Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, December 25, 1896, Sonntags-Blatt., Image 9

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Sonntags-Blatt
-—-..—.-—.-—
Beilage des »Anzeigcr und Herold« zu No. IS, JEAN-Vle
J. P. Windolplx Herausgeber
Grund Island-, Nebr» den 25. Dezember 1896.
Hkgämäüefäiissecsq
Eine Æikxsmchtågefchichte Von B.
R enz.
»Ohne Schnee Lein richtiges Weih
nachtsfrit,« pflegte meine Gwßttmttet
zu feiges-, die alte Justizräthin Decken
und dasselbe wiederholte sie am Abend
des 2.·:!. Dezember 18845 als wir im
Hause kksm Tochter-, der Frau Ober-«
förstet von Schweiz in der Geräth-H
lichen Stube usm den- rmwen Tisch(
saßen snd Christbaumfchsmuck anfer
tigten. Großmutter schnitt Neye aus
Goldpcz:--ier, die Tante Oberförstm
meänes lieben verstorbenen Vaters
SWFM vergoldete Nüsse, und ich
sah bespka fleißig zu und tauchte eine
von Orte-IS trefflichen Eiganem Vor
zwei Tricen war die alte Dame in mei
ner Ver-Zeitung hier in Stalle-ode, ei
nem Dis-Te am Fuß-: des- Harzwaldes,
angselaszx wer kamen beide aus Halle
cm der Saale, wo Großmut-tex- klyre
Witmserdensim verzehrte und das-,
was des liebe Gott ihr außerdem an
irdischer Gütern befcheert hatte, und
wo ich Eis floifer Märker mich asuthelt
und verstehei die Naturwissensde
studirte.
»Ob3:-: Schnee kein ächtiges Weih
nachtsfgssc TMaA wiederholte sie, zu
ihrer zischtet gewendet, »morgens ist
heiliger Abend, dazu eine grimmige
Kälte, nnd noch sist keine Flotte gefal
len.«
»Bei-Je es- nicht, Mama,« sag-te
Tante «Zber«sörsterin und bellebte eben
eine grisie Walnuß mit Schaumaold,
»wenn ·.-«,ir biet, am Fuße des Har
zeg unt- dem Braten so nahe, Schnee
bekomme-T wirdUZ immer mehr, als
wir gebt-suchen lösen-ern Fast in jedem
Jahre tat er fußboch gelegen, wachen-!
lang, so daß viel Wild einging und
selbst «·7.’enschen umgsetommen sind
Außerdem ---— dn vergißt, daß ich mor
gen meine Kinde-: erwarte-; :.—— wären
sie doch Inn-n Hier! Jch habe eine rechte
Unruhe « i
Meip - Gwßmunc lächelte ma- das!
stand Tbr wunderbar gut zu demk
freunsdlilscn Gesicht mit den jugendl-ich«
blauen Wacn Unter dem Silberbaatl
Sie wa« since geistreiche alte Frau, fest.
im Ums-il und bebarklich bei dem ver-«
bleibend was sie fiir richtig hielt; sie
galt gleichsam als oberste Instanz;
was sie sagte, geschah — wag- sie ver
bot, ums-blieb »Großmutter hat wie
der reck« aehabi,« konnte man oft bis
ten im Fkkreise der Familie
,,Jn sssaen Bergen« sagte sie, »soll
noch st» ster Asberglaube herrschen; bist
du auch schon ?«
Die stattliche Frau lachte, aber
wischte zugleich eine Thriine ab, die
verrätbeeisch über ihre Wange lief.
,,Abergl?iubiscb?« fragte sie leise.
»Nein! Aber ich bin furchtsam gewor
den während des letzten Jahres. Wa
rum mußte es auch so tomknent — Jch
habe dir schon erzählt, Mama, daß
mein Mann sich mit Wenzels gänzlich
übern-essen hat, dasz Karl Wenizel un
sere M»-.rtl)a liebt und dasz Scherin
sein Kind deshalbund ohne meine Cin
wendnmaen zu hören, fort-schielte nach
Wiebusa zu seiner Schwester.«
»Nun ia,« begniiate Großmutter-,
»aber morgen tommt Martbachen wie
der, Und dann kann ja noch alles gut
werden«
»Da sinnst du Schetwitz nicht!« rief
Tant- ’-slt heftig, «er ist zu erbittert
ausf Wiss-eh er ist ein-guten braver
Mante« uns cui-il; triner besser als- ich
aber er ilt so mai-los -—— -——'« Sie sah·
zu mir lsekiibzr nnd brach plötzlich abJ
und Großmutter nickte zustimmend. g»
»Wie tft denn dieser Zwist entstan-«
den?« fragte die alte Dame nach einer
Pause. »Ihr wart doch noch vor zwei
Jahren, als ich euch besuchte, so eng be
freundet mit Wenzes, ste wohnen euch
gerade gegenüber, mpd ihr sabet euch
Figka oder, ich möchte sage-i stim
«Ja,« klang es seufzend aus W
Munde. Alls wir vor sechs W«
therher versetzt wurden, nahmen Wen
zels sich unserer so freundlich an, als
kwiiren wir ihre nächsten Verwandten;
wir mußten bei ihnen wohnen, bis al
les hier in Ordnung war, sie standen
uns mit Rath und That bei- uwd wir
wurden bald selyr intirn. Mit wem
konnt-en wir auch umgehen hier, außer
mit ihnen und Pastors2 Unser Dorf
ist nicht groß, obwohl es einzelne sehr
wohlhabende Bauern besitzt, Wiebnrg
drei Poststunden entfernt, und Güter
liegen nicht in der Nähe, denn von
Osten, Westen undNorden umschließen
die bewaldeten Berge das Dorf, unid
nur nach Süden liegt offenes Feld.
Wie gesagt, Wir send aus uns drei Fa
milien angewiesen.«
»Erzähle nur,« iJi Großmutter,
»Ernst ist verschwiegen du brauchst
dich nicht zu genieren.«
»Ja, Tanie,« sagte ich auch, »er
ziihle, ich bin dislret wie ein Stein-«
Sie schüttelte erst leise den Kopf und
wischte sich die Augen. Dann aber be
gann sie doch. »Wenzels sind sehr
wohlhabend, ihr Gut ist schuldenfrei,
sie besitzen eine große Summe in Kuxcn
der N. ’schen Kohlengruben und außer
dem noch wer weiß wie viel; aber Herr
Amtrnann Wenzel zeigt seinen Reich
tlxum gern, zumal alssplendiier Wirth
als Besitzer edler Pferde U. s. w. Das
kann nun Scherwitz nicht gut leiden,
und wenn er auch nicht neidisch ist, so
bält er sich doch fiir den Ersten in der
Gemeinde, ist stolz auf seinen alten
Adel und gehört schließlich auch gerade
nicht zu den armen Leuten. Mein
M-».-. .«..-...x- M--.-r cum —.... k-..
IUI OII I Oblldkc WL U IIUL NDI
Geldprotzen, was beiläufig gesagt, zu
stark ist, und ärgerte sich jedesmal,
wenn wir bei iihm waren, über den
Luxus, den er mit feinen Weinen und
dem ni-. fehlenden Champagner trieb-«
Tante schwieg einen Augenblick, und
ich verhielt Mich stumm und tauchte
scheinbar iheilnahmzlos meine Cigarre
weiter-. Wußte ich doch, daß der On
kel Oberförsier im Verkehr ein ziemlich
,,,zn)angloser« Mann war, »gro"b und
gesunsd,« wie man hie-r zu sagen pflagi,
aber dabei rechtschaffen, bieder und
frei von jeder Verstellung, und daß
man ungefähr dasselbe von seinem
Feinde, dem Amtmann, behaupten
durfte. Jch wußte ferner, daß meine
liebe Tante ihren Gatten eigentlich
fiirchiete, wiewohl sie im übrigen als
ein-e entschlossene Frau galt, die im
Haufe und Hofe zu regieren verstand.
Es mußte wohl etwas Besonderes vor
liegen, das den Bruch, diesen tiefen
Bruch, herbeigeführt hatte zwischen
Männern, die noch vor Jahresfrist die
besten Freunde schienen, und das s ollte
ich jetzt erfahren; ich spitzt-e also die
Ohren.
tm ,,,s «- ,s, « m- «
»Wrxlz(1, cu- curme Url- äoucrh ve
ganu Tanise wieder-, »ist ein leiden
schaftlicher Jäger. Er hatt-e von- dem
Vorgänger meines Mannes einen
Jaquchein erhalte-m der ihn berechtig
te, alles Raubzeug zu schießen, das
ihm vors Rolyr lam, nicht allein aus
den eignen Feldern an der Grenze, son
dern- anch in- Forfie selbst. Als mein
Mann diese Stelle übernahm und zwi
schen Wenzels und uns, dank ihrem
freunle lknigegenlommem eisn
wirklich angenehmes Verhältnis; rni
siand, hielt der Amt-wann es entweder
siir überflüssig, oder vergaß es —- ge
nug, er benutzte den früher erhaltenen
Jagdschein weiter, ohne Schrtwitz ein
Wart desshalb zu gönnen-, und das är
gerie diesen. Jndeß, er hielt aus meine
Bitten an sich und ließ die Suche Athen
oder drückte, wie man sagi, ein Auge
zu. Wenn man in einer so kleinen
Gemeinde wohnt, soll man die wenigen
Freunde festhalten.«
»Das meine ich auch,« bestätigte die
alle Dame. »Aber weit-er, Tsina.«
»Nun war bei Scherwitz ein gewis
ser Anger bereits vorhanden, da lehrt-e
Karl Wenzel von Halle zurück, wo er
während des leßien Jahres Vorlesun
gen gehört haiir, und — na, ich sage
es gerade heraus, er verliebte sich beim
ersien Besuch in unsere Mariha und
diese in ihn. Er ist ein Weber-, be
scheidener Mensch."
»Ich lenne ihn, Jan-ie,« unterbrach
ich, »wir haben uns iikr Halle täglika
bei Tische in der »StadtHam-burg« ge
troffen-,« auch in einigen Vorlesungen;
du shast recht, er ist ein Mensch, den- je
der lieb haben muß.« "
,,Freut mich zu hören, Ernst. Nun
es war im Herbst vorigen Jahres, als
wiederum eine Beschwerde dies Amt
manns einging über derj Wildschadm
den das Schtvarzwild auf seinen Kar
tosseläckern anrichtet-e Es war immer
so gewesen, aberdiezmal schlimmer als
je; «die Beschwerde klang auch weniger
artig als sonst und schließlich endete sie
mit der kategorischen Forderung, es
müsse ein« Wildgatter aufgestellt wer
«dens zum Schutze der Acri-en Gegen
Abend kamen Wenzels zu uns; die
Herren wollten ihre Wlhistpartie ma
chen. auch der Pastor war dabei, unis
der Amtmann brachte sofort das Ge
spräch aus die heikle Sache, auf Wild
stansd und Wildschadem Mein Man-n
erwiderte ihm, ganz gegen seine Natur,
isehr ruljia und artig, die Sache liege
zbereits seit längerer Zeit der Regie-»
Irung vor. man müsse abwarten, mass
Edsiese entscheide, er könne das Gatter
nicht auf eigne Faust hinstellen-. ——
»Aber Sie können auf eigne Faust das
Eigenthum der Adjazenten schützen,
dazu sind Sie gesetzt!« brauste der
Amtmann auf; »wie nun, wenn ich
mir selbst Recht schaffe unsd die Biester
aus meinem Grund unsd Boden ab
schies;e?« »Das würde sehr üble
Folgen für Sie haben, Herr Amt
mansn«« erwiderte Scherwitz und nahm
seine Karten aus.
sm-· ..-...
. t
»zum weise-, Der muss-teue, unox
dem dieser Streit schrecklich war, woll
te durch einen Scherz die Sache ins
Gleiche bringen und sagte: »Mein Va
ter ist zum Wildern nicht geschaffen,
Herr Obersörster, wenn also erlegte
Sauen gesunden wewrden aus unserm
Acker, so könnte höchstens ich der This-s
ter sein.« Dann lachte er, aber er
lachte allein; mein Mann sah sehr
erntst aus und spielte einsilbig weiter
Es war ein recht stiller,ung-emiit-hlicher
Abend, der letzte-, den Wenzels bei uns
zugebracht haben. — Drei Tag-e später
kam frühmorgens der alte Kanze, das
Faktotum meines Man-M der bei uns
aus dem Hofe wohnt, zu Scherwitz ins
Zimmer gestürzt und meldete: »Aus
der Kartoffelbreite am Siedeton liegt
ein Hauptschweim regelrecht aufs
Blatt geschossen!«
»Ich denke, mein Mann wird ra-;
sen-d, als er es hört. Die beiden hiesi- «
gen Förster mußten mit hinaus, der
Gendarm aus Dünterode wurde ge
holt, der Ortssschulze; es wurden Pro
tokolle aufgenommen, Leute verhört —
allses umsonst, es kam nicht an den,
Tag, wer der Schütze gewesen, und?
schließlich blieb der Verdacht auf Karl
Wenzel hängen-, wenigstens bei Scher
W und seinen Leuten-, und der Ver
kehr zwischen Wenzels und uns schlies«
sast ganz ein. Nur ich ging manchmal
noch zur Frau Amtmann hinüber, und
noch öfter Martba, aber das mußte»
heimlich geschehen, Scherwitz durfte esf
nicht erfahren, er würde sonst sehr hef-!
tig geworden sein. Er lud WenzeH
auch nicht mehr zu den Hetzjaaden ein-J
ja, er hatte ihm den Jsagdschein absor
dern lassen, und so war der Risz im
mer tiefer geworden.
»Don-n wurde eg Weinnam:. VII-s
her hatte-n wir zwei Familien- den hei
lige-n Abend gern zusammen verlebt i
abwechselnd bei uns oder bei Wenzels;;
diesmal wären trii r an der Reihe qewe- ,
sen, aber unter is ben Man 11mstiins«
den sckiiikk «- »Jeder miinfrtdenanserth
noch kl! F, .n diesen Brauch 311 eti. » -
vern, wie sonst immer geschelien mit:
der Bitte, »nicht zu spät zu kommen «’
——— Und noch einst Wenzel ist Besitzer
eines großen Karpfmteiches und schick
te uns immer zu Weihnacht und Sil
vester reichlich die schönsten Fische, dies
wir andernfalls hätten ans der Stadt
beziehen müssen. Als Gegenleistmng
erhielt er regelmäßig am 23. Dezember
eine prächtige Tanne für den Weis
mchtstisch unid einen- Festbraten aus
dem Walde; allein diesmal war die
Sendung unserseits unterbliebem und
als trotz-dem das Mädchen vom Amte
mit Karpfen erschien, fertigte mein;
Mann, der sich gerade aus dem Flur
befand, dieselbe kurz ab- er habe die
Karpfen bereits aus Wie-barg besorgt
unid müsse danken. Das war deutlich,
und Wenzels erschienen am heiligen
Abend vorigen Jahres nicht bei uan
Da, am folgenden Morgen nach dem
Gottes-dienst, trat plötzlich Karl Wen
zel ins die Stube mein-es Mannes-; wir
unterhielten uns eben über das unse
lige nachbarliche Verhältsniß, und so
mit traf der junge Mann eine sehr un
gelegene Zeit. Er schien mächtig er
regt; er sei mit Wissen sein-er Eltern
gekommen-, begann er, und erkläre ansf
sein Ehrenwort, er habe das Wild
schwein nicht geschossen, wisse auch
nicht, wer es gethan haben könne, aber
das wisse er, sein Vater sei es nicht ge
wesen. Dann bat er, auch im Namen
seiner Eltern, das alte Verhältniss
wieder auf-richten zu wollen, unsd
schließlich gestand er zögern-d und stot
ternd, er lsisebe Martha und bitte usm
ihre Hand.
,»,Wissen Jhre Eltern auch Von die
sem Schritt?« fragte Scherwitz.—Der
jung-e Mann wurde noch verlegener
und röther und sagt-e endlich: »Ja!l
Aber daß ich heute schon um Martha’3
Hand werbe, das habe ich ihn-en nichtl
gesagt.« ;
,,,,Nun, dann behalten Sie es auch!
siir sich,« erwiderte mein Mann kurz,
»denn- ich bin entschlossen, es zwischen:
uns zu lassen, wie es jetzt ist. Mein
Amt gestattet nicht den Umgang mit
einem Wild — ——«
,,Lm1yetm!" schrie ich auf; aber
schon hatte Karl Wienzel eine tiefe-,
stumme Verbeugung gemacht und die
Stube verlassen und unser Haus.
»Wie kannst du auf den- unbestimmten
Verdacht hsin ein so schweres Wort
aussprechen, Wilhelm« rief ich wei
nend. Aber er befand sich schon wie
der in hellster Wuth. »Er is Ei gewe
sen und kein awderer,« schrie er, »ich
sage dir, die Sonne bringt’s an den
Tag! Dort liegt das Blei, genau das
ungewöhnlich großeKaliber der Birschs «
biichse, die der Monsieur aus Halle
mitbrachtse.«
»Mit einem Wort, Schernzitz war
gar nicht zu beruchigem und ich bsewansn
immer mehr die Ueberzeugung, das-,
dies letzte den Bruch uniheilbar gemacht
hatte, denn nun grollten Wenzels eben
falls, und das mit vollste-in Rechte.
Also Martha wurde gerufen, Unmi
nirt und schließlich zu dem Geständ
niß gebracht, daß sie das Wenzel’sch·e
Haus öfter besucht habe, zumal wenn
ihre Eltern nach der Stadt gefahren
waren, Und daß unsere alt-e Lise Briefe
getragen hatte. -——— Na, Mama, du
kennst ihn! Als unser Fritz wieder ab
reiste nach Wieburg zu seinem Profes
sor, mußte Martha mitfuhren, um bei
der Schwester meines Mannes-, der
Lan-dräthin von Sanden in Wieburg
zu bleiben, und ich war ein ganzes
Jahr allein. Es hat Mühe und Bitten
gekostet, Scherwitz zu bewegen, daß
Martha jetzt zum Feste kommen darf.
Wäre sie nur erst hieri«
»Tina,« fragte Großmutter, »du
thältst also Karl Wen-ze! für unschul
dig?«
M s -- -- «« -....
»Ja Juki-um« unzioeqetlmsli"
»Und du würd-est dein- Jawort ge
ben zu der Verbin-dung?«
»Ja, Mama, aus der Stelle·«
Dann fliistertse Tante der alten
Frau etwa in’ Ohr, aber ich vernahm
doch einzelne Worte, wie »Unsi.nsn —
gnte Partie fiir Martha —— Prächtiger
Mensch --s- gegenseitige Neigung ——«
..(·77n! hni!« machte Großmutter
sssd staate dann laut: »Aber, warum
kommt sie erst morgen? Jst das auch
eine Disposition deines Manne-Ez?«
»Nein, Mama,« war die Antwort,
,,anfanigs hatte er den Plan, die beiden
Kinder selbst zu holen, gab ihn aber
aus, weil er nothwendig im Holze zu
thun hatte, und so sollten sise denn
heute mit der Post kommen, die jeden
Vormittag Um elf Uhr ihier die Pferde
wechselt auf der Fahrt wach Dünke
rode. Da seh-rieb denn- Martha heute
früh, sie kämen erst morgens; Fritz
wollte seine Ferienarbeitew dort fix
unsd fertig machen mit Hilfe seines
Professor-s, und auch sie habe ihre
Stiickierei noch nicht zurück vom Buch
binder; wahrscheinlich eine Schreib
mappe für Schsertvitz.«
Es entstand »ein langes, tieer
Schweigen. Großmutter seufzte, und
ich machte mir am Ofen zu schaffen-,
wohin ich mich leise zurückgezogen hat
te. Dann- hörtsen wir feste Tritte auf
dem Flur, die Stubenthür öffnete sich
und eine riesigse Tanne drängte sich
durch dieselbe und stellte sich letzen
grade vor Tante hin, und hinter »dem
Baume trat ein kleiner alt-er Mann
hervor, merkwürdig breit in den
Schultern, fast gnsomenartig gebaut,
mit verwittertem Gesicht.
»Da ist sie, Frau Oberförsterin,«
sagte er, »und den Fuß habe ich recht
groß gemacht, umsallcn kann sie nicht«
»Priichtig, Kanze! Das ist ein
stattlicher Weihnachtsbauml« rief
Taute, »so schön hatten wir ihn- noch
nie, und Jhr sollt bedankt sein« Sie
reichte dem Alten, der, die Ottermiitze
in der Hand, schmunzelnd dadand, ein
blankes Markstiick. »Komm mein
Mann bald heim?«
»Herr Oberförster bleiben noch im
Buchenfcklage ain Futterplatzse,« erwi
derte der Mann, »werden aber bald
hie-r sein. Wir haben böses Wetter zu
erwarten,« erläuterte er, »viel Schnee,
und dann komme-n ja auch die Fest
tage; darum ist heute der Futterplatz
in Ordnung gebracht.«
,,Schnee?« wiederholt-e Großmutter
und sah von ihr-er Arbeit aus« »das
wäre ja herrlich, ohne Schnee kein rich
tiges Weihnachten —- —«
,,Ma:na, du« kennst unsere Berge
nicht« unterbrach Taute. ,,Wen«ig
S nsee beben wir überlhaupt nicht; ich
sagt-e dir vorhin schon, wenn er kommt,
so kommt er gleich massenhaft und
macht Weg unstieg unpassibar. Nicht
wahr, Finnze?«
(
l
l
o
i
l
»J-a, (.s)’niidigste, wird schon so sein.?
Und der Mond ist heut Abend so ver-;
schleiert, und in den Buch-en kracht est
trotz der Windstille, als wollten sie uns-H
warnen: Paßt aus, es gibt was! Kist
quch milder geworden seit einer Stun
oe: ich bleibe dabei. morgen haben wir
ein tiichtiges Schneewetter.«
»Macht die Pferde nicht scheu,
Kunze,« ermahnte Tante fast ängstlsich.k
.,Morgen zum heiligen Abend kommen
Luisere Kinder von Wiebnrg, und da«
ist Eure Propbezeinng ein schlechter·
Trost. Mama,« wendetesie sich an dise
rlte Frau, »wir sind manchmal wochen-- i
fang ohne Verbindung mit der Stasth
isewesen wenn der Schnee in denj
Hohlweg-en ellenhoch lag und die Post
stecken blieb; das schktie uns morgen
noch!«
»Ist-nie nicht gleich das Schlimmste
Ti.na, beruhigte Großmutter, »so arg
wird es ja nicht werden«
,,Mama, wir sind seit sechs Jahren
bier und erlebten jedes Jahr Schnee-«v
bruch in den For-sten. Apropos, Kunz-ex
habt Jbr Amtmanns einen Baum be-«
sorgt?«
»Nein, Gnädiaste,« war die Erwide
rnng des Alten, der verlegen die Mütze
in der Hand drehte, »der Obersörster
litt es nicht«
»Ich meine, Amtmanns Karl hat
Euch darum gebeten?«
,,Ja,"nun ja, ich wollt’s ja auch be
sorgen, aber Herr Oberförster batte
kein Ohr dafür, und sso mußt’ ich’S
lassen.«
»Habt Ihr-»I- dem jungen Herrn gie
sagt?«
»Ja, Frau Obersörsterin,« und er
macht-e ein sehr betrübtes Gesicht; »er
begegnete mir nämlich dort an der Ecke
von der Gemeindeschenke. Nun nimmt
er einen Baum aus dem Amtsgartem
s’ist schade drum«
»Gut, Kunz-M sagte Tante ver
stimmt, »mich gebt’s ja nichts an. —
Kommt morgen Abend so gegen fünf
Uhr mit Eurer Enkelin her zur Ein
beschoerung.«
Der Mann ging, und Taute, dise
noch immer hübsche blonde Frau, setzte
sich wieder zu ihre-r Mutter an den
Sosatisch, schrawbte die Lampe höher
und begann auf's neue mit dem Ber
golden der Nüsse. Eine Weile fchW
gen beide Frauen, dann- fragte Gros
I mai-set schalolaut:
I »Was ist dik, Time Hast ,
zwirklich so große Sorge wogen- «
Kinsder?« -
Aber da erschollen laute Tri
Idrausßem Hunde bellten aus dem
s und der alt-e Pluto Vor dem großertjA
: fernen Ofen, dessen vordere Platte M
.Stollberger Wappen zeigte mit
Jahreszahl 1709, hob den fchM
braun-en Kon und gab ein leises Frsm
dengeheul Von sich, dann öffnete sich-J
Student-hör und der Onkel Ober-fik-v
ster trat ein, ein großer schlank-;
Manm in der kleidsamew Jägerttachkh
mit den Abzeichen seines Range-A ans
dem Gesichte blickt-en zwei Augen«
scharf wie die ein-es Falken, unters
dunklen Augenbrauen hervor, unsd we
stark gekrümmte Nase, der mächtige
graue Schnurrbart verliehen den- Zis
gen des Mannes den Ausdruck von
Stolz und entschiedener Wirkenskraft,
aber aitcb von GutherzigkeiL
»Bist du mit dem Baum zufriedM,.,
TinaI Guten Abend, Frau Mutter-,«
waren seine ersten Worte; daner reicht-e
ser mir freundlich die Hand, und setzte
nach der Tau-te gewendet hinzu:
»Ich habe dir einer-s Weihnachtsbra
ten mitgebracht,T-ine; ein-en Aste-ENG
bocl: die Kinder werden« woshl schon
lange keinen mehr gekostet haben.«
,.Wären sie nur erst glücklich hier-El «
enstfubr es der Tante abermals; »Kan
Je sprach vom Schne-ewett-er, das wir;«-E3·
erwarten können« ««« «
,,Vie"lleicht —— ja,« bestätigte Onkel« —
und setzte sich ans den Ofen, ,,Kun3e ist« "ss«j
einmal der Unglücksrabe. Tiefe-MI
Sckmseefall haben wsir immer erst km
Febrnar gehabt. Was sagt denn der
Barometer?«
sso
rsnano aiuT und rrat zu venck -
Schneibtisch seiner Frau, auf wel. « «
in zierlichem Gestell ein Aneroid- Ba. «
romseter prangte, ein ,,Vi-elliebchen« des«
Amtmann WUenziel ,,Dumme3 Demg
faat e ser verächtlich, ,,steht) ja waW-«L
tsiq noch unter ,.Sturm«; scheint mir
ebenso zuverlässig, wie der protzigse Ge
ber da driiben.«" «
,,5.)li"ser Wilhelm!« rief Tau-te unwil
liU. ;
Allein er hatte das Zimmer bereits
verlassen und war über den mächtig-M
Flur nach fein-er Stube geschritten-, um« IT
den alten zuverlässigen Quecksilber- T
kzkarmneter zu befragen, und ich- folg-te
ihm rasch. Kopfschiitstelnsd stand- er vor
dem Räthsel: ,,Merkwiird-ig! dersekbse
Stand — bm! —
«Nun, Wilkxelm?« fragte Tantie, als
wir wieder m die Wohnstube traten.
»Es ist fo, Sturm und Unwetters,«
erwiderte Onkel verdrießlich, »aber wer ·
weiß ob s eintrifft « :
CI L---- DI- RI!..L--. .-!.k.l— -«-..
s - — I- »Im-)qu »ew
»du-neun web un- knuiucx uns-« IUWLII
nen lassen?« L
»Nein,« sagte Onkel, »das ist zur
spät. Und wenn auch — der Bote kä- ’«
me erst nach Mitternacht dort an- unid
alarniirite das Haus meiner Schwester
und ebenso das des Prosessoes —. Die
Post fährt morgen früih acht Uhr dmi
ab uiisd bis elf Uhr wird sich das Weit
ter ja wohl halten-, mir haben immer-«
nach zehn Grad Kälte.« Und um dem
Gespräch seine andere Wenduwg zu geei- -
ben, fragte er: »Dan ich helfen? Soll
ich Nüsse Vergolden ?«
»Ja, Wilhelm,« thue bas,« bat Takt-;
ie freundlich, einen leis enSeuszer tin-km-v
u-iiterdriicbeiid. »Die Kinde-r dein
Holzhauer unid Wildwärter habe ich
um ) Uhr zur Bescherunsg bestellt. «
»Bon! Und wir beschereii um seel;ei
llhr,1vie immer. Was die beiden fick
freuen iierden, der Junge über sein-;
kleine Doppelflinte, die übrigens ane;
erst morgen mit der Post ankommt Im«
Mariha über ihre schöne Pekzgarni
iur.«
»Sie ist auch schön, « bestätigt-Gras
iiiuUiier .
»Wer? Die Mart-ha?« Er lachei
fröhlich auf Er konnte so herzlich kå
chen iin Kreise der Seinen, der
Onkel
»Sie sinb beide schim,« erklärte «
CFortseyuiig auf der 4. Seite.)