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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Oct. 30, 1896)
Die Schrift des Todten. ItiIlaIIIIlomau aus dem deutsch französischen Kriege Von Jal· Mag. (F0ttsedung.) »Der unerwartete Glücksfall dieser Erbschaft scheint den Verstand des ar men Mannes zweifellos etwas in Ver wirrung gebracht zu haben,« meinte Moraines. »Jedenfalls hat er infolge dessen auch manche Bittgesuche und Bettelbriefe bekommen. Hat er Ihnen darüber nichts mitgetheilt?« »Nein, mein Herr,« entgegnete das junge Mädchen. Serr Boureille war von jeher wenig mittheilsam, und s eine Erbschaft schien ihn noch verschlossener zemacht zu haben. Es vergingen ganze age, ohne daß er ein Wort mit mir sprach. Gestern schien er mir viel ruhi ger-und besser aufgelegt zu sein« »Gut-fing Jhr Pflegevater häufig Besuche?« - »O nein.« »Auch nicht in der letzten Zeit?« »Jn den letzten Tagen haben ihn nur zwei Personen aufgesucht.« »Und wer waren diese Personen ?« »Zuniichft der alte Herr Doriat, der; mehrmals gekommen ist, zuletzt noch gestern Abend gegen acht Uhr.« « Moraines machte sich eine Notiz und fragte dann weiter: »Was wollte er?" ,.Das weiß ich nicht« »War er gut mit Bontreille be kannt?« »Gewiß, sie waren Ia alte Freundes »Sie sprachen von zwei Personen. Wer war die weites« Klaudine szah den Chemiker an und antwortete: »Herr Johann von Mont maheur.« »Wie, Du kanntest den Ermordeten persönlich?« fragte der Richter über rascht. »Ei natürlich, wenn man so nahe zusammen wohnt. Aber trotzdem habe ich nur zweimal mit ihm gesprochen.« »Bei welchem Anlaß ?« »Das erstemal geschah es vor drei oder vier Jahren, als wir einen kleinen Streifen Landes, der an unsere Grund stücke stieß, von ihm lausten.« »Und jetzt neuerdings?« »Aus demselben Grunde. Jch wollte eine Wiese kaufen, die an meine Fabrik grenzt, um dort einen Schuppen zu bauen.« d »Und ihr seid handelseinig gewor en. »Nein. Bourreille stellte diesmal eine viel zu hohe Forderung« »Schien er Dir ganz bei klarem Ver stande zu sein ?" »Unbedingt, wenn er mir auch etwas aufgeregt vorkam.« Moraines wandte sich wieder an Klaudinr. »Ist das Alles, was Sie auszusagen haben, Fräuleins« » awohl.« ,, ie wissen nicht, ob Bourreille ir gend einen persönlichen Feind hatte, und hegen auch keinen besonderen Arg wohn gegen Jemand ?« »Nein.« »Dann danke ich Jhnen vorläufig. Sie sind entlassen.« DerRichter las seineAuszeichnungen nochmals durch und sagte dann leise demPolizeikommissär einigeWorte, der sich hieraus entfernte. Die Sonne neigte sich dem Unter gange zu, und es wurde auch in der Küche jetzt zu dunkel, um ferner ohne Licht schreiben oder lesen zu können. .Monimayeur nahm zwei messingene Leuchter, steckte die Kerzen an und stellte sie auf den Tisch des Untersuchungs tichters. Ein aus dem anstoßenden Raume kommendes Geräusch ließ sie Beide umschauen. Es war Walter, der fest blaß und düster in die Küche kam. Montmayeur fuhr auf und rief ihm möc Knlbskcfickbk Skimmv an- Nun was soll’s? Wa gibt es?« Moraines sah ihn verwundert an, Walter aber hatte es gar nicht gehört oder verstanden. Er setzte sich in einen Winkel und vergrub das Gesicht in die Hände. så »Was meintest Du soeben?« fragte Moraines. »Ach, ich dachte, der junge Mensch käme, um uns irgend etwas mitzuthei , len, was er vielleicht entdeckt hätte, suchte sich Johann v.Montmayeur aus zureden DerUntersuchungSrichter schaute ihn , bewundert an, und da er seine Blässe .«« ahrte, bemerkte er: »Du siehst sehr ; «Mecht aus. Jst Dir nicht wohl?« ; »O bewahre-mir fehlt gar nichts,« vers teMontmaheur, indem er seine Usg st unbefangene Miene anzuneh »«m suchte. Dach einer Weile kehrte der Polizei - Mut-Mär mit bemGärtner Dotiat zu stltch den er geholt hatte. Diesem war set Mche und unter so schrecklichen , Um erfolgte Tod seines alten » Freundes sehr zu Herzen gegangen. Als est tu die Küche trat, blickten seine Au s- III whend umher und blieben unwill L Aj Itirlich auf dem anstoßenden jetzt ganz in Dunkel gehüllten Raume haften, wo er die Leiche vermuthete. 5. Als Michel Doriat am Abend des 5. Mai 1870 auf den dringenden Wunsch feiner Frau noch einmal zu Bourrielle gegangen war, hatte er diefen allein in der von einer Kerze erhellten Küche an getroffen Der Gärtner blieb anfangs zogernd in der Thür stehen, aber Bourreille rief ihm in ganz freundschaftlichem Tone entgegen: »Sieh-da — läßt Du Dich auch einmal wieder sehen ?« Unverlennbar war der Alte nicht nur gut ausgelegt, sondern auch im vollem Besitz s einer Geifteslräfte. »Ich bin ja während der« letzten acht Tage mehrere Mal bei Dir geweien,« gab Doriat erstaunt zurück. »Weißt Du denn das nicht mehr ?« »Nein, nein, dessen kann ich mich gar nicht erinnern.« »Das ist doch seltsam. Jch habe gDir aber außerdem auch noch geschrie en ——« »Ich habe keine Briefe von Dir be kommen — vielleicht habe ich es aber auch vergessen. Weißt Du, Doriat, egs ist mir die letzte Zeit etwas wirbelig un Kopfe gewesen. Aber weshalb bleibst Du denn dort an der Thiir stehen?« »Du haft mich die letzten Male so schlecht aufgenommen, daß —'« Glaub’ mit das ift nicht mit Ab sicht geschehen. Was wolltest Du "denn?« Doriat brachte nun fein Anliegen nochmals dor. Als er fertig war. fraate Bourreille: Du brauchst also 2500 Franken? Na, meinetwegen, ich will Dir das Geld leihen. Aber ich mache eine Bedingung.« Er wars einen miß trauischen Blick auf Doriat· »Du darfst nicht noch einmal kommen und mir nicht mehr davon reden, daß mein Wal ter Deine Luzie heirathen s oll.« »Also Du willst mir das Geld nur unter dieser Bedingung geben?« »Nur unter dieser Bedingung. Jch habe andere Pläne mit Malta-" Der wackere Gärtner seufzte tief aus, aber die Noth war zu groß. Er fügte sich ,,Gut,« sagte er. »Ich betrachte die bisherige Verabredung zwischen uns als nicht geschehen. Mögen die jungen Leute selbst sehen, wie sie miteinander fertig werden." Der Bauer ging in das Nebenzun mer, öffnete die Truhe und nahm das Geld heraus. Währenddessen leerte Doriat seine Taschen aus, um Platz für das Geld zu machen. Er gewahrte nicht, wie ihm dabei das Taschentuch zu Boden fiel und dort liegen blieb. »Zähle nach,« meinte Bourreille, zu rückkehrend und ihm das Geld über reichend. »Ja, es stimmt· Jch danke Dir, Bourreille. Aber, was die Bedingung anbetrifft —·« »Davon kann ich nicht abgehen. Sonst gib das Geld wieder her.« «Nein,nein, es soll geschehen, wie Du willst!« antwortete Doriat. Jm Laufe des nächsten Tages erfuhr der Gärtner zu seinem Schrecken von dem Morde. Es überraschte ihn daher nicht sonderlich, als am Abend der Po lizeikommissiir erschien, um ihn zu holen; seine Beziehungen zu Bourreille waren ja allbekannt, und da erschien es ihm ganz natürlich, dasz man sich an ihn wandte, um vielleicht über dies oder jenes Auskunft zu erhalten. Luzie aber wollte i ren Pflegevater nicht al lein gehen la en, und als Doriat ihre Begleitung als unnöthig ablehnte sagte sie: »Es ist auch Walter’s wegen, Klau dine hat ihm telegraphirt, und er muß inzwischen schon angelangt sein. Es wird ihm in seinem bitteren Schmerze wohlthun, wenn ich zulihmlkomznets Yoclclk lllll zuerst III olc chyc ocS Gehöftesx das junge Mädchen zögerte einen Augenblick auf der Schwelle, als sie die Gerichtspersonen gewahrte. Dann aber sah sie Walter und kam näher. »Was wollen Sie hier?'« fragte Mo raines. Sie antwortete ihm nicht. Walter hatte sie bereits erblickt und streckte ihr weinend seine Arme entgegen. Sie flog ihm an die Brust, und in der tiefen Stille, die in der Küche herrschte, ver nahm man nichts, als das Schluchzen nnd die schmerzvollen Ausruse der bei den jungen-Leute. Doriat neigte sich zu dem am Tisch sitzenden Richter und slüsterte ihm zu: »Es ist meine Adoptivtochter und des jungen Mannes Brant.« Da Bourreille jetzt todt war, gab es ja kein Hindernis mehr zwischen den Beiden. Montmayeur hatte sich aus einen an der Wand stehenden Stuhl esth und ließ das schöne Mädchen ni t aus den Augen. Er empfand eine leidenschaft liche Liebe sitt sie, und sie wußte das, denn er hatte ed ihr gesagt, war aber von i r abgewiesen worden. Ja, dieser so la te, selbstsiichtige und gewaltsam Charakter liebte; wohl suchte er selbst diese Leidenschaft mitunter durch Spott und Jronie zu bekämpfen, aber sie blieb siegreich. Als er jetzt Luzie in Walter’s Armen weinen sah, zerfleischte eine wilde Ei fersucht sein Herz. Er empfand oft et was wie Furcht vor dieser Liebe, als ob sie ihm verderblich werden könne, allein die s ein ganzes Jnneres erfüllende Lei denschaft war immer wieder die Erwä gungen des berechnenden Verstandes über den Haufen. Walter Bourreille wollte s eine Braut zu der Leiche des Vaters führen. Als Luzie sah, das in den anstoßenden Räumen Alles dunkel war, zündete sie eine Kerze an und nahm zugleich das Weihwassergesäß von der Wand, in dem nach frommen Brauche einige der am Palmsonntage in der Kirche ge weihten Buchsbaumzweige steckten. Hand in Hand ging das Brautpaar zu der Leiche, die Luzie mit Weihwasser besprengte Aus Achtung vor ihrem Schmeer hatte Herr Moraines bisher noch teinei Frage an Michel Doriat gerichtet; jetzt sagte er zu ihm: »Treten Sie näher. Ich wünsche Verschiedenes von Jhnen zu erfahren.« « ch fiehe gern zu Diensten.« ,, ielannten Boureille schon lange?« »Von Kindheit an.« »Wann sahen Sie ihn zum letzten Male?« U »Gestern Abend noch —- gegen acht - hr.« i »Sie waren auch an den Tagen vor i bar mehrmals bei ibm ?« ) »Ja widerholt. " ! »Zu welchem Zwecke-is Doriat zögerte und schien verlegen. Er sagte nichts »Weshalbantworten Sie mir nicht?" »Weil ich nicht gern vor Fremden über Privatangelegenheiten spreche.« »Ich fordere Sie aus, mir die Wahr heit zu sagen!« »Ich verstehe aber gar nicht weshalb Sie mir alle diese Fragen vorlegen Wie oft ich Bourreille vor seinem Tode gesprochen habe, das tann Jhnen doch gleichgiltig s ein »Es ist im Gegentheil sehr wichtig für mich —- und noch wichtiger für Sie selbst." »Für mich? Das begreise ich erst recht nicht« Uebrigens tann ich es schließlich schon sagen. Jch bin ein ehr licher Mann, und es ist keine Schande, einmal in Geldverlegenbeit zu grathen. Jch bin also wiederholt zu Bourreille gegangen, um von ihm eine Summe Geldes zu leihen, die ich nöthig brauchte.« »Und Bourreille hat sie Jhnen abge schlagen?« »Nein, im GegentheiL Er hat mit das Geld gegeben. »Sogleich?« »Bei meinem letzten Besuch, gestern Abend.« »Das kommt mir doch sonderbar vor. Jn den Briefen, die Sie an Bourreille geschrieben und die wir in seiner Kom mode vorgefunden haben, machen Sie Jhrem Freunde bittere Vorwürfe we gen seiner Hartherzigteit und nennen ihn einen herzlosen. einen Geizhals, dem Jhr Unglück zur Last falle.« »Ja, das ist wahr —- ich hatte das in meiner Aufregunggeschrieben. Bont reille verweigerte mir anfänglich das Darlehm.« Während der Richter diese Fragen stellte, hatte Montmayeur wenig Acht daraus gegeben. Die Anwesenheit Luzien’s brachte ihn in Verwirrung, und dann quälte ihn die Furcht vor dem, was sich noch ereignen könne. Wenn Malta-, Luzie oder Klaudine aus dem Gedanken kamen, den Klapp tisch auszurichten, dann war er ver loren. Er grollte rnitsich selber, daß er sich nicht vor dem Weggehen genau DIE-« L-- C4L I-:--D Ins-«- h4 ---k-; , IND- UIII Ost-, sbkslszs Syst-II Ubbvssssls sert hatte. Inzwischen sragte der Untersuch ungsrichter weiter: »Sie waren also wohl in großer Geldverlegenheit?« »Mein Gott, ja, wenn ich doch ein mal Alles sagen soll.« »Was haben Sie mit dem entliehe nen Gelde gemacht?« »Ich habe es gleich heute früh Herrn Vierlouvet, dem ich es schuldete, zuge sandt, mit der Bitte, die schon gegen mit eingeleiteten gerichtlichen Schritte rückgängig zu machen.« »Nachdem Sie gestern Abend das Geld von Bourreille erhalten —— sind Sie später nicht noch einmal hierher huriickgekehrt?« »Nein. Warum hätte ich das thun sollen?« »Wissen Sie, herr Doriat, daß mir Ihre Behauptungen sehr unglauhtviir ig sind? Wodurch können Sie bewei sen, daß Bourreille Jhnen das Geld geliehen hat?« ,,,Nun soll ich es vielleicht gesunden haben?« Nein, aber es ist wohl möglich, daß Sie es, nachdem er Ihre Bitte abschlag, später genommen haben.« »Was soll das heißen?« fuhr der j Gärtner auf. »Sagen Sie das noch« einmali« »Das ist nicht nöthig. Sie haben mich ganz gut verftanden.« l ,,Bedenken Sie wohl, was Sie da sa gen, Herr," entgegnete Doriat mit zorn funielnden Augen. »Sie scheinen mich für einen Dieb zu halten.« »Lassen Sie die unnützen Worte,« » sagte Moraines streng. Dann zeigte( er ihm den am Thatorie aufgefundenen f Meißel und fragte: Rennen Sie diesl Jnstrument?« »Ja, das ist ein Meißel, gab der Gärtner naiv zur Antwort. »Ich frage, ob Sie es als Jhnen ge hörig anerkennen?« Doriat nahm den Meißel, betrachtete! ihn aufmerksam und sagte plötzlich mit Entsetzen: »Aber da ist ja Blut —- da vorne kleben auch Haare —« »Blut und Haare des Ermordeten.« Das Instrument fiel dem Gärtner aus der Hand. »Gehött Jhnen der Meißel?« »Nein. Jch habe auch einen zu Hause, aber der ist viel ileiner.'« Morianes hielt ihm nunmehr das buntgestreifte Taschentuch mit den Wär-ten hin: »Und dies, kennen Sie es·« Doriat griff hastig danach. »Da ist ja mein Taschentuch wieder! Heute Morgen bemerkte ich erst, daß ich es verloren hatte. Wo ist es gefunden Iworden?" l »Es gehört also Jhnen9« s »Freilich, ich habe ein ganzes Dutzend davon. Hier stehen ja auch die Buch staben »M. «D.««.—: Michel D«oriat«. Meine Frau dar vie Lacher gezeichnet. Er hielt plötzlich inne, verwirrt durch den scharfen und ironischen Blick des Juristen. Auch der Polizeitommissär sah ihn so seltsam an. »Ja, was gibt es denn eigentlich?« stammeite der Unglückliche . »Warum sehen Sie mich denn an, als ob ich ein Wunderthier wäre?« Ein Augenblick des Schweigens ent stand. Walter und Luzie kamen herbei, sie ahnten, daß Doriat eine Gefahr drohe. Montmaheur schloß die Augen urn die höllische Freude zu verbergen, die aus ihnen hervorleuchtete. »Dies- Tafchentuch gehört also Ih nen,« hob der Untersuchungsrichter wieder an. »Wir fanden es um den Handgriff des Meißels gewickelt, der dicht neben der Leiche lag. Er ist mit Blut befleckt und das Werkzeug bei dem Morde, wie bei dem Diebstahl gewesen· Wie kommt dies Tuch, das Jhnen ge hört, in das Zimmer, wo der Mord ver iibt wurde, wie kommt es um den Meißel?« »Das weiß ich nicht," stotterte Do riat. »Mein Gott« Sie werden doch nicht etwa denken, daß ich «—« »Ich verlange eine klare und genaue Erklärung von Jhnen.« »Aber ich kann wahrhaftig weiter nichts sagen.« Walter und Luzie traten jetzt Hand in Hand an den Tisch heran, Beide er sichtlich in großer Erregung. »Herr Richter,« erklärte Walter, »ich bin der Sohn des Ermordeten und habe meinen Vater gewiß lieb. Aber das kann ich Jhnen versicheru, daß Sie ganz und gar irre gehen, wenn Sie auf die sen braven Mann, den Pflegevater mei ner Braut irgendwie Verdacht werfen. Wer Doriat kennt, der weiß auch, wie undenkbar es ist, daß er meinen Vater getödtet und bestehlen haben könne.« »Ich danke Dir, Walten fiir dasl was Du eben gefagt hast,« versetzte der Gärtner. »Aber es ist ja gar nicht mög lich, daß man mich im Ernste anklagen will. Beruhige Dich also nur.« »Es thut mir leid,« entgegnete dei Richter, sich nicht an Doriat, sondern an Walter wendend, »allein wo se schwerwiegende Berdachtsgriinde vor liegen, da habe ich einfach meine Pflicht zu thun.a Er sagte dies in fo nachdrücklichem Tone, daß Walter nichts übrig blieb, als sich wieder zurückzuziehen Ehe Luzie Walter Bourreille folgte. trat fie an ihren Pflegevater heran und küßte ihn mit den Worten: »Wer Dich kennt, Vater, und weiß, wie seelengut und aufrichtiåDu bist, der wird nie mals etwas chlechtes von Dir glau ben!« Dann folgte fie ihrem Bräuti gam auf einen Wink des Richters, der nun fortfuhr: »Herr Doriat, Sie müssen sich llar werden über das Bedentliche Ihrer Lage. Dies Tafchentuch gehört Jhnen und ift bei der That benutzt worden. feine Auffindung unter folchen Um ständen macht es sehr wahrscheinlich, daß Sie der Thäter gewesen find." »Wie oll ich Ihnen denn nur bewei sen,« ri der Unglückliche, »daß ich ein ehrlicher Mann din, der keiner Lüge fähigistV « azu giebt es ein ganz einfaches Mittel.« »O, so nennen Sie mir es doch!« »Sie behaupten, Bontreille habe sich zuerst gewei ert, Ihnen das Geld zu leihen, er ha Jhnen schließlich gestern Abend doch die 2500 Franken einge hiindigt, deren Sie bedurften.« »Ja, das ist die reine Wabrheit.« »Beweisen Sie das! Es ist doch ganz unwahrscheinlich, daß Bourreille Jhnen die Summe ohne Zeugen, oder ohne daß Sie ihm einen Schuldfchein ausstellten, übergeben haben kann. Haben Sie einen solchen Schein unter fchrieben?'« Doriat senkte das Haupt und wurde womöglich noch bleicher. Er sah es deutlich ein, daß seine Lage in der That kritisch wurde, und dafz ein unglückseli ger Zufall sehr schwerwiegende Ver dachtsgründe gegen ihn angehäuft hatte.- Der arme Mann war kein star ier Geist und verlor durch das nieder drückende Bewußtsein seiner üblen Si tuation jetzt völlig den Kopf, der ihm von all’ den Fragen schwirrte. Die ent setzliche Angst, keinen Ausweg aus dem Netze finden zu können, in das er so un erwartet verstrickt worden war, trieb ihn thörichterweise dazu, fein Heil in einer Lüge zu suchen. Er fürchtete, wenn er sagte, an Aussiellung eines ;Schuldscheines hätten weder er noch HBourreille gedacht, so würde man ihm nicht glauben. . »Gewiß,« murmelte er daher mit vor Furcht halb erstickter Stimme, während eine plumpen, ver-arbeiteten Hände stark zitterten, »ja natürlich habe ich ihm einen Schein ausgestellt.« «Nun, dann ist es ja gut —- das freut mich wirklich für Sie. Sie haben ein ehrliches Gesicht, und es wäre mir schmerzlich, Sie fiir einen Verbrecher halten m müssen Weshalb haben Sie das aber nicht gleich ges agt?« »Weil . . . . weil . . . . ich dachte nicht mehr daran,·' stammelte Doriat, dem kalter Schweiß auf die Stirn stand, während er sich durch diese Lüge zu ret ten suchte. Diese Hoffnungsollte jedoch nicht von langer Dauer sein, denn der Richter fuhr fort: »Wie war der Schein abgefaßt?« Doriat wurde ganz verwirrt und wußte nicht, was er sagen sollte; er suchte sich mit seinem schwachen Ge dächtnisse zu entschuldigen. »Nun, denken Sie nur ruhig nach,« meinte Moraines. Und jetzt murmelie Doriat endlich, den Kopf sentend und die Augen schlie ßend: »Ich glaube es hieß so: »Ich Endesunterzeichneter, Michel Doriat, ertliire hiermit, daß ich Herrn Bont reille die Summe von 2500 Franken schulde, die er mir in Baar heute ge liehen hat, den 5. Mai 1870.« — Ja« so war’s!« «Wohin legte Bourreille diesen Scheins« »Das- weiß ich nicht« »Er wird ihn doch wahrscheinlich noch während Jhrer Anwesenheit in ir gend ein Schreibfach gelegt haben ?'« »Nein, er hatte ihn noch in der Hand als ich ging.«' »Wo bewahrt Jhr Vater seine Ge schäftsbriese auf, herr Bourreille?' ragte der Richter den Sohn. » n der Kommode, die in seinen Sch afzirnmer steht.« Darin haben wir bereits alle Schub laden durchsucht, aber teinen Schein ge funden.« »Sie werden nicht genau genug ge sucht haben,« erwiderte Doriat mi« dumpfer Stimme. »Das wäre immerhin dentbar.« Moraines gab dem Polizeitommissä1 ein Zeichen, worauf dieser eine Lamp· anziindete und damit in das Schlaf zimrner ging. Man hörte ihn fast ein« Viertelstunde lang eine Schublade nart der anderen öffnen und Papiere ordnet und sichten. Montmaheur fühlte sich aufs Neu( beunruhigt. Er ahnte janichts von der inneren Qualen Doriat’s, und daß die ser aus feiger Furcht seine Zuflucht zi einer Lüge genommen hatte, sonderr war überzeugt, daß der Schein wirtliel existirr. Fand man ihn auf, danr stand die Sache für Doriat wesentlick günstiger. Der Polizeilommissär lam zuriid Und erklärte: »Ich habe nichts gesunder und sicherlich befindet sich auch lein sol cher Schein im Schlaszimmer.« »Dann hat ihn Voureille verleg1 oder gar verbrannt; was weiß ich?« »Weshalb denn, wie wollen Sie das erklären ?« »Ja, das weiß ich nicht, aber sicher ist, daß ——»« Dem Aermsten verfagte die Stimme Er ließ sich in einen neben dem Tisch stehenden Stuhl fallen und brach in Thrönen aus. »Doriat,« sagte der Untersuchungs richter, »gestehen Sie lieber, dasz jener Schein nicht existirt und niemals existirt hat.« Der Gärtner schlug plödlich mit der eballten Faust auf den Tisch, daß das ätntensasz beina umgefallen wäre. »Nun ja, es st zu dumm, ich will es nur sagen, ich habe gelogen, was ich niemals gethan habe und auch jetzt nicht hätte thun sollen.« »Sie gestehen als-ist« « a, das thue ich.« » te gestehen, Bontetlle getödtet und dann die 2500 Franken, dte er Jhnen geliehen haben sollte, aus der erbrpochenen Truhe entwendet zu ha ben J« » »Das sollte ich gestehen ?« schrie Doriat ganz außer sich. »Herr, Sie sind wohl von Sinnen?« »Nun, was gestehen Sie denn?« »Daß ich vorhin gelogen habe, als ich sagte, daß ich Boureille einen Schuldschein ausgestellt hatte. Weder er noch ich haben an so etwas gedacht. Jch schwöre es Ihnen; es war von lei nem Schuldschein zwischen uns die Rede.« »Warum logen Sie denn vorhin?« »Weil Sie mir eine Unmasse- von " Fragen vorlegten, aus die ich keine Ant wort wußte. Weil ich Angst hatte des Diebstahl-Z angeklagt zu werden. Da » von hoffte ich durch die Lüge loszukom jmen. Es war dumm von mir, ich habe sUnrecht daran gethan, aber im Uebri en bin ich nicht schuldig ——- das wird Zum Jeder bestätigen, der mich lennt.« Moraines entgegnete ernst und ge messen: Michel Doriat, Sie haben mir nach Versailles zu folgen. Jch erkläre Sie hiermit siir verhaftet « Was? Jch verhafteti Ach Gott, das ist Ia nicht moglich! Sie können mich aber doch nicht wegen dieser Un wahrheit verhaften! Es ist das erste Mal in meinem Leben gewesen, daß ich gelogen habe, ich versichere es Ihnen!« Moraines antwortete nicht« Er er hob sich und packte seine Papiere in die Ledermappe. Der Polizeilonnnissär rief die beiden Gendarmen herbei die m r se s ., kaufl ucul Zorn-usiqu yuuusujvuku gnug-km Er ließ das sich über sich ergehen, ohne den leisesten Versuch einer Widersch lichteit. Dann mußte er zwischen den erstaunten Dorfbewohnern vorüber, die ihn trotz der Dunkelheit erkannten· Sie gingen über den Hof und wandten sich dann der nach Saint-Cloud führenden Landstraße zu. Mit tiefgebeugtem Haupte, ohne kla res Bewußtsein schritt Doriat dahin; es flimmerte ihm vor den Augen, in den Ohren glaubte er ein dumpfes Dröhnen zu vernehmen, und seine Füße « stießen häufig gegen die Steine auf dem Wege. Während Moraines sich zum Gehen anschickte, trat der Chemiter an ihn heran und lud ihn ein, doch bei ihm einzutreten und eine Erfrischung zu sich zu nehmen« doch Jener lehnte es dan tend ab, da er in Versailles sofort zum Staatsanwalt müsse. Auch Walter und Luzie näherten sich ihm jetzt wie der, und das junge Mädchen flehte wei nend und mit gerungenen Händen: »Ach, mein Herr. ist es denn möglich, daß Sie meinen Vater eines solchen Verbrechens schuldig glauben?« »Ich verbürge mich fiir seine Un schuld!« hetheuerte Walter. Der Beamte schüttelte den Kopf. »Ich muß meine Pflicht thun. An Doriat ist es, seine Unschuld zu bewei sen.« Dann entfernte er sich raschen Schrit tes, während Luzie ganz sassungslos an die Brust ihres Verlobten fant. Außer den Veiden befand sich jetzt nur noch Montmaheur in der Küche, der sich nicht zu entfernen wagte und bei ; dem Gedanken an die Schrift des Tod ten, die dort nebenan an der Wand stand, von gräßlichet Angst gefoltert »- wurde. Um unauffällig noch länger in k dem Gehöft bleiben zu können, näherte - er sich Walter und bat ihn, ganz über k ihn zu verfügen, wenn er ihm irgend nützlich sein tönne, was der junge ; Mann jedoch wider sein Erwarten dan kend ablehnte. , Johann v. Montmaheur erkannte, z daß er gehen müsse. Nachdem er noch ; einige Worte des Abschieds gesprochen s, hatte, eilte er in die Nacht hinaus. i» Seine Gedanken hafteten unablässig an sk jener Schrift an der Wand, die wie » eine furchtbare Anllage, einSchrei nach Rache und Vergeltung vor seinem Gei ste auftauchte. Was sollte er thun? Vergebens sann -er hin und her, ihm blieb nichts übrig, als unthiitig abzuwarten. Wohl wäre es noch Zeit zum Flüchten gewesen« jedoch er wollte Frankreich nicht verlas sen. Er hatte sich in ein Spiel einge lassen, bei dem der Einsatz das Leben war. Diese Partie tonnte er gewinnen oder verlieren, jedenfalls aber wollte er bis zuletzt der Gefahr erhobenen Haup tes trotzen. Während er sich nach der Fabrik zu rückbegab, war der Polizeikommissär noch einmal in Les Bernadettes erschie nen. Er hatte Walter Boureille mit getheilt, daß jetzt nichts mehr im Wege stände, die Leiche seines Vaters in dem Schlafztmmer auszubahrenx and-könn ten alle Vorbereitungen zum Begräb niß getroffen werden. Dagegen hatte er an eordnet, das an das Schlafgernach iio ende Gemach, an dessen Schwelle das Verbrechen verübt worden war, ganz unverändert zu lassen, und vor läufig verschlossen zu halten, da es wohl möglich fei, daß das Gericht oder die Geschworenen den Thatort beau- « genscheinlichen wollten. Gottfde folgt-)