-- ««l Die Schrift dkg Hodtm Tini-einst »Geschichte em- dem deutsch-französischen Kriege. Von Jul. May. (Fortsegung. ) »Ich konnte meine Rolle nicht mehr weiter spielen. Der Marsch flößte mirl zu großen Ekel und Abscheu ein. « »Sie haben ihn das aber doch nichtl merken lassen?« »Nein, ich erklärte ihm einfach, nach dem Tode seiner Mutter sei ich» genö-! thigt, die Fabrik wieder zu verlassen, um mich nicht dem Gerede der Leute in Garches auszufetzen-." »Besuch.t er Sie hier öfterb?« »Faft alle Tage·« »Hat er eine Ahnung davon, daß Sie den wirklichen Mörder Bourreilles kennen?« »Der Verdacht ist offenbar schon mehrfach in ihmerwacht, aber ich glau be, daß es mir gelungen ist, ihn zu be seitigen.« »Um so besser. Wir wollen also jetzt überlegen, was zunächst zu geschehen hat. Wir haben es mit keinem gewöhn lichenVerbrecher zu thun, schon dieUm-. stände feines Verbrechens sind ganz« außerordentliche Eben das aber hat mich gereizt, denn ich hasse das Alltäg liche und Abgebrauchte. Eine so unge wöhnliche That erheische mm aber auch? ungewohnliche Mittel. Ein Krimina list, der nicht iiber Phantasie verfügt, würde wahrscheinlich diesen Montma yeur Tag und Nacht überwachen las sen, als ob dieser nicht gegen eine fol che Ueberwachung von Anbeginn an auf seiner Hut wäre. Oder er würdef versuchen, das gestohlene Geld zu ent-t decken Als ob Montmayeur sich nichts schon längst eine Geschichte ausgedachtj hätte, um den Besitz tzeiner größerenj Summe, wenn man sie bei ihm finden; sollte, zu ertliirent Was sijr eine Ge schichte, das weiß ich nicht, aber sicher-; lich hält er eine in Bereitschaft Wir müssen also, um Montrnayeur zu ei-; nein Gesiiindniß zu bringen, ihn in ei- « ne Falle locken.« i »Was fiir eine Falle?« I ,,,Ja das weiß ich in diesem Augen blick noch nicht, aber mir wird schon« ein Gedanke kommen, dessen bin ich ge wiß· Dieser Mensch ist zu verschla-. gen, um in eine plumpe alle zu gehen. Vorläufig ist die Haupt ache, daß Sie ihm nicht den leisesten Argwohn iiberl ihre wahre Gesinnung gegen ihn auf-? kommen lassen. Das wäre eine ver hängnißvolle Unklugheit.« ! Und nach einem Augenblicke de3" Nachdenkens fügte er hinzu: »Es rwiihnten Sie nicht einige Male auch einen Bruder, den Montmayeur hat?« - »Herr Georg ist ein armer Kranter,« siel Klaudine ein, die bis dahin nichts mehr gesagt hatte, »und ebenso gut. und sanft, wie sein Bruder schlecht und; hariherzigf kik,-»nssk- , ksi UUUIWIIUI III-, UUVZUIUUUFU Un, UleI beim Sprechen erröthet war. ; »Sie treten ja sehr lebhaft für die-T sen HerrnGeorg ein," sagte er, woraus Luzie erläuternd sagte: Z »Georg o. Montmayeur liebt meine; Schwester. « ; »Ach so, « dachte der Agent »Nun das tann unter Umständen sehr nütz lich werden. « Und laut fügte er hin zu: »Berzeihen Sie mir meine Indis tretion Fräulein Klaudine, aber Sie, wissen, daß ich keineswegs ans Neu-s gierde srage. Aber er liebt Sie. Und Sie, lieben Sie ihn wieder und weiß er das?« Sie ließ den Kops sinken und wurde von Neuem roth : »Ich bin ihm gut, aber er weiß das» nicht« « »Da wir einmal von Georg reden,« hab Luzie jetzt wieder an, » so halte ich es sitt nothwendig, Ihnen auch einen Verdacht mitzutheilen, der in Betress seiner uns gekommen isi.« » »Gewiß, sprechen Sie, halten Sie nichts vor mir verborgen.« I »Wir glauben Beide, daß Georg um das Verbrechen seines Bruders weiß« Courlande suhr überrascht empor. »Wie, er weiß darum, und hat tei nen Versuch gemacht, es zu verhindern, daß stir- seinen Bruder ein Unschuldi ger hingerichtet würdes« · «Sein Bruder beherrscht ihn völlig nnd slößt ihm entse liche Furcht ein. Der arme Mensch st so trank nnd matt daß er dem Bruder gegenüber gberhaupt gar keinen Willen mehr be ist« l «Nun,« meinte der Agent, »was er bisher aus Furcht vor seinem Bruder nicht gewagt hat, das soll er jetzt aus Liebe zu- Friiulein Klaudine thun. Se hen Sie, das ist die Falle, von der ich Jhnen vorhin sagte. Jch sehe sie zwar noch nicht ganz tlar vor mir, aber sie gewinnt doch bereits Gestalt. Nur Ge duld! Wir müssen Georg v. Mont mayeur dahin bringen, daß er das Verbrechen seines Bruders eingesteht. Versprechen Sie mir nun vor allen Dingen, daß Sie Beide blindlings thun werden, was ich von Jhnen ver lange.« Beide versprochen es. »Auch wenn es Jhnen noch so be fremdlich erscheint, ja, selbst wenn Ih nen dadurch Gefahr drohen sollte?« »Ich würde gern mein Leben hin geben, wenn ich dadurch mein-en Pfle gevater retten könnte, dem wir es zu danken haben, daß wir nicht Vettlerin nen und Landstreicherinnen geworden sind,« erklärte Luzie mitFestigteit, unid ihre Schwester stimmte ihr bei. »Vravo, Sie sind ebenso gut wie tapfer, das gefällt einem alten Solda ten,« lobte Courlande. Vorläufig werde ich nochmals zu Frau Doriat gehen. Es ist unnöthig, daß sie Jhnen in Gedanken längersoschweres Unrecht thut.« »Montmayeur wird aber Verdacht schöpfen, wenn er erfährt, daß wir uns wieder versöhnt haben.« »Das soll er auch gar nicht erfahren, den-n Sie dürfen mitJhrer Pflegemut ter nur ganz im Geheimen zusammen tommen, und äußerlich darf in Ihrem Verhältnisß zu einander nichts verän dert erscheinen. Frau Doriat ist aber so betlagenswerth, daß wir nicht zö gern wollen, ihr wenigstens etwas Glück zurückzugeben.« Luzie fing an zu«wetnen, während der Agent bedächtig fortfuhr-: »Und dann noch Eines. Jhr früherer Bräu tigam, Walter Bourreille, dürfte --— wenn ich ihn recht beurtheile —— jetzt wohl gerade in der Stimmung sein, irgend einen tollen Streich zu wagen, unbekümmert darum, ob er ihm das Leben kostet. Jch will doch sehen, ob es keine Möglichkeit giebt, ihm gleich falls einige auftliirende und beruhi gende Worte zukommen zu lassen.« — EZ war schon ziemlich spät am Abend, als Courlande Luzie zu Frau Doriat führte. Mit einem Freuden schrei schloß sie die wieder gewonnene Tochter in ihre Arme, und es dauerte lange, bis Beide so weit ihrer Gefühle Meister geworden waren, daß endlich an eine ruhige Aussprache zu denken war. »Ich hätte Dich nicht für schuldig halten dürfen!« sagte Frau Doriat. »Du dachtest an Deinen armen Vater, dem Du Alles zu opsern bereit warst. Du warst großherzig, aber Deine Un erfahrenheit ließ Dich die Tragweite Deines Unternehmens nicht übersehen. Ach, hättest Du diesen Plan nicht ge faßt, vielleicht lebten meine Söhne noch!« Und sie brach in Thriinen aus. »Komm, Mutter, wir wollen nicht mehr davon sprechen,« sliisterte Luzie. »Meine Absicht war die beste.« »Ja, Du- hast Recht, Deine Absicht war gut, und so bist Du gerechtsertigt. Denken wir nicht an das Vergangene, denken wir nur an die Zukunft Du darfst aber nicht mehrzudiesem Schur ten in die Fabrik gehen, hörst Du wohl? Es ist mir ein gräßlicher Ge danke, Dich in der Nähe dieses Men schen zu wissen, der in der Gewißheit seiner Straslosigkeit triumphirt, wäh rend Dein armer Vater daraus gesaszt sein muß, statt seiner das Schassot zu besteigen, wenn der Krieg zu Ende is .« Courlande hatte bisher kein Wort gesprochen, jetzt aber sagte er: ,,Ueber lassen Sie es mir,Jhren Mann zu ret ten. Fräulein Luzie wird mir immer hin vielleicht noch wichtige Hilfe leisten können. Vor Allem schenken Sie mir Jhr unbedingtes Vertrauen und kom men Sie blindlings meinen Weisun gen nach. ——- Und nun,·’5räulein Luzie, ist es Zeit, nach Les Bernadettes zu rückzukehren, bis wohin ich Sie beglei ten werde. Sie aber, Frau Dvriat, vergessen Sie nicht unsere Abmachsung: Sie haben Jhre Tochter nicht wieder gesehen, sie ist und bleibt sitr Sie das ungerathene Kind, das Sie unter Ber wiinschungen aus dem Hause gejagt haben.« W 16. Es war im Januar. Am Fünften hatte deutschekseits die Beschießung der Pariser Südforts begonnen, untd am Achten sing man auch an, dte Stadt selbst zu beschießen, in der die Unruhe univ Unzusriedenheii bedenklich zu nahm. Die öffentliche, sich sehr unge siiim äußernde Meinung verlangte von dem Qbertommandanten Trochu im » mer neue Aussiille, die aber sämmtlich mißlangen. »Die sechs Monate Aufschub, die Michel Doriat seiner Zeit bewilligt worden, waren fast abgelaufen. Sollte er wirklich doch das Verbrechen Mont mayeur’s mit seinem Kopfe bezahlen müssen? Marie Doriat und die beiden Schwestern zählten die Tage mit Ban gen, nur Couklansde schien ganz ruhig. Er war ganz im Geheimen noch einige Male mit Luzie und Klaudine zusam mengetroffen und hockte jetzt entweder in seinem Häuschen oder strich, seine Pfeife rauchend, im Dorfe umher. Auf der Fabrik hatte Georg von Montmaheur unter der aus-nehmend strengen Kälte dieses Winters schwer zu leiden, und er empfand es deutlich, daß seine Kräfte wieder abnahmen. Aber er wäre ja gern und ruhig ge storben, nachdem die Liebe zu Klau dine ihm noch ein so unverhofftes, nie geahnies Glück bescheert hatte, wenn der Gedanke an Doriat nicht auch ihn immerfort gequält hätte. »Ich bin ein Mitschuldiger meines Bruders,« sagte er sich; »ich kann mit diesem Gedanken auf der Seele nicht sterben.« Wieder auf’s Neue beschwor er sei nen Bruder-, doch mit dem geraubten Gelde aus Frankreich zu flüchten und dann sobald er in Sicherheit sei, dem Gericht die Unschuld Doriat’s kund zu thun· »Willst Du es nicht seinetwegen thun,'« flehte er ihn an, »dann thue es aus Mitleid für mich.« »Was kümmert denn Dich die ganze Sache?« fragte Johann ihn mit ver haltener Wirth Georg trocknete seine bleiche Stirn ab, auf der Schweißtropr standen. »Siehst Du denn nicht, wie schwach ich schon bin, und daß esmit mir zu Ende geht? Jch kenne meinen Zustand ganz genau und bin mir klar darüber-, daß leine ärztliche Kunst mir mehr zu- hel fen vermag. Nun sei barmherzig, Jo hann, und lass’ mich nicht mit dem Ge danken sterben, daß ein Unschuld-iger » für Dein-Verbrechen aus dem Schaffot i büßen soll.'« I »Du langweilfi mich mii Deinen ; Jeremiaden.« i Doch Gemg ließ sich nicht ab fchreckm, er ergriff die Hände feines Bruders und flehte ihn an: »Denie . doch daran, Johann, daß die Frist, die man Doriat bewilligt hat« fajt abge laufen ift, und daß ihn die Guillotine erwartet, wenn Du nicht endlich die Wahrheit gefiehft!« »Natürlich denke ich daran.« »Siehft Du wohl, Dein Gewissen läßt Dir keine Ruhe mehr, ich wußte es ja!« »Da befindeft Du Dich in einein großen Jkrihum,« gab Johånn mii einem brutalen Lachen zurück. »Wenn k ich die Tage zähle, dieDoriai noch vom « Tode trennen, fo thue ich das keines ·n)egs, weil er fein Leben verlängern . möchte.« »Sondern?« fragte Georg zitternd. »Ich würde es im Gegentheil abkür zen, wenn es in meiner Macht stände —— weil ich erst von dem Tage an ganz ruhig sein kann, da der Mörder Bont reille’s sein Verbrechen gesühnt hat« Mit diesem, allem menschlichen Ge fühl hohnsprechenden Wort ging er fort; der Kranke aber schlug aufstöh nend die Hände vor das Gesicht und weinte. So saß er lange, in trostlose Gedanken versunken,da, bis eine sanfte Hand sich auf seine Schulter legte nnd seine liebe Stimme fragte: »Wes"halb jweinen Sie, Georg? Warum sind Sie l so traurig?« »Weil ich von Tag zu Tag iränier werde « versuchte er zu lügen, »und weil ich fühle, wie meine Todesstunde l näher rückt Ich fürchte den Tod nicht, denn ich bin ja mit dem Gedanken an i ihn seit Langem vertraut, aber es I schmerzt mich, für immer scheiden zu -müssen, weil ich Sie dann nimmer " sehen werde, Klaudine.« »Seien Sie doch nicht so muthlosz Sie sind ja gar nicht so lrant, wie Sie sich einbilden. Die Liebe zu mir wird Sie gesund machean Er lächelte traurig. »Sie müßte es freilich, wenn mir überhaupt noch zu helfen wäre. Seit ich Sie kenne, weiß ich ja überhaupt erst, was Glück und Daseinsfreude ist-Ach wie gern möchte ich leben, um Sie immer lieben zu könne-at« »Ja, Sie sollen leben, Sie dürfen nicht mehr vom Sterben zu mir reden, wenn Sie mich nicht weinen machen wollen.« »Sie sind eben so gut wie schön, Klaudine Ach, wie wollte ich Jhr Herz zwingen, mich wieder zu lieben« wenns ich gesund wäre und noch ein ZungefchLebgr vori, mir läge! So aber arm ni imerverla n,als Mitleid. « M Ihr I I ) »Es ist nicht blos Mitleid, was ich für Sie empfinde, Georg,« versetzte Klaudine blaß und tief ergriffen »Es ist ein anderen, innigeres Gefühl. « »Was sagen Sie da?« svagte er, sich vor Erregung zitternd ivon seinem Sitze erhebend Er nahm ihre Hände, drückte sie fieberhaft und tiißte sie. Sie senkte ihre Augen, und jetzt waren ihre »Wangen von einem tiefen Roth über gossen. ) ,,Sprechen Sie weiter, Klaudinel Jch flehe Sie an, « fuhr er fort, sank aber im nächsten Augenblick schon wie sder kraftlos auf seinen Sessel zurück »Und murmelte: »Nein, sagen Sie IIng qun mis) ussxscutpt eupm preßte er seine beiden abgemagerten THände gegen die Stelle des Herzens, ium dessen allzu ungestümes Schlagen zu dämpfen Er schloß die Augen, so Edaß KlaudineFurcht bekam und mehr mals seinen Namen rief Dann flü Isterte er, die Augen langsam wieder zu ihr ausschlagend: »Das wäre zu viel ides Glücks. Es würde mich tödten.« So blieben sie eine ganze Weile, sich gegenseitig anschauend, wobei in Bei lder Augen Thränen standen, dann Isagte er plötzlich: »Nein sprechen Sie lzweiter, Klaudine. Jch that Unrecht E,daran Sie zu unterbrechen. Vor Glück zu sterben, ist das nicht das be neidenswertheste Ende? Also sprechen Sie, sprechen Sie!« »Sie wissen es ja schon, Georg. .Weßhalb soll ich es noch sagen ?« « »Nein, nein, ich mußes aus Deinem IMunde hören.« z »Ich liebe Dich, Georg!«. , ,,Dani, Dank Dir, mein holdes jMäsdcheM Jetzt werde ich glücklich ster ben.« ! s Er wurde blaß und sank gegen die Rückenlehne des Sessels: eine leichte Ohnmacht befiel ihn. Tie Aufregung war für seinen geschwächten Körper doch zu groß gewesen. Klaudine war ieisrig um ihn bemüht, und brachte ihn znach kurzer Heu wieder zum Bewußt .sein. Dann drückte sie noch einmal keinen leichten Kuß aus seine bleiche Stirn und war im nächsten Augenblick verschwunden Als Georg sich-allein ·sal), mußte er sich allmälig wieder die beglückensden Ereignisse, die soeben stattgefunden hatten, in das Gedächt jniß zurückrusen. Mehrmals rief er nach ihr, jedoch zvergeblich sie war fortgegangen. kDann murmelte er: »Sie liebt mich, iwie wonnig läge jetzt das Dasein vor "mir unter anderen Umständen. Wäh rend jetzt ——! Könnte ich nur noch et was für sie thun, bevor ich sterbe!« 17. Jedesmal, wenn Johann v. Mont-, Hmayeur mit Luzie zusammentraf, dies »sich jetzt zuselyends erholte, bat er sie? Tauf das Dringendste, doch wieder nachE ider Fabrik zu ziehen. Unter den ge-J lZeitumständen könne doch kein ver-; lniinsftig urtheilender Mensch dnrang lAnstoß nehmen, und außerdem werdej es ihm sehr angenehm sein, wenn! tKlaudine gleichfalls dauernd dorthins jübersiedeln wolle. I ,L-«t ,- , .k«· ,. c,. Quölc HUU Instit-U clllc öuIlUlllllcliUcl Antwort, als ob sie seinem Drangenl weiche. Sie bezog ihr früheres Zim-E mer auf der Fabrik wieder, brachtei aber ihre Schwesternicht mit, und selt- 7 samerweise ließ sich diese auch jetzt garz nicht mehr bei ihr sehen, was Georgi lebhaft beunruhigte und schmerzte. Er! fragte Luzie darüber, allein diese gabi ihm ausweichend zur Antwort, siei glaube daß ihke Schwester unpiißlichs sei. Da ging ihm ein Licht auf, und; er sagt-e zu seinem Bruder: »Ohne; Zweifel ist zwischen den beiden Schwe-! stern ein Zerwiirfniß eingetreten, undE zwar Deinetwegen. Klaudine miß--l billigt es offenbar, daß Luzie wiederE hierher gezogen is .« Johann von Monimayeur gab sich zwar den Anschein, als ob er nicht da ran glaube, aber jene Aeuszerung war doch nicht ohne Eindruck auf ihn ge blieben, und fragte daher Luzie im Laufe des Tages: »Warum kommt Jhre Schwester denn gar nicht mehr zu : Jhllcnktw i »Sie ist unwohl,« gab sie zur Ant wori. »Warum sagen Sie die Unwahrheit? Jch habe mich mit eigenen Augen da svon überzeugt,daf3 das nicht wahr is .« Luzie senkte den Kopf und sagte: »Klaudine will, daß ich mich Von Ih nen lossagen soll.« »Aus welchem Grunde?« »Das weiß ich nicht.« Er verfolgte diesen Punkt scheinbar nicht weiter-, aber die ganze Haltung des jungen Mädchens beunruhigie ihn. Sie schien ihm Atergedanlen zu hegen, die er un ingi erforschen mußte. »Lieben Sie mich denn noch immer, Luzise9« ,,Jmmer.« ,,Dies er Krieg kann unmöglich lange nehr dauern. Die Deutschen versicheru, daß in Paris bereits die bitterste Noth herrsche und daß dieKapitulation bald erfolgen werde. Wollen Sie die Mei ne wenden, Luzie, sobald der Friede geschlossen ist?« Sie bejahie Und reichte ihm ihre Hand, die er leidenschaftlich küßte. — Jm Laufe des Nachmittags erschien ein Mann auf der Fabrik, der wie ein Bauer gekleidet war. Er hatte einen Dicken Shawl bis an die Ohren um ven Hals gewickelt und trug die mit Pelz besetzte Mütze tief in die Stirn gedrückt, so daß es schwer war, in ihm Den Polizeiagenten Courlande wieder zuerkennen. Als er in das Wohnhaus trat, öff nete sich die gegenüberliegende Thür, nnd auf der Schwelle erschien Johann o. Montmayeur, um zu sehen, was es gäbe. Er fragte den Fremden: »Was wünschen Sie, mein Herr?« ,,Sind Sie vielleicht Herr Johann v. Montmayeur?« »Jawohl.« ,,Entschuldigen Sie, daß ich Sie nicht kannte. Aber ich bin nicht von hier.« »Die Deutschen hatten mein Fuhr mrt requirirt, um Munition nach ihrem Belagerungspark zu bringen. Unterwegs ist aber mein Gaul gefal len, und den sollen sie mir nun bezah len, eher gehe ich nicht wieder fort.« »Ja, was geht das mich an?« fragte der Chemiker ungeduldig »Nein, das geht Sie freilich nichts an; ich wollte Jhnen nur auf Jhre Frage Bescheid geben« Aber wohnt nicht bei Ihn-en ein Fräulein Luzie, Pflegetochter der Frau Doriat, deren Mann zum Tode verurtheilt ist?« Montmaheur wurde plötzlich auf merksam. »Ja, die wohnt hier. Was wollen Sie von ihr?« »O, ich möchte nur mit ihr spre chen.« »Wer schickt Sie denn?« »Jhre Schwester. Jch soll ihr einen Brief bringen« »Geben Sie mir den nur, ich werde ihn schon besorgen.« »Ja, entschuldigen Sie, aber ich muß ihn persönlich abgeben.« Montmayeur zuckte die Achseln Und fragte: »Trauen Sie mir denn nicht?« »O freilich, Herr, es ist nur, weil ich eine Antwort bekommen und nach Les Bernadettes zurückbringen s oll.« Kommen Sie herein und setzen Sie sich. Dann werde ich Fräulein Luzie Den Brief bringen, und sie wird Jhnen selbst die Antwort einhändigen.« Der Mann trat in das Wohnzim mer, gab Montmiaheur den Brief und fragte, indem er seinsePseife hervorzog: »Ist es erlaubt zu rauchen?« »Freilich, setzen Sie sich und stecken Sie Jhre Pfeife an,« entgegnete der Chemiter, der sdann mit dem Brief in der Hand die Treppe emporftieg. Anstatt sich mit dem empfangenen Schreiben sofort nach Luziens Zim mer zu begeben, blieb Johanns v. Montmayeur in demGange stehen unsds betrachtete den Brief, der beängstigendex Gedanken in ihm wachrief. Warum schrieb Klaudinse, anstatt persönlich zu ihrer Schwester zu kommen, wie fiel doch friiher so oft gethan hatt-e? Wes-I oaro harren oreBersoen nch Jetzt aus ein-· mal Veruneinigt? Es war ihm, als-i ob dieser Brief den Schlüssel des Ge-s beimnisses, das vielleicht übe-r Lebens oder Tod entschied, enthalten müsse. J andsem er ihn zwischen den Fingerns hin und her drehte, gewahrte er, daß» der Umschlag höchst mangelhaft zuge-J llebt war; wahrscheinlich war der eine Rand nicht ordentlich gummirt gerne-i sen. Ein Lächeln spielte um seinei Lippen, währen-d er bei sich dachten »Ich bin vor einem Verbrechen nichts zuriickgebebt und sollte mir jetzt eint Gewissen daraus machen, diesen Brief-I zu lesen? Unsinn!« s Er trat leise in sein Zimmer, öffnete; mit Leichtigkeit den Umschlag und last die folgenden Zeilen, die ihm eineni Ausruf der Wuth und des Entsetzenss auspreßtem I »Schwest-er! So lange ich anneh men durfte, daß Du in Montmaheur’s Haus gegangen seiest, um Beweise ge-: gen den Mörder Boiurreille’s in die Hand zu bekommen, habe ich Dich be wundert. Jetzt aber, da ich weiß, daß Du diesen Menschen liebst, kann ich Dich nur verachten und verabscheuen. Fühlst Du denn nicht selbst, daß das etwas Entsetzliches ist? Besinne Dich doch «an Dich selbst, Luzie, ich be schwöre Dich. Denke daran, daß die ser Mensch ein ganz gemeiner Raub mörder ist, erinnere Dich der blutigen Schrift, die wir zusammen gelesen ha ben! Morgen will ich Dich noch ein mal persönslich in derFabrik aussuchen, um mir Deinen letzten Bescheid zu ho len. Noch kann ich die Hoffnung nicht ganz ausgeben-, daß Du diesmal aus meine warnende Stimme hörst. Willst Du mich sdagegen nicht mehr sehen, dann schreibe es mir. In jedem Falle gib dem Ueberbringer dieses eine Ant wort mit.« Monstmayeur hatte sich mit dem Brief an seinen Schreibtisch gesetzt und stützte jetzt seine mit Schweiß bedeckte Stirn in beide Hände-. Eins Zittern ging durch seinen Körper, es flimmerte ihm vor den Augen, sos daß er sie fiir einen Momentschloßund seinen Rücken gegen die Stuhllehne stützte. »Sie kennen mein Geheimniß, also hatt-e ich mich doch damals nicht ge täuscht! Sie haben Bourreille’s An klage gelesen und zu meinem Verder ben benutzen wollen« Als Luzie zuerst hierher lam, liebt-e sie mich nicht« Sie hatte nur zum Scheine meine Werbunsg angenommen und sann in Wirklichkeit blos darauf, mich dem Gerichte zu überliefern. Seitdem freilich hat sie sich an der Liebe die Flügel verbrannt, wie ein Schmetterling, der ins’s Licht fliegt. Sie liebt mich jetzt und wird mich niemals verrathen. Also habe ich Klaudine allein zu fürchten. Diese muß unschädlich gemacht werden, be vor er zu spät ist.« Er wischte sich die Stirn mit dem Taschentuch ab. »Ein neues Verbrechen? ..... Wie derum Blut?.... Ein zweiter Mord, um den erst-en zu berdecken? Sollt-e das wirklich nicht zu umgehen sein? Meine Nächte sind schon entsetzlich genug. Nein, nein! Aber wenn ich sie nicht beseitige, so wird sie mich verrathen-. Es handelt sich also um ihr oder um mein Leben. Ja, sie muß stserben!« Plötzlich fiel ihm der Mann wieder ein, der da unten aus dieAntwort war tete. Er faltete den Brief wieder zu sammen, steckte ihn in den Umschlag und klebte diesen so geschickt zu, daß Niemand wahrnehmen konnt-e, er sei bereits geöffnet gewesen. Dann ging er damit an Luzien’s Zimmer und klopfte an. RAE Hin-«- MHKÆOU KIHUHOC ein«-s als sie seine Blässe undBerstörtheit ge wahrte, fragte sie: »Mein Gott, was haben Sie? Jst ein Unglück ge Mein-« · , »O nein,« beruhigte er sie, indem er sich zu einem Lächeln zwang, ,,hi—er ist nur ein Brief von Jhrer Schwester, den ein Mann gebracht hat, der unten auf Antwort wartet. Gewiß macht sie Jhnen darin Vorwürf-e und will Sie zu bereden suchen, von hier fortzu gehen. Sie können sich wohl denken, daß mich dieser Gedanke in einige Aufregung versetzt hatt« . Sie antwortete nicht. Er gab ihr den Brief und wäre gern noch länger geblieben, um ihr Gesicht beim Lesen zu beobachten. Aber er wagte es doch nicht, da er eine zu große Erregunig empfand Deshalb stieg er wieder in das Erdgeschoß hinunter und sagte zu Courlande indem er seine Stimme und Haltung möglichst viel Festigkeit zu geben bemüht war: Fräulein Luzie läßt Sie lange warten. Sie sagte mir, sie wolle Jhnen die Antwort gleich bringen« Der vermeintlich-e Bauer schmauchte ganz behaglich seine Pfeife. Courlanide wußte so genau, was inzwischen mit dem Briefe Vorgegangen war, als ob er den Fabrikbesitzer unsichtbar beglei tet hätte. Gleichmiithig erwiderte r: »Das macht nichts. Jch habe ja it genug dank diesen verwünschten D »t schen!« s ließ die Fabrik in der Richtun welche der Bauer nachher einschlagen mußte, um sich nach Les Berniadettes zurück zu begeben, und entfernte sich vorsichtigerweise so weit, daß man- ihn von der Fabrik aus nicht mehr sehen konnte. Erst nach einer Viertelstunde kam der Fremde. Er ging ans ihn zu nnd fragte: »Nun haben Sie Jhren Brief?« ,,Jawohl, da ist er,« entgegnete Em,1rlande, ihn aus derTasche ziehend. »Sagen Sie ’mal, guter Focand,« setzte IJtontmayeur, neben ihm her gehend, das Gespräch fort, ,,möchten Sie wohl ein Zwanzigfrankenstiick ver dienen?« »Könnt’s schon brauchen, Herr, in diesen traurigen Zeitläusen. Solche Stücke sind äußerst selten geworden bei mir. Es fragt sich nur, was ich thun muß, um es zu verdienen-— man ist doch ein« ehrlicher Kerl.« »Das sollen Sie auch bleiben. Jch möchte gern wissen,was in jenem Brief Montmayeur ging hinaus. Er vex sdort steht. Es handelt sich, ich will es Jhnen nur gestehen, dabei um eine kleine Liebesansgelegenheit, und es ist nichts Unsrechtes dabei« Gortsehung folgtJ