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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Jan. 15, 1897)
i Ewigka Romanvondanstltichten Erstei such. Erfies Kapitel. Die Karten wurden aufgedectt — achtzehn — neunzehn! ein fast gleich mäßiger tiefer Athemzug hob die Brust der beiden Spieler und der dicht um den- kleinen Marmortifch gedrängten Zuschauer. Es hatte eine Summe ge standen, die auch im Pariser Joach Klub nicht zu den Alltäglichleiten ge hört hätte uwd für die hiesigen Ver hältnisse geradezu enorm gennnsnt wer den mußte. Sie wünschen Revanche, Herr Lim tenianti fragte der Gewinner, mit fast verächtlicher Gleichgültigleit den vor ihm liegenden Haufen Gold unsd größe rer Kassenscheine ein wenig beiseite schiebt-nd. Der andere-, ein jugendlich fchlanier Dragoner-Offizier, dessen hübsches, blühendes Gesicht nusr für einen kurzen Fugenblicl leicht erblaßt war, erhob ich. X O Jch danke; lassen wir es bis zum V« « sten Male. Fortuna ist ein Weib, usw Weibern soll man nichts abtrotzen wollen. Ein heiterer Klang lag in feiner Stimme, als berühre ihn der Verlust einiger tausend Thaler weiter nicht. Als er aber an das Buffet trat und sich ein Glas Wasser ein-schenkte, zitterte seine Hand so heftig, daß die Hälfte daneben floß. Niemand achtete mehr auf ihn, da soeben ein wiler tiiger Rittmeister eine neue Partie mit bem bisher vom Glück so auffallend Begünstigten begann. Während er die Thtir öffnete, um hinaus zu gehen, blickte er noch einmal zuriick und- nun guckte eine wilde Bitterkeit um seine frischen Lippen, und zwischen den Brauen der blihartig aufleuchtenden Augen grub sich eine tiefe Falte ein. Gehst du schon, Konrad? fragte ne ben ihm eine tiefe Stimme, die einem untersetzben Manne mit dem Nacken und der Brust eines Riesen gehörte Jch dächte, es wäre Zeit-»und über haupt besser gewesen, heute gar nicht hierher zu kommen. Unverschämtes Glück, was dieser Ni colai hat, das richtige Schwein, bei Pferden, Weibern und Karten, überall! Hat mich heut Mittag auch schon aus gezogen, lasse mich aber auf Parole nicht mehr mit ihm ein, mag seinen Goldfuchs den er gegen meine Evas tochter vertauschen will, behalten. Das habe ich dir schon längst gera Der Wirth selbst half den Herren die Mäntel anlegen, ein Zeichen, daß sie hoch in seiner Achtung standen. Empfehle mich ganz ergebenst, Herr Gras; empfehle mich ganz ergebenst, here Lieutenant Buchrodt . . . habe die Ehre, gute Nacht, meine Herren! Die Straße lag bereits in- nächtlich stiller Duntelheit. Laut hallten die Hirt-enden vom Silbelgerassel begleite ten Schritte der beiden stiziere von den Däusern wider; nur ab und zu sprach der eine ein gleichgültiges Wort, auf das er kein Erwiderung erwar ktttz als ob sie sich mit Gedanken be schäftigten, welche sie selbst in dieser menschenleeren Gasse auszusprechen sich scheuten. Buchrodt’s Wohnung lag kaum zehn Minuten von dem Bestan rant entfernt. Der Gras ging mit hinauf und befahl dem öffnenden Bur schen: Koch’ Kassee weißt schon, start und schwarz ohne alles! Buchrodt verschwand im Nebenziw mer mild kam dann in einer leichten hausjoppe zurück, um rauchend mit unruhigen Schritten auf- ten-d abzu gehen. Während dessen hatte sich der Graf in dem Armsessel vor dem Schreibtisch niedergelassen und einen der auf diesem stehenden Rahmen mit einer Photographie in Cabinetformat ans sich herangezogen, in deren Betrach ten er sich mit völligem Vergessen sei ner Umgebung verlor. Sein sehr rothes und gebräunteö Gesicht mit den star ten, gutmüthigen und nichts weniger als geistreichen Zügen glänzte behag lich, die kräftigen Lippen unter dem struppigen Schnuttbart spitzten sich leise wie zum Pfeifen, in den wasser blauen Augen leuchtete ein Strahl wn Wohlgfallem ja von inniger Zärtlich seit auf, der sie fast hübsch erscheinen ließ —- auö der silbernen Rosenguir lau-de des Rahmens blickten ihm zwei liebreizende Mädchengesichter entgegen, eng aneinander geschmiegt, der Aehn lichkeit nach offenbar Schwestern, und iibek fie vergaß er den Freund, dessen Gast er war, die Cigarm die-erloschen imAschthOchet lag g, Midas-fah desi der Bursche längst gebracht hatte Wenn du dich von meinen Sonstnen J LJJ ertcht trennen kannst, wird dir der Kasfee einsrieretc. mahnte enidlich Buch todt. Verlegen, wie aus einem Unrecht er tappy stellte Äder Gras den Ständer wieder auf seinen Platz und wandte sich halb herum, freilich mir so weit, daß das Bild immer noch im Bereiche eine-B Seitenblickes blieb. Alle Hagel, rief er gleich darauf, wie siehst du denn aus? Wie Jemand, der soeben sein ganzes Vermögen verspielt hat, antwortete Buchrodt, indem er sich in die Sofa Ecbe war-s. Er war jetzt aufsallend bleich, der bitte-re Zug um die Lippen, die Falte zwischen den Brauen traten noch schärfer hervor. Dem Grafen fiel die Cigarre, die er anziinden wollte, aus dem Munde, olyne daß er es bemerkte. Mensch — Konrad —- aber das tcrnn unmöglich sein! Jst aber so! Jch wollte zum Ban quier gehen, usm den Rest meines Ver mögens, der bisher in einer Hypothek angelegt war, zu -deponiren; unterwegs traf ich Nicolai nnd einige andere, wir spielten erst Billard, dann Karten; schon vorher war ich oerdrießlich, aus geregt, der Spielteusel faßte mich — aus isi’s, alles! Du willst doch nicht . . .. dem dicken Ossizier blieb das Wort in der Kehle stecken. grein, have remse Sorge. Jch gönne den Neustädter Klatschmiiulern den Triumph nicht, sag-en zu können: Jetzt hat sich der tolle Buchrodt auch eine Kugel vor den Kopf geschossen, bei sei nem Leben war ein anderes Ende ja nicht möglich, wir haben es immer prophezeit.». Apropos, was ich dir sage, bleibt unter uns, Emmot Auf Parole! Aber mich soll der Teufel reiten, wenn ich verstehe, wie ttrs so tommn konntet Warst immer Lrangirh kein-Wechsel, keine Schul n. Natürlich, wenn man sein Kapital verzehrt . . . Laß dir das erzählen, ich muß dariiber sprechen, wenn es mich nicht ersticken soll. Werden was anderes dazu trinken, wird besser gehen, sagte der Graf da zwischen-, langte, mit den Gewohnhei ten des Freundes ver-traut, aus einem der Seitenfächer des Schreibtisches eine Flasche Sherry hervor, goß ein unsd schob Buchrodt ein Glas zu., der indeß, ohne zu- trinten, fortfuhr: Als ich die Epauletten bekam, brachte mir das von meinen Eltern hinter lassene, sicher angelegte Vermögen reichlich dreitaus end Mart Zinsen. Bei der Jnfanterie wäre ich damit sehr gut ausgeiommem aber du weißt ja — die hübsche Uniform, der Schlepper und die Sporen, das zieht unwiderstehlich, ein Pferdenarr war ich von Kind auf gewesen, ich wurde also Cavallerist und rechnete mir als vorsichtiger Mann ei nen hübschen Wirthschaftsplan aus, wie ich mit mrinnnGelde durchiommen wollte. Na, es ging diesem Etat nicht besser als den meisten andern, er wur de immer und immer überschritten. Schulden machen wollte ich nicht, es hätte ja auch weiter keinen Zweck ge habt, als den Halsabschneidern die hohen Zinsen in den Hals zu werfen. Bezahlen mußte ich sie doch. Jch griff also das Capital an, zuerst freilich mit dem guten Borsatze, von nun an spar samer zu wirthschaften. Ach, meine guten Vor-sähe; auch die beanspruch ten leider nicht, als rühmliche Aus nahme der allgemeinen Regel zu gelten Die tausend-fachen Versuchungen, das böse Beispiel und das eigne leichte Blut, zwei Jahre bei der Reitschule, ein halbes Jahr auf Reise-Urlaub, im Fluge durch Frankreich, Spanien, Ita lien — wenn man jung und Capitalist ist, will man doch auch etwas von der Welt sehen und den Parisern zeigen, daß ein preußischer Dragoner sich nicht lumpen läßt, —.-- schließlich ein Paar ver-fehlte Versuche mit höher verzins lichen Jndustriepapierem dann rechnete ich und gewahrte mit Schrecken, daß mir bereits die Hälfte meines Vermö gens durch die Finger geflossen war, fast ohne zu wissen wie! Und dann ging es eben weiter, wie es gehen mußte, denn mit den so verringerten Zinsen konnte ich nicht auslommen. Es war, ale ob ich inmitten der Bran dung auf einem schwachen Erdhiigel stände, von welchem jede Welle einen Theil losreißt; Scholle auf Schalle sehe ich sinken, und die Gewißheit, daß, wenn die letzte zerbröclelt, ich nichts mehr habe, mich zu retten, als die Kraft meiner Arme, hat sich mir schon so vertraut gemacht, daß ich den Kampf laum noch fürchte. heute fiel diefe letzte Schalle, durch meinen eigenen Leichtsinn, früher als ich gedacht hatte und nRhtg war. , Und nur-i Schwimme ich tin offenen Meer, um bei meinem Bilde zu blewern und sehej 1 mich nach einem rettenden Ufer um, das heißt, ich reiche vor allen Dingen den Abschied ein, selbstverständlich Alle Hagel, du wirst doch nicht? fuhr der Graf aus uind öffnete seine runden Augen, als sähe er ein Ge spenst. « Jch werde, antwortete Buchrodt bes stimmt. Jetzt habe ich grade noch so viel, daß ich mit allen Ehren abgehen kann, ganz so wie ihr großen vorneh men Herren, die ihr nur Ehren Und Vergnügen halber ein paar Jahre dient, um euch dann aus eure Güter zurückzuziehen Die fehlen mir frei lich, allein, wozu wäre denn Amerika entdeckt worden, warum hißien Wiß mmm unsd Peters Flaggen über Flag gen? Jn irgend einem Erdenwiniel wird sich schon ein Plätzchen finden, wo ich unter-schlüpr kann. Viel verlange ich nicht, jetzt heißt’s einfach: iß gefäl ligst die Suppe aus, die du dir einge brocki hast. Ne, ne! brummte der Graf, stützte das Kinn aus die um den Säbelgriff gefalteten Hände und starrte nachdenk lich vor sich hin. Nach einer langen Pause, während welcher Buchrodt ner vös an den Enden seines wohlgepsleg ten blonden Schnurrbarts kaute, hob er plötzlich den dicken Kopf und rief mit einer Miene, mit welcher vielleicht einst der griechische Weise sein Heureka verkündete oder Columbus sein Ei aufstellte: Jch hab’s, Konrad, hab’s . . heirathen natürlich eine reiche Frau, aus alle Fälle das beste! Buchrodt warf sich m die Sofa-Ecke zurück und —- lach«te, lachte, daß sein noch eben so blasses, von der Erregung schmerzliches Reue fast verzehrtes Ge sicht sich purpurroth färbte. Aus dieses originelle Rettungsmittel bist du selbst gelommen?. Nimm ein Paient darauf, aber schnell! Nein, lie ber Junge, da ziehe ich, glaube ich, noch die Kugel vor. Jetzt griff er auch zum Wein, er stürzte ihn nicht hinunter wie ein Verzweifeln.der, der seinen Schmerz betäuben will, sondern schlürfte lang sam und behaglich mit dem vollen Ge nuß des Kenners Das Aussprechen schien wirklich erleichtern-d auf ihn ge wirkt zu haben wie die »besrei«ende That« des Werther auf den verzwei felnden Goethe. Der nur zu oft bis zum Leichtsinn gesteigerte glückliche leichte Sinn der Jugend trat wieder in seine Rechte. Hast du etwa auch schon eine Frau für mich »in petto«? fuhr er noch immer lachend fort. Blos die Hand ausstrecken —— an jedem Finger ein Dutzend! Ja, ja, ich ten-ne es, aber das ist nicht mein Fall, durchaus nicht. Na, aber —— murrte der Graf mit beleidigter Miene. Laß es dir erklären, Einmo. Ich habe diesen rechnenden Geld- und Mädchenschacher immer gehaßt und lverachtet. Es muß sehr fatal sein, in ieinem schäbigen Rock und schiesgetrete jnen Stiefeln herumzulaufen, das de iprimirensdste Gefühl aber, sich von ei ner Frau laufen zu lassen, die erste be ste zur Gefährtin seines Lebens ma chen, nur weil sie die Schulden bezahlen » und die Caution stellen kann —- brr," mich gruselts. Was nützte es dem Ga leerenstlaven, wenn die Kette, die er am Fuße nachschleift, aus Gold be stände? Ja, wenn es noch echtes mas nveg Gold ware, so etwa ein paar Mu lion«en, daß ich wie ein kleiner Gras von Atome-Christo über alle Gelder bärmlichkeit erhaben daftände —- dann ließe ich mich vielleicht verleiten, in’S Joch zu kriechen, ich bin kein Diogenes oder Cincinnatus. Du könntest das vielleicht erreichen als Gras Schenk zu Altenegg, Freiherr von Hohenstein nnd Rehberg auf Altenegg u. s. w» ich, der simple Buchrodt niemals. Ein paar Epauletten und sonst nichts drum und dran verführen heutzutage keine Mil lionärin mehr, kaum noch einen Ban quier aus dier Provinz, der auch schon nach dem »von« sijr feine Tochter schielt. Und meine Freiheit einer Un geliebten opfern, deren Thaler ich zehn mal umdrehen muß, ehe ich sie ausar ben dars, eine eiserne Kette mit diinnet FeuerveraoldungZ . . .. Nein, dafür bsn ich nicht feil, lieber als freier Mann in Calisornien Gold graben! Habe ich nicht recht? Das mußte Gras Altenega zugeben. In diesem Riesenkörper steckte die Seele eines Kindes; Buchrodt war sein unsehlbares Jdealz das immer recht hatte. Morgen srüsh kommt der Onkel aus Lichtenau herein, lvser wohl einen Rath sikr mich haben wird, sprach Buchrodt nachdenklich weiter. Jch dars ihm nichts verhehlen. Es thut mir um den bra ven alten Mann leid, mein Leichtsinn wird ihn mehr betrüben als mich selbst. Und was »die Mädchen dazu sagen wer den! Sie kommen mit. Schade, sagte der Graf, indem et sich —":l sziemlich erfolglos abmühte, eine unbe fangene Miene zu zeigen. Was? Wieso? Bin morgen von zehn bis drei dienst frei, wollte dich mal heimsuchen, Herrn Laswdratsh begrüßen. Wenn aber Da men kommen, berzichte ich natürlich. Ach so! lachte Buchrodt mit einem schlauen Augenzwintern. Thu’ dir meiner Cousinen wegen keinen Zwang an, ich erwarte dich ganz bestimmt. Da ich vorerst mit dem Onkel allein s pre chen muß, wäre es mir sehr lieb, wenn du dich unterdessen der beiden Mädel ansnähmsi. Werde zusehen, habe aber vielleicht doch noch Appell, murmelte Alt-wegg, als sei ihm die Einladung ganz usnd gar gleichgiltig Dann erhob er sich stülpte die Mütze auf, warf noch ei nen langen, sehr langen Blick auf die Photographie und faßte den Freund plötzlich mit seinen breiten Händen an beiden Schultern: Laß das noch, Kon rad, mit dem Quittiren, weißt du — kann gar nicht an Trennung denken, habe ja Geld wie Heu, alles so gut wie deins —- zwanzig-, hunderttausend so viel du willst! Auf Parole, der Teu fel soll mich reiten, wenn.... seine rauhe, tiefe Stimme klang jetzt weich und gerührt, die Worte fehlten ihm, sein Anerbietens in die zarteste Form einzukleiden. Dafür schüttelte er die schlanke Gestalt des Freundes mit sei nen Riesenfäusten, als wolle er sie zer brechen. · Schon gut, mein lieber Junge, du bist und bleibst der einzige, von dem ich eine Hilfe annehme, wenn es nicht an ders sein kann, sagte Vuchrodt, halb lächelnd, halb bewegt, begleitete ihn zur Thür, ließ sich ein halbes dutzendmal die Hände schütteln, nahm noch einige vorläufige ziemlich consuse Empfeh lungen an seine Cousinen entgegen und schlief eine Viertelstunde später so sanft und sest, daß ihn ein Krösus darum hätte beneiden lönsnen. Den folgenden Tag hatte sich Buch rodt in der Erwartung des Besuches seiner Verwandten dienstfrei gemacht. Sosort nach dem Frühstück schrieb er sein Abschiedsgesuch, nicht ohne schmerzliches Bedauern, aber auch nicht mehr in der leiden-schriftlichen Bitter keit gegen sich selbst, welche ihn gestern gepeinigt hatte. Seit Jahren wußte er, daß es mit seinem Vermögen berg ab ging, daß sriiher oder später die Nothwenidigkeit an- ihn herantreten mußte, einen andern Lebensweg einzu schlagen. Jetzt war sie da und er dachte nicht daran, die entscheidende Stunde hinauszuschieben. Wie groß, in den Augen mancher vielleicht unverzeihlich, sein Leichtsinn auch sein mochte, so wollte er dessen Consequenzen doch muthig und aus möglichst ehrenvolle Weise tragen. Der Gedanke, seinen bisherigen Eredit, das Ansehen seiner sPetson, Stellung und Familie auszu nutzen-, welcher siir manchen anderen der nächstliegendts gewesen wäre, kam ihm gar nicht in den Sinn. Die Trüm mer seiner Habe reichien wohl siir den bescheidenen- Ansang einer neuen Eri stenz aus; welcher Art dieselbe sein » sein würde, kürnmerte ihn vorläufia nicht. . . kommt Zeit, kommt Rath! Gegen elf Uhr hielt vor seiner Woh nung ein elegantes Break mit zwei jungen Damen und einem ältlichen ftrammen Herrn, der dem gut gestellten Gutsbesitzer in keiner Weise verleug nete. Ganz zufällig — wie er später versicherte — kam auch Graf Altenegg juft die Straße entlang . Natürlich konnte er nicht vorübergehen, ohne sich nach dem Befinsden seines Freundes zu erkundigen, wogegen er dessen weitere Einladung fast ernsthaft abzulehnen versuchte, bis die eine der jungen Da men-, offenbar die ältere, resolut den bunten Aufschlag seines blauen Acr mels ergriff: Aber so zieren Sie sich doch nicht fo entsetzlich, Graf, ich muß Sie überhaupt wegen unserer neuen Pony-Equipage um etwas fragen. Als anerkannte Autorität auf dem Gebiete der gefammten Pferde-Sports konnte er nun nicht anders, als sich den Damen zur Verfügung stellen. Er that es mit heiinlichem Schmunzelsn. Konrad hatte für ein kleines, aber auserlesenes Frühstück gesorgt, welches der in eine treffenbefetzteLivree gefiecite Bursche mit zierlichem Geschick ser virte. Die Unterhaltung war ebenso lebhaft als heiter. Der Landrath Bsuchrodt liebte ein offenes Wort ohne gedrechfelte Phrafen und hatte auch feine Töchter in diefem Sinn-e erzogen. Zwischen den Damen saß der Graf, der am wenigsten sprach und am mei sten aß, da die einse, wieder die ältere, welche die Honneurs machte, ihn mit ganz ungeheuren Portionen versorgte. Sein volles Gesicht mit den unaufhör lich arbeitenden Backen und feine freundlichen großen Augen glänzten- in wonnigem Vergnügen; er glich einem Bilde prosaischer Behaglichkeits unsd [ — ohne die Unisorm und den kostbaren Wappeming würde ein Fremder in ihm weit eher einen- Gutsverwaslter als einen Vertreter der hohen Aristokratie, den Besitzer der einige Quadratmeilen umfassende Herrschaft-en Altenegg, Hohenheim u. s. w. vermuthet haben. Als der Bursche abgeriiumt, zog Kon rad seinen Oheim mit der Bitte um einige Worte unt-er vier Augen in das Nebenzimsmer. Altenegg blieb mit den Damen allein; er saltete die dicken Hände und sah sie ziemlich rathlos an. Obgleich er nicht im Mindesten bean spruchte, als geistreich zu gelten, so hatte er sich doch zur Erziehung und Verkehr eine gewisse Gewansdtheit der Unterhaltung angeeignet und die Er-» sahrung gemacht,daß er seines Namens- : und Vermögens wegen nirgends über sehen wurde, am wenigsten von den Frauen. Außerdem besaß er eine nicht geringe Dosis Unversrosrenheit, die sich wenig um strenge Etiquette kümmerte, nur den« Cousinen Buchrodts gegenüber konnte er sich, trotz ihres freundlichen Ent-gegenkommens, nie ein-er s chüchter nsen Besangenheit erwehren, welche an dem wohlgenährten Hercules fast ko misch wirkte. Es waren zwei auffallend schöne Mädchen, noch sehr jung, neunzehn und achtzehn Jahre, blonsd und rosig, mit schlankem graziösen Formen und blauen Aug-en, einander sehr ähnlich, daß jeder sie als Schwestern erkennen mußte, und doch wieder ganz verschie den. Elisabeth oder kurzweg Elli hatte in ihrem Auftreten etwas Resolutes, Entschlossenes, das bisweilen an’s Bursch-Rose streifte, sie sprach stets sehr ungeschminit usnd bestimmt; die jün gere, Clara, war zurückhaltensder, träu merischer, weicher, sie glich einer jener ätherischen Erscheinungen, welche man so häufig unter den vornehmen Eng länsderinnen bemerkt. Die Mädel sind wie ein und dasselbe ; Buch, nur in Volks- und Diamantaus- s gabe, pflegte Konrad von ihnen zu sa-; gen, und Altenegg fand diesen Ver gleich sehr passen-d, obwohl er sonst oout Büchern wenig hielt und version-d. Wiet vergleichend ließ er seine Augen von der i einen zur andern schweifen, bis sie aus Clara’s zartem Profil haften blieben. Sie hatte sich halb gegen das Fenster gewandt, und das hereinsluthende Sonnenlicht goß ein-en warmen, rosigen Schimmer über die lieblichen Züge, lockte goldige Reflexe aus dem blonden Haar unsd umwob die Stirn, wo es sich zu leichten Locken wellte, wie mit einsem Heiligenschein . . . . eine jungfräuliche Ma«donna, sagte sich Alten-egg, dessen dickes Gesicht immer Purpurner erglüh te. Es überkam ihn ein-e seierliche An-; dacht, wie in ein-er Kirche, vor deren! reinem Heiligenbilde er alle Niedrigkeit’ der Welt vergaß. Mit der Frage nach dem praktischen Modell eines Feldwa gens unt-erbrach Elli sehr zur Unzeit diesen seltenen poetischen Aufschwung seiner Gedanken· Zum Glück war das ein Gebiet, aus welchem er nicht irren tonnte. Cur horte feiner Erläuterung mit einer Aufmerksamkeit zu, welche junge Damen gewöhnlich nur fiir Tri letten und Bälle zu entwickeln pflegen, unsd fragte schließlich: Also Gabel mit zwei Rädern nach Art eines Cabs hal ten Sie fiir das beste? Es müßte sehr hübsch sein, nur ein wenig unsicher, fürchte ich. Durchaus gar nicht, wenn Breite und Raddurchmesser im richtigen Ver hältnisse stehen. Werde mich mit dem Wagen-han« — Lange, nicht wahr? —- iw Verbindung setzen, wenn gnädi zkes Fräulein erlauben. Ich danke Ihnen, Graf, Sie sind wirklich sehr freundlich. Papa hat Herrn Lange, glaube ich, zu Sonntag bestellt; kommen Sie doch mit Kon rad herauss, wenn Sie durch nichts Besseres oder Amiisanteres abgehalten sind. Besseres —- AmiisanteresZ wieder holte dser Graf entzückt· Wijßte auf Parole nicht, was ich mir Schöneres wnschenss könnte, fürchte aber, unbe scheiden zu sein« Herr Landrath und gnädige Frau . . .. Sehen Sie ebenso gern kommen wie wir, sagte Clara, die er bei den letzten Worten fragen-d angesehen hatte, als ob ihm ihre Zustimmung noch weit wichtiger sei als die ihrer Eltern. Papa wird Ihnen dann selbst die Einladung wiederholen. Zu gütig, gnädiges Fräulein, zu gütig, erwiderte Altenegg, dem vors Vergnügen die Unisorm zu eng wurde, I unId wieder blickte er nur Clara an und verlor sich in der Bewunderung ihrer reinen, weichen Züge, ohne zu bemerken, daß die andere Dame ishn fast heraus fordevnd ansah, während sie mit einer vom Schreibtisch genommenen Reit-» gerte Konrads in- lebhaftem Tempo ihre unter dem Kleide hervorlugenden Fuß spiden bearbeitete Wieder eine« lange Pause, bis Clara, wie auig tiefem Sin L -— — nen erwachend, den Kopf hob und im Tone ängstlicher Besorgnijz fragte: Was nur Konrad so lange mit Papa »zu verhandeln hat? Wissen Sie es, Herr Graf? Bedaure, meine Gnädigstel Es that dem guten Altenegg wahrhaftig weh, das liebe Mädchen belügen zu müssen, leider konnte er nicht anders. Endlich kamen Oheim und Neffe zu rück, und der erste-re sah in der That weit bekümmerter ans als der leicht lebigie Lieutmant. Clara blickte for schend von dem einen zurm andern. Jn ihren Augen lag eine Frage, aber nie mand aichtete darauf, am wenigsten der, den sie betraf — Konrad. Der Land rath hatte Geschäfte die Damen einige Einiäufe zu besorgen-; man verabre dete, sich nach zwei Stunden in einem Restaurant wieder zu treffen und dort zusammen zu speisen. Dann brachen die Gäste auf. Nun setzte sich Alienegg bedächtig auf Clara’s Stuhl und legte seinen dicken Kopf genau an dieselbe Stelle der Lehne, auf der ih-: feines Köpfchen geruht, wobei er die Augen halb schloß, als beabsichtige er, sich süßen Träume reien hinzugeben Buchrodt ließ ihm nicht dazu kommen. Er reich-te ihm ei ne Cigarre, zündete sich selbst eine ani, warf sich auf das Sofa und rief mit einem tiefem Athemzuget Laß uns trommeln und pfeifen, Em-mo, es ist überstanden! st:—— la-DD t---1.- L-- fu«-c : W,Clutssl, IUUIX ILUZIL »Ist- Ussul III einer unwillkürlichen Erinnerung an frühere Zeiten, in denen seine Ausga ben von einem seh-r sparsamen Vor munsde controlirt wurden. Jm gewöhnlichen Sinne nicht. Der alte Mann hat mich ja viel zu lieb, um mir ernstlich bös-e zu sein, aber ich ver sichere dir, mir war gestern, wie Nico lai meine letzten Banknoten ein-strich, nicht so miserabel zu Muckhe ale jetzt, da mir der gute Onkel in seiner liebe vollen Weise meinen erschrecklichen Leichtsinn vorhieli. Jch hätte mich ohrseigen mögen; wahrhaftig, es wäre mir lieber gewesen, er hätte im wilde sten Zorn gesprochen als mit so tiefem Schmerz. Natürlich läßt er mich nicht fallen-, er will mich zum Landwirth ausbilden und mir später eine kleine Pachtung Verschassen, zu der die Reste meiner Habe noch ausreichen. Das stimmt ganz mit meinen Neigungen und Wünschen überein, solides Land lesben, Jagd, Pferdezucht, von Zeit zsu Zeit ein paar Freunde an meinem Tisch-« fahr wohl, bunt-er Rock mit deines Dienstes ewig gleichgestellter Uhr; wir sehen uns niemals-, biedere Siour unsd Suahelis! Nur in der Stille wohnt das Glück. Wer aus schöner Natur weihendem Brunnquell schöpft, Misset gerne den niedern Prunk Froh durchirrt er die Flur, froh, warm auch seinen Fuß Keine blitzende Schnall’ Umwölth singt Herr von Salis, auf den ich als angehender Landmann schwöre; glaubst du, daß er damit gelogen hat? Salis? unbekannt Werde dir aber eins von meinen Gütern verpachten, Hohenstein wird in zwei Jahren frei. Komme dir wahrscheinlich bald nach, hab’s auch satt, ganz gründlich, beson ders ohne dich. . . . Alle Hagel, könnte dich fast beneiden, ein so braver, lieber Onkel, zwei Cousinen, die —— welche — Altenegg wurde mit seinem Satze nicht fertig. Jetzt schielst du schon wieder nach den Photographieen aus dem Schreib tisch, lachte Buchrodt. Was, zum Hen ker, hast du denn immer mit meinen Cousinen? Ach nichts, aber mich soll der Teufel reiten, wenn du nicht besser daran bist als ich —-— mit deinem Temperament meine ich. Vuchrodt faltete die Hände unter dem Kon und blickte nachdenklich in den Rauch seiner Cigarre. lFortsetzung solgt.) .- - —..f --. DerVice -Präsident der verkracht-en- Jllsinois Natiomal Bank, Herr Hammond, ist also als Leiche besi Evansion aus dem Wasser gezogen worden. Hätte der Telegraph gemel det, daß Or. Hainde ,,wah-rscheinlich nsach Canada« ausgekniffen sei, so hät ten wir das- sofort geglaubt. Sich ei nes Vanlrottes halber aber das Leben zu nehmen, das überläßt der Stock Amerilanesr in den meisten Fällen den ,,dummen Deu-ischen«. Er weiß gut genug, daß es eine ganze Anzaglyl giebt, die es nsoch schlimmer getrieben haben als er, und dsie daruxn doch bald wieder zu den Ebrenmännern der Na tion zähltem Aber todtsWM oder er tränckan —- ? Neverl Ehe-r toll-Wachen Nun-, HerrHammond macht eben- eine rühmsliche Ausnahme die nur die Re gel bestätigt. H