Die Schrift des Todten. set-time « Geschichte aus dem deutsch-französischen Kriege. Von Jul. May. (Fortsetzung.) Der Gedanke war entsetzlich, aber das jungeälltädchen war trotzdem fest entschlossen, die dringende Mahnung, welche ihr Landais wie der Unter suchungsrichrer ertheilt hatten, unter allen Umständen zu beherzigen und weder zu offenbaren, daß sie den Mör der Bogtrreille’s kannte, noch den wah ren Grund zu verrathen, weshalb sie sich jetzt geneigt zeigte, den Werbungen Montmaheur’s Gehör zu schenken. Möchte man sie immerhin für gefall siichtig kalten — später, wenn es ihr gelungen war, den Vater zu retten und den wahren Schuldigen zu überfiihren, würde man ihr Gerechtigkeit widerfah ren lassen. Deswegen hatte auch Klau dine ihr feierlich versprechen müssen, ebenfalls das Geheimniß nicht zu ver rathen, was auch geschehen möge. Luzie empfand aber doch eine große Beklogrernenheih als sie nach Haufe kam, Frau Doriat vermied es, sie anzusehen. Beide nahmen ihre bescheidene Abend mahlzeit schweigend ein. Das junge Mädchen sah recht gut, daß der armen Frau wiederholtThränen in den Augen standen die sie heimlich wegzuwifchen suchte. spndlich konnte sie es nicht mehr aushalten und fragte: »Warum weinst Du denn, Mutter?« »Das mußt Du doch wissen,« war die vorwnrfsvolle Antwort. »Du denkst an den Vater?« »Geh-tin Luzie, an ihn denke ich Tag und Nacht, und um seinetwillen muß ich oft txszzien Doch diesmal gelten meine Tiiränen nicht ihm, sondern Dir!« Das junge Mädchen zuckte zusam men, weilte aber noch weiter fo thun, als ob sie gar nicht verstande, worauf ihre Pflegemutter abziele. Die gute Frau e:«kiriff sie bei der Hand, setzte sich auf einer am Fenster stehenden Stuhl und zog sie mit sanfter Gewalt auf ily ten Sehn-Iß »Warum willst Du nicht mehr auf meinen zirnieen sitzen, was Du als Kind so gern thateft?« fragte sie, als Luzie sich zuerst etwas sträubte, da sie fürch tete, geaeniiber den Thränen dieser gu ten Frau ihr Geheimniß lauen wahren zu können. »Du warst immer unser Aller Liebling, und Keines von uns dachte daran, daß Du nicht unser leib liches Kind seiest.« ,,-).), Lebe :I.Icutter, ich hab’ Dich ja auch so zis: r!.« sagte Luzie unter Thra nen. »Du Hilft mir also auch keinen Kummer ;.;-:eiten?« »Nein, zkisstsiß nicht, Mutter!« »Du .r - es aber dennoch und weißt auch ga::i «-;-tnau, wodurch. —- Hast Du Dir nidjrxs -.;orzutversen?« »Nichts-, zsjtutter.« Mark-: Toriat seufzte tief aus. Ossenbar its-Laß sie das Herz ihrer Tochthr rsxisvx mehr, wenn diese es über sieh gekgsixxsum sie zu betrügen. »Kannst Du mir in Isiie Augen sehen, ohne roth zu werd-zu Luzisxi ein«-te den Blick ihrer schönen, feuchtssrrisstmsrrnden Augen fest auf die Mutter; ki- toar keine Scheu in ihnen zu gewahren koohl abereine tiefe Trau rigkeit. stu Doriat wurde nun doch etwas unsicher. »Und Dennoch, Luzie, ist Deine Auf siihruna »He andere geworden wie früher-. ·-.!t.- mir zuerst etwas zu Ohren kam, bfsxt ich es für verläumderischen Klatsch LssIJ :-.h mich mit meinen eige nen Augen arm Gegentheil überzeugen mußte. Zu gehst zu heimlichen Zu sammer’ijr:ften?« »Ja J.l?:.-fker.« « »Sie-list Tu- wohl? Jetzt wagst Du wohl nkctt :;e?:r zu leugnen. Du hast fast jederx id ein Stelldichein mit dem jijs:.·«e.se:k «;-.!";;Iontmayeur. Jhr tresft Euch vsxr ksgsxc Dorfe, in dem kleinen Gehölz am J,-",-:«Tedhose.« »Das ist !r«.1i««.r, Mutter.« »Und Tag Jktxehst Du Alles zu, ohne Dich zu Deckt-einigem oder zu entschul hei»Jch muß seh denn es ist die Wahr t.« "«Gros-zer Gott, das ist ja aber gar nicht zu glauben! Liebst Du jenen Men denn-« «Jch weiß noch nicht, ob ich ihn liebe; haft Du etwas an ihm auszusetzen'i« »Das gerade nicht. Er hat mir war r einen unangenehmen Ein ruck acht, aber ich kann keinen Grund J angeben.«' . »Fun, dann —-—« , »Ihr Mutter-, Unglüekseliget Denkst « denn gar nicht wehe an Walten " -Du Liebst, nnd derdtch sosvsvn wiederliebtf M Du ihn ganz L I « vergessen? Wenn ihr ja auch noch nicht öffentlich versprochen waret, so haben iwir euch doch schon als Verlobte be trachtet. « Luzie antwortete nichts. »Luzie, mein geliebtes Kind, so rede doch, sage mir, was Du denkst und vor hast!« Kein Wort kam iiber ihre Lippen. Aber sie schloß die Augen und biß die Zähne zusammen, um nicht in ein lau stes Schluchzen auszubrechen. Nein, sie jwollte nichts sagen, denn sie mußte ihr Geheimniß bewahren, das außer den I durch ihre Amtspflicht gebundenen Be s amten nur ihre Schwester mit ihr theilte. Weder Frau Doriat, noch ihre beiden Pflegebriider und Waltet durs ten es erfahren, denn wie leicht konnten Zsie eine Unvorsichtigkeit begehen die Montmayeur stutzig machte und ihn !an seiner Hut sein ließ. Und dann war Doriat verloren. Nein, sie wollte lieber Alles erdulden und über sich er Egehen lassen, als das Gelingen ihres Planes gefährden, und deswegen sagte sie nichts weiter, als: »Ich Verdiene Deine Vorwürfe nicht, denn ich habe nichts Schlechtes gethan.« j »Dann versarich mirwenigstens, daß ; Du mit diesem Menschen nicht mehr zu isammentressen wills.« . »Das kann ich nicht« j »Warum nicht?«» z »Das sollst Du später erfahren. Jetzt frage mich nicht weiter, Mutter, - ich bitte Dicht« s »Das ist mein Recht und meine -Pslicht. Du magst zwischen mir und ihm wählen —- entscheidest Du Dich Haber sür ihn, dann trennen sich unsere Wege, dann darsst Du keinen Fuß mehr .in dieses Haus setzen. Das bedenke wohl!« »Es soll geschehen, wie Du es willst, ;Mutter.«· ; »Unglückliche, hast Du denn alles vergessen, tvas Du mir, Deinen Brit dern und Walter schuldig bist?« »Ich habe nichts vergessen Mutter.« »Liebst Du denn Walter nicht mehr?« So schwer es ihr ankam, brachte sie es doch über sich, zu erwidern: »Viel leicht habe ich mich selbst über meine Gefühle getäuscht. Jch habe ihn wohl nur wie einen Bruder und Jugendge « spielen geliebt ——— und das ist auch sehr Tgut, Mutter-, denn ich könnte ihn ja doch niemals heirathen.« Frau Doriat verstand diese Anspie lung und schwieg. Sie blickte Luzie mit einer gewissen Furcht an, denn es war etwas in dieser, was sie nicht mehr verstand, was ein Räthsel für sie war. Sie ließ die Arme sinken, die sie um den schlanlen Körper ihrer Pslegetoche ter gelegt hatte, und machte eine abweh 5 rende Bewegung. Luzie erhob sich von ihrem Schooße und stand nun vor der » ganz kalt und streng gewordean Mut i ter ! ! i 1 ,,Kind, Du hast Dich traurig verän «.dert,« sagte Frau Doriat halb zornig, - halb schmerzvoll. »Ich habe mich nicht geändert, Mut » ter,«' versetzte das arme Mädchen unter ; Thränen und fast an der Grenze ihrer H Kraft angelangt. ’ »Doch, doch, und ich fürchte, daß Du Dich noch mehr ändern wirst. Was soll denn aus der ganzen Sache wer den?" ,,Welche Frage! Johann v. Mont mayeur will mich heirathen, sobald der Krieg zu Ende ift.« »Ich kann trotz alledem nicht glau « ben, daß die Sache ein gutes Ende neh men wird. Vielleicht hat seine Werbung . Deiner Eitelkeit geschmeichelt, und des " wegen hast Du Dich für einen Augen blick irre machen lassen. Montrnayeur ist aber ganz gewiß kein Mann, an des sen Seite Du glücklich werden kannst· » Und wer weiß, obe er es auch ehrlich meint. Jm Dorfe tlatscht man schon » über euch, und wer giebt Dir nachher « Deinen Ruf zurück? — Komm, Luzie, is sieh Deine Verirrung ein und versprich E mir, den Umgang mit jenem Herrn aufzugeben. Dann soll Alles wieder gut feint« Unaufhaltsam brachen jetzt die Thes « nen aus Luziens Augen hervor. Es « war das erstemal, daß sie so harte ; Worte von den Lippen der Mutter ver s nahm. i Marie Doriat aber glaubte jetzt Alles gethan zu haben, was in ihren Kräften stand, um das junge Mädchen von ei nem Wege zurückzubringen den sie für einen verderblichen halten mußte. «Denke daran, was ich Dir gesagt habe,« fügte sie noch hinzu. »Bis heute haben wir nur Freude an Dir erlebt. Du hast aber auch die Pflicht, uns Freude zu machen, denn wir haben Dich vom ersten Tage an wie unsere leibliche Tochter angesehen und gehalten. Bringe es nicht dahin, daß wir das bereuen müssen.« Mit diesen Worten ging sie aus dem Zimmer. Kaum war sie draußen, als Luzie, Wittgt von den Qualen, die sie während des Gespräches zu erdulden ge » habt, in die Kniee sank und vergeblich ihr trarnpfhaftes Schluchzen zu ersticken suchte, indem sie ihr Taschentuch vor die Lippen preßte. »Was habe ich ausstehen müssen,« dachte sie, beinahe verzweifelnd, »und das ist erst der Anfang des Kampfes! Was wird später noch Alles kommen?« Und doch war sie entschlossen, dem gefaßten Vorhaben treu zu bleiben, koste es auch ihr Leben. 10. Die Einschließung von Paris war jeßt vollständig durchgeführt. Es gab in ganz Garches und seiner Umgebung tein Haus oder Gehöft, in dem nicht preußische Soldaten gelegen hätten. Der Borpoftendienft war sehr ermü dend und angreifend für sie. Tag und Nacht tnallte und knatterte es, wenn ir gendwo im Vorgelände die Patrouillen aneinander geriethen; dazwischen dröhnte das Geschütz der Forts, und oft genug fanden auch Alarmirungen der ganzen Linie statt, wenn es wieder ein mal einen jener kleineren Ausfälle gab, auf welche die Pariser in der ersten Zeit der Cernirung sich beschränkten. Dann rückten die »Prussiens« aus dem Dorfe aus, das hierauf oft mehrere Tage leer von Soldaten blieb. Ein solcher Fall war wieder einmal eingetreten. Den ganzen Tag über hatten die Einwohner des Dorfes Ka nonendonner und Gewehrfeuer vernom men, das bald näher kam, bald aus größerer Entfernung herüberklang, um erst gegen Abend zu verstummen. Es mochte halb zehn Uhr fein. Frau Doriat war ganz allein in ihrem Hause. denn die Soldaten, die bei ihr lagen, waren in der Frühe ausgerückt und noch nicht zurückgekehrt. Auch Luzie war nicht daheim. Plötzlich wurde draußen an die Thüre geklopft, und als Frau Doriat öffnete, stand ein Bettler auf der Schwelle, der um ein Almosen bat. Schon griff sie in die Tasche, um dem Manne eine Paar Soustücke zu geben, als dieser ihre Hände ergriff und dabei flüsterte: »Ist die Luft rein, Mutter? Sind die Preußen fort? Jch bin’s — Paul!« Jetzt erkannte sie den Sohn, und ein Ausruf des Schreckens und der Freude zugleich kam über ihre Lippen. »Sie sind noch fort, aber sie können jeden Augenblick zurückkommen,« stieß sie ängstlich hervor. »Das schadet nichts. Dann haben wir immerhin Zeit genug, um Dir guten Abend sagen zu können.« Er pfiff und alsbald tauchten aus der draußen herrschenden Dunkelheit noch zwei Gestalten auf, die sich rasch näherten. S-:--:-c --.-L M—lt-.-I« -L-t C-— »tIJktlcch UUOU Mulskt- les IJDUU Doriat mit gedämpfter Stimme. ,,Kinder,welche Thorheitt Was für einer Gefahr setzt ihr euch aus! Wenn sie euch erwischen, werdet ihr ohne Wei teres erschosfen!« »Hat keine Noth, Mutter,« meinte Paul übermüthig. ,,Sehe ich in mei nen Lumpen nicht aus wie ein echter Landstreicher? Und die Beiden da tra gen ihre gewöhnliche Civilkleidung. Waffen haben wir alle Drei nicht bei uns — wer will uns also beweisen, das wir Franktireurs sind?« »Nun, dann wird man euch für Spinne halten —- euer Leben setzt ihr unter allen Umständen auf’s Spiel. Doch nun kommt schnell in’S haus, damit euch niemand hineingehen sieht!« Nachdem die drei jungen Männer ihre Weisung nachgekommen waren, schloß sie sorgfältig hinter ihnen die Thür zu und umarmte und küßte dann ihre beiden Söhne. Hierauf wandte sie ihr von Thränen überströmtes Ge sicht dem jungen Bourreielle zu und fragte: »Und Sie sind mit in dieses Haus gekommen, Walter ?« »Gewiß, Frau Doriat; ich hoffe nicht, daß sich in unserem Verhältniß das Geringste geändert hat,« erwiderte er mit Wärme. »Ich habe gleich von Anfang an erklärt, daß Jhr Mann nach meiner festen Ueberzeugung un schuldig ist,« und dabei bleibe ich.« »O, wie wohl das thut! Doch ihr seid jedenfalls nicht blos, um mir guten Tag zu sagen, hierhergelommen und habt euch in solche Gefahr begeben. Was führt euch hierher?« »Wir stehen alle Drei bei demselben Bataillon,« erklärte Paul. »Unser Kommandant brauchte Nachrichten über die Vertheidigungsanstaiten der Deut schen in Garches und Umgebung und forderte Freiwillige auf, sich zu melden. Da sind wir borgetreten, weil wir hier ia doch jeden Weg und Steg kennen. Daß es uns lieb war, bei dieser Gele genheit Dich und Luzie wiederzusehen zu können, versteht sich von selbsi.« Frau Doriat fuhr plößlich zusam men; die beiden Brüder und Walter sahen es wohl, konnten aber keinen Grund dafllr entdecken. , Der junge Bontreille sagte: »Luzte ist nicht bei Ihm- tvte ich lebe; sie M F — J ! l Iwohl schon schlafen gegangen. Möch-: ten Sie sie nicht rasch weiten? Sie tön-» ’nen sich wohl denken, daß ich sie gern sehen möchte.« Frau Marie gab keine Antwort, was die jungen Männer natürlich lebhaft befremdete. « »Wie, Sie sagen nichts?« meinte Walter bestürzt. »Was geht hier vor?« erkundigte sich Heinrich. »Sie schläft,« erwiderte die Mutter. »Sie ist seit einigen Tagen etwas lei dend, und deshalbmöchte ich sienicht——« l Die Erregung ließ sie nicht weiter sprechen. Paul sah seine Mutter scharf an und fragte hastig: »Mutter, wo ist Luzie-« »Ich sagte es ja schon: sie ist in ih rem Zimmer. Laß sie ruhig schlafen, es ift besser so." »Und wir sollten fortgehen, ohne sie gesehen zu haben ?" »Ach nein, Frau Doriat,« meinte Walter, »das geht unmöglich. Sie wird sich auch dermaßen freuen, uns so unerwartet wiederzusehen,daß ihre Un päßlichkeit sofort verschwinden wird. Sie würde Ihnen böse fein, wenn Sie uns so fortschickten.« Frau Doriat war ganz sassungs . und rathlos. »Was soll ich ihnen nur’ sagen, was thun?" dachte sie. ; Plötzlich meinte Heinrich: »Ich werde E sie wecken!'« Und dabei eilte er trotz der kabmahnenden Worte seiner Mutter zu jdemim Erdgeschofz gelegenen Gemach k Luztens und begann erst leise und dann Zimmer stärker an die Thür zu pochen. IEs kam lein Laut aus dem Innern, Bauch nicht. als er mit lauter Stimme den Namen der Pflegeschwester rief. l ,,Luzie ist gar nicht drinnen,« sagte kPauL »Warum hast Du uns gesagt, sie schliefe, Mutter-?- Antworte doch, man bekommt ja völlig Angst bei Dei nem Schweigen.« · Alle Drei waren ganz blaß gewor den, und Walter schrie plötzlich auf: »Sie ist doch nicht etwa todt? Von ei nem Granitsplitter oder einer verirrten Kugel getroffen? Aber so reden Sie s doch, Frau Doriat, ich beschwbre Sie!« »Vielleicht wäre es besser, wenn sie todt wäret« antwortete Frau Marie ge senkten Hauptes. Die jungen Leute schwiegen, sie ver standen sie nicht. Plötzlich machte Frau Doriat eine Bewegung und lauschte. Leise Schritte näherten sich auf der Straße dem Hause, dann vernahm man nichts mehr. ,,Kinder,« begann Frau Marie dann wieder, »ich ängstige mich euretwegen. Bleibt lieber nicht länger hier, denn die Preußen können jeden Augenblick zu rückkehren. Geht also jetzt; ihr entfernt euch am besten durch den Garten; ich werde euch durch den Ausgang, der auf das freie Feld führt, hinauslassen.« Keiner von ihnen rührte sich jedoch. »Nein, Mutter,« erwiderte Paul, »wir gehen nicht, bevor- Du uns nicht gesagt hast, was aus unserer Schwester ; geworden ist, sollten wir auch hier auf « der Stelle festgenommen werden.« Jn diesem Augenblicke hörte man, wie die Hausthür behutsam geöffnet i und dann wieder verschlossen wurde. »Das ist Luzie," sagte Frau Doriat - zitternd. »Woher tommt sie denn noch so lpäk?« l »Das mag sie euch selber sagen.« - Als das junge Mädchen eintrat und sich so unerwartet ihren Pflegebriidern und Walter Bourreille gegenübersah, s wurde ihr Gesicht noch bleicher, als es schon war. Sie schwankte und griff » mit den Händen nach ihrem Halse, als ob sie zu ersticken fürchte. ; Walter eilte ihr entgegen mit den ; Worten: »Luzie, was ist Dir?« Aber Marie Doriat antwortete an i ihrer Stell- ernst und beinahe feierlich: F »Ihr habt mich vorhin gefragt, wo E Luzie sei. Jhr waret erstaunt, sie um . diese Zeit nicht zu Hause zu finden, und ? wundertet euch über das Ausweichende . meiner Antworten. Jhr wolltet wis sen, wo sie sei« -— sie faßte Luzie heftig bei einem Arme und zog sie in den Lichtireis der Lampe, indem sie sie zwi schen Walter und die Brüder drängte— i »nun wohlan, jetzt soll sie’s euch selber sagen!" ; Sie öffnete den Mund, aber ihre sLippen und der Hals waren ihr wie z ausgedörrt, so daß sie kein Wort her ; vorbrachte. Vor den Augen war es ihr i dunkel, so daß sie die Anwesenden an starrte; ohne sie zu sehen; ihr herz trampfte sich bei dem Gedanken an die - harten Worte, die Schmähnngen zu - sammen, die, wie sie ganz genau wußte, ; jetzt gegen sie geschleudert werden wür T den, ohne daß sie ein Wort zu ihrer Rechtferti ung äußern durfte. »Sprieå Luzie,« drängte auch Paul, »denn jede Minute des Zögerns tann f uns gefährlich werden!« s Da sie noch immer schwieg, so ent ; gegnete Frau Doriat heftig: »Sie wird » euch nichts sagen; die Schande schniirt W ihr den Hals zu, seht ihr's denn nicht? Aber ich will fiir sie reden.« »Mutter!« flehte das arme Mädchen mit gerungenen Händen, aber diese ge bot ihr durch eine Geberde zu schweigen und fuhr fort: « »Sie kommt von einem Stelldichein mit Johann v. Montmaheur, dem sie den Kon verdreht hat. Er will sie, wie sie sagt, zu seiner gnädigen Frau machen, vorläufig aber deuten die Leute im Dorfe mit Fingern auf sie.« »Luzie, ist das wahr?« schrie Walter außer sich. , »Ja, frage sie nur, ob es nicht wahr ist," fügte Frau Dotiat erbittert hinzu, »diese Ehrvergefsene, die sich nicht schämt, sich Abend für Abend zu ihrem Galan hinzuschleichen, dessen Bethiirun gen sie so dumm ist fiir baare Münze zu nehmen.« »Du antworiest nicht, Luzie, also ist es wirklich wahr? Freilich, Deine Mut ter würde so etwas nicht sagen, wenn es nicht erwiesen wäre. Nun, dann bist Du eine elende Kreatur, die ich nur noch verachten kann.« Sie zitterte an allen Gliedern und konnte nur murmeln: »Walter, Walter, so habe doch Erbarmen mit mir!« ,,Erbarn:en mit Dir? Wefzhalb? Hast Du Mitleid mit mir gehabt, als Du mich verriethest und Deine Schwüre brachf C« « Paul umarmte seine Mutter, indem er sagte: »Du mußt ja schrecklich gelit ten haben, Du arme Mutter, und hät test doch fiir alle Deine Wohlthaten einen besseren Lohn verdient, als eine solche Undankbarleii. Du mußt das Mädchen, das Du so lange thre hin durch wie ekne Tochter gehalten hast, jetzt v:rgessen. Aber sie kann und soll unter diesen Umständen auch nicht län ger unter unserem Dache bleiben. Hat ; sie alle ihre Pflichten vergessen, so mag Jsie auch die Familie vergessen, der sie ,bisher angehört hat. Sie besaß keine, ; als wir sie aufnahmen, so soll es auch I jetzt wieder sein, dann hat sich nichts in Jihrem Leben geändert.« ! »Ihr sagt mich fort s« stohnte sie i dumpf. ) Paul Toriat schaute seinen Bruder i und Walter Bourreille an. »Halte ich inechte Vesdient sie diese Simses-« »Ich stimme Dir bei," erwiderte Heinrich. »Dies Mädchen ist fortan ein Fremder für uns.« »Auch ich muß Dir Recht geben,« sagte Walten ,,sie darf dies Haus nicht länger durch ihre Anwesenheit schan den.« « Jedes dieser Worte traf das Herz ver Armen gleich einem Dolchstoße, aber sie stöhnte nur: »O, Walten Du wenig stens dürftest das nicht sagen!« Jedoch sie las kein Erbarmen in seinen Blicken, und nun fühlte sie, wie Kraft und Mutls in ihr schwanden, wie ihre Ent schliisse in’s Wanken kamen. »Wenn Du Dich noch vertheidigen, Dich zu entschuldigen suchen wolltest,« hub Marie Doriat, von mütterlichem Erbarmen getrieben, nochmals an, »aber Du stehst da, steif und stumm, und suchst uns nicht einmal begreiflich zu machen, wie das überhaupt Alles ge schehen lonnie. Dieser Trotz ist ärger als alles Andere. O, wie tief bist Du gesunken, armes Kind!« »Ich will mich nicht vertheidigen,« hauchte sie mit ersterbender Stimme. »ich könnte es wohl auch incht. Doch seid nicht allzu grausam gegen mich, denn später werdet ihr es bereuen.« »Sie will noch drohen,« meinte Paul ironisch. »Nicht doch, Paul, ich bitte nur« Wenn ich euch anflehe, so thue ich das, um euch in der Zukunft Selbstvorwiirfe zu ersparen.« »Die fürchten wir nicht, denn Du hast nichts anderes verdient, als aus dem Hause gejagt zu werden. Es ist ein Alt der Gerechtigkeit, den wir aus üben. Kannst Du etwa leugnen, Zu sammenkiinfte mit Monimaheur ge habt und Dich seinen Werbungen ge neigt gezeigt zu haben?« »Nein." »Kannst Du leugnen, Walter die Treue gebrochen zu haben?« »Nein, das kann ich nicht, es ist wahr.« »Nun, dann ist die Sirae gerecht, die Dich trifft. Jn Abwesenheit mei nes armen Vaters bin ich das Ober haupt der Familie und als solches be fehle ich Dir, morgen dieses Haus zu verlassen-« D»»Jch werde gehen, Paul, ich verzeihe ir.« - ,,Behalte Deine Verzeihung fürDich, Heuchlerin. Du wirst nie mehr hierher ? zurückkehren-« i Niemals bis zu dem Tage, andern H ihr mich selbst zurückholt.« f Paul zuckte die Achseln. » Dieser Tag wird niemals kommen-. Fortan bist Du eine Fremde file uns Doch snnn genug. Wie dürfen nicht liinger weilen, sondern miissen uns wieder zu L - - J M unseren Kameraden durchzuschleicheri suchen-« ,,Still!" flüsterte Marie Doriat. Man hörte draußen die sich nähern den Soldaten. »Ihr seid verlorenl" » »Ganz und gar nicht. Die Hausthür z ift verschlossen; halte die Deutschen nur Jnoch einen Augenblick hin, bevor Du ihnen offnest. Inzwischen machen wir uns durch den Garten davon.« Noekf einen letzten Kuß wechselten die Söhne mit der Mutter, dann schlichen sie durch die Hofthiir hinaus, und Wal ter Bourreillk folgte ihnen, nach einem schmerzvollön Blicke auf Luzie, die un beweglich wie eine Statue, mit gesenk tem Kopfe und schlaff herabhängenden Armen dastand. Die Soldaten klopften ungeduldig; Frau Doriat ging aber erst zur Thür, und öffnete, als sie die jungen Leute bereits außerhalb des Gartens wußte. Jene schalten iiber das Zögern, hatten aber kein Arg und beruhigten sich in ihrer vertrauensvollen Gutmiithiglcit gleich wieder. Marie ging in ihr Zimmer. Darauf trat Luzie, ein kleines Bündel in der Hand tragend, bei ihr ein. Sie sah ; ihre Pslegemutter vor dem Bette auf ider Erde knieen und heftig weinen. Luzie fiihlte sich tief ergriffen. »Ja, es ift hart,« dachte sie, »daß ich Dir diesen Schmerz bereiten muß, aber um so größer wird Deine Freude sein,tvenn das Ziel erreicht ist, das ich mir gesetzt habe.'« Sie hustete leicht, da Frau Doriat ihre Anwesenheit immer noch nicht wahrgenommen hatte. »Jetzt drehte diese sich um und fragte: »Was willst Du noch?« »Dir Lebe-wohl sagen, Mutter. Da Paul mich aus dem Hause gewiesen hat, io will ich nicht länger bleiben.« »Und Du gehst ohne Reue und Be dauern?« Q-!-2--- ke--·I.--. «»2 h-« Als-»n - ......... -. um«-« ....« »... ....,,... des jungen Mädchens hervor, es drückte ihr fast das Herz ab und zum zweiten Male tani sie in Versuchung, Alles zu offenbaren. Ein solches Geheininisz trägt sich gar zu schwer. Eiren Moment gab sie dem Drange nach, indem sie ihrer Pslegemutter um den Hals fiel und ihr unter heißen Küssen zuflüsterte: »Denle immer da ran, Mutter, daß ich Deine Tochter bin; denke daran. daß ich Dich von ganzem Herzen lieb habe, und vergiß alles Andere.« Als Jene aber fragte: »Was willst Du damit sagen?« entgegnete sie blos: »Nichts, nichts,« und war bereits verschwunden, bevor MarieDoriat noch eine weitere Frage stellen tonnte. Als ob Verfolgee hinter ihr wären, so eilte das junge Mädchen durch die dunklen Gassen von Garches nach Les Bernadettes Wohl begegnete sicher schiedenen Gruppen von Soldaten, aber sie erfuhr nicht die geringste Belusti gang. Dort war das Wohnhaus ebenfalls mit Militär belegt, allein äußerlich hatte sich aus dein Gehöste sonst nichts verändert. Noch immer führte die vor der Giebelwand der Scheuer leh nende Leiter zu Klaudinens Schlaf zinimer empor. Luzie schlich mit schwankenden Schritten in die Höhe, pocht-e und nannte ihren Namen. wo raus die Schwester, die bereits schlafen gegangen war, öffnete. Fast ohnmäch tig sank sie in Klaudinens Arme und konnte erst allmälig so viel Fassung zu rückgewinnen, um der Mitwisserin ih res Geheimnisses die furchtbaren Vor gänge in der letzten Stunde anzuwe trauen. Klaudine trocknete ihr zärtlich die Augen« küßte sie und suchte sie zu be ruhigen. (Fortsetzung folgt.) —... — « - .. Einer der Lieblingsplä ne Kaiser Wilhelms ist die Verstär kung der deutschen Flotte. Nur we nige Deutsche würden ihm wohl dabei hindernd in den Weg treten, wenn diese Pläne eben nicht so loftspielig wären und das deutsche Volk für Hee res- und Flottenzweike schon ohnehin genugsam belastet wäre. Das Cen trum, ohne das für die Regierung tei ne Mehrheit im Reichtstag zusammen gebracht werden kann, hat nun er klärt, daß es seine Zustimmung zu den kaiserlichen Forderungen für die Verstärkung der Marine nicht geben werde. ».»,»--«.-» BetheiligteKreise in New York agitiren fiir ein ,,Befähigungs Attest'« der Barbiere: erst nach einer einschlägigen staatlichen Prüfung sol len dieselben- das Recht und die Licenz erhalten« uns mehr oder weniger ver schonern zu dürfen. Nach den Duf schmieden seht die Barbiere. Wir machen? tapfer den Europäern nach ins der Reaktion auf dein Gebiete der Gewerbefreiheth wie bald der-allge meine Jnnungszwang des mittelalteri