So nmag s TBUUL Beilage des »Aazeigcr and Herold« zu No. s, Jahrgang l? J. P. Windmpr Herausgehen Grund Jslanly Neur» den 16. Oktober 1896. Diinningyaulxn Roman von Ciaire o. Gliimer Entsetzt-no Sie wollte auch auf ihrem Posten bleiben, als Mutter Rupprecht ihre Kinder bedeutete, Ludwig und Johan na allein zu lassen, aber Jettcher zog sie ohne Weiteres mit sich fort. «En-dlich!« rief Ludwig, indem er Johanna noch einmal beide Hände reichte, aber dann schienen ihm für das - was er sagen wollte, die Worte zu feh « len. Nach einerPause fragte Johanna: «Kornmst Du zu mir oder zu Rupp rechts? Jch meine, mußtest Du, daß ich hier bin?« »Ja, ich weiß es seit wenigen Ta gen,« antwortete er, und mit verdüster ter Miene, in dem alten herben Tone fügte er hinzu: »Schlimni genug, daß ich es erst von Fremden hören mußte! Warum hast Du mir nicht mehr ge schrieben?« »Ich lonnte nicht!" »Du lonntest nicht!« wiederholte er und seine Lippen zuckten. Beide schwie gen; wie hatten sie nach diesem Wieder sehen verlangt, und nun? —— Was trennte sie denn noch? Plötzlich lachte Ludwig spöttisch auf. »So spielt man Verfterlen!« sagte er; »ich sitze in London in Arbeit ver graben; deute, Du bist verheirathet, frage also nicht weiter — und Johann Leopold wird gemeint haben, ich wüßte durch Dich Bescheid. Auch nach Linden bad hast Du nie geschrieben?« Sie schüttelte den Kopf. »Der Brieswechsel mit Mathilde war schon früher eingeschlafen, und ich lia ge so ungern,« antwortete sie. Er hielt das fiir einen Wink und sagte ablens tend: ,,Laß Dir erzählen, wie ich Dich ge funden habe· Bei einem Krankenbesuch -— ich praktizire eigentlich nicht, nur ei nige Landsleute haben mich dazu ge preßt —- finde ich meine Patientin iiber ein deutsches Buch, das sie eben gelesen hat. Sie zeigt mir den Titel; das son derbare Motto erinnert mich an Dich: »Im-Z du nur an zu weben, Gott wird das arn schon geben«; erinnerst Du Dich, wie wir uns mal über denSpruch gezankt haben? — Während ich darani denke, blättere ich mechanisch weitkr: da ist Deine Redeweise; Deine Art,« Menschen und Dinge zu sehen; da ist Lindenbad und der Gartenzaun sogars an dem wir so oft mit der seligen Mut ter gestanden, um den Sonnen-unter gang zu beobachten; ich nehme dasBuch mit nach Haus, lese, lese bis ich fertigl bin -—- ich einen Frauenroman! —- Ut d s als ich ihn beiseite lege, sage ich mir:1 entweder hat sie ihn geschrieben oder es» iebt irgendwo eine Zwillingsseele von« Ihr. Das war mir psychologisch inter- . essant. Das Uebrige kannst Du erra then. Vorgestern habe ich die Antwort Deines Verlegers bekommen —-— und; nun ist’ö an Dir, zu erzählen, was Du erzählen magst. Nur was Du magst,« ; sügte er bitter hinzu. »Ich weiß, daßs ich die alten Rechte nicht mehr habe und nehme sie nicht mehr in Anspruch« i Der Nachsatz that Johanna weh und schloß ihr Herz und Mund. Sie er zählte, gab aber nur die äußeren Um risse von dem, was sie erlebt hatte. Ludwig glaubte, es schmerzte sie zu sehr, in die Tiefe zu Zehen So spiel ten sie auch jetzt noch ersteclen mitein ander, und als die Zeit des Alleinseins vorüber war, wußten sie taum, ob sie sich des Wiedersehenö freuen sollten. Am nächsten Morgen wollte Ludwig abreisen —— er wurde in Lindenbad er wartet s— lam aber noch einmal in das Terrassenhäuschem klopfte bei Johan na und sand sie allein »Deine ist’s an Dir, Bericht zu er statten,« sagte Johanna, als sie sich ge genübersaßen, und er erzahlte in alter vertraulicher Weise von Reisen, For schungen, Arbeiten und Erfolgen. Am meisten schien ihn zu erfreuen, daß er kürzlich den Ruf an eine deutsche Uni versität erhalten hatte. Johanna trag te, ob er ihn annehmen würde. »Ich weiß noch nicht —- es losnent datqu an,« gab er zögernd zur Ant wori; »aber genug von mir. Jch sinde Dich verändert —- erst heute, im Ta geslicht, fällt es mir auf: Du siehst blaß, angegriffen aus —- bift Du trank geweseni« Sie verneintr. »Dann arbeitest Du zu viel, hast zu wenig Bewegung,« sagte er, und mit einem Seitenblick aus den Schreibtisch fügte er hinzu: »Wie bist Du aus die Schriftstellerei verfallen? Jch degreife das nicht.« »Besin-ne Dich, die »Lust zu sabult ren« hatte ich immer,« antwortete Jo hanna. »Mit den Jahren ist sie ge wachsen — Gott sei Dant, daß sie es ist! —- Daß ich einst Komödie spielen wollte, war nur ein Berlennen meiner Aufgabe.« ,,Ausgabe?« wiederholte er. »Du glaubst doch nicht, daß Dich etwas An deres, als äußerlich zwingende Ver hältnisse zur Schriftstellerei getrieben haben? — Täusche Dich nicht —« »Gewiß glaube ich dast« fiel sie ein und ihre Augen leuchteten in stiller Freude. »Das Sehnen und Suchen nach einem Erdenwintelchen, in das ich meine Blumen pflanzen könnte, war da, ehe mich die Noth zur Arbeit trieb, und dann, als meine Existenz innerlich und äußerlich zusammenbrach, hat mir mein Talent Heimath und Freunde und Liebe ersetzt — oder laß mich sa gen: wiedergegeben, denn alles Lie benswerthe, das ich je besessen-, habe ich in meinen Phantasiebildern wiederge funden.« Ludwig sah mit zusammengezogenen Brauen stumm vor sich nieder. »Sieh nicht so sinster drein," sagte Johanna. »Meines Vaters Tochter bin ich nun einmal und wenn von sei ner großen litnstlerischen Begabung auch nur ein Bruchtheilchen aus mich übergegangen ist, so habe ich es dont bae hinzunehmen. als das mir anver traute Pfand und habe damit hauszm halten als frommer Knecht, der über Wenigem getreu ist.« Ludwig kannte und liebte den tie fen, leisen, zitternden Ton, in dem sie die letzten Worte gesagt hatte. Auch ihre Augen leuchteten wie in alten, jun gen Tagen. Mit etwas milderemAuS druck antwortete er: »Lasfen wir das, es steckt Dir wirt lich in Fleisch und Blut; Widerspruch ist da verloren. Nur eine Frage noch: wie haben sich die Dänninghäufer Ia zu gestellt?« »Sie werden teine Ahnung davon haben,« erwiderte Johanna. »Zuwi len, wenn mein Buch so freundliche Aufnahme findet, habe ich mir gedacht, es könnte sie erfreuen« Ludwig schien den Nachsatz nicht gr hört zu haben. «DeinSchreiben war nicht derGrund Deines Bruches mit Otto?« fragte er wieder. »Nein, Otto liebte mich nsicht —- er hat es nie gethan —- ich habe die Be weise,« antwortete sie; das sage ich na türlich nur zu Dir; Großpapa würde Otto nie verzeihen.« ,,Otto und immer wieder Ottok« dachte Ludwig, indem er aufstund. »Ich musz gehen,« sagte er; aber als er Johanna zum Abschied die Hand drück te, schien es ihm unmöglich, sich von ihr zu trennen. ,,Fahre mit nach Lin denbad,« bat er; »das wäre sür uns alle die beste Weihnachtssreude." Sie schüttelte den Kopf. »Für Deine Schwester taum,« ant wortete sie; »und was sollte aus mei ner kleinen Lisbeth werden? Allein las sen tann ich sie nicht, und wollte ich die Winterreise mit ihr wagen, so würde sie sich doch in Lindenbad sremsd fühlen und Mathilden, die Kinder nicht gern hat, noch unwillkommener sein als ich.« Ludwig hatte den Ueberroct angezo gen und nahm seinen Hut. »Rücksichten nach allen Seiten —- ich verzichte!« sagte et in gereiztem Ton. ,,Leb’ wohl, aus Wiedersehen!« Mit diesen Worten drückte er ihr herzlich die Hand. »Schreib’ mitl« bat Johanna; aber schon siel hinter ihm die Thüre in’ö Schloß unsd sie wußte nicht, ob er ihre lehten Worte gehört hatte. Jedenfalls beeilte er sich nicht, ihre Bitte zu erfüllen. Der heilige Abend kam und verging ohne Gruß von ihm, F t ebenfo die Feiertage Johanna war mit sich selbst unzufrieden, daß sie noch immer hoffte und wartete und sich vonf den Erinnerungen, die das Wieder-l I sehen in ihr erweckt hatte, nicht frei masl chen konnte. Wo sie auch sein nrochteJ Im der Kirche im Rappen-schen Faun-s Iumkreise am Schreibtische Linden-! bad unsd Dönninghausen ließen sie nicht los. Und endlich — Johanna lonnte sich des Eindrucks nicht erwehren, als hätte hinüber und herüber eine Wirkung in fder Ferne stattgefunden, —- betam sie Haus beiden Orten ein Lebenszeichen. zDas ersehnte Couvert aus Lindenbad Ienthielt einen Brief Johann Leopold’s an Ludwig, dem dieser nur weniges-Iei len beigefügt hatte. Johann Leopold schriebt » ,,Diinninghaufen, 23. Dez. ’76. Lieber Freund! . ,,Obwohl es mir seit Jahren zur Ge wohnheit geworden ist, bei JhnenRath und Hilfe zu suchen, würde ich Sie mit meinem heutigen Anliegen verschonen, wüßte ich Jemand, der Jhre Stelle ver- » treten könnte. Aber Sie sind der Ein-l zige, der hier einzugreifen vermag. Jchi hoffe daher, daß Sie mir verzeihen« wenn ich das Schwere und Peinliche,s das wir bisher schweigend beiseite ge-( tegt haben, zur Sprache bringen mußt ,,Eben lese ich in der Zeitung, daß der Kunstreiter Carlo Batti mit feinem . Circus für diesen Winter nach Peters- i . burg gegangen ist. Seit Kurzem ist aber auch mein Vetter Otto in ein dor tiges Garderegiment eingetreten. Die Befürchtung, daß ein Zusammentref-» sen zwischen ihm und Johanna zu neu- j en Jndistretionen Anlaß geben, Jo- sz hanna’s Verhältniß zu unserer Fami lie noch einmal als Retlame fürKunft- · reiterei benützt werden könnte, liegt « mithin nahe. Jch will Johanna aus I dem, was sie in der ersten Empörung I gethan hat, kein-en Vorwurf machen, I muß aber gestehen, daß ich sie für eine edlere Natur gehalten hätte. Dieiltück- ; sicht für den Namen unserer Familie « und besonders für des Großvaters per- « sönliche Empfindung durfte sie nicht I aus den Augen verlieren und darf es « jedenfalls nicht zum zweiten Male 1 thun· Wollen Sie ihr das vorstellen, « lieber Doktor? Sie haben größeren · Einfluß auf die Unglückliche als ich. · Erinnern Sie Johanna auch daran, daß Watdemar, Otto’s Bruder, mit 1 feiner jungen Frau in Petersburg lebt. « Jch hoffe. daß es nur dieser Mahnung ! bedarf, um Johanna, nachdem der erste T Zorn überwunden ist. zur Schonung · für uns zu bestimmen. Sollten Sic. ( was ich kaum anzunehmen vermag. mit Johanna nicht in Verbindung stehen I und ihre Adresse nicht wissen, so genugt es wohl, wenn Sie Jhren Brief an dcn j Circus Batti in Petersburg send-n. « »Die Postmappe wird geschlossen, . darum sur heute ein herzliches Lebe wohl von Ihrem freundschaftlich ergebenen J. L von Dönninghaufen.'« Unter diesem Briefe stand, von Lud wig in sichtlicher Erregnung geschrie- . kon I »Liebe Johanna! »So wenig mich Deine kargen Mic theilungen in den Stand gesetzt haben, den Jnhalt dieses Schreibens zu ver stehen, so geht mir doch zur Genüge da sraus hervor, daß Herr O. v. D. Eure -Trennung durch ein nichts-würdiges Lügengewebe zu motiviren sucht. Das soll ein Ende haben! Du wirst mir umgehend die nöthigen Erklärungen geben, so daß ich Deinen Verwandten die Büberei zu enthüllen vermag Glaube nicht« mich daran hindern zu können: aus irgend eine Weise ersahre . ich die Wahrheit. Schlimm genug, daß z Du, um einen Nichtswürdigen Zu, skchänen — sie so lange verschwiegen a .« ! Das war nicht der Gruß, den Jo hanna ersehnt hatte, und doch fand sie gerade in diesen herrischen Worten den - streuen Freund ihrer ersten Jugendzeiti iwtedetz und ein lang entbehrtes Ge jsiihl des Beschühtseins kam über sie. Jn Dönninghausen einschreiten durfte fee zwar nicht, aber es that ih: wohi, zu « wissen, daß er auch jetzt noch bereit Zwar-, mit dem alte-n Feuereiser siir sie einzutreten f Mit dieser Empfindung seßte sie sich an den Schreibtisch, ihm zu antworten; den rechten Ausdruck fand sie jedoch wieder nicht! Als sie den Brief über las, erschien er ihr lalt, ungenügend, und doch mußte er fort, damit Ludwig nicht erst in seiner Weise der Wahrheit nachforschte. Sie hatte geschrieben: »Von ganzem Herzen danke ich Dir für Deine treue Sorge, lieber Ludwig, unsd für Alles, was Du in meinem Ju teresse thun willst und thun würdest, wenn die Dinge lägen, wie Du sie an siehst. Aber Du hast sowohl meine Aeußerungen, wie Johann Leopold’s Brief mißverstanden und falsch gedeu tet. Nicht Otto ist schuld an dem Ge rücht, daß ich Kunstreiterin geworden, sondern Carlo Batti, der mich dadurch zu dieser Laufbahn —- sür die er mir Talent zuschrieb ———— zu zwingen hoffte. Wahrscheinlich ist einliegende, von ei nem Freunde Batti’s verfaßte Zei tungsnotiz Johann Leopold in die Hände gefallen. Bitte, sag’ ihm, wie es sich damit verhält und daß ich» an Ien Jndiskretionen des Zeitungsschrei bers unschuldig bin. Auf alle weite-» ten Erklärungen aber bitte ich Dich zu; verzichten, nicht um Otto zu schonen,; sondern um dem Großvater neuen, "chweren Kummer zu ersparen. Tantes Thetis-, die von Allem Bescheid weint hat mir in dieser Beziehung nicht nur; sugestimmt,sonsdern geradezu verlangt, Iaß ich dem Großvater den wahren Grund meines Bruches mit Otto ver-l schweige. Daß ich ihn auch Dir ver 7chwiegen habe, geschah, — bitte, glau be mir das! —- nicht aus Rücksicht sür' Otto, vielmehr aus einem gewissen mo ralischen Schamgefühl und dem Wi-! )erwillen, noch einmal in alle dieseHer kensverlogenheit einzugehen. Jn mei ier Empfindung bin ich so vollständig Don Otto losgelöst, daß mich die Erin-! ierungen an ihn kaum noch wie etwast Selbsterlebtes berühren. Jch hoffte,s Du hättest das bei unserem Zusam-( nensein erkannt. Da Du es nicht ge-« than hast, freue ich mich der Gelegen-; seit, es Dir zu sagen, denn ich wünsche "ehnlich, Dir wieder ebenso verständ-I ich zu sein, wie in alten, guten Tagen.! bat Dich vielleicht ein Ausdruck des deimwehs nach Dönninghausen oder Broßpapa irre gemacht? — Das sindl Trennungem die ich nie verschmerzeni verde, aber ich weiß, daß sie unwider ruflich sind und bitte auch Dich, sie so )inzunehmen. Schreib’ mir, daß Du )as willst, und dann erzähle mir, wie ss Euch Allen geht, und ob Du Dich kntschlossen hast, in Deutschland zu v)leiben. Wie würde ich mich darüber «"reuen! . .. . Der Brief ging ab. Johanna hatte» berechnet, wenn sie die Antwort daraufk Isaben könnte; aber wieder lamen und» singen die Tage in peinlicher Erwar :ung, und wieder versuchte sie verge bens, ihren Gedanken eine andere Rich tung zu geben. Jm Traum und Wachen war sie mit Ludwig beschäftigt. »Wir müssen uns srst wieder mit einandereinleben,« sagte sie zu sich selbst. i Iinundreißigstes Capitcl Auch diesmal hatten Hildegard und Hedwig einen Vormund gesunden, um den Weihnachtsbesuch in Dönninghau sen zu unterlassen. So saßen denn Im Sylvesternachmittage nur das alte Geschwisterpaar und Johann Leopold Im Kaminseuer der Wohnstube. Das Gespräch stockte mehr und mehr, denn obwohl die Gedanken dieser drei Min schen dieselben waren, und obwohl sie das ahnten, scheuten sie sich, dem Ge siihl der Orde, das sie alle beschlich, Worte zu geben. Endlich war nichts mehr zu hören, als das Windgehenl, das Ticken der Uhr, und dann und wann ein Krachen der Eichenllötze im Kamin, dem jedesmal ein helleres Aus flackern folgte. Und während im tan zendenFeuerschein bald das weiße, noch immer hochgetragene Haupt des Frei herrn, bald Tante Theklcks stilles, sei nes Gesicht aus der Dämmerung auf tauchte, oder Johann Leopold’s Auan Unter der hohen, schon etwas kahlen Stirne glänzten, erschienen im wech selnden Flackerlicht die Bilder vergan gener Zeiten: Jugendlust und Jugend muth; herrliche Aufgaben; liebe, holde, unvergeßliche Gestalten, dem Grabe entstiegen Verlorenes Glück, bereite-l tes Hoffen, Verrathene Liebe, getäusch tes Vertrauen —- wer kennt ihn nicht, den schemenhaften von Jahr zu Jahr anwachsenden Zug, der an den Mark steinen des Lebens an uns vorüberglei tet? Tante Thekla sah ihm mit feuch ten Augen nach, Johann Leopold in stiller Resignation, der Freiherr noch immer mit dem Verlangen, der Ver-! gänglichjeit Trotz zu bieten und festzu halten, was ihm des Haltens werth schien. Er war es auch, der das Schweigen brach. s »So darf es nicht fortgehen!« sagte? er, indem er aufftand und in gewohn ter Weise im Zimmer auf und niederj schritt. »Ueber’s Jahr, so Gott will,« haben wir wieder Kinderaugen unter: dem Weihnachtsbaum. Der Majo-i ratserbe gehört zu uns — da Walde-s mar ein zweiter Sohn geboren ist, muß " er sich von dem ältesten trennen.« s »Das thut er nicht — davon habe! ich mich längst überzeugt, « antwortete Johann Leopold; »und wenn er es wollte, die Mutter ließe sich keinesfalls dazu bestimmen Aber ich hoffe, daß sie Alle kommen — ich habe längst mits Dir darüber sprechen wollen, liebers Großvater; Waldemar ist der Divid matie herzlich müde; seine Frau kaan sich an das Petersburger Klima nicht gewöhnen, für die Kinder ist es gerade- « zu Gift — außerdem Otto’s zweifel hafte Stellung in der Gesellschaft! Sie können wirklich nichts Besseres thun, als ihre Zelte abzubrechen und zurück zukomnien.« »Apropos, Monsieur Otto, was ist’s mit ihm?« sagte der Freiherr. »Klein fenburg hat von Petersburgern Ve kannten Unglaubliches von dem wil den, glänzenden Leben gehört, das der Bursche führen foll. Elegante Woh nung, Dienerschaft, Equipage, herr liche Reitpferde, Trinkgelage, rasende Spielverluste -—— woher, zum Teufel, nimmt er die Mittel zu alledem? —- Du hattest mir versprochen, Dich nicht mehr von ihm ausbeuten zu lassen — »Und habe Wort gehalten, « antwor tete Johann Leopold. »Uebrigens hat er außer dem, was ihm zugesichert ist, nichts von mir beansprucht. Er liat Freunde oder vielmehr Freundinnen gefunden —« »Was-, die Jnfamie wäre mehr als Verleumdung?« rief der alte Herr, in dem er stehen blieb. »Klausenburg hat auch dergleichen angedeutet, aber ich habe ihn heimgeschickL Woher weißt Du davon?« »Waldemar hat es mir geschrieben. Eine alte Fürstin und die Frau eines ehemaligen Branntweinpächters wer den genannt. Waldemar ist unglück lich darüber —« »Das soll er bleiben lassen!« fiel der Freiherr ein. »Wir haben lange ge nug Geduld mit ihm gehabt, endlich weist man dem Elenden die Thür und damit basta —- Räudige Schafe giebt es in jeder Familie — weg damit!« Eine energische Handbewegung ver vollständigte diesen Ausspruch; dann ging der alte Herr ein paarmal schwei gend auf und nieder, endlich sagte er: »Wir sprachen vonWaldemar’S mög licher Rückkehr. Was sollte hier mit ihm werden? — Auf der Bärenhaut lie gen, ist nicht seine Sache —-—« »Das soll er auch nicht,« antwortete Johann Leopold, »Du weißt, lieber Großvater, man will mich zum Land rath machen, und bei den nächsten Reichstagswahlen ist mir ein Mandat so gut wie gewiß. Jch möchte mich aber, um ihnen genügen zu kön nen, zum Theil wenigstens meiner hie sigen Aufgaben entledigen. DieLand wirthschast weiß ich — wenn Du für mich eintreten willst, aufs Beste beauf sichtigt. Das Forst- und Hüttenwesen würde ich Waldemar übertragen « mit den Neuerungen, die ich beabsich tige, nimmt es eine ganze Kraft in An spruch und wir-d ihn befriedigen, war es doch von jeher sein Steckenpferd. Dönninghausen hat Platz für uns alle — und ich sehne mich wie Du, das Wachsen der jungen Triebe am alten ; Stamme zu überwachen.« i »Hast Recht, Junge!« rief der Frei therr, und im Vorüber-gehen bei der Schwester stehen bleibend, fügte er bei nahe neckisch hinzu: »Was meinst Du, liebe Alte, werden wir nicht auch wie der jung und lustig werden-, wenn klei ne, lustige Füße um uns herum lau fen? Wer weiß — wenn man hier wie der lachen hört, kommt auch wohl der Ausreißer Magelone nach Haus —- Ob ihr denn gar nicht einfällt, daß sieWal burg’s mit der Zeit lästig werden könnte?« »Lieber Johann, sie geht nächstens wieder zu Hedwig« antwortete Tante Thekla. »Hier ist sie nun einmal nicht gern —« »Unsinn!« fiel der Freiherr ein. »Was sollte daraus werden, wenn Je der fortlaufen wollte, dem eine Hofs nung vereitelt wird? Dies Hinundher reisen zwischen-Wildenhayns und Wal burgs ist nachgerade unanständig — das schreibe ihr, hörst Du?« Der Diener bracht-e die Lampe. Als er gegangen war, sagte Johann Leo pold: ,,Ueber Magelone habe ich Euch et was mitzutheilen. Vor einer Stunde kam ein expresser Brief — Jch konnte mich bis jetzt noch nicht entschließen -—« »Zum Donnerwetter, Junge, mach’ ein Ende!« rief der Freiherr. »Was ist’s mit dem Kinde? Jst sie krank, todt? —« «Nichts dergleichen!« antwortete der junge Mann. Sie hat nur eigen mächtig über sich verfügt —- hat sich berheirathet —« ,,Verheirathet!« wiederholten die al ten Geschwister wie aus einem Munde und der Freiherr fügte grimmig hinzu: »Weiter im Text! Was ist das für ein Zerren und Zaudern?« »Ich weiß nur die nackte Thatsache, habe nur eine gedruckte Anzeige bekom men,« sagte Johann Leopold. »Aber hier ist eine Einlage für Dich, liebe Tante.« Mit zitternder Hand nahm Tante Thekla den Brief. »Lies laut!« herrschte sie der Bruder an; aber sie konnte nicht; Augen und Stimme versagten. »Willst Du es thun?« flüsterte sie, Johann Leopold die duftenden Blätter reichend, und indem er die Stirne mit der Hand beschattete, so daß der Aus druck seines Gesichts nicht zusehen war, las er ruhig und deutlich: »Verzeih’, liebste, beste aller Tantenl wenn ich Dich mit einer Bitte beim suche, deren Erfüllung kein-e Kleinig keit ist. Aber ich kenne ja Deine Giite und weiß aus lebenslanger Erfahrung, daß Du —- auch wenn Du unzufrieden mit mir bis — immer noch ein Wort der Entschuldigung im Herzen und auf den Lippen findest. So sprich denn auch jetzt fiir mich bei Großpapa und behalte mich lieb . . Ich zähle darani!« lFortsetzung folgt) Eine Hiindstagggcfchichte. Jn einem Eifenbahnwagen der Li nie Sevilla——Cordoba befansd sich eine lustige Gesellschaft, welche einem Tod tenfchiidel, den ein junger HospitalsAF sistent seinem Koffer entnommen hatte, unter allerhand Scherz-en ihreAufmerk famkeit widmeten Plötzlich bekam ein Student den unglücklichen Einfall, mit diesem Todtenfchädsel die Jnsassen des Nach-barcoupee’s zu erschrecken. Ge sagt, qethan. Der Schädel wurde an einem weißen Stock befestigt, mit einem weißen Tuche drapirt, zuniFenster hin aus und vor das Fenster des nächsten Coupee’s gehalten. Die Jnsassen des Nachbarcoitpee’s mußten wohl geschla fen haben, da es Nacht war, denn erst, nachdem man mit dem Schädel gegen das Fenster getlopft hatte, ertönte ein markerschiitternder Schrei, dem — tieffte Ruhe folgte. Die Urheber des ,,Scherzes« ahnten zunächst nicht, wel-· che Wirkung der in dunkler Nacht plötz lich am Fenster erschienene Schädel ge habt hatte. Bei der Ankunft in Cor doba bot sich ein erschütterndes Bild. Von den drei Jnsassen des nächsten Coupee’s wurde eine junge Dame leb los vorgefunden, eine ältere Frau lag im Starrkramps aus der Erde, wäh rend ein bejahrter Herr in Jrrsinn ver fallen war. Die Urheber dieses ,,Scherzes« haben sich selbst gestellt nnd ghen ietzt ihrer Bestrafung entgegen-— rrrl