Sonntags ? Blatt Beilage des »Anzeiger nnd Herold« zu No. 53, Jahrgang lö. ZEJ .P Humans-» Hakusgevcu " E ·· E Grund Jstii·iid,quic"bk»den·i t«;S·eH«tä·iic"vck «-1.;s;"(;)k6. Feujlletonx ««··«·«IImiingijaus-u. Roman von Claire v. Glümek ---- (Fortsehung.) Wochen vergin en; immer leiden schaftlicher vertie te sich Johanna in ihre Ausgabe. Ost genügten ihr die · Tageösiunden nicht, und selbst wenn sie die Lampe verlöscht hatte, fand sie keine Ruhe; die Phantasiegebilde, die sie umdkängten, hielten sie wach, und nur zu ost verzagte sie im Ringen mit der Sprödigkeit des Stoffes, dem Suchen und Tasten, der Unzugänglichteit des Ausdrucks, der unsicheten Hand dem unqeiibten Auge. Daß ihr siökpek bei dieser beständi gen Nerveniiberreizung litt, war na türlich. Mehrmals hatte der Arzt He lene daraus aufmerksam gemacht. daß ihre Stiestochtet der Erholung in ski schek Lust bedürfe; endlich, als diese Mahnung unbeobachtet blieb, wendete er sich an Batti und sagte ihm, daß sie Wwenn für Johanncks Gesundheit nichts geschähe — ------ nächstens zwei Ner venfiebetkranke im Hause haben wür den. Batti stürzte in das Zimmer seiner Frau. »Helene, warum hast du nicht für Johanna gesorgtt« schrie er sie an. »Das Nervenfifeber wird sie bekom men, wird sterben durch unsere Schuld —- verdamini will ich ein, wenn ich uns das je vergebe! omm’, komni’, wir miissen sie um Verzeihung bitten!« Mit diesen Worten stürmte er fort. Helene folgte und fand ihn mitten im Zimmer vor der verwunderten Jo hanna stehend, deren Hände er zwischen keinen beiden Händen ielt, während er ie mit Bitten, Vorschlagen und Selbst antlagen überschüttete. Fortan sollte Helene die Hälfte der Krankenpflege aus sich nehmen; Johanna sollte sich ersrischen, zerstreuen, in den Cirkus gehen,Bekanntschaftmachen. DasEnde vorn Liede war, daß er sie aufiorderte, sich augenblicklich zum Auskeiten anzu tleiden, er würde sie begleiten und sie sollte seine Misz Jane probiren, ein Pferd, das wie für sie gemacht wäre. Ansangsfiihld sie sich etwas beklom men; Batti war nicht nur in der Welt des Sports eine bekannte Persönlichkeit —- das Grüßen von Neitenden und Fahrenden nahm kein Ende —- auch im Volke erfreute er sich großer Beliebt heii. »Der Batti! der Batti!« schrieen die Straßenjungin hinter ihm her, und er wars kleine Münzen unter die Schaar und lachte über die Rausereien, die darum ausbrachem Endlich aber lagen Straßen und Promenaden hin ter ihnen und sort gings die Chaussee entlang im Trabe, im Galopp. Miß Jane, eine zierliche Fuchs-state flog mit Batti’s Rappen um die Wette; nach langen Regentagen lagen Felder und Wälder wieder einmal im Sonnen-H schein; die Lust war frisch und warmk zugleich; das langentbehrte Ausathz nien in freier ust war für Johanna ein Auöathmen derherzei.s««i·ist. Durch gliiht und erquickt lani sie nach Hause. »Donnerwetter, wie sie aussehen!«l rief Batti, als er ihr vorn Pferde half.i »Bitte, werfen sie gleich ’mal einen Blick in den Spiegel und dann leugnen « Sie noch, daß Sie zur Reiterin geboren j ind.« i f Dieser Ausspruch hundertsällig va riirt, wurde der Iijpauptinhalt aller Ge sprii e Carlo Batti’s init«Johanna, und e kam jetzt weit öfter mit ihm zu sammen als bisher. Lisheths Zustand nahm plötzlich eine günstige Wendiingx sie kam zum Bewußtsein, das Fieber verschwand, Schlas und Apeiit stellten sich ein; bald begann sie das Bett aus Stunden zu verlassen. Vatii ver langte mit einer Entschiedenheit, die keinen Widerspruch zuließ, daß sich JO hanna siir ihre langen Klausur ent schiidige, und als Deleiie erklärte, dasz es unpassend sein würde, wenn die Stiestochter ohne sie tin Eirkus, an« der Wirthstasel und bei Battks kleinen Soupers erscheine, gestatteteer. daß für diese Zeit das Kammerniadchen am l Krankenbette blieb. Johanna sollte so bald als möglich an dem Leben, für das Batti sie bestimmt hatte, Gefallen finden. Der Cirtus machte ihr auch wirklich Freude. Die herrlichen Thiere, die ge diegene Pracht der Kostiime, Batti’s Leistungen im Dressiren und Vorfüh ren der Pferde, zwei schöne blonde Schwestern, die ihre Kunst mit heite rem Uebermuth ausübten, das zahl reiche, vortreffliche geschulte Personal, strahlende Beleuchtung, rauschende Musik, ein länzendes, lebhaft Beifall spendendes ublikurn—das Alles ver einigte sich zu einem Eindruck, der Jo hanna angenehm erregte. Sehr unbehaglich dagegen fühlte sie sich in dem Kreise der sich an einem der nächsten Abende zum Souper zusam men fand. Es waren Männer die theils der Aristokratie, theils der Literatur angehörten, der Ton, in dem sie mit Batti verkehrten, schwankte zwischen Herablafsung und riider Vertraulich leit; als er, vom Trinken angeregt, zu renonimiren anfing, zogen sie ihn auf, ohne daß er es bemerkte. Helene wurde von ihnen mit geschmacklosen Schmei cheleien überschüttet, denen sie mit un ersättlicher Kotetterie entgegenkam. Johanna, die ein junger, schweigsa-l mer Lieutenaut zu Tisch geführt hatte, beobachtete ebenfalls schweigend. Der zweite Platz neben ihr war leer geblie ben; endlich erschien ein junger Mann, der, von Batti mit Vorwürer begrüßt, dringende Arbeit fiir seine Zeitung als Entschuldigung seines späten Kom mens anführte. Batti wies ihm den Platz neben Johanna an und sie er-« fuhr, daß er Doktor Edgar Stein hiesH »Also endlich, mein gnädiges Fräu lein!« sagte er. »Da Sie unsichtbar blieben, indes; Freund Batti nicht müde wurde, die bewunderswiirdi sten Din e von Jhnen zu berichten, fing ich an, ie für ein mythisches Weer zu hal ten, ,,umspielt von holden Sagen«.« Johanna neigte stumm den Kopr das rothe Puppengesicht mit den hellen, unverschämten Augen und dem spötti schen Lächeln war ihr unangenehm. Helene, die den Beiden gegenüber saß, lachte gezwungen. »Was hat denn Batti gesagt?« frag-s te sie. »Das müssen wir doch wissen, liebe Johanna.« ! »Er schildert das gnädige Fräulein! halb als eine der tolltühnen reitendeni Wodanstöchter, halb als heilige Eli-« sabeth, »die Traurigen tröstend, die; Kranten heilend« und so weiter; halb als vornehme Dame, halb als Künstle- ! tin — dem Aeufzeren nach glaube ichf Alles!« Darauf verbeugte sich Doctork Stein und lächelte wie voll Hohn übers seine eigenen Worte. i »Johanna, du tannst stolz sein!«« rief Helene. ,,Doctor Stein ist sonftf gegen Damen ganz was sein Name sagt.« ! »Doch nicht Jhnen gegenüber, schän- I ste Frau!« antwortete er. »Sie haben; mich armen, blassen Mond nur nichts bemerkt im Kranz der Sterne, die Jhref sonnenhafte Majestät iimtreisen.« I Dabei schien sein Blick alle Anwe senden zu verspotten. Helene lächelte befriedigt; Johanna fühlte sich mehrs und mehr a gestoßen, und obwohl derl junge Mann, von statt entwickeltem! Selbstgefiihl beschirmt, einen solchen·i Eindruck seiner Persönlichkeit nie fürs möglich gehalten hätte, war ihm dochj klar, daß er nicht die beabsichtigte Wir-s tung auf Johanna hervorgebracht, und; er war nicht der Mann dazu, das zui verzeihen. Die Unterhaltung wurde immer lau ter und rücksichtsloser. Auch im Hausel des Vaters war das häufig geschehen« aber nie hatte sich Johanna davon be-; ängstigt gefühlt. Dort hielt die edles Persönlichkeit des Gastgebers Ueber miith und Fridolität in gewissen Schranten —» wer war hier dazu im Stande? — Endlich ertrug sie es nichts mehr; während ein Toast die Gäste der Tafelrnnde in Anspruch nahm, gelangz es i r, sich unbeinertt zu entfernen, und« E am ol enden Morgen erklärte sie, daß ; sie Lis eth so spät Abends nicht wieder koerlassen dürfe. Das Kind hatte die jAbwesenheit der lieben, gewohnten Pflegerin bemerkt, bitterlich dariiber i eweint und auch nach Johanna’s jgkiicktehr lange leine Ruhe efunden. IBatti mußte sich fortan mit em tag slichen Morgenritt begnügen, den der Arzt Johanna zurPslicht gemacht, und den sie selbst ungern entbehrt hätte. Von Dönninghausen hatte sie nichts wieder gehört, obwohl sie Tante Thekla um Nachricht gebeten. Nur ein paar große Koffer, die ihre sämmtliche Habe enthielten, waren gekommen. Stück für Stiick hatte sie ausgepackt, in der goffnung irgendwo einen schriftlichen ruß zu finden. Umsonst! Nur ein Ring, den die alte Dame immer getra gen, war Johanncks kleinen Schmuck kästchen beigefügt. Sicherlich hatte der Großvater, wie sein Brief vorausge sagt, den Verkehr mit ihr verboten. Um so größer war daher die Ueber raschung, als ihr eines Tages ein Herr gemeldet wurde, dessen Karte unter dem Namen: Doctor Urban Wolf die mit Bleistift geschriebenen Worte ent hielt: ,,bringt Botschaft aus Donningi hausen.« Einen Augenblick fchwantte sie, aber das Verlangen, von den Ihrigen zu hören, behielt den Sieg. Da sie Lis beth nicht verlassen konnte, stellte sie den Wandschirm dicht um das Bett des schlafenden Kindes und befahl, den Fremden herein zu führen. »VerzeihenSie, daß ich so ohne Wei teres hier eindringe,« sagte er. »Ich hätte mich Jhnen durch Batti vorstellen lassen können —- aher es lag mir daran, Sie allein zu sprechen Johanna fühlte sich eigen berührt; das weiche tiefe Organ des Fremden erinnerte sie an einige Töne ihres Ba ters. Das war übrigens die einzige Aehnlichkeit; Doktor Wolf’s Gestalt war klein und dürftig, sein feines, blas ses Gesicht von entschieden jüdischem Typus. ,,Setzen Sie sich,« bat sie, einen Stuhl neben dem Sopha bezeichnend, und mit stockendem Athem fügte sie hin zu: »Sie bringen Nachricht von den Meinigen —- waren sie in Dönning hausönim » as nicht,« antwortete er, ohne sie anzusehen. »Mein Vater, der Anti-« quitiitenhiindler Löbel Wolf,-hat Jh nen im Auftrage des Freiherrn einen Vorschlag zu machen, den ich Jhnen ans seiner Statt mittheilen foll.« l Er verstummte, als ob er eine Er muthigung erwarte; aber Johanna wußte ihm nichts zu sagen. Nach eine:’ Pause fuhr er fort: »Ich fürchte, daß ich Dinge berühren muß, die Ihnen peinlich sind . . .. EJI handelt sich um den Besitz eines Fami lienschmuckes, ein Erbhteil Jhrer Frau« Mutter . . . ch mache keinen Anspruch daran!«· fiel ohanna mit bebender Stimme ein War es möglich, daß der Großvater sie fiik habsüchtig hier« ( »Erlauben Sie, mein Fräulein, dass ich meinen Austrag beendige,« bat der junge Mann und sein Ton und seine Miene verriethen, wie peinlich er ihm war. »Der Freiherr wünscht den Schmuck in der Familie Dönnighausen zu behalten, könnte das aber nur, da der Schmuck Jhr unbestreitbares Ei genthum ist, wenn Sie sich dazu ver ständen, sich den Werth desselben aus zahlen zu lassen. Mein Vater hat den Schmuck taxirt . . . Hier ist seine schrift: liche Erklärung darüber . . . .« Er wollte Johanna ein zusammenge faltetes Blatt überreichen: sie wies es zurück. »Nein, nein, davon kann nicht die Rede sein!« rief sie. »Das Wort Fa milienschmuek sagt zur Genüge, daß ich keinen Anspruch machen kann. Und wenn ich’s könnte . . . . Familienkleini ode verkauft man nicht . . .. auch ich nicht, wiewohl ich keine Familie habet« Sie stand aus und ging an’s Fen ster; der Fremde sollte ihre Thränen nicht sehen. Auch Doktor Wolf erhob sich. »Mein Fräulein,« sagte er nach ei ner Pause, »ich habe noch einen zweiten Auftrag. Das alte Freifräulein hat meinen Vater kommen lassen, hat ihn gebeten, selbst nach Hannover zu fah ren, um mit Jhnen zu verhandeln, Jh nen die herzlichsten Grüße der alten Dame zu bringen und ihr dann Bescheid zu sagen, wie es Jhnen geht. Mein Vater konnte setzt nicht kommen . . . .. . Was darf ich ihm schreiben?« »Daß es mir gut aeht,« sagte sie. »Gut t« wiederholte der junge Mann. »Verzeihung mein Fräulein, das glaube ich nicht« « Johanna wendete sich nach ihm um. »Herr Doctor!« sagte sie mit leise anklingendem Vorwurf. «Verzeihen Sie!« wiederholte er und sah ihr mit einem tiefen, traurigen Blick in die Augen. ,:Jch habe Sie kaum ge sehen, und doch weiß ich, daß Sie hier nicht in passender Umgebung sind. Wie lange werden Sie das aushalten? — Jetzt können Sie’s, weil Sie sich noth wendig fühlen, aber was wollen Sie be ginnen, wenn das aufhört?« Johanna wurde dunkelroth »Herr Doktor, diese Fragen . . . .« fing sie an. »Erscheinen Jhnen in meinem Mun de durchaus ungehörig,« ergänzte er, und mit seinem sanften, eindringlichen Tone fuhr er fort! »Ich wußte, daß- ich Din e berühren würde, die Jhnen pein lich ind, aber das Beste ist doch, gleich zu sagen, wie die Dinge stehen. Das ; alte Freifräulein hat meinem Vater ; anvertraut, daß sder Vorschlag des Schmuckvertaufs nur ein Borwand ist. Der Freiherr hat sich von Jhnen losge sagt, aber er erträgt es nicht, Sie mit ttllos allen Wechselfällen des Lebens preisgegeben zu sehen. Sein Stolz er laubt ihm nicht, Jhnen offen die stützen de Hand zu bieten, und doch fühlt er sich verpflichtet, Sie zu stützen — kom men Sie ihm entgegen.« »Unm«oglich!« sagte Johanna nach einer Pause. Auch er schwieg eine Weile. ,,Lasfen Sie das nicht Jhr Letztes Wort sein,« bat er dann. ,,Denlen Sie nach . . . Bedenken Sie, wie lang und schwer das Leben war,das Ihren Herrn Großvater so hart gemacht hat. Seienl Sie um so mildert —- Wir haben dafür! zu büßen, wenn wir das-nicht zur rech ten Zeit zu sein vermögen.« Er strich das lange Haar von der Stirn undt fügte, wie besinnend, hinzu: »Noch-; mals Verzeihung für meine ungehörige Sprache-! Sie ahnen nicht . . . . Jch kann Jhnen später vielleicht erklären. . . Es ist eine gewisse Leidensverwandi schaft zwischen uns. Den Bescheid für den Freiherrn hole ich mir in den näch sten Tagen.« Und ohne Johanna’s Antwort ab zuwarten, verbeugte er sich und ging. Fünfundzwanzigstes Ca p i t e l. Jn tiefer Erregung blieb Johanna zrirück. Die ganze Bitterkeit ihrerl Trennung von Dönninghausen wurdel ihr wieder fühlbar-, und die Sorge uml ihre Zukunft, die seit einiger Zeit hin und wieder in ihr aufgetaucht war, trat plötzlich beängstigend an sie heran. Der junge Mann hatte Recht, nur so lange sie fiir Lisbeth nöthig war, konnte sie im Hause der Stiefmutter bleiben, und was dann? Jn guten Stunden, wenn sie mit dem f Gefühl des Gelingen-H am Schreibtischl saß, war die Hoffnung in ihr erwacht,. sich durch fchriftstellerische Arbeiten un abhängig machen zu können. Zu an dern Zeiten hatte sie wieder gezweifelt — jetzt, da sie die Frage ernster als je erwog, glaubte sie von des Vaters Stimme die entmuthigenden Worte zu hören: »Talentlos wie ihre Mutter.« Aber warum trieb sie es denn so unwi derstehlich, die Bilder ihrer Phantasie H festzuhalten? und wie hätte sie gerade ljetzt in aller Herzensnoth sich bis zum ’ Selbstvergessen in diese Aufgabe vertie sen können, wenn sie nicht durch ein Er s folg verbürgendes Talent dazu berufen war? Mit pochenden Schläfen stand sie am Fenster und sah in die Dämmerung hinaus. Drüben im Garten aus der Spitze des alten Birnbaumes sang eine Amsel. O, diese Stimme! —- Die qualvollste Stunde ihres Lebens stand Johanna vor Augen, so oft sie diesen Jubellaut hörte. Berufen! —- Hatte sie nicht auch geglaubt, zum Glück der Lie be berufen zu sein? — Nicht umsonst sagt die Schrift: ,,Viele sind berufen, aber Wenige sind auserwählt.« Der Abend und ein großer Theil der Nacht verging für Johanna in diesem Aufundabwogen der Gedanken; mit mildem Kon und schwerem Herzen be gann sie den neuen ag. Um so fri scher war Batti, als te ihren Morgen ritt machten: lauter als je schrie und lachte er in die Welt hinaus. Plötzlich brach er ab und sagte, indem er sein Pferd dicht an Johanna heranlenlte: »Ich langweile Sie sdurch meinem Unsinn, aber heute müssen Sie mir ’was z» Gute halten. Jch habe einen Brief bekommen, der mich aus Rand und Band bringt . . . . Wenn nicht der Teufel seinen Schwanz darüber legt, geht’s diesen erbst nach Petersburg.« Johanna er chral; wie sollte Lisbeth die weite Reise und Härte des russischen Winters ertragen? ,,Helene weiß es- noch nicht, soll auch nichts wissen, bis Alles klipp und klar ist,« fuhr Batti fort; »sie macht mir zu viel Trödel. Aber Jhnen wollte ich gleich Bescheid sagen, weil wir keine Zeit mehr verlieren dürfen. Lieber heute als morgen muß es an die Arbeit gehen . . . . Petersburg ist der beste Ort der Welt fiir Jhr Debiit.« »Mein Debüt!« rief Johanna er staunt. »Bitte, keine Fisematenten machen!« fiel Batti ein. »Wir wollen doch nicht miteinander Komödie spielen? Jch brauche Sie —Sie brauchen mich, das wollen wir doch nur gleich zugestehen. Jhre Art zu — sein —- so etwas von oben herunter, vornehmikiihl möchte ; ichs nennen —- wird den Herren in Pe tersburg ’was aufzurathen geben. Wie eine Königin werden Sie erscheinen ne- » ben meinen beiden lachenden, koketiren-. den Blondinen. Dazu haben Sie Tai( lent, Feuer, Energie und präsentirenl sich auf dem Pferde besser, als irgend( sonst Sie haben keinen Familienan hang —- sind ohne Kunstreiterei in l Bann und Acht gethan — bequemer können Sie’s gar nicht wünschen. Nur seien Sie aber auch gescheidt, besinnen Sie sich nicht länger, das Pferd zu be steigen, das Ihnen meine ehrliche Hand gesattelt und gezäurnt vorführt, und dann« hussah, hallohl in die glänzende Zukunft hinein, die ich Ihnen biete. Was zum Kukuk soll das Zaudern? Einen besseren Lehrmeister als mich sin den Sie nie und bessere Chancen als in meinem Cirkus auch nicht . . . ., Möchte wissen, was Sie dagegen vorbringen können?« ,,Nichts!« antwortete Johanna; »ichl weiß auch, daß Sie vie besten Ahsichtenl für mich haben und danke Jhnen herz lich dafür aber — es geht nicht!«. Batti lachte. «Mertwürdig, daß sich alle Frauen zimmer so gern zieren!« rief er. ,,Las sen Sie’s gut sein « Jhnen steht es nicht.« »Es ist keine Ziererei,« antwortete Johanna. »Fragen Sie Helene, was aus mir wird, wenn ich etwas darstel len soll Wie gelähmt stehe ich da »Das überwindet sich!« fiel Batti ein. »Schwerlich! Wenn ich mir nur denke, wie alle die fremden Augen in mich hineinbohrenR sagte Johanna mit . leisem Schauder. »Aber lassen Sie mich aufrichtig sein: selbst wenn ich meine Scheu überwinden könnte, würde ich aus Rücksicht für meinen Großvater Jhren Vorschlag zurückweisen.« ,,Oho!« rief Batti und sein Gesicht rbthete sich vor Zorn; »meine Kunst ist so ehrenwerth wie jede andere. »Gewiß!« fiel Johanna beschwichti gend ein; »aber wir haben es mit den’ unbesiegbaren Vorurtheilen eines altenl Mannes zu thun. Wie Sie wissen hat er auch die Heirath meiner Mutter nie überwunden, nie verziehen.« ; »Und auf den alten Esel wollen Sie » Rücksicht nehmen?« schrie Batti. »Ich verehre und liebe meinen Groß vater, « sagte Johanna. Batti schwieg eine Weile, dann schüt telte er lachend den Kopf ,,Donner, Halloh! Da war die Prin zessin wiedert« sagte er. »Bleiben Sie dabei — macht sich famos . . .. Jhre sogenannte Rücksicht ist und bleibt zwar der reine Blödsinn, doch Sie sollen auch darin ihren Willen haben Hätte gerne den Namen Jhres Vaters auf meinem Zettel gesehen -—— na! wenn s nicht sein kann, findet sich auch ein anderer auch ein anderes Vaterland. Mademoiselle Soundso, Mifz Dieunddie. . .. Läßt sich alles machen! —- Bin ich doch auch nicht als Carlo Batti im Kirchenbuche eingetragen. Heinrich Rauchplcrtz heiße ich, ebenso wie mein Vater, der in einer kleinen Stadt im Lande Hadeln einen Kramladen besitzt. Der gute, alte Rauchholz hatte ebenfalls seine Vorur theile, meinte, ein Kunstreiter seines Namens könnte dem Ansehen feiner Firma Abbruch thun. Ein Lamento «gab’s- zum Steinerweichen! Zur Um ; kehr, das heißt zum Abwägen von Sy ! rup und Schnupftabak konnte ich mich jfreilich nicht bequemen, so schossen wir ; denn einen Vergleich; er ließ mich lau s sen; ich verwandelte mich in Carlo s Batti, und ich glaube, daß ich dem Na x men Ehre gemacht habe. Und nun be lsinnen Sie sich wie Sie heißen wollen« und machen Sie’s ebenso.« » »Ich kann es nicht! Glauben« Sie lmiy ich kann es nicht!« antwortete Jo lhanna »Haben Sie nochmals herz - lichen Dank, aber lassen Sie uns nicht weiter davon sprechen, ich bitte Sie! Es quält mich und kann zu Nichts füh ren.« Eine Weile ritten sie schweigend ne ben einander fort, dann sagte Batti: »Fräulein Johanna, nur noch Eins. Haben Sie auch bedacht, daß Ihnen, wenn Sie auf meine Vorschläge ein gehen, in kurzer Zeit eine glänzende Zukunft und eine glänzende Einnahme gewiß ist? —- Sie stehen vis-a-vis der Noth!« -.:» —--· »« .- - --«.----.— Johanna erröthete. Dieselbe Mah nung in nicht ganz Vierundzwanzig Stunden. »Vielleicht bin ich nicht ganz so hilf los, wie Sie meinen,« gab sie mit be bender Stimme zur Antwort; »ich hoffe ein anderes Talent zu besitzen, das frei lich auch erst ausgebildet werden muß. Jch habe — Sie sind der Erste, dem ich es sagte — ich habe zu schriftstellern versucht.« Carlo Batti stieß einen langen leisen Pfisf aus. « ,,Kurioser Geschmack!« sagte er dann, »an einer Schnecke reiten wollen, wenn man ein Rennpferd haben könnte! Aber freilich, jedes Thierchen hat seine Ma nierchen. — Sollten Sie sich übrigens noch anders besinnen, so wissen Sie mich zu finden. Jch bin immer für SieLZa.« « » ie gut Sie sind!« rief Johanna. N»ochmals Dank und seien Sie mir nicht bose! — Bitte, sagen Sie, daß Sie es nicht sind.« Mit diesen Worten streckte sie die . Hand zu ihm hinüber; er nahm sie mit festem Druck. ,,Böse nein!« antwortete er; »aber daß es mich wurmt, will ich nicht leug nen. Lassen Sie uns nicht weiter da von sprechen —- wir haben unsern Ga lopp noch nicht gehabt.« Und fort jagten sie, die Herrenhäuser Allee entlang. Der MIßmuth Batti’s war jedoch zu tief, um durch den Ritt zerstreut zu werden; je länger er über Johanna’s Weigerung nachdachte, um so mehr ver droß sie ihn, und als er, wie fast täglich, zum Frühstück in der Weinstube mit Doctor Edgar Stein zusammentraf, fragte dieser sogleich, was seinem »theu ren Freunde« widerfahren sei. »Geärgert habe ich mich, mag aber nicht darüber sprechen!« schrie Batti, als ob er alle Anwesenden davon unter richten wollte. »So lassen Sie uns frühstücken,« sagte Doctor Stein; »ein Glas Wein spült die Grillen fort. »Grillen! Wer sagt Jhnen denn, daß es Grillen sind?« schrie Batti wie der indem er sich setzte, und ehe der be stellte Wein gebracht wurde, wußte Doctor Stein, daß Batti’s oft bespro chene Pläne in Bezug aus Johanna ge scheitert waren. »Sie haben wohl nicht genug gebo ten?« fragte der junge Mann. »So weit hat Sie’s gar nicht kom men lassen,« antwortete Batti. »Nein, die Geldfrage spielt bei der keine Rolle, die vornehme Verwandtschaft ist’s, die ihr im Kragen liegt. Während die hochnasige Sippe von ihr nichts wissen will, ist Rücksicht und wieder Rücksicht die einzige Antwort, die ich bekommen habe . . . . Zum Tollwerdeu ist’s!« Doktor Stein sah sinnend vor sich nieder. »Was geben Sie mir, wenn ich das Vögelchen zahm maches« fragte er end lich. Batti zuckte die Achseln »Wenn das Jemand könnte-, l)ätt’ ich’s gethan!« antwotete er; »ich habe denn doch wohl mehr Einfluß als Sie.« »Wetten wir!« rief der junge Mann. »Zwanzig Flaschen Sekt, wenn ich Dame Hochmuth in den Cirkus treibe.« Bati sah ihn mißtrauisch an. »Was haben Sie vor?« fragte er. (Fortsetzung folgt.) I JIW VIII-sk- E