sich auch Werner mit dem blaukarrirten Tuch des Untersu chunggsgefängnsisses über die Augen-. Beide Angeklagtew hörten die Reden ihrer Ofsiziialvertcheidiger ohne Zeichen äußerer Erregung unsd nur beim Schlußtvort versuchte Werner wieder den Groß-e als Anstifter darzu-stellen. Bei dem Urtheil beruhigtens sie sich und gaben ihre Erklärungen mit fest-er Stimme ab — als jugendliche Mörder gehen sie in das Gefängniß: wer möch te die Frage beantworten, als was sie zurückkehren werden? ——..- .-·. f-- --« Eine Yrankheii. »Die Hunde, die viel hellen, beißen nicht.« Und die Menschen, die erst lange Versammlungen.einberusen, um siir diese oder jene Sache —- schöne Beschlüsse zu fassen, haben gewöhnlich mit der That nicht viel dafür übrig. Wie viel ist nicht schon von den Zei tungen und allerlei in Philanthropie ,,m-achenden« Ver-einen zu Gunsten der Armenier gesprochen unsd geschrieben worden! Als aber neulich in New York für den Armenischen Hülfssonds eine Opernvorstellunsg gegeben werden sollte und zur größeren Aistraktion Ghauncey M. Depew die Logens ver-— steigerte, da hatten sich noch keine zwei Dutzend Personen eingefunden-, und von den Anwesenden waren obendrein die Mehrzahl Armenier. Aehnlich verhält es sich wohl auch jetzt wieder mit dem Kuba-Rummel. Wie »begeå stert« erschallten vor wenigen Tagen noch dsie Reden unserer Jingos in krie gerischen Versammlungen! Wie voll nahm die Jingo-Presse den Mund! Und der liebe Pöbel, im Proletarier gewande wie im Herrenkleide, wie stoll geberdete er sich, wenn die Rede aus Spanien kam! »Man« verstieg sich sogar zur Verbrennung der spanischen Flagge und zur bildlichen Erhängung des »Bluthundes Weyler«. Und heute? Gerade als ob Kuba gar nsichst mehr existirte. Es ist stille geworden über den Wassern· Unsere Jingos im Se nate haben über Olney und Eleveland, die ihnen den Präroga-tiv-Knüppel so usniangenehm zwischen die Beine war sen, Ku-ba, das eigentliche Streitobjekt, ganz ver-gessen. Unid von den tapferm m sit-. -.-.»-- - ouukuueuk ullo Oqcyluncsllsscfn shört man schon gar nichts mehr. Wie kommt das-? Woher dieser plötzlich-e Umschwung? Wie Göthe sagte: ,,Be geisteruna ist keirne Häri«ngswaare, die man einpökelt auf viele Jahre.« Das war schon von jeher wahr. Ganz be sonders trifft dieses Wort des« Alt meisiers aber heute zu. Nie aasb es eine Zeit, wo die Menschheit sich mit so fliegen-der lHast ein-er Sache zu kebrte, um sich, wenn der Erfolg nicht aubenblicklich ein-trat, ebenso schnell wieder von ihr abzuwenden, wsie uns sere Zeit. Wie die Welt im Handum drehen reich werden will und über die ses Ziel Ehre nnd gut-en Namen nichts mehr achtet, so will die Welt heutzu tage auch in jeder anderen Hinsicht rasche Erfolge sehen. Ausdauer und Belharrlichkeit sind iskyt sast fremde Eigenschaften geworden. Vom Hun dertsten in’s Tausendste tsanmelnide Begier, ohne dauernden Genuß auf irgend einer Staiion -——— das ist der Grundzug unseres in der Jagd nach dem äußeren Erfolg nervös überhaste ten, aller Geduld baren Zeitalters. Das rasche Verfliegen des Etwa-Rum mels ist nur ein weiterer Beweis für diese allgemein vorhandene Krankheit der Volksseele Nicht mir die Indivi duen, sondern auch die Nationen leiden daran. Woher die Umkehr und die Rettung kommen soll, liegt vorqu noch im Dunkeln