M -« Mem erster Klient. Aus dcn Etlebnissen eine-J junan Rechtsanivalts. Vor zwei Monaten hatte ich mein Assessor - Examen glücklich bestanden und war nun seit vierzehnTagen wohl hestallter Rechtsanwalt in Berlin. — Eine passen-de Wohnung in einer der delebtesten Straßen der Stadt war bald gesunden, das Bureaus mit den nöthigen Möbeln, Papieren und pro sorma auch mit einem sogenanntean reauvorsteher ausgestattet, und nun wartete ich derDinge oder, richtiger ge sagt, der Mandanten, die da kommen sollten. Bei jedem Ausgange liebäugelte ich mit dem Schilde an meiner Haushür, dessen Buchstaben von der anderen Straßenseite aus lesbar waren, und «t.alkulirte, daß »von hundert Vorüber gehenden es mindestens fünfzig bemer ken müßten, und von diesen doch wohl durchschnittlich einer mich aussuchen würde. Eine Berechnung, welche bei der großen Belebtheit meiner Straße zu einem glänzenden Resultat führte Doch es waren, wie gesagt, schon Vierzchn Tage seit meiner Niederlas sung oergangen, und noch immer saß ich einsam und allein in meiner »Sprechstunde«. — Meist war ich nach vergeblichem Harren aus einen Ratlp suchenden sanft entschlummert und er wachte erst, wenn mein Bureauvorste her, nach Schluß der offiziellen Em pfangszeit, erschien, um sich zu verab schieden und dabei mit ironischem Zu cken der Mundwintel fragte: ob der Herr Rechtsanwalt sonst noch etwas wünsche. —- O, dieser Schlingel! Vor ihm schämte ichmich fast noch mehr, als vor mir selbst, und diese Scham hin derte mich auch, ihn danach zu fragen, ob er die endlos langen Bureaustunden mit dem Drehen von Papiertugeln aus meinen Forrnularen oder mit einer an deren, gleich gewinn-dringenden Be schäftigung ausfülle. Da endlich! —- Jch fuhr wie elektri sirt in die Höhe. Sollte meine erhitzte Phantasie mir einen heißersehntenTon vorgegaukelt haben oder hatte es wirk lich geklingelt? — Doch noch ehe es mir recht klar war, ob ich träumte oder wachte, stürzte schon mein Bureauvor stehet in’s Zimmer mit der Meldung, daß ein Klienih ein wirklicher Klient im Borzimmer warte. Mit siebethafterEile waren dieSpu ren des Nachmittagsschlummers ver wischt. Der Roman, in dem ich vor dem Einschlasen geblättert, flog in den Papiertord, der Paletot, den ich als Pfuid benutzte, hinterher. —- Jetzt noch schnell ein paar dickleidige Bande des Gurt-rechts aus den Tisch gelegt, und meine Wenigieit selbst davor gesetzt, scheinbar in das Studium eines »Ak tenstiicks«, thatsächlich eines leeren At tendeckels vertiest — und alles war gen-In Empfange des lange Erwarteten reit. X s, MSQ MWWWKA W ! Und er erschien. — Nur wer sich je mals in gleicher Lage befunden, iann nachfiihlen, mit welchem Gemisch von Neugierde und Ehrfurcht ich dem Ein tretenden enigegensah —- Ja, eigent lich hatte ich ihn mir doch ganz anders vorgestellt. Die hochgespannten Er wartungen von einem hohen Beamten, der, in den falschen Verdacht einer strafbaren Handlung gekonmnen, meine Hilfe begehrte, oder zum mindesten von einem großen Finanzier, dessen ganzes Vermögen aus dem Spiele stand, und der gerade mich mit der Wahrnehmung seiner Interessen betrauten-arm in den sTagen ungestörten Alleinseins gar oft in’s Wart-den gekommen, doch in diesen legten Minuten wieder ausgelebt. Was sich da zaghaft zusr Thür meines Zim mers hetinschob, sah nach keinem von beiden aus. — Es war ein Mann von mittlerer Größe mit rothblondem Kopf- uns-d Barthaar, angenehmen Zü in der Kleidung eines biederen Arbei ters im Sonntagsstaat. Meiner Aufforderung Platz zu neh men, leistete er bescheiden Folge und begann mit vor Erregung zitternder Stimme, mir sein Anliegen vorzutra gen. Er hieß Gottlieb Schulze. Seit fünfzehn Jahren arbeitete er in einer fiele-unten Maschinenfabrik und er nährte durch Deiner Hände Fleiß seine Familie hochgeachtet im Kreise sei ner Genossen, geschätzt von seinen Ar beitgebeeiy lebte er glücklich mit den Seinen, und nun brach unverschuldet das Verhängniß iibet ihn herein. — Ie war beschnldigt, einen Diebstahl W zu haben, er, dessen ers M ins-seco- und mer treuer-Pflicht - Wiens « ritt, der seinen Kin detnvorasem den Spruch an r- I daz herz legte: »Was nicht Dein ist, riihr’ nicht an-!« . Hier erschütterte ein tonvulsivisches ..Schluchzen den Körper des biederen Mannes, und ich hatte Mühe, ihn so weit zu beruhigen, daß er fortfahren konnte. Unter Tbriinen erzählte er weiter, daß sein Kollege Krause, mit dem er seit Jahren in innigster Freundschaft verkehrte, gegen ihn die Beschuldigung erhoben habe, ihm bei Gelegenheit ei nes gemeinsamen Abendtrunts unbe merkt die Uhr aus der Tasche gestohlen zu haben. — Nun sei er, der unbe scholtense Mann —- das Blut erstarre ihm noch jetzt bei dem Gedanken daran —- aus Grund der Denunziation von der Polizei vernommen worden und da man dem Verliiumder mehr Glauben schenke als ihm, stehe ihm jetzt gar die Erhebung der Antlage bevor. —- Sein Brodherr, der von der Sache Kenntniß erhalten, habe ihn auf den bloßen Ber dacht hin aus seiner Stellung entlas sen, da er nur ehrliche Arbeiter brau chen könne. Nun lebe er und seine Fa milie schon seitWochen von ihren kärg lichen Spargroschen, denn eine neue Existenz wolle ersicherstgriinden, wenn kein Makel mehr an seinem Namen hafte. Der Erzähler sprach mit immer grö ßer werdender Lebhaftigteit; mit ge rungenen Händen beschwor er mich, ihm als Vertheidiger zur Seite zu ste hen und dadurch ihn und seine ganze Familie vor dem Untergang zu retten. Nachdem ich ihm versprochen, mich sei ner Sache nach Kräften anzunehmen, empfahl er sich unter tausend Dankes worten, und nur mühsam entzog ich ihm meine Hand, die er mit Küssen bedeckte. Jch begann sofort, mich mit seiner Angelegenheit zu beschäftigen Daß sie aus dem Gebiete des Strasrechts lag, war ganz nach meinem Sinne, denn zum berühmten Vertheidiger hat te ich von jeher den Beruf in mir ge fühlt: nun sollte meine erste Leistung den Grundstein dazu legen. Die gan ze Existenz, sogar das Leben eines Menschen stand auf dem Spiele, denn daß ein Mann mit solchen Gesinsum gen die Schande einer Verurtheilung nicht überleben würde, stand fiir mich fest, — unsd in meine Hände hatte er seine Sache gelegt, von mir erhofste er Rettung! Ja, das Gefühl, das ihn zu mir trieb, sollte ihn nicht getäuscht ha ben! Mit flammenden Worten wollte ich den Richtern seine Lage schildern, meine Begeisternng, mein unerschiitier licher Glaube an die Grundlosigteit des über feinem Haupte schtoebenden Verdachtes mußte sie mit fortreißen, und der günstige äußere Eindruck mei nes Mandanten würde mich unterstü Zen. zrn zimmer auf uno nieder gehend, begann ich schon damit, mir mein Plaidoyer im Geiste zurecht zu legen: »Meine Herren Richter«, so sprach ich halblaut vor mich hin, »blicken Sie den Angeklagten an, und fragen Sie sich selbst, sieht so ein Berbrecher ausk Können diese offenen Züge lügen? Bedenken Sie, daß in diesem Augen blicke das Geschick eines Menschen in thren Händen liegt, daß ein Wort von Jhnen ein blühendes Menschenglück vernichten oder einem getnickten Mann neue Lebenshoffnung geben kann! Die Darstellung des Zeugen Krause darf für Ihren Urtheilsspruch nicht aus schlaggebend sein; sie trägt den Stem pel der Unwahrheit an der Stirn. Wie hätte ein mit solcher Frechheit ausge führter Diebstahl unbemerkt bleiben können? Dein Kraufe würde der Griff nach feiner Tasche nicht entgan gen sein, und es wäre ihm ein Leichtes gewesen, den Dieb bei der That zu er tappen. —- Jch bitte Sie inftändigst, machen Sie meine tiefiünerfte Ueber zeugung von der Unfchuld meines Klienten zu der Jhren und geben Sie den Unglücklichen seiner verzweifelten Gattin. seinen faft verwaisten Kindern wieder!« So! — Das mußte wirken! —- Und befriedigt liesz ich mich wieder vor mei nem Schretbtische nieder. Es dunkelte bereits stark und der Schluß der Sprechstunde nahte wohl schon. Jch griff nach meiner Taschenuhr —- sie war fort. —- Doch ich mußte mich ir ren, — noch vor einer halben Stunde hatte ich sie in derhand —- Jch stürzte wieder an den Schreibtisch, durchftös berte Bücherschrank, Papiertorb, jeden Winkel meines Zimmer-, — sie war Und blieb verschwunden. Sollte etwa Gottlieb Schulze??? — Doch nein! Fort mit dem häßlichen Verdacht! Diese offenen Züge können nicht lügen-! —· Und doch! — Es war Niemand sonst ins-Zimmer gewesen, — und bei genauem Zusehen erkannte ich, das die Uhr-leite dicht- am Knopfloch der Weste mit einem scharfen Instru ment durchschnitten war. —- Das also war dein Hand-us Gottlieb Schulze! F— O, Gottlieb Schulze, warum hast jdu mir das gethan! — Wie lange ich in dumpfem Brüten jdagefessen habe, weiß ich nicht; mich zweckte erst das Oeffnen der Thiik und zdie heute noch um eine Nüance ironi Zfcher klingen-de Frage meines Bär-equ ivokstrhersx ob der Herr Rechtsanwalt Tonfi noch etwas wünsche. Jan-obi, J zum Teufel wünschte ich ihn und HHerrn Gottlieb Schutze dazu, ; Aber was half das alles, und daß zich mich selbst mit den fchmeichelhafte jsien Namen der Zoologie titulitte? T Meine Uhr unt-meinen ersten Mien —ten sah ich niemals wieder! —-- OO —-.— Warten. Humoreske von M. Lindner. l —-—— n l Bei Justizkath Hur-vers herrschte heut eine gewisse feierliche Erwartung kund Aufregung. ; Ganz gegen seine Gewohnheit war der Justizrath am Nachmittag von sei inem üblichen Spaziergange nach der TStammlneipe zu Hause geblieben. Das geschah sonst nur in Zwangs ssällen einer Erkrankung oder wenn er s zu einem Diner geladen war. Es hatte auch seiner Hausfrau keine Mühe ge kostet ihn zu überzeugen, daß seine Va Hterpslicht heute dieses Opfer gebiete ’risch von ihm sordere, da Lieutenant Ivon Nieburg wünsche, ihm seine Aus ;wartung zu machen als Bewerbee um zHildens Hand. Z Der Justizrathsträubte sich anfangs heftig. Erstens fand er Hilde viel zu «jung für solche »Thorheiten« wie er ssich ausdrückte, zweitens bot ihm ein TLieutenant keine genügende Garantie T siir eine gesicherte Ehe, da man Herrn Fvon Nieburgs Vermögensverhiittnisse Inicht kannte, drittens war es ein uner hörtes Verlangen, daß er wegen solcher : »Kindereien'« aus seinen täglichen Er holungsgang verzichten sollte Seine Frau wußte ihm indessen fllar zu machen, daß Hilde, das Aelteste zbon vier Töchtern, bei der herrschenden kHeirathslalamität mit acht-zehn Jah jren durchaus nicht zu jung sei, um ;,,untergebracht« zu werden, das; eine z lange Verlobung immer noch besser sei als gar teine und daß nur Rahenviiter jdie Stammkneipe dern Lebensglück ih irer Kinder vorziigen. i So gab der Justizrath nach, aber als die Stunde des täglichen Spazier Eganges schlug, verdüstert-e sich seine ITStirnmung merklich. - ..-....-«t...i:-. ..«—.. —-- -..t -1 ! : ch HLIUUVI IIUW IULIIII IIIUJL UUI cl « ;was wartet, wurde die ganze Familie ungemüthlich E Die Hausfrau ging zum hundert- I sten Mal durch den Salon und das ;Wohnzimmer, rückte an den Möbeln,k zllingelte das Hausmiidchen herbei,« Eschalt heftig über den Staub, den sie Hauf Konsoln und Nippsachen endeckte! Hund fühlte plötzlich wie einen drücken den Mangel, daß sie den bisher leise; Egehegten Wunsch eines neuen Sop Jteppichs und eines frischen Bezugs ürj Edie »chaise longue« noch nicht hatte be- » gfriedigen können. ; Es kam darüber zu einer etwas ge ;reizten Auseinandersetzung zwischen« ihr unsd dem Gatten. I ; Dann machten sich die Kinder un-. nütz. Sie wurden aus dem Wohnzimmer gewiesen, weil sie dort keine Unord nung machen sollten und überhaupt bei dem erwarteten Besuch störten und· Ernst, der Selundaner, warf sie aus dem Kinderzimmer, weil er dort arbei- « ten weilte. · I Schiikßnch wurde ihnen das Bade- Z zimmer mit einigen strengen Ermah nungen zur Ruhe angewiesen. Hilde hatte nirgends Ruhe und lief in- fieberhafter Erwartung von einem Zimmer in das andere. Bald ordnete sie die Löckchen vor dem Spiegel, bald mühte sie sich ver sgeblich durch das geschlossene Fenster einen Blick die Lindenstrasze hin-unter zuwerfem um der Geliebten kommen zu sehen. Sie hatte ihn diesen Sommer in Mist-roh kennen gelernt, wo sie mit der Mutter und den- Geschwistern die Schulserien zubrachte, aber ihr Vater kannte ihn noch nicht und es bin-g doch alles von dem Eindruck ab den er auf diesen machen würdet i Papa durfte es gar nicht wissen, daß sie seitdem heimlich sowespondirt hat-i ten und sich ein Mal, ganz zufällig na türlich, im Thiergartm begegnet wa neu-— W —- wo er seine offi zielle Visite auf heut Nachmittag an sagte, nach Schluß der Bureausiunden des Jusitzralbs l j— Jegt tlingelte es an der Entretbiir. Der Justizrath legte die Zeitung bei Seite und betrat erwartungsvoll den Satan, wo seine Frau sich bemühte in zwangloser Haltung den Gast zu em pfangen, aber so gespannt und ge schraubt wie möglich aussah. Hilde drückte die Hand auf das tlopfensde Herz und schielte durch eine Thür spalte. »Gu-·a·dige Frau, der Junge ist da mit der Journalmappe,«' lautete So sieö Meldung. Allgemeine Enttäuschung. »Mein Gott, wie ungelegenl Masch suchen Sie die alten Journale zusam men.« Es dauerte ein Weilchen, bis der Le sezirtel vollziiblig beisammen war, um gegen die neue Sendung umgetauscht zu werden« Die »Gartenlausbe« wurde wie eine Stecknadel gesucht und schließlich im Flicktorb von Sofie gefunden. Sofie entging vorläufig der gerech ten Entrüstung derHausfrau, da aber mals die Klingel erscholl. Von- Neuem setzte man sich in Pasi tur. »Gniid’gerHerr, derFlickschuster mit der Rechnung für das befojzlte Paar Stiefel,« meldete Sofie wieder mit un erschütierlichem Gleichmuth. »Na, was denn nu noch!« konnte sich der Hausberr nicht enthalten gereizt zu antworten. Nachdem der Flickschuster erledigt war, wartete man eine tödtliche Stun de, die Allen längerals der längste Tag im Jahr düntte. Der Justizrath sprach überhaupt nicht mehr, er zantte nicht ein Mal mehr, sondern ging mit finster gerun zelter Stirn und starken Schritten in seinem Zimmer auf und ab. Die Mama sah aus als säße sie auf Stacheln und Disteln statt in einem Sammetfauteuil, sie hatte eine Hand arbeit aufgenommen und stichelte mit lobenswertbem Eifer obne aufzusehen Zum Glück verhielten sich die Kinder im Badezimmer merkwürdig artig, aber Ernst, der inzwischen seine Aus gaben vollendet hatte, fing an Hilde zu necken und zu quälen. »Wetten? er kommt nich! Na Hil de. den laß man schwimmen!« Oder »Der bat’s aber eilig! Wenn er sich mal wieder anmeldet, schent’ ihm nur einen Nickel für die Pferdebashn im Voraus!« Oder: Hosfst Du immer noch, Hildchen? Hoffen und harren macht Manche zur alten Jungferf « hilde war schon fast bis zu Thrii nen geärgert und geängstigt, da er-! scholl die erlösende Klingel zum dritten » Mal. »Das ist er,« sagte Frau Justizrath aufathmend und wars eilig die Arbeit’ Seite, noch ein Mal bemüht, ein gewinnendes Lächeln des Willkom-« mens aus ihre abgesponnten Züge zu zaudern Der Hausherr betrat zum dritten Mal den Salon mit jener Miene. die man anzunehmen pflegt, wenn der Photograph sagt: ,,bitte, recht freund lich.« hilde warf im Nebenzimmer Ernst einen triumphirenden Blick zu, da ver tiindete Sofie, welche die Situation überschaute, mit einer gewissen Feier-» lichieitx »Ein armer Bettler bittet um eine kleine Gabe.« »ZumDonnerwetter, wegen Schuster und Bettler bin ich nicht zu Haufe ge blieben!« fluchte der Justizrath ernst-I lich erbost, nahm seinen Hut und stiitmte fort. . Die Familie blieb verstört zurück. » Der Reiz der Situation wurde er höht durch ein Zetergefchrei aus der Badestusbt Man sand alle pudelnaß. Karlchen hatte nur probiren wollen, wie man die Brause ausdreht und dann im Schreck über das talie Bad das Abdrehen nicht zu Stande ge bracht. Herr von Nieburg iam nicht. Erst am späten Abend fand die Streitfrage, »warum er nicht gekom men sei«, ihre Lösung, nachdem sie ei nen tiefen Zwiespalt in der Familie herbeigeführt hatte, denn der Justiz rath war ernstlich böse aus feine Frau, daß sie ihm den Aerger des vergebli chen Wartens und sich die Blamage be reitet habe, und hilde war wüthend auf Ernst, der sie unaufhörlich mit ih rem Kummer bei-spottete. » Fräulein Antoineite Wertner, die jüngste, bereits vierzigjiihrige Tochter der alten siebzigjäheigen Frau Ober- I stabsarzt, die eine Etage tiefer wohnte, kam noch nach dem Abendessenz wie sie das zuweilen zu thun pflegte, aus eins Plauderfiiindchen. W s Man merkte ihr heute gleich an, daß sie etwas auf dem Herzen habe. Unter Kichern und Erröthen er zählte sie endlich, es habe heute ein »Lieutenant feine Karte bei ihnen abge .geben. Er sei natürlich nicht ange ;nommen worden, denn »es könne ja doch zu nichts führen,« den Verkehr anzuiniipfen. Aber er sollte ein ganz iverftörtes Gesicht gemacht haben. bei jdern Bescheid, daß Niemand zu Haufe Jsei. ; »Mein Gott, hieß er vielleicht herr von Nieburg?« fragte Frau Justizrath - ahnungsvoll. Antoinette bejahte und das Räthsel war gelöft. ; Der verliebte Lieutenant hatte in der Aufregung des Augenblicks die Etagen verwechselt und eine Treppe zu tief gellingelt. Daß ihm der Name am Thürschild entgangen, war im Dämmerduntel später Nachmittags ftunde in einem Berliner Treppenhaus keine Unmöglichkeit. Der Jrrthum kam endlich noch zu einer befriedigenden Lösung und lurze Zeit darauf war Hilde eine glückliche Braut. O- s— Bnd m Bier-. Louisville, Ky» hat nicht blos Col. Wattersons hervorgebracht, sondern noch einige andere merkwürdige Per sönlichkeiten. - Neulich wurde Elsas Roberts, ein Angestellter in einer dortigen Braue rei, beauftragt, eines der großen Bier fiisfer zu repariren. Die Tonne war 15 Fuß hoch und bis zur Höhe von 8 Fuß mit Bier gefüllt. Zufällig verlor Roberts das Gleichgewicht Und stürzte in das-Faß hinein, doch gelang es ihm, sich an einein Haken festzuklammern, der etwa einen Fuß iiber dem Spiegel des Bieres angebracht war. Laut rief er um Hilfe, aber Nie mand kam. Seine Erschöpfung war schließlich fo groß, daß er loslassen u. sich auf’s Schwimmen verlegen muß te. Nachdem er 20 Minuten in dem Fasse zugebracht, wurde er von hilfs bereiten Händen herausgezogen. Selt samer Weise war er nicht betrunken, obgleich er eine große Quantität Bier durch die Poren absorbirt haben muß te. Bei einem Kentuckver ift das al lerdings nicht wunderbar. Kentuckyer können nämlich beinahe soviel vertra gen wie die alten Deutschen, die am Ufer des Rheins saßen und immer noch Eins tranken. Filr manch Einen dürfte es nichts Angenehmeres geben, als fo ein Bierbad zu nehmen. Was die Kehle nicht mehr hinuntergeht, das wird halt von den Poren aufgefchluckt. Ok— Youlkändigkr Hirn. An dem diplomatischen Siege der Ver. Staaten ist nicht mehr zu zwei feln, nachdem die Bedingungen veröf fentlicht worden sind, unter denen der Benezuela-Streit beigelegt werden soll. Es ergiebt sich as-« denselben, daß das g a n z e Gebiet Melchefks nach amerika nischer Aukkomsng streitig ist, von dem einzuseßessUm Schiedsgerichte begat achtet ins-Nu soll. Die von England willkürlky gezogene Schomburgl-Li nie wird aufgegeben und nur das eine Zugeständniß wird den Engländern gemacht, daß sie Gebietstheile behalten sollen, die sie schon seit mindestens 50 'Jahren besessen haben. Einzelne eng lische Ansiedler sollen im Besitze ihres seit 20 Jahren festgehaltenen Grund eigenthums bestätigt, aber der Herr schaft Benezuelaö unterworfen werden« falls sich ihr Besitzthum auf dem Ge biete Venezuelas befindet. Großbri tannien und die Ver. Staaten ernen nen je zweiSchiedsrichter, während der Kiinig von Schweden als «Unparteii scher« walten soll. Daß Großbritannien durch diesen Vertrag schon im Voraus auf das Ge biet verzichtet, welches es erst in den letzten 25 Jahren durch schrittweise-Z Vordringen an sich zu reißen suchte, ist verhältnismäßigbedeutungslos. Es ist gleichgiltig, ob die undurchdringli chen Urwiilder und die unbewohnbaren Fiebersiimpfe in der Nähe der Orino eomiindungen, oder am Cunnyi und Esquomiso dem Namen nach zu Bri tisch-Guayana oder zu Venezuela ge hören. Sehr wichtig ist es aber, daß Großbrsitannien den Ver· Staaten das Recht zugesteht, gegen jede willkürliche Gebietserweiterung europäischerMäch te in Mittel- und Süd-Amerika Ein spruch zu erheben und die Verweisung aller Ansprüche an ein Schiedsgericht zu fordern Das ist eins vollständiger Sieg der Manne-Doktrin in ihrer er weiterten Auffassung Daß fort-an die Ver. Staaten ver pflichtet sein werden, sich auch siir das gute Betragen allerErdbeben-Republi L I ten zu verbürgen, wie die Londoner »Time5« versichert, ist selbstverständ lich nicht wahr. Die Ver. Staaten . wehren keiner europiiischen Macht, die ;mittel- und siidamerikanischen »New ; blilen« fiir Verstöße gegen das Völler z recht zu züchtigen und sich fiir jede ihrer . nationalen Ehre zugefügten Kränkung die fiir nothwendig gehaltene Genug chuung zu verschaffen. Sie erhoben gteinen Einspruch, als England den Haupthafen von Nicaragua defect-e ; und sich anschickte, eine Schadenersah kForderung mit Gewalt einzutreiben. I Wohl aber verbieten die Ver. Staaten liedem ruropäischen Staate, unter ir « gen-d welchem Vorwansde n e u e G e bietserwerbungen in Mittel Iuard Südamerila und Westindien zu imachen· Sie wollen also nicht die zSchutzherren von ganz Amerika sein, lsondern sie wollen sich nur alle unbe Iauemen Nachbarn vom Leibe halten. IDen europäischen ,,Kolonialplönen« I soll ganz Amerika verschlossen sein. ! ·Mit diesem Anspruche sind die Ver. TStaaten jeyt durchgedrungen und ei inen anderen, noch weiter gehenden ha i ben sie nicht gemacht. Sie würden auch sehr thöricht sein, wenn sie die Eifer lsucht der »Schwesterrepubliken« her ! ausforderten. 44 l - . leo wird weiter enthüllt i Wenn man geglaubt hat, dem Für · sten Bismarck durch die gehässigen ; Preßtommentare und Drohungen über i seine Entbüllungen bezüglich eines bis .1890 bestandenen Neutralitäts - Ver E trages den Mund zu stopfen, so hat F man sich darin gründlich getäuscht. Der ! Alte im Sachsenwalde läßt sich durch-« Haus nicht einschiichtern und zeigt sehr deutlich, daß er sich bewußt ist, alle ! Trümpfe in der Hand zu haben. Die ! Jnterpellation, welche dasCentrum be « tresfs der Enthüllungen im Reichstage san die Regierung gerichtet und welche Idiese noch nicht beantwortet hat, und » wohl auch entweder gar nicht oder nur Iausweichend beantworten wird,hat ge stern Fürst Bismarel selbst durch sein ; Organ, die »Hamburger Nachrichten«, ; beantworten lassen,indem er sehr deut ; lich den eigentlichen Grund seiner Ent ; hüllungen durchbliclen läßt und derRe Igierung direkt den Vorwurf in’s Ge i ficht schleudert, daß sie zum Nachtheile des Reiches ihre Politit durch England .beeinslussen lasse. Wenn der Fürst Igleichzeitig dem Grasen Caprioi vor iwirft, daß er Rußland von Deutsch Js land getrennt und denFranzosen in die Arme getrieben habe, so zeigt dies die Richtigkeit der an dieser Stelle wieder I holt ausgesprochenenVermuthusng daß gleichzeitig mit der Enthüllung ein lal ter Wasserstrahl nach Paris gerichtet werden sollte. Bismarck hat also mit Iseinen Enthüllungen dem deutschen Volke die Augen darüber öffnen wol "»len, daß die auswärtige Politik des Reiches in gefährlichen Bahnen wan delt« und gleichzeitig einen Druck aus die Regierung auszuüber versucht, um womöglich eine erneute Anniiherung Deutschlands an Rußland herbeizu führen. Das erwähnte, in Berliner Offizierlreisen umlausendeGeriicht, der Kaiser habe mit dem Zaren in Darm stadt den 1890 von Caprivi gelösten Neutralitäts - Vertrag erneuert, und I die jetzige Anwesenheit des dem Kaiser sehr nahe stehenden Großfiirsten Wla dimir in Berlin, welcher jeder Zeit als Vertreter der deutsch - freundlichen Strömung am Petersburger hofe ge golten hat, mögen als Fingerzeige gel ten, daß die Warnungen des getreuen Etlard im Sachsenwalde beim Kaiser wie beim Zaan aus fruchtbaren Boden I ges-allen sind. Selige Erinnerung. Vogelhiindler: »Gniidige, dies ist mein tlügster Papagei. nur hat er die Angetvohnheit, einen riesigen Spetta tel zu machen, wenn er nicht regelmä l ßig sein Futter belornmtt« Wittwe: »Den laus’ ich —- der wird mich jeden Mittag an meinen Seligen erinnern!« -- · -- --— Aus Kansas City kommt die Nachricht« daß die dortige Central Labor Union gegen die Bildung einer KadetteniKompagnie unter den Hoch schülern der Stadt protestire. Wir schließen uns aus erzieherifchen Gründen diesem Proteste in allen Fäl len an. Statt der Militiirspielerei solltendie Schulbehörden überall auf die Einführung eines regelmäßigen Turnunterrichtes sehen. Das Turnen hat« alle Vortheile, welche fiir den mi litarrfchen Drill beansprucht werden tönen —- ohne dabei mit dessen Nath Itheilen behaftet zu sein. Mittags-gen gegen-über braucht man die Nachtheile, die wir meinen, nicht erst groß ausein mederzuseßenz sie sind zu bekannt.