Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, October 30, 1896, Sonntags-Blatt., Image 9

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    Sonntags- L latt
Beilage des »Anzeiger und Herold« zu No. s, Jahrgang l?.
Er J. P. Windolph, Herausgeber
Grund Plane-, Nebr» den 30. Oktober 1896.
Diinninghäiqeii.«
Roman von Claire o. Glümer
———
(Sch1uß.) «
Zweiunddreißigstes Ka
pitel.
Beinabe zwei Jahre waren vergan
gen; der 2. November 1878 war ge
kommen und hatte ganz Dönninghau
sen in freudige Aufregung versetzt. Es
alt, den achtzigften Geburtstag des
reiherrn zu feiern, und da die Son
ne hell und warm vom wollenlosen
himmel strahlte, war es, als ob auch
Berg und Thal, der schimmerndeBach.
der Wald in seinem bunten Herbftge
wande an dem Familienfeste theilnäb
men. Selbst das alte Schloßgemäuer
war in Gala. dicle Ranken von Tan
sie-sprungen uttucullzrcll Das Wappen
schild über der Einsahrt, umwunden
die breite Steinbalustrade der Frei
treppe und den Thürbogen der Ein
trittshalle, während über dem Glocken
thiirmchen die Fahne mit dem silber
nen Thurme in blauem Felde im Mor
genwinsde wallte und rauschte.
Die ersten Feierlichteiten waren
vorüber; in aller Frühe hatten die
Schultinder aus der Terrasse vor den
Fenstern des Freiherrn einen Choral
gesungen; dann hatte der alte Herr
Glückwiinsche und Geschenke der Seini
gen in Empfang genommen, hatte sich
des stattlichen Kreises gefreut, der sich
heute um den Frühstückstisch gereiht«
vor allem der blühenden Schaar sei
ner Urenkel —- zu Waldemars Kin
dern, der seit einem Jahre in Dönning
hausen lebte, waren zur Feier des Ta
ges alle kleinen Wildenhayns mit den
- Eltern gekommen Und nach dem
« rühstiicl hatten sich nach altem Brauch
?nspeltor, Hofmeister, Knechte, Mäg
de, Hirt und Schäfer, Waldarbeiter
und Taglöhner, der Schultheiß, der
Müller, der Förster, der Pastor und
der Doktor zur Gratulation einge
funden; selbst die Jnsassen des Armen
hauses waren erschienen, um ihrem
Wohlthäter langes Leben zu wünschen
kschx h---- Lä- I-4-s-n M-«s»7
VII-Ule IUUCblI Ulh sbosktl Vsutusust
ten gegangen; aufathmend begab sicc
der Freiherr von Goldhund begleitet
in’s Wohnzimmer7 aber statt der er
warteten Familiengruppe fand er nui
seine gichttrante Schwester im Roll
stuhl am Kamim in dem trotz des-Son
nenscheins ein tüchtiges Feuer brannte
»So allein, Thetla?s« fragte er unt
warf einen unzufriedenen Blick auf das
Taschentuch mit dem sie, als er ein
trat, hastig ihre Augen getrocknet hatte
»Wi) sind alle die Anderen?«
»Ich habe sie fortgeschickt; ich wollt(
allein sein,« antwortete die alte Da
me. «Lieber Johann, Du glaubs
nicht« wie schwer es mir geworden ist
zum ersten Male nicht dabei sein zi
können, wenn Deine Gratulanten tom
men.«
Sie brach aufs Neue in Thräner
aus.
»Sei ruhig, Schwester, über’s Jahr
so Gott will, bist Du wieder dabet,'
sagte der Freiherr, indem er sich au«
den Sessel neben ihr niederließ.
»Ueber«s Jahrt« wiederholte sie mi
trübem Lächeln, dann fügte sie ablen
tend hinzu! »Ich habe mir die Post
mappe bringen lassen; dies Alles is
fitr dich . . . .«
Der Freiherr sah die Aufschriftei
der Briefe, die sie ihm gereicht hatt-e
flüchtig an.
»Johanna hat wohl an dich adres
t?« fragte er, das letzte Couvert aus
Hand legend.
»Nein, es ist nichts von ihr getom
men,« antwortete Thetla. »Aber sorg
dich nicht, der Brief wird sich nur ver
spätet haben . . . . ein junges Paar au
der Hochzeitsreise . . . .«
«Unsinn!« fiel der Treiben ein
»Wenn die Hochzeitsrei e iiber eii
Vierteljahr dauert, ift man aus den
ersten Glittlsdusel heraus; und weni
nicht —- Johanna gehört nicht zu de
nen, die um ein Neues das Alte ver äu
mon. Rein, nein! dahinter ste et
was —- dai Kind ist traut.«
»Lieber Johann,« fing Thella an;
er ließ sie nicht weiter sprechen.
»Ich habe vorher gewußt, daß es so
tommen würde,« fuhr er fort, »und
habe es dem Doktor gesagt, als er mit
seinen hirnverbrannten Reiseplänen
herausriicktr. Eine Frau gehört in'
Haus. Auf der Eisenbahn und in
Gasthöfen ist sie überflüssig, fühlt sieh
unglücklich . . · .«
»Johanna’s Briefe bezeugen das
Gegentheil,« sagte Thella ,,Uebrigens
war sie von vorn herein damit einver
standen, die Zeit bis zu Werner’s Jn
stallirung auf Reisen zuzubringen.«
»Natürlich!« rief der Freiherr; »das
Kind ist mit Allem einverstanden, was
von Denen, die es lieb hat« verlangt
wird. Um so mehr hätte der Doktor
auf ihr Behagen bedacht sein müssen.
Wer ein Weib nimmt, hat ihr vor Al
lem eine Heimath zu bieten, und da
Monsieur Urian eine solche erst diesen
Herbst einzurichten beliebte, wäre es
seine verdammte Pflicht und Schul
digleit gewesen, das Heirathen so lange
auszutchieven."
»Lieber Bruder, sei nicht undank
bar,« bat Thekla in ihrer sanften Wei
se. »Dir zu Gefallen hat Werner über
Jahr und Tag gewartet; hat allein,
im größten Unbehagen, in der kleinen
Universitätsstadt gesessen, um dir Jo
hanna nicht gleich wieder zu entfüh
ren. Daß er sie, nachdem er fein hal
bes Leben um sie gedient hat, nun end
lich haben wollte, kannst du ihm nicht
verargen. Und daß er ihr bei dem ärzt
lichen Congreß seine Freunde Vorzu
ftellen und ihr England und Schott
land zu zeigen wünschte . . . ."
»Laß es gut sein,« fiel ihr der Frei
herr in’s Wort; »ich weiß schon, bei
dir heißt es: »was Wer-ner thut, ist
wohlgethan.« Jch sage dir aber, dein
Herzblatt ist, unbeschadet seiner vor
trefflichen Eigenschaften, seiner Ge
lehrsamkeit, seines Geistes und so wei
ter, ein so lrasser Egoist, wie nur je ei
ner in Männerlleidern gesteckt hat«
Jhm ist aus seinen vielen Reisen der
Sinn für Haus und Heim verloren
gegangn, und nun sucht er auch Jo
hanna zur Landstreicherin zu machen
Glücklicherweise ist sie dazu von zu fei
nem, edlem Stoff. Weißt du nicht
mehr, daß sie im letzten Briese aus
London schrieb: nach allem Schönen
nnd- Nntpnssrmtsn dnä fi- nshbsn Nit
". i
s
te, freue sie sich unfäglich auf ein stilles
Restchen in Wien.« Ich war übers
zeugt, daß sie jetzt endlich dort seir
müßten, habe von dort ihren Geburts
tagsbries erwartet.«
Eine Pause trat ein; Thekla faßt(
nach einem Briesblatt, das sie bein
- Eintritt des Bruders unter ihre Deck·
- geschoben hatte, und allen Muth zu
samtnen nehmend, sagte sie in schüch
ternetn Tone:
»Lieber Johann, ich habe einen an
: deren Brief aus Wien bekommen. Ma
« gelone . . . .«
Der Freiherr streckte abwehrend dii
: Hand aus.
»Nicht weiter!« rief er; »du weißt
das; ich den Namen und noch einen an
dern nicht hören will. Verdirb mit
. den Tag nicht; die Sorge um Johann(
ist schon störend genug«
Mit zusammengezogenen Brauei
, sah er vor sich nieder: Thekla seufzte
Beide hatten das Vorfahren eines Wa
gens iiberhört und beachteten aud
Goldhund’s Unruhe nicht, der mit ge
spitzten Ohren zwischen Fensten unt
; Thüre hin und her lies. Aber nur
, ließen sich im Gange Schritte unt
« Stimmen hören; die Thüre wurde ha
stig geöffnet; mit einem Freudenge
heut stiirmte der Hund hinaus, wäh
’ rend Lisbeth hereinstiirzte.
,,Grofzpapa! Tantet da sind sie, d(
« sind sie!" rief das Kind. Jm näch
sten Augenblick hing Johanna an
Halse des Großvaters, Tante TheM
- streckt-z ihre Gicht vergessend, beid
Hände nach Ludwig aus, der von Jo
hann Leopold begleitet in’s Zimme«
trat, und Lisbeth rief triumphier ii
Begrüßungen und Glücktvünsche hin
ein: Onkel Johann Leopold und si
hätten gewußt, dasz die Reisenden zi
l Großpapcks Geburtstag kommen wür
den, hätten sich aber nichts davon mer
ten lassen. ·
»Nein, die Uebefraschgng Frstkåll
ständig gelungen,« ag e r set r
«Doch nun fest Euch, Kinder, und be
»
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!
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richtet, woher unsd wohin des Weges.s
Es sah nachgerade aus, als ob Jhr gar
nicht wiederkommen wolltet.««
»Und haben uns doch Beide immer
fort danach gefehnt,« antwortete Jo-l
hanna, indem sie neben dem Großvater(
Platz nahm, das Schwesterchen an sich;
zog und dem Hunde, der sich an ihre!
Kniee drängte, liebkosend über Kopr
und Rücken strich. »Seit Wochen hät-»
tet Jhr usns hier, wenn es nach unse
ren Wünschen gegangen wäre. Aber
Patienten und Collegen, und allerhand
gelehrte Leute haben Ludwig nicht fort
gelassen. Das ist die Nachtseite der
Berühmtheit —— aber das darf ich nicht
sagen,« unterbrach sie sich selbst. »Seht
nur, wie mein Tyrann die Brauen zu
s a mmenziehi·«
»Er meint es nicht so schlimm!«
sagte Tante Thella begiitigend; Lud
wig und Johanna lachten fröhlich auf.
und Johann Leopold fragte, ob Jo
hanna den Eindruck mache, ein gewech
z iete Frau zu sein.
«Prächtig seht Ihr Beide aus,« fuhr
er fort; ,,einen wahren Sommers
Sonnenglanz habt Jshr in den Au
gen·«
,,Glücksglanz!« rief Ludwig unid
sein häßliches Gesicht wurde beinahe
schön durch den Ausdruck inniger Be
friedigung, mit dem er aus seine junge
Frau niederblickte, die, sich in ihren
Sessel schmiegend, im Kreise umhersah
und halb gerührt, halb heiter sagte:
»Ihr glaubt nicht, wie glücklich ich
bin, wieder bei Euch, in dem lieben al
Dönninghausen zu sein, an dem lie
ben alten Kamin zu sitzen . .. am lieb
sten stände ich gar nicht wieder auf.
Oder muß ich Toilette machen, habt
Jhr Gäste zu erwarten?«
»Erst zum Diner,« antwortete der
Freiherr; ,,jetzt bleib nur hier — ich
möchte allerlei fragen und hören, ehe
die anderen Hausgenossen kommen;
auch Will-whaan sind da mit Mann
ungd Maus. —— Also erzähle, Kind,
wie ist’s Euch seit den letzten Brieer
, ergangen ?« .
Während Johanna berichtete, zog
Ludwig Johann Leopold bei Seite.
,,.Haben Sie Nachricht von Otto?«
fragte er.
Johann Leopold wechselte die Farbe.
»He-den Sie auch schon von seinem
: Tode gehört?« fragte er dagegen.
Ollfn tndtl« innte Litdmiat ..icki las
von einer lebensgesährlichen Verwun
dung im Duell.« -
»Er ist seinen Wunden erlegen,«
i antwortete Johann Leopold. ,,Gestern
. habe ich die Todesnachricht erhalten,
» habe sie aber Großpapa noch nicht mit
k- getheilt; ich wollte ihm den Geburts
.3 tag nicht verderben. Weiß es Jo
hanna?«
. »Noch nicht —-— ich wollte erst Ge
wißheit haben,« antwortete Ludwig
; und nach einer Pause fügte er hinzu:
»Ich gönne ihr die Versöhnung die der
, Tod zu bringen pflegt.«
Sie waren in eine der Fensternifchen
, getreten und sahen in den Hof hinun
- ter. Eine Wärterin kam mit Walde
k mar’s Kindern vom Garten herein;
; Johann Leopold folgte ihnen mit den
Augen, bis sie im Hause verschwunden
; waren, dann sagte er:
. »Wie wenig im Ganzen auf ein
- Menschenleben anlommtl Es wech
I seln die Geschlechter, und nicht nur die
- Sage bleibt treu, wie der Dichter singt,
- auch das Leben bleibt dasselbe-. Die
c neue Generation wächst fröhlich auf,
- unbekümmert um das zu früh vom
- Baume gerissene Blatt. Wie hätte ich
: mir sonst Dönninghausen denken tön
- nen, ohne Otto und Ajtagelone.«
»Da Sie den Namen nennen, will
i ich Jhnen doch erzählen, daß ich seine
- Trägerin gesehen habe,« sagte Ludwig
i ,,Unter dem Vorwande, mich alg Arzt
i zu tonsultiren, ließ sie mich eines schö
! nen Tages zu sich rufen —-— sie war mit
- ihrem Manne in Schottland gewesen.
: Jhr eigentlicher Grund war jedenfalls
c die Bitte, ihr zur Versöhnung mit dem
- Freiherrn behilflich zu sein. Was mei
: nen Sie, wird er sich umstimmen las
i sen?«
- Johann Leopold zuckte die Achseln.
- »Bis j t war wenig, oder vielmehr
keine Aus icht dazu,« antwortete er;
- »möglich, daß ihn Otto’z Tod, den er
. morgen erfahren muß, versöhnlichet
- macht. . . . Versuchen Sie Jhr Heil.
E—
Aber was ist’s denn mit Magelone?
Sie war das gesundefte, blühendfte
Geschöpf der Welt.'«
»Jetzt ist sie nervös, wie Alle, die in
der Unnatur der großen Welt leben,«
sagte Ludwig. »Wie ich höre, gilt sie
fiir eine der elegantesten und gefeiert
sien Frauen Wien’s; sie behauptet
aber, sich tödtlich zu langweilen unsd
nur durch die Versöhnung mit den Ih
rigen glücklich werden zu können . . . .«
»Glauben Sie nur das nicht, lieber
Doktor!" rtef Johann Leopold; »Ma
gelone hat sich hier niemals wohl ge
fühlt; unsere Leben war ihr zu ernst,
zu einfach . . . . ich begreife nicht, was
sie hierher zieht.«
«Einzig und allein der Wunsch, et
was zu erleben,« antwortete Ludwig.
»Wir sind einmal nicht dazu gemacht,
ein Schmetterlingsdasein zu führen.
Versäumen wir, unseren Tagen einen
würdigen Jnhalt zu geben, so werden
wir von dem angeborenen, oft ganz
unbewußt-en Verlangen danach ruhelos
umhergetrieben. Bei Magelone kommt
noch der Eigenwille des verzogenen
Kindes dazu; das versagte Spielzeug
Hi uuv wgccyrcuvturcuyqlc Oel Um
herr hätte erklärt, sie nur wieder aus
zunehmen, wenn sie allein und als
Bettlerin käme, — sagte sie mit strö
menden Thränen, und schien die sicher
angelegten Millionen, die ihr Schwie
gervater hinterlassen hat, geradezu wie
ein Unglück zu betrachten. Ebenso die
Anbetung ihres Gatten, ohne die sie
indessen, wie sie klagenden Tone-s ver
sicherte, leider nicht mehr leben könne;
aber ebenso wenig könne sie Dönning
hausen länger entbehren. Schließlich
sagte sie noch, abermals unter heißen
Thriinen, ihre Kinderlosigkeit wäre
eine Strafe des Himmels, weil sie ohne
Zustimmung der Ihrigen geheirathet
hätte. — Daß sie sich nach anderer
Richtuna viel schwerer vergangen hat,
scheint sie vergessen zu haben.«
Johann Leopold lächelte bitter.
»Das sieht ihr ähnlich!« sagte er.
,,Uebrigens kommt es in dieser Sache
nicht nur auf ihre Empfindung an.
Wie ist’s mit Johanna, würde sie es
ertragen können, mit Maaelone ge
rade hier zusammen zu treffen?«
»Ich habe das als selbstverständlich
angenommen,« antwortete Ludwig;
»habe sie sogar aufgefordert, mir bei
dem Versöhnungswerk behilflich zu
sein. Grosxherzim wie sie ist . . .
TMEin Anruf des Freiherrn unterbrach
1 .
,,Doktor, kommen Sie mir zu Hilfe!«
bat der alte Herr, und als Ludwig zu
ihm trat, fuhr er fort: »Ich hoffe,
Sie werden vernünftiger sein als Jo
hanna, die allen Ernstes daran denkt,
uns Lisbeth zu entsiihren, davon kann
aber nicht die Rede sein. Die liebe
Kleine ist uns Allen an’s Herz gewach
sen, der Pastor giebt ihr vortrefflichen
Unterricht, Und jedenfalls ist sie hier
besser aufgehoben, als in der großen
Stadt und bei Euch Vagabunden
Sprechen Sie ein Machtwort, lieber
JWerneL als Arzt und als EhemannJ
Ludwig wiegte lächelnd den Kopf.
. »Die Sache muß durch freundschaft
liche Uebereinkunst geordnet werden —
;an Machtworte ist Johanna nicht ge
1wöhnt,« aab er zur Antwort. »Was
I aber das Vagabondiren betrifft, so hat
ves damit ein Ende. Vorlesungen
EPraxis, das Vollenden meines Fieber
Ibuches, wie es Johanna nennt, Jo
·hanna’s eigene Arbeitsplane, ——- das
Alles zwingt uns, häuslich zu werden«
»Und wir werden es gern,« sagt(
HJohanna »Du nennst uns Vagabuni
;den, lieber Großvater; hast du nich
das hübsche Wort gehört: »Vagabun
den haben die häuslichste Seele?«
Der Freiherr schüttelte den Kopf mi
zweifelnder Miene.
»Wir werden’s erleben-!« meint-e er
»Wenn die Universitätsserien kommen
Packt Jhr sicherlich wieder auf unt
zieht’s in’s Weite.«
,,Gewiß!« fiel Ludwig ein; ,,unt
zwar, wenn Sie uns haben wollen
nach Dönninghausen.«
»Das soll ein Wort sein!« rief de·
Freiherr, indem er Ludwig und Jo
hanna die Hände zustreckte, in die si«
herzlich einschlugen »Die Frühstücks
glocke!« fügte er hinzu, indem er sid
erhob unid Johann-a den Arm bot
« »Wie werden Waldemar’s und Wil-I
denhayn’ s erstaunen!« I«
Ludwig hatte Johann Leopold vom
Rollstuhl der Tante verdrängt. ·
»Heute fahre ich Sie hinüber, Tante
Thetla!« sagte er; »wenn ich wieder
komme, gehen wir mit einander.« :
»Du solltest lieber hier bleiben und «
Tante Thekla gesund machen,« meinte
Lisbeth. »Dann bliebe auch Johanna ·
hier und Alles wäre gut.« ! -
»Da hörst du’s!« sagte der Freiherr
zu Johanna. »Das Kind sühlt sich
hier heimisch und gehört zu uns, wie
du es thust. Laß sie mir, da ich dich
entbehren muß.... Lange wird’s ja
nicht dauern . . . . bedenke, ich bin acht- »
zig Jahre alt . . . .«
,,Lieber Großvater, ich würde sie
gern noch lange, lange bei dir lassen!«I
. ries Johanna.
Der Freiherr blieb stehen. I
»Das heißt mit anderen Worten, du;
wirst sie bei mir lassen,« sagte er i
»Ich wußte es ia! Du bringst es nicht
über das Herz, mir einen Wunsch ab
zuschlagen — thu’ dir auch mal etwas
dafür zu Liebe «
Mit schnellem fraaendem Bli ck fabI
Johanna zu ihm auf, öffnete die Lip-)
pen, als ob sie etwas sagen wollte,
gieb aber stumm und sah vor sich nie
r.
»Nun was hast du im Sinn?« frag
te der alte Herr. »Heraus damit.«
Johanna athmete schwer.
»Ich möchte dich um etwas bitten,
lieber Großvater,«« antwortete sie.
»Verzeih’ der arm-en Magelone . . . er
laube, daß sie herkommt. Sie sehnt
sich trank nach dir, nach Euch Allen.« «
Eine jähe Röthe flog über die Stirn
des alten Herrn. «
»Das sagst du!« rief er in grollen- «
dem Tone, »weißt du, was du ver
langst.... hast du zum Beispiel be
dacht wie dir zu Muth sein würde,
wenn du ihr hier begegnen müßtest?«
Johanna’s Augen hoben sich wieder,
leuchtender, als sie der Freiherr je ge
sehen hatte. ·
»Jch, lieber Groß-vater?« antwor
tete sie; »ich bin zu glücklich, um MU
gelone etwas nachzutragen. Wenn du
verzeihen könntest . . . .«
Seine Miene war milder geworden.
»Ich will’s bedenken,« antwortete
er, ihr fest in die Augen sehend, die
an seinem Blicke hingen. »Aber ist’s
denn wahr, Kind ——— bist du glücklich
recht von Herzen glücklich? — So tüch
tig Ludwig ist, so hoch ich ihn schätze
— mein-e Besorgnisse hatte ich doch;
er war mir zu rauh, zu hart für
Idich . . . .«
« ten- .-:.I’.A —-k.- « k«-c- Naß-In
»UL csx tI tut-»O tut-Js- Iukpp U»»»...
na. »Je deutlicher ek gefühlt hat, wi l
visel er mir ist, um so mehr ist er mir
geworden. So viel, daß ich es kaum
noch verstehe, wie ich mich je von ihm
verlieren konnte. Denn in srühester
Jugend habe ich ihn geliebt, wie er
mich, und was mich später bezauberte,
war nur ein Trugbild meiner Phanta
sie.... Du siehst, ich darf Magelone
nicht zürnen, thue es auch nicht län
ger! Versprich mir....«
»Ich will’s bedenken! Komm’ jeßt,
man wartet auf Uns,« unterbrach sie
der Freiherr und mit einer Mischung
von Jngrimm,Stolz und Befriedigung
fügte er hinzu:
,,Halbblut haben dich Hildegart und
Hedwig genannt. Aber trotzdem bist
du die beste Dönninghausen, die je ge
lebt hat«
i Ende.
OOO -
Vom Franciikoiigrcß.
s«21nfzcichnnngen aus dem Tageduch einer
Theilnehmerin.
! Unsere Bewegung ist schön im
.;Gange, und unser Kongreß wird ent
,ischieden dazu beitragen, sre noch mehr
« zufördem. Jch glaube, daß die Schnei
digteit unseres Auftretens und die
Eleganz unserer Toilettens einen sehr
, guten Eindruck macht. Jn der Mehr
zahl smd wir doch recht geschmaclvoll
: gekleidet. Vom Allen kann man das
- allertdiings nicht sagen, am wenigsten
, von der N. Wie kann man sich nur,
- wenn man so alt ist urnd so aussieht,
noch so ansieIeM .
Die Eröffnungsseier im großen
Festsaale des Berliner Rathhauses war
einfach erheben-d. Wie schön muß es
sich in dem riesigen Saal tanzen!
II- Ik sit
Heute sprach die S. und es war gar
iicht so übel, was sie lvorbrachte. Jch
Ende aber doch, daß sie neulich in dem
zroßm Kassee bei uns besser gespro
hen hat. — Ob sie sich wohl das Haar
Iärthck
sit III Il
Das sage ich auch: ruhen dürfen
Dir nicht eher aus unseren Lorbeeren,
als bis wir die Lehrstühle der Univer
sitäten unsd die curulischen Sessel des
Barlaments erobert haben. Vor Allem
aber muß die Dienstmädchensrage ge
oegelt werden.
se si- se
Ich theilte der R. meine gestrian
Gedanken mit, die sie so aut fand. Nur
meinte sie, unter curulischen Sesseln
wären diejenigen des Magistrats und
Der Stadtverordneten zu verstehen
Nun aust, auch die wollen wir erobern
und wer-den es thun. Dichtet Lan
nicht reichlich so gut wie Heu-e, unio
weiß nicht jede von uns fast noch besser
in den Tag hinein zu reden als Lan
zerhans? — Jn Bezug auf die Dienst
mädchen gab die R. mir Recht. Sie
hat in der letzte-n Zeit mit ihnen schlim
me Erfahrungen gemacht. — Wo sie
vohl ihren Umhang gekauft hat?
Il- sis ds
Jch gehe so weit, zu behaupten, daß
auch die Portefeuilles der Minister
Josn uns nicht als unerreichbar betrach
tet werden« dürfen. Mein Gott, was
die können, können wir auch, ja wir
sind vielleicht noch ein bischen schneidi
ger. Jch möchte wenigens den Luca
nsus sehen, der vor mir nicht aus-reißt.
Mit einer Camarilla habe ich auch
schon einmal zu thun gehabt — na,
mit der bin- ich schön abgesahten.
Wenn die Kanzleiräthin P. dieses
liest und sich getroffen fühlt, ist es mir
auch egal.
st- a· sie
Ob wir vor der Militär-Karriere
Halt machen, das fragt sich sehr. Jch
Flaube nicht, daß es schlimmer um das
Vaterland stände, wenn wir weibliche
Osfiziere hätten. Vielleicht gäbe es
dann nicht die von der Tante ,,Voß«
ausgerechnetien 757 pensionirten Gene
rale·
Und wie gut würden die meisten
Uniformen uns kleiden!
Il- Iit Jst
Wenig Männer nehm-en an unseren
Versammlungen Theil. Wenn Reden
in fremden- Sprachen gehalten werden,
die man zuweilen nicht ganz versteht,
sehe ich mir diese Männer an und be
schäftige mich mit Muthmaßungen
darüber, was sie wohl sind, wie sie
wohl sind, ob sie verheirathet sind oder
Junggesellen, und im ersteren Fall, ob
sie in glücklicher Ehe leben, im zweiten
aber, welche meiner Freundinnen und
Bekannten wohl für sie passen würde.
Ein sehr netter ist unter den Män
nern.
Fa z
In
Ist-II F XI
Jll- III-T
St- dls Il
»Alle Berufe müssen unss offen
stehen,« sagte die D. zu mir, »wir
müssen Alles werden können, was es
giebt.«
,,Alles außer Paps ,« bemerkte ich.
»Warum auch nicht Papst?« erwi
derte sie. »Gerade dazu eignen wir
Frauen uns sehr, weil wir von vorn
herein unfehlbar sind. Auch hat es
einmal eine Päpstin Johann-a gegeben,
mit der man allgemein zufrieden war.«
Ich mußte ihr beipflichten Sie sah
an diesem Tage recht vortheilhaft aus,
wovon indessen viel aus Rechnung des
neuen Gebisses zu setzen ist
»- st- si
Heute sah ich in einem Schaufenstergk
der Friedrichstraße ein Hütchen —-z
nein, so etwas Entzückendes ist mir Hf
noch nicht vorgekommen! Jch muß-b I
doch einmal hingehen und fragen, was e
es kostet. zt
———.-.————— « i
— Ein französischer Kreuzer ist vom»
Marocco til-geschickt um die Satans-Fz
ber, welche den Dampfe-: ,,Corinie«
pliinderten, zu bestrafen.
M
si s
sag-z g.
ULIZJO ; A ZEIT-«
V