Iie Schrift des Todten. Original-Roman aus dem demsehs französischen Kriege. Von Jul. Max-. (For:setzung.) Auch die Pariser rührten sich wie der. Dem Ausfalle gegen Clamart folgte ein anderer in westlicherRichtung, - der wiederum durch die Batterien des· Mont Vaterisen unsd außerdem durch einige Kanonen-book auf der Seine« unterstützt wurde, unsd dann der be sonders energische Vorstoß gen Nord westen nach dem Dorfe Le Bourget, das wirklich in die Hände der Franzo sen siel. Zu behaupten vermochten sie es aber nur zwei Tage, dann wurden sie wieder hinausgetrieben Und gleich-i zeitig kam die Kunde vom Falle vonj Met. Zum Gelingen seines Planes« hatte Gambetta wesentlich auf die Mit- ; wirlnng Bazaincks und der in Metz’ ein-geschlossenen Heereslräste gerechnet, aber bevor noch die Organisation der Lvirearmee beendet war, erfüllte sich bereits das Schicksal der lothringischen — ung. Am 29. Oktober wurde die tadt Metz und die Forts den deut schen Truppen übergeben Drei Mar schället Bazaine, Canrobett und Le bpettß 6000 Osfiziere und etwa 173, 000 Mann kamen in Kriegsgefangem schast, 53 Adler und Fahnen, 541 ldgeschiitze, 66 Mitrailleusen, 800 z ungsgeschüsn gegen 300,000 Ge we e Und beträchtliche andere Kriegs dorriitlye wurden erbeutet. Jn der ge ,Janemte-n Kriegsgeschichte läßt sich tei ne Kapituslation ausfindig machen, die III-: »von Metz an die Seite zu stellen wäre. ! L Bot Paris feierten die deutschenx Truppen die Wiedereinnahme von Les Bunrget und den Fall von Metz gleich-( Wiss . . Auch m dem größten Erdgeschoß zimmer der Montinayeur’schen Fabrik saßen sechs oder sieben Soldaten fröh lich beisammen, tranken Rothwein und « Fingern tauchten und plauderten. An vere, unter ihnen auch der Sergeant und Franz Schöller, waren nach Saht-Grind gegangen, wohin einige der dort liegenden Kameraden sie ein geladen hatten. Es mochte ungefähr zehn Uhr sein, als die nach außen führende Thür ge öffnet wurde, und drei Franzosen in blauen Blusen und Mützen über die Schwelle traten. Es waren noch junge Leute« die einigermaßen angetrunken schienen, denn sie schwankten bedenk Iich. Sie schienen aber sehr gemiithlich gestinimi. denn sie lachten und baten mittrinlen zu dürfen, sowie um etwas Tobak für ihre Pseifern Als sie sahen, daß von den anwesenden Jnsanteristen keiner Französisch verstand, suchten sie ihre Wünsche durch Geberden auszu drücken. Dies geschah in so drolliaer Weise, daß die Soldaten lachen mußten. Die fidelen Zechbriider gesielen ihnen, sie » luden sie arglos ein, näher zu treten, und gaben ihnen zu trinken. Jetzt schwankten die Drei noch bedenklicher als vorhin, es war aber trotzdem eine bestimmte Absicht in ihren Bewegun gen, denn sie richteten diese so ein, daß siesich fortwährend zwischen den Mannschaften und deren an der Wand stehenden Gewehren befanden. Plötzlich taumelte der eine von ihnen — Luzie würde mit Schrecken in ihm Waltet Bourreille, wie in seinen Be gleitern Paul und Heinrich Doriat er kamst haben —- riicklings gegen das « . Fenster. und zwar so ungeschickt, daß et mit dem Ellbogen eine Scheibe zer « Hieß. Aus das Signal wurde die Thür ;aufgerissen, eine ganze Schaar von , Mener stürzte in den Saal, und r die Deutschen an Widerstand , denken konnten. waren sie umzingelt » nnd mußten sich gefangen geben. « Walten Paul und Heinrich, die ihre A Rolle so ausgezeichnet gespielt hatten, verschwanden dann, von mehreren Franctireurs begleitet Sie eilten durch den Hof dein Wohnhause zu. Dort war man inzwischen aus dem - Lärm bereits aufmerksam geworden. » Johann -.v Montmayeur hatte von West Zimmer aus die Rufe seiner ·« Uleuie gehört; Luzie meinte so e Mlichd ie Stimme Walter’s und T« - Pslegebriider zu unterscheiden. »Ist hatte sich noch nicht ausgelleidet « » M is das Erdgeschoß hinab, ums » « ten zu verhüten Aus sie Hut Drei, wenn sie es wirklich , W es nicht abgesehen —- Luzie er ( , ia tut höchsten Grade ver » " — san-dem derHandstreirh galt - - v. Museum-we den Leute Echten-. « l -- M- see-: Dis-» » ists-d disk Weksädchmi einen Augenblick da; was war zu thun? ,,Oeffnet, oder wir stecken das Haus an. Montmayeut ist ein Spion und ein Verräther!« »Sie werden ihn tödten, diese Unse ligen,« sagte sich Luzie, »sie ahnen nicht« daß das Leben dieses Menschen mir ebenso werthvoll ist, wie das ihre. Wenn Johann v. Montmayeur stirbt, so ist Michel Doriat unrettbar verlo ren. Deswegen muß ich sein Leben um jeden Preis sichern." Sie stürzte die Treppe wieder em por und klopfte an sein Zimmer. Er öffnete sosort und sagte: »Bleiben Sie bei mir, Luzie, und hegen Sie teine Furcht, ich werde Sie schon zu verthei digen wissen.« »Ich habe keine Furcht fiir mich, sondern fiir Sie!« »Was sollte ich denn zu fürchten ha beni« »Unte: denen, die dort unten die Thür einzustoßen drohen, befinden sichs Walter Bourreille und Paul und Hein-, irich Doriat, die anen den Tod ac schworen haben. Verbergen Sie sichs um Gottes willen, dann werde ich ih inen sagen daß Sie gar nicht daheim, ’ sondern nach Bersailles gegangen sinspd »Du liebst mich also doch, Luzie?« »Ich werde Sie doch nicht umbrin-« gen lassen?« « »Sage, daß Du mich liebst,'« wie derholte er leidenschaftlich Su!Schnell, verstecken Sie sich, ich bitte ie « »Nein,« bebarrte er, »ich bleibe hier, wenn Du nicht aus meine Frage ant wortest. « I »Ja, Johann,'· erwiderte sie nun lmit stammenden Augen, »ich liebe Sie I— Sie sehen za, wie ich für Jht Leben zitteee.« z »Dami- geyorche ichs Er eilte in das Erdgeschoß hinab und durch die Hinterthiir in den Hof. an den sich der rings von einer Mauer umgebene Garten anschloß. Jn einer Ecke des Hofes befand sich der zum Theil verfallene und ausgetrocknete Brunnen, in dem der Chemiter da mals auch dieKassette mit seinem Rau be verborgen hatte. Jetzt sollte er ihm selber als Versteck dienen, denn man konnte mit einiger Vorsicht und Ge wandtheit in den engen Schacht ganz gut hinabsteigen, da bald rechts. bald links Steine fehlten, in deren Lücken krnan die Füße einsternmen konnte. Gerade als der Flüchtling den ganz s irn Dunkeln liegenden Hof betrat, wich vorn die Hausthiir den gegen sie ge ftennnten kräftigen Schultern, und Walten die beiden Doriats und ihre Genossen drangen ins den Hausflur Dort trat ihnen das junge Mädchen bleich, aber entschlossen entgegen. Ei nen Augenblick stutzten sie. . Luzie hatte nichts von ihrer früheren stolzen haltung eingebüßt, sie senkte ; die Augen nicht, indem sie kurz fragte: ;,,Was verlangt Ihr?« I »Montrnayeur —- denVerräther und Spion!« »Er ist weder das Eine noch das H Andere. Jhr wißt das auch, Ihr wollt « blos Euer persönliches Rache elüst be jfriedigem Der Haß gegen denn-na ; yeur ist’s, der Euch hergeführt.« «Dariiber wollen wir nicht streiten,« entgegnete Walten »Wo ist er?'« »Er ist nicht daheim, sondern inVer sailles!« »Du lügst!« »Ich s chwöre euch, daß ihr außer mir hier im Hause nur den tranken Herrn Georg und die alte Frau von Mont mayeur finden werdet." »Wir werden alle Zimmer durchsu chen und Du sollst uns dabei beglei ten « »Gut.« »Erbärmliches Geschöpr OhneHerz und ohne Scham!« »Du hast kein Recht, mich zu be schimpfen, Walten Niemand darf mir verwehren, nach freier Wahl meines Herzens über mich zu bersügen.« Jn- seiner Eifersucht und Verzweif lung bob der junge Mann, der Luzie noch immer leidenschaftlich liebte, die eballten Fäuste gegen sie, als ob er chlagen wolle. Gleich daraus aber ließ er sie wieder sinken und sagte blos verächtlich: »Komm mit uns, damit tvir Haussuchung halten tönnen.'« Alle Gemächer, alle Ecken und Win kel des Tuses wurden durchsucht, aber von Jo nn war keine Spur zu ent decken. Man kehrte, ergrimmt über das fruchtlose Suchen, wieder in das Erdgeschoß zurück, wo Walten vor Wirth bebend, Luzie nochmals fragtDJ »Er ist bestimmt im Hause. hält er sich versteckt?" »Das werde ich euch nicht sagen.«« »So sehr liebst du ihn also?« »Ja. ich liebe ihn, es ist wahrt« Plöhlich ging die nach dem f süh ränåeesgiårdumts undåus tder chweläe e n von on mayeurma sich alle. umwmdten.« « »Hier bin ich,« sagte er, »was wollt ) . Sie stürzten auf . los und um ringten ihn. Jn dies Moment fie len draußen Gewehrschiisfe: eine Ah theilung preußischer Jnsanterie hatte die Fabrik umstellt und rückte nun den Franitireurs zu Leibe. Jhr Erscheinen hatte eine ganz einfache Erklärung. Jn einem Nebenraunie hatte einSoldat geschlafen und war erst durch dasEin dringen der Franitireurs in den gro ßen Saal geweckt worden« Er hatte ge hört, wie seine überrumpelten Kamera den sich ergeben mußten, war dann durch ein Fenster geschlüpft und nach Garches geeilt, wo er Alarm schlug und das Vorgefallene meldete. Montniayeur hatte in seinem Ver steck das Anriicken der Preußen gehört und sich in das Wohnhaus begehen,wo er noch hören konnte, rnit welchem Ei fer ihn Luzise gegen Walter vertheidig ge. Das Blatt hatte sich jetzt gewen et. »Schnell! Wenn wir nicht nochi durch eine Seitenthiir entwischens tön-! nen, so snid wir verloren, rief Pauls ’Doriat und gleich darauf waren die Weiden Brüder mit ihren Kameraden verschwunden Blos Walter Bont reille verschmähte es, ihnen zu folgen, und blieb bei Montniaheur und Luzie )z zurück. Auf die Schüsse der Ziindnadelgh wehre antworteten die französischen Chassepots, Fenster wurden zertrüm mert, Thüren eingestoßen, Kugeln pfif tfen durch die Luft und hohrten sich in die Mauern. Ohne ein Wort zu sagen, betrachtete Montmayeur Luzie uni zu beobachten, wie sie sich angesichts der furchtbaren Gefahr, in der Walter schwebte, verhalten werde. Sie stand eine entsetzliche Qual auf-; sein Wort, eine Geberde konnte sie ver rathen-. Was sollte sie thun? »Walter, Du bist verloren, wenn - Du nicht slihst!« rief sie ihm zu. »Du weißt recht gut, daß die Deutschen die Franctireiirs nicht als Kriegsge fangene behandeln. Es ist Dein Tod« wenn sie Dich hier finden!« »Nun gut-, so werde ich sterben« »Ich beschwöre Dich, Weiter, sehe doch nicht Tein Leben so zwecklos aufs Spiel!« it - »I-« s. s ·s-s »Ju, ev m uuuy ways —- uy qui-c vorher noch meine Rechnung mit jenem Herrn dort zu begleichen, verfeßte er zähnelnirfchend und auf den Chemiler deutend. »Wie es Ihnen beliebt,« meinte die ser gelassen. Nun eilte auch Waer den Vorange gangenen nach, während Montmayeur Luzie in feine Arme zog und dies Marmorbild mit Küssen bedeckte »Und ich Thor konnte an Deiner Liebe zweifeln,« flüstert-— ee ihr dabei zu. »Und jetzt?« fragte fie zufammen fchauetnd. »Jetzt zweifle ich nimmermehr!« Draußen näherten sich eilige Schrit te; keuchend erschien Weiter wieder. Alles umstellt,« stöhnte er. »Wenn ich denn sterben foll, fo will ich bei Dir sterben, Luzie!« »Nein, das darf nicht geschehen! Meinettvegen sterben foll Du nicht,« rief das junge Mädchen entschlossen Sie ergriff ihn bei der hand und eilte mit ihm bis zur Hofthiir, von wo fie auf den Brunnen deuteie. »Dort ver birg Dich,« flüsterte fie ihm zu. Montmayeur hatte das mit gerun zeltet Stirn gesehen und fühlte sich aufs Neue in« feine qualvollen Zweifel » zurückgeworfm. »Was ift Ihnen jetzt noch das- Leben dieses Menschen? Ich hätte ihn ruhig sterben lassen,« sagte er ingrimmig. »Wie —-—— einen Landsmann, einen Vaterlandsvertheidiger?" »Für mich ist er weder das Eine noch has Andere, nur ein Mann, der Dich geliebt hat und noch liebt ——— folglich ein Feinb!« Plötzlich packte er eines ihrer Hangelenke und preßte es, als ob er es hätte zerbrechen wollen, indem er murmelte: Gestehe jetzt! Du liebst ihn immer noch!« »Ich schwört Ihnen —---" Er ließ sie fahren, denn ihm war eine Jdee gekommen, wie es mit Sicher heit erfahren könne, ob er Ursache habe, ihr zu mißtrauen. Es fielen nur noch vereinzelte Ge wehrschiisse in der Ferne. Die Franc titeurs mußten geflüchtet oder gefallen sein; die Entflohenen schien ein Theil der Preußen zu verfolgen, ein anderer hielt die Fabrik umstellt. Etwa zehn Mann-· und ein von Garcheö herüber gelommener Offizier kamen jedt in das Wohnhau5, wo ihnen Montmayeur und Luzie entgegentratem Ersterer wurde bekehren-ist« mit den Frauen reurz im Einvernehmen geweer zu sein« was er auf das Lebhaftelte bestritt unter dem Hinweife auf seine ganze bisherige haliuwg, sowie namentlich darauf, daß die Feaneticeues ihm feindlich gesinnt gewesen- feien, daß sie es gerade auf ihn abgefehen ge s - J habt hätten und ihn zweifellos als Ge fangenen mit sich fortgefchleppt haben würden, wenn in dem entscheidenden Augenblick die Preußen nicht ange riickt wären. Luzie bestätigte auf dass Rachdriicklichfte diefe Angaben, die dem Offizier auch glaubhaft dünkten, als plötzlich der von der Fabrik her kommende Sergeant Ritter, der mit Schöller inzwischen zurückgekehrt war, an ihn herantrat und ihm eine Mel dung machte. .Meine Leute behaupten,« sagte der Offizier hierauf streng, »daß sich einer der Franciireurg noch hier im Haufe befinde. Einer oon den Dreien, die zuerst, sich betrunken ftellend, in den Fabriifaal gekommen sind. Die zwei Anderen find entwifcht, aber wo steckt der Dritie?« Johann und Luzie wechselien einen flüchtigen Blick, der dem Offizier nicht entging. »Ich bin überzeugt« daß Sie den Mann verborgen halten« meinte er ernft. Monimayeur schwieg. Seine Blicke hafteten unverwandt an den Augen des jungen Mädchens. Auf ein Zeichen des Offiziers wurden idem Chemiier die Arme auf den Rücken gebunden, allein er verharrte in feinem Schwei gen, auch als der Offizier nochmals im Zorne fragte: »Wo haben Sie den Mann versteckt?« Luzie befand sich in einem ent setzlichen Zwiespalt, und sie zitterte am ganzen Körper, als der Lieutenant, zu Johann gewendet, hinzufetztc »Ich erkläre Jhnen hiermit, daß Sie, wenn Sie mir den- Mann nicht auslieferm erfchossen werden; nun wählen Sie! Fünf Minuten Bedenkzeit gebe ich Ih . nen, dann lasse ich Sie abführen.« — F Es handelte sich um das Leben von drei Menschen in diesem Augenblicke ium das Montmayeur’ö, wenn et nicht sprach; um das Walter’s, wernr er sprach; und endlich um das Doriat’5, wenn Johann von den Preußen er schossen wurde Als Luzie in verzweifelter Seelen martet Johann von Montrnayeur an schaute, nickte ihr dieser bedeutungsvoll zu, und sie verstand diese Geberde, die besagte: »Du mußt jest zwischen ihm und mir wählen. Jch werde nicht spre chen, sondern Dir das überlassen. Wenn Du nicht redest, so werde ich nach Verlauf svon fünf Minuten von den Preußen abgesührt und erschvssen. Wenn Du redest, so trifft Walter die ses Loos. Wenn es wahr ist« dasi Du ihn nicht mehr liebst, warum zögerst Du dann, ihn auszuliesern? Wenn es wahr ist, daß Du mich liebst, warum besinnst Du Dich, mich zu retten?« Luzie mußt-e sich gegen die Wand lehnen, um nicht umzusinten· Wenn Montnrayeur starb, so war Doriat verloren, und sie selbst blieb siir alle Zeit mit einem Malel behaftet. Wenn sie aber Montmaveur retten wollte, so gab es nur ein Mittel dazu: sie mußte den Geliebten opserns Sie suchte den Ofsizier, der fertig französisch sprach, davon zu überzeugen. daß Mont mayeur keine Schuld tragen könne, da diesem der Uebersall der Franctireurs ins erster Linie gegolten habe. Jener aber blickte aus die Uhr und sagte kalt: »Es sind bereits zwei Minuten über die von mir gesette Frist verflossen. Wenn dieser Herr nicht im Einvernehmew mit dem Frunctireurs steht, so möge ersuns den Mann auöliesern. der noch in die sem hause versteckt ist« · Dann gab er seinen Leuten Befehl, den uynniter fortzuführen Johann war bleich, aber er sagte blos zu Luzie: »Du liebst mich also doch nichts« Jn diesem Augenblick schaute Luzie zufällig durch die offen gebliebene Hin terthiir in den Hof, der setzt vom Mondlicht übergossen dalag. Der Brunnen lag gerade vor ihr, und sie konnte deutlich sehen, wie Walter aus dem Schachte hervorlarn, sich zu der Gartenrnauer hinschlich arn Spalier Mauertappe niederduckte, um ersi zu erspähen. ob an dieser Stelle draußen die Luft rein sei, ehe er binabsprang. Die Deutschen waren sämmtlich mit ihrem Gefangenen beschäftigt, von ih nen hatte Keiner in den Hof geschaut. Nun konnte das junge Mädchen also ungescheut Montmayeur den von ihm verlangten Liebesbeweis geben, indem sie Walder’s Versteck angab. Sie ahnte nicht, daß inzwischen Walten nachdem er gesehm, daß draußen eine ganze Vorpostentette ausgestellt und an tein Durchtornmen zu denken sei, eben so rasch von der Mauer berabgetletterl und aufs Neue in dem Brunnens chachte verschwunden war. Schon hatte man mittlern-eile Johann gefesselt und in den has hinausgestihrt, als Luzie in höchster Erregung an den Offizier herantrat und zu ihm sagte, nachdem siegesehem daß die· Mauer leer war «Dieser herrsden Sie erschießen lassen l- l wollen, ist zu edeldentend, um einen Landsmann zu verrathen, s bst wenn es sich um einen Feind hande t. Es ist deswegen nothwendig, daß ich rede. Jch habe gesehen, daß vor Jhrer An-! iunst sich ein Mann in jenem Brun-’ nen dort versteckte!« Es gab eine allgemeine Aufregung « einige Soldaten eilten in das Haus, um Stroh zu holen, das sie anzun den und in den Brunnenschacht werfen wollten« um diesen zu beleuchten, doch bevor dies noch geschehen konnte, tauch te bereits Walter Bourreille’s blasses Gesicht über dem Brunnenrande aus. Er hatte gehört, daß er verloren war, »daß Luzie selbst ihn verrathen hatte. »Was lag ihm setzt noch am Lebens« ) Luzie aber wußte zuersi nicht, was ;sve sah. War denn das nicht ein Spuk, lder ihr Auge täuschte? Walter mußte doch längst in Sicherheit sein! Entsetzt starrte sie ihn an, als ob er ein Ge spenst wäre. Er aber schleuderte, als man ihn an ihr vorbeisiihrte, ihr mit tiefster Verachtung die Worte in’s Ant litz: »Verworsene Dirne!« ,,Walter, Walter!« stöhnte sie und sank dann bewußtlos zu Boden. Montmayeur, dem Franz Schöller inzwischen mit einigen glückwiinschen den Worten die Fesseln wieder abge nommen hatte, eilte zu ihr hin und nahm die Ohnmächtige in seine siarien Arme. Er trug sie in’s haus, stieg mit seiner Bürde die Treppe empor und machte vor dem Zimmer seiner Mutter halt, die aus seinen Zurus sich zu öff nen beeilte. »Wie, haben die Unmenschen dem armen Kinde ein Leid angeihan?« fragte sie ergrimmt. »Nein, beruhige Dich nur. Sie ist blos ohnmächtig.« Er legte sie aus das Bett seiner Mutter nieder, die sich eisrig um die Aermste bemühte, doch wollte lange die Bewußtlosigieit nicht weichen. End lich schlug Luzie die Augen wieder auf, und Frau von Montmayeur, der Jo hann inzwischen kurz berichtet hatte, was vorgefallsen sei, sagte zu ihrem Sohne: »So, jetzt lass uns allein. Jch werde schon siir sie sorgean Luzie hatt-e bereits wieder ihre »au gen geschlossen. Sie mußte immer von Neuem darüber nachfinnen, wie Wal ter wieder in den- Brunnen gelangt war, nachdem sie ihn doch mit ihren eigenen Augen hatte daraus hervor kommen und die Gartenmauer hatte ertlettern sehen. Was würde nun mit ihm geschehen? War Walter am Ende schon- todt? Entsetzt auffahrend fragte sie die alte Frau, ob man den Gefangenen schon erfchossen habe, wag diese verneinte, indem sie hinzufügte, ihr Sohn habe gemeint, daß das wohl erft morgen früh nach erfolgter Aburtheilung durch das Kriegsgericht geschehen werde. »Und wo ift er jetzt?« ,.Jn der Fabrik bewachen sie ihn.« Das arme Mädchen brach in Thra nen aus, aber während sie weinte, reifte in ihr der Entschluß, Alles zur Rettung des Geliebten aufzubieten. »Wenn er stirbt, will ich auch nicht länger leben!« murmelte sie. 13. Als Walterxöourreiue fich oen Deut schen ergeben mußte, hatte er mit dem Leben abgeschlossen. Er war ja in jedem Falle verloren: betrachtete man ihn als Franttireur, so wurde er er schossen; betrachtete man ihn aber als Cioilisten, so wurde er als Spion an gesehen, mit demgleichsalls kurzer Pro zeß gemacht wurde. - Man sperrte ihn in einen Raum der Fabr-il, der feilhet dem Werkmei ster als Burean gedient hatte. Das ziemlich kleine Zimmer besaß zwei Thüren und ein Fenster. Die eine Thiir ging auf einen engen Hof, um den herum die Arbeitsraume der Fa brit lagen, und aus dein eine Glasthiit in den großen Arbeitssaal führte, in dem es fast aussah, wie in einer deut schen Kasernenstubr. An eine Flucht in dieser Richtung war also nicht zu denken, wenngleich die in den Fabrik hof gehende Tbür ziemlich gebrechlich war, so daß Walter sie mit seinen kräftigen Schultern wohl leicht an's den Angeln gehoben hätte. Die zweite Thür seines Hastraumes öffnete sich auf das freie Feld, wo dem armen Gefangenen die Freiheit winkte, allein dort stand fest ein Doppelt-often Das Fenster, durch das der Mond herein schien, lag auf derselben Seite; es war mit starken Eisenstangen ver gittert. Ein Entkommen schien also von vornherein so aussichtslos, daß Wal ter jeden Gedanken daran sofort ver warf und sich niedergeschlagen auf ei nen Schemel feste, den- er ins einer Ecke vorfand. »Von auch weiter le ben,« dachte er in seiner ver-zweifelten Gerniithssiimmung bei sich,»«wenn das M Aka nichts Anderes bringt, als Schmerzen und Enttiiuschungeuw Nach etwa einer halben Stunde la men Tritte über den inneren Hos, dann wurde die dorthin führende Thür auf geschlossen. Es war Sergeant Ritter mit einer brennenden Kerze, der den Gefangenen noch einmal in Augen schein nehmen wollte, und ein Jnfnntse rist mit einer alten wollenen Decke und einem Kruge Wasser. Bisse- ließ er Walter da, dann gingen Beide wie der, nachdem der Sergeant sich ube: zeugt hatte, daß ein Gntsliehen desj Gefangenen unmöglich sei. Die Thiir wurde von außen wieder verschlossen, und Beide lehrten in den Fabritsnal zurück. Dort hatte sich der Sergeant ebenfalls einen Strohsack auf den Bo den hinlegen lassen, denn er wollte die Nacht bei seinen Leuten bleiben und nicht wie sonst im Wohnhause schla fen. Es war zwar laum anzunehmen, daß die Franctireurs in derselben Nacht noch einen zweiten Handstreich wagen würden, indessen man mußte auf Alles vorbereitet sein, und die draußen aus und ab gehenden Doppel posten hatten die Mahnung erhalten, besonders scharf auszupassen Franz Schöller traf diese Nacht die Reihe des Postenstehens nicht; nachdem er noch etwa ein Stündchen mit den Kameraden geplaudert hatte, begab er sich nach dem Wohnhause, um sich zur Ruhe zu begeben. Als er sich aber der Hausthür näherte, erhob sich plbtzlich , von der Schwelle eine dunkle Gestalt, die dort auf ihn gewartet zu haben schien. Da der Mond eine ziemliche Helle verbreitete, erlannte er sofort Luzie und rief überrascht: »Wie, sind Sie es wirklich, Fräulein Luzie?« »Ich habe auf Sie gewartet,« flü sterte sie. »Sie sind der einzige Mensch, an den ich mich in meiner furchtbaren Noth wenden lann.« »Ja, was wünschen Sie denn, Fräu lein?« fragte er erstaunt. »O, Sie werden mir helfen, nicht wahr?" flehte sie, seine Hand ergrei send. »Sie sind ein guter edeldenlen der Mann, der auch im Kriege auf die Stimme der Menschlichkeit hört.« Jhm wurde ganz seltsam zu Muthe in der Nähe des schönen Mädchens-, das es ihm mehr angethan hatte, als er sich selbst eingestehen wollte-. »Bei-fügen Sie ganz über mich, wenn ich Ihnen dienlich sein lann,« entgegnete er. »Was wünschen Sie den-n?« »Ich flehe Sie an, dem Gesange-« nen zur Flucht zu verhelfen.« gab sie, zitåernd vor banger Erwartung, zu tU - Er entzog ihr schroff seine Hand und trat einen Schritt zurück. »Das isi ein seltsames Ansinnen, daß Sie da an mich stellen, Fräulein,« erwiderte er anmuthig. »Einen Menschen entfliehen zu lassen, der meine Kameraden ver riiiherisch zu überfallen geholer hat«-? Jch möchte wohl wissen, was ein Fran zose in dern gleichen Falle Ihnen ant worten würde!«' » »O, Herr Schöller, vergessen Sie doch, daß wir verschiedener Nationali tät sind; halten Sie sich doch an den Fall selbst. Zunächst glauben Sie mir, ich schwöre es Ihnen bei Allein, was mir heilig isi, daß Waltet Bontreilte weder als Frau-tier noch als Spion » hier eingedrungen ist, daß der ganze Anschlag gar nicht Ihren Kameraden galt.« »Und das wollen Sie mir weis »machen?« i »Sie werden nicht mehr bezweifeln, daß ich die Wahrheit spreche, wenn ich Jhnen erkläre, daß Walter Bourreille bis vor Kurzem mein Verlobter war, was Ihnen jeder Einwohner von Gar , ches bestätigen wird. Es kam dann aus äußeren Gründen zu einem Zer z würfniß, ich brach mit ihm und nahm die Werbung des Herrn von Mont . maheur an. Eifersucht und Haß ge . gen den Letzteren haben ihn dazu ge bracht, mit seinen Kameraden einen . Ueberfall der Fabrik zu planen, um Johann von Montmaheur mit sich zu schleppen. Die Deutschen sollten nun verhindert werden, ihnen dabei in den Weg zu treten. Es ist ja auch Nie mand von Ihnen verletzt worden, wie ich gehört habe. Sie können also um so eher meine Bitte erfüllen und einem Unschuldigen das Leben retten.« ,,Selbst wenn ich das wollte, würde Fenster des Zimmers, in dem er einge ei mir ganz unmöglich sein. Vor dem schlossen ist, steht ein Doppelposten.« »Aber er lbnnte durch die Fabrik entschlüofen, wen-n die dorthin süh rende Thitr ihm geöffnet würde.« »Mitten durch den Saal, in dem meine Kameraden sind?« sagte Schöl ler. Gortsexuikjolgtd Ein Sieptiler. A.: »Glauben Sie an den Zufalls« B,: »Mir ift noch nie etwas zuge « fallen!« «