Jst Badeort. Novellette von Konrad Tellmann. Der »Roth« war in dein kleinen Ba deort entschieden die hervorragendste Persönlichkeit Alle behandelten ihn im Kurhaus mit dem gleichen, etwas scheuen Respekt, an den er auch durch aus gewöhnt zu sein schien und den sei ne kühle Zugeknöpftheit geradezu her ausforderte Er hatte in seiner steifen Würde etwas, als ob er die Anderen gar nicht sähe, ohne die Formen äußer licher Höflichkeit ganz zu mißachten, eine ungekiinstelte Unnahbarieit verein sammte ihn. Was für ein ,,Rath« er eigentlich war, wußte fast Niemand. man munkelte aber etwas oom Ministe rium, von einflußreicher Hofstellung in einem kleinen Fürstenthum; der Kur ort war stolz auf ihn und den Neuan kommenden wurde der »Nath« als Sehenswürdigleit in Ermangelung an - derer gezeigt. « An der Mittagstafel saß er obenan und unterhielt sich mit Niemand. Kei ner wagte ihn anzureden,denn der Rath sah verdrossen und ablehnend zugleich aus. Jrgendwer wollte wissen, daß er Unglück in der Familie habe. Sein ein ziger Sohn wollte nicht gut thun, aus der Karriere s pringen, die ihn zum prä deftinirten Nachfolger seines Vaters in Amt undiWiirden stempelte, eine un Passende Heirath eingehen, —- lurz: es sei ein Kreuz und gar kein Wunder, daß der Kummer und Aerger dem Rath ein Gallenleiden zugezogen habe, von dein er hier nun Heilung suche. Seit diesen Eröffnungen betrachtete man den Rath vollends nur mit schüchterner Ehrfurcht. Nur die Dame, die seit einigen Ta gen den Platz zu seiner Linken an der Tafel inne hatte, schien sich plötzlich ein Herz gefaßt zu haben, denn man erlebte es, daß sie den Rath, der ihr mit stum-v mrr Höflichkeit eine Schüssel reichte, plötzlich einmal anredete —- die ganze Tafel war des Staunens voll —, und das Unglaublichere, daß er ihr auch antwortete. Kurz und gemessen, das verstand sich von selbst, —- aber er ant wortete ihr. Und trotz des kühlen Be sremdens, das die Zunächstsitzenden ganz deutlich aus seinen Worten woll ten hervorklingen hören, ließ sich die Dame nicht a schrecken, das Gespräch fortzusetzen Die Dame that noch so, als sei gar nichts Besonderes dabei, sondern plauderte ohne jede Beflissen heit oder das zur Schau getragene Be wußtsein, etwas Großes und Bedeu tungsvolles zu thun, so harmlos und munter, als sei sie nie etwas anderes gewohnt gewesen, als sich mit Ministe rialräthen oder was der »Distinguirte« nun war, über das Wetter und die Spa ziergänge des Badeörtchens zu unter halten. Es war stark, es erregte eine gewisse Jndignation an der Tafel. Denn wer war sie, diese Dame? Man wußte gar nichts von ihr, sie hatte überhaupt keinen Titel. »Frau Cranz« stand im Fremdenbuch. So konnte Jede heißen. Wenn sie »was gewesen« wäre, hätte sie es sicherlich nicht verschwiegen. Frau Cranzt das konnte die Frau eines kleinen Kramwaarenhändlers sein, —— wer wußte das? Und die wagte es, den »Rath« anzureden wie Jhresgleichen, wie einen Kunden vor dein Ladentisch! Und der Rath nahm das merkwürdiger weise nicht einmal übel auf. Diese See lengröße, dieser wahrhaft vornehme Takt schufen ihm noch mehr Bewunde rer, als er ohnehin gehabt hatte. Als er beim Dessert frisch von der Tafel er hob, verneigte er sich sogar vor Frau Cranz. Er war eben ein Weltmann. Und sie-nein, wahrhaftig, sie erröthete nicht einmal, sie lächelte ganz zutraulich und grüßte mit einer Kopsneigung. Von da an war Frau Cranz gerichtet, man mied sie, man begann sie zu hassen. Sie lonipromittirtesozusagen den Kur ort. Und nicht etwa, daß sie am näch sten Tage ihre Jmpertinenz bereut und durch andächtiges Schweigen nach Möglichkeit wieder gut gemacht hätte, —- teine Rede davon, im Gegentheil: diese Frau unterhielt sich nur noch leb hafter mit dem Rath, als Tags zuvor, ungeachtet aller drohenden Mienen. al les Räusperns und Augenverdrehens der Umsitzenden Und der Rath ließ sich - das gefallen. Er hatte zwar eine eigenei Art-Frau Cranz nicht anzusehen, wäh- j rend er sprach, und gab seine höflich formelle Gemessenheit, die ihm längst in Fleisch und Blut übergegangen, nicht auf, aber von einer Abweisung der lä gtgen Schwatbase merkte man nichts. a, man mußte in den nächsten Tagen — osgar noch erleben, daß der Rath mit rau Cranz auch außerhalb der Kur haussTabie-d’hote sprach, —- sei’s am Brunnen, sei's auf der Pronienade, — ja, daß er schiiesilich sogar Nachmittags insanie Spaziergänge nach den Lib K ationen und zu den Quldauisiebteu wachte. Das gab eine Frosche Mit-n »unter der Kruge --- W Anbetchtetesichderak - Oe nicht etwa den -« der ja nur als ein Op er seiner » J weltmiinnischen Kourtoisie gelten konn te« die ihm keine Wahl gelassen hatte. Diese aufdringliche Parvenue mußte eine empfindliche Strafe treffen. Die ganze Kurgesellschaft brütete Rache. Vor allem beschloß man, Eriun·di gungen über sie einzuziehen. Wer war sie? Was trieb sie? Man war gar nicht im Zweifel darüber, daß man » tompromrttirende Dinge über sie in s Erfahrung hingen werde. Diese ; dann dem Rath in geeigneter »Weife beizubringen, ihn zum so sofortigen schroffen Abbruch sei ; ner Beziehungen zu Frau Cranz ver s anlassen und diese dadurch zwingen, ! unter allgemeiner Verachtung und ; Schimpf und Schande den Kurort zu ! verlassen, — das war so ungefähr das : Leitmotiv für den im Stillen geschwie ideten Racheplan. Nach allen Seiten ’hrn flogen Biefe um Auskunft übrr Frau Cranz. Inzwischen begnügte man sich damit, sie durch Blicke zu töd ten, durch Tuscheln und vielsagendes Anstoßen mit den Ellenbogen zu beschä men, ohne aber nennenswerthe Resul tate dadurch zu erzielen. Diese Frau hatte eine eiserne Stirn. Jmmer inti mer schien ihr Umgang mit dem Rath zu werden, man sah die Beiden eigent lich den ganzen Tag zusammen· Es war nachgerade ein Standai. Der Rath selber wunderte sich im Stillen über den wachsenden Einfluß, den diese Frau auf ihn ausübtr. Er war leidend, verbittertundin menschen feindlichfter Stimmung hierhergetom men. Und nun fühlte er sich nicht nur körperlich von Tag zu Tag wohler dank dem heilträftigen Brunnen, son dern auch innerlich um so viel befriedig ter und weltfreundlicher, weichet und milder, daß er aus dem Erstaunen über sich selber nicht herauskom. Er tonnte kaum darüber zweifeln daß diese merk würdige Frau an dem allen die Schuld trug. Sie lachte ihm seine Grillen fort. sie verscheuchte ihm durch munteres, aeistvolles, angeregtes Geplauder die sorgen-zollen und trüben Gedanlen. Sie hatte eine besonders feine Art, das Le ben zu nehmen, wie es war, und jedem Ding die beste Seite abzugewinnen. Manchmal erinnerte sie ihn darin an eine Gestalt aus ferner, ferner Jugend zeit. Vielleicht trug auch das ein wenig dazu bei, ihm den Umgang mit ihr so sympathisch zu machen und diesem Um gang einen so weitgehenden Einfluß auf sich einzuräumen Mit der Zeit konnte er diesen Umgang gar nicht mehr entbehren und wurde er dieser Frau ge genüber so vertrauensselig und offen berzig, wie es s eine Art sonst nicht war. Es drängte ihn darnach, es zwang ihn dazu. Und auch er fragte sich manchmal im Stillen, gerade wie die ganze Kur gesellschaft des Oertchens: wer sie wohl eigentlich s ein mag? Daß sie die Frau eines Beamten war. so viel hatte sie ihn errathen lassen, und das nahm ihn na türlich besonders für sie ein. Durch die Bielseitialeit ihrer Interessen und durch ihre Welttenntnih, sowie durch die Fülle ihrer Beianntschaften in allen Lebens- und Berufslreisen fiel sie ihm aber auf’s Vortheilhafteite unter allen Beamtenfrauen auf, die ihm ie begegnet waren« Und reizt-aller als Alle war sie trotz ihrer fünfzig Jahre, die sie ja wohl zählen mochte, sicherlich. l Eines Tages konnte er endnch nicht mehr umhin, seiner neuen Freundin den schweren Kummer seines Lebens zu eröffnen, denselben, der ihn krank ge macht hatte und ihm sein einsames Al ter verbitterte. Er war Wittwer, hatte nur einen einzigen Sohn, einen prächti gen, lebensvollen, reichtalentirten Bur schen, der es glücklich in ungewöhnlich jungen Jahren schon bis zum Assessor gebracht hatte und Gott weiß wie weit s hingen wiirde, mit seinem Wissen und sseiner Begabung Und dieser Sohn s hatte plötziich die Kaprtce bekommen, eg« « stecke ein Dichter in ihm, wollte umsat »teln, sich nahe einer lebenslang-gen eh ; renvollen Versorgung,wieer war, aufs userlos e Meer hinauswagem allen Tra ditionen des Hauses und Namens Hohn s prechen. Und das war noch nicht einmal Alles! U hatte auch noch ein Liebesoerhältniß mit einer kleinen Schauspielerin, — einer ganz unbedeu tenden Person wie es schien, und wollte die sogar heirathen. Tollheit über Toll 'beit! Jhm, dem Vater, der aus-diesen Sohn alle Zukunftshossnungen seines Lebens gegründet hatte, war’s gerade zu ein Todesstoß. Es hatte ihn trank gemacht, es würde ihn nie wieder ganz genesen lassen. Und Viktor war ein Starrkods. ihn aus den rechten Weg zu rückzusiihren, wenig Aussicht. Das Frauenzimmer, dem er die Ehe ver sprochen, wiirde ihn natürlich nicht wie der loslassen. —- es war eine verzwei selte Geschichte Frau Cranz hörte das alles — es war am Waldrand aus einer Ruhebank nnd das Thal lag im Ahendsrieden zu ihren Füßen — mit an, hin und wieder leise lächelnd, aber ohne den Rath mit einem Wort zu unterbrechen. Nun. nach einem kleinen Stillschweigen, stag te sie nett eigenartiger Wuns: «Und Sie, here Roth, haben Sie in Ihrer H Jugend wohl niemals ähnliche Streiche gemacht oder, besser gesagt, sind nie zu ähnlichen Seitenspriingen geneigt ge wesen, nicht wahrt Jch frage das bloß — verzeihen Sie —, weil ich eine An hängerin der Vererbun stheorie bin. Und da ist es doch mer würdig, wie solch’ ein fremder Tropfen in so solides Beamtenblut hineingeröth.« Rath Hillrnann war bei diesen Wor ten etwas unruhig auf der Bank hin und hergerückt, hatte seiner Nachbarin einen unruhigen Seitenblick zugeworfen und war dann in eine merkwürdig sin nende, träumerische Stimmung versal len. «Nein,« hatte er erst sagen wollen, fügte dann aber nicht ganz ohne Verle genheit hinzu: »Das heißt — nun ja, sehen Sie, verehrte Freundin, man ift ja auch einmal jung gewesen. —- Man hat ja wohl auch einmal Verse emacht, man hat sogar von sich eine Zeitlang geglaubt, man könne es zu etwasBesom derem bringen. —- lieber Gott, ja. — Aber man hörte aus vernünftigen, vä terlichen Rath und lernte sich beschei den« ——— er seufzte ganz leise. —- ,,es mußte eben sein. Und schließlich — man ist ja nicht daran zu Grunde ge gangen,« setzte er mit einem gewissen melancholifchen Lächeln hinzu. »Nein,« sagte Frau Cranz und lä chelte ganz in ähnlicher Art. »Sie hat ten aber auch wohl keine Liebschaft im Genre Ihre-Z Herrn Sohnes-, Herr Rath Und das ist doch wohl das Er schwerendste dabei!« Diesmal tam Rath Hillmann’s Ant wort noch zögernder heraus und lautete noch unbestimmter: »Ich? Oh, das beißt, ich hatte, wie das bei jungen dich terisch beanlagten Leuten ja immer so ist, eine große Vorliebe für’s Theater, — ich lernte da auch wohl die eine oder andere Künstlerin der Bühne kennen,——— gewiß, ja —- das geht ja so. Aber wol len wir jetzt nicht lieber weitergehen, anädige Frau? Es könnte Ihnen zu kühl werden, fürcht’ ich.« »Nein, bitte, bleiben wir doch," fiel sie ein. ,,Dieser linde Sommerabend ist ja wundervoll. Und —- offen gestan den — ich bin etwas neugierig gewor den. Jch möchte gern mehr wissen. Jch selber habe einen Einblick in das Leben mancher Bühnenkiinstlerin gehabt und ungefähr müssen wir Beide ja wohl zur selben Zeit jung gewesen sein, Herr Rath· Sie waren damals· in Magde burg2 Jch kenne Magdeburg. Lassen Sie einmal hören! Welche von den da maligen Theaterheldinnen hatte es Ih nen denn angethan2 Jch finde, Sie können jetzt sehr ruhig darüber spre chen. Die Dame muß weiße Haare ha ben und ist wahrscheinlich Großmut ter." Der Rath gab sichtlich nur zaudernd diesem liebenswürdigen Drangen nach. «Jch —- ich war unter Anderen mit ei nem Fräulein Hannah Jagemann be kannt. Jch weiß nicht —« »Ah!« machte Frau Cranz. »Die kenne ich, sehen Sie, wohl! Die hatte eine etwas romantische Liebesgeschichte mit einem jungen Regierungs-referen dar. Die Beiden waren nahe daran, durchzubrennen — nach Buenos Ahres. glau.b’ ich. Nun, der Vater des jungen Herrn lam dahinter und das junge Mädchen wurde aus gute Manier — abgeschoben. Der Onkel des Herrn war nämlich Polizeipräsident dort. Und eine unbedeutende Komödiantin — nun, Sie begreifen. Und die Geschichte ging dann ganz nüchtern und unpoetisch aus-. Der Reserendar, der eigentlich sich für einen großen Dichter gehalten hatte, sah ein, daß er sich doch wohl getäuscht hatte, daß die kleine Jagemann keine passende Partie für ihn sei und — was haben Sie denn, Herr Nach« »Ich —- oh, ich —- ich dachte nur eben« —- eine oerhaltene Erregung quoll in ihm empor. »Frau Cranz, wenn ich fragen dars: woher ———, nein, ich wollte. fragen: Wissen Sie —- wissen Sie viel- . leicht, was aus der —- jungen Dame ge worden ist?« Vor Allem eine alte Dame,« klang es zurück. »Das ist ja so der Lauf der Welt, bester Rath. Uebrigens hat auch sie sich getröstet, —- und schließlich sogar eine aussallend gute Parthie gemacht. Sie hat dann die Bühne verlassen und ist heute. obgleich kinderlos, eine glück liche und zufriedene Frau Präsident. Denken Sie nur einmal an: die kleine Jagemann die Chesin eines großen Ne gierungsbezirkesl Sie hatte es nun einmal durchaus aus einen Regierungs rnann abgesehen, wie es s cheint, und der ihrige avanrirte schnell und glänzend.« »Seht merkwürdig!« Der Rath schüttelte gedankenverloren den Kaps. Raum glaublich! Und —- sie ist eine wirkliche hohe Beamtengattin gewor den, — eine respektable Dame der gu ten Gesellschast, — eine, der man gar nichts davon anmerkt, baß sie stil t — ,,Man sagt das wenigstens ganz all gemein, wie ich höre. Kein Mensch t ihr je etwas vorzuwersen gehabt, i re tiinstlerische Vergan hei bildete we der ein Dinderniß das Mement ihres Dienstes« noch gesährdete es ie gendwie ihre oder seine gesesschastltche r J Position. Jm Gegentheil: man sagt, zdie guten Formen und die geselligen Talente der Frau hätten Manches dazu beigetragen, dieselbe zu einer domini renden in der Stadt zu machen. Sie ge nießt viel Verehrung, die Frau Präsi dent. Jch meine also: wenn die Liebe der beiden jungen-Leute —- Jhres herrn Sohnes und der kleinen Komödiantin — nur echt ist, wenn es sich da wirklich »um eine tiefe herzensneigung handelt und gegen die kleine Komödiantin sonst nichts Ehrenriihriges einzuwenden ist, außer ihrem Stande," — die Spreche rin lächelte —- «fo möchte der Karriere des Herrn Afsessors —- auch im Falle er der Beamtenlaufbahn treu bleibt, — wohl schwerlich durch diese Verbindung ein Hemmschuh angelegt werden. Wird er aber wirllich Schriftsteller, der here . Sohn, nun, dann ist diePartie ja gewiß jpassend Und ob er das werden — aus Fschließlich werden foll, das würde ich, Herr Rath, einfach von der Stärke sei nes Talents abhängen lassen. können Sie ihm —- er ist ja noch jung, wie Sie sagen — eine Probezeit. Dann wird sichs ausweisen, ob sein Talent start genug ist, sein ganzes Leben zu tragen nnd zu erfüllen, oder ob er eines festen, bürgerlichen Berufs daneben bedarf, um gegen äußere Noth und innere Ent tiiuschung gesichert zu sein. Das wäre in beiden Punkten mein Rath. Vor Allem muß man als Vater doch an das Glück seines Sohnes denken, nicht an eigene Wünsche und Hoffnungen, nicht? Wenn es sich freilich bei Jhrem Herrn Sohn auch nur um eine Neigung han deln sollte. wie bei jenem Regierungs referendar, der die kleine Hannah Ja gemann sitzen ließ —" Rath Hillmann unterbrach die Sprecherin mit einem starken Räuspern. Dann ergriff er ihre beiden Hände. Er war sichtlich bewegt. »Ich dante Ih nen. Und es soll Alles so werden, wie Sie mirs vorschlagen- Ja. Sio haben Recht, ich muß allein an meinen Sohn denken. Ihnen darf man folgen. Und dies junge Mädchen, das mein Sohn liebt — ja, ja, ich werde Erkundigun gen über sie einziehen und wenn nichts sonst gegen sie spricht —'« »Dariiber tann ich Sie zufällig voll ständig herubigen, Herr Rath,« fiel Frau Cranz lächelnd ein, ,,es ist zufäl lig meine Nichte." »Aber das ist ja ein merkwürdiges Zusammentreffen! Und dann bedarf es ja keinerlei weiterer Ertundigungen mehr. Eine Nichte von Ihnen, verehr teste Freundin, wird mir jede Stunde als Schwiegertochter hoch willkommen sein. Möchte Sie — hrer Tante nur in jeder —- jeder Bezie ung gleichen!« Er tiißte Frau Crunz beinahe feurig die Hand ·.«-- « -s »Au, na:" machte viere uno erqoo scherzhaft drohend den Finger. »Im mer haben Sie nicht so günstig von mir gedacht, Herr Rath Hillmann!« »Gnädige Frau!?" rief er bestürzt, fragend, unsicher, während eine fahle Blässe sein Gesicht bedeckte. Eine furfchtbare Ahnung dämmerte in ihm au . Sie aber entnahm ihrer Aleidertafche ein zierliches Visiteniartenetui. reichte ihm daraus eine Karte hinüber und sagte »Ich muß mich Jhnen doch nun, da mir in gewisse verwandtschaftliche Beziehungen zu einander treten sollen, auch mit vollem Namen und Titel vor stellen, Herr Rath.« Nach dem iaitigen Weiß über-glühte jetzt ein heißes Noth Stirn und Backen des Rathe-L Mit stockendem herzschlag itas er: »Frau Regierungspräsident »Hannah Cranz, gebotene Jagemaun.' jEin paar Augenblicke hindurch war ihm zu Muthe, als ob sich die Erde un ter ihm aufthäte, um ihn hinabzufchlin gen. Die Gattin eines hohen Vorge setzten und feine einstige Getiebie in ei ner Person! Es war etwas viel auf einmal. Jhmschwindelir. »Gnädigfte Frau —« er war ausgestanden, er hatte die Hand aufs Herz gepreßt, seine Kniee fchlotterten. Und als sie ihn im mer nur mit ihrem delustigten Lächeln anblickte, stotterte er: »Wenn ich hätte ahnen können, welche Ehre — und wie der-erkennen konnte ich Sie ja unmög lich. —- Jch — ich habe nicht schön an Ihnen gehandelt —- aher —- dafiir soll mein Sohn —" er verwirrte sich, der Schweiß perlte ihm in hellen Tropfen von der Stirn. H »Na, na, na,« machte iie und legte ihm aufstehend mitleidig die band aufs die Schulter. »Sie sehen ja, lieberj Rath, es iii mir trotzdem nicht schlecht bekommen. Wir haben’s Beide verwun den. Jugendthorheiten, Reinhold Vill mann, nicht wahr? Jugendthorheiten! Und jeßt haben wir graue Haare. Ueb rigens: ein bischen von ’net Komödi antin steckt in »der Frau Präsidentin doch immer noch, was? Die Lust am Jntriguiren, mein’ ich. Sehen Sie, ich bin Ihnen noch ein Betenntniß schniva —»« »Noch eins?« ftammelte der Rath ausseufzend. »Ja, ich hin nämlich blos im Inter esse meiner Richte, fiir die ich nun ein mal einsaihle habe-Ue soll Iit Iknertwiirdig ähneln, innerlich « und außerlich —- und aus Rath und Bitten 1 derselben hierhergetomnren, urn den Va iter«ihres geliebten Assessors herumzu triegen, — verstehen Sies« f »Aber wenn Sie mir gesagt hätten,« ’ fiel der Rath ein, »daß dies junge Mäd » chen die Nichte eines Präsidenten ist, « würde ich ja ohne Weiteres gleich ———« ,,Ja,« lachte sie. »Daswuszt’ ich wohl. « Aber das wollt’ ich eben nicht, begreifen Sie? Man hat so seinen Stolz. Und nun, lieber Freund, geben Sie mir Ih Jren Arm und führen Sie mich nach JHausr. Und lassen Sie uns noch ein ;bischen von alten Tagen plaudern, ja? T —- Wollen Sie?-« , — —- — i Nachdem ask Bemühungen der Kur lgesellschast etwas Näheres und mög lichst Nachtheiliges über die unbekannte, ausdringliche Frau Cranz in Erfah rung zu brin en, bisher escheitert wa ren, brachte i nen der Zu all in Gestalt eines neu anlangenden Kurgastes die Genugt uung, sie plötzlich zu entlarven. Denn d er schwor, sie in seiner Ju gend als ,,Naive« aus der Bühne seiner Vaterstadt gesehen zu haben. Da war's also endlich heraus: eine elende Komö diantinl Man hätte sich's denken tön nen. Und nun war der Moment der Rache gekommen. An eben jenem Abend, als Rath Vill mai-m Frau Cranz an seinem Arm bis an’s Rathaus geleitet hatte, begab sich eine Deputation der Kurgesellschast zu ihm insein Zimmer, um dein höchlichst Erstaunt-en die tiefe Jndignation der gesammten Badegäste darüber auszu drücken, dasz es eineAbenteuerin gewagt habe, seine vornehme Abgeschlossenheit zu durchdringen und —« Der Rath hörte die wohleinstudirte Rede gar nicht zu Ende, sondern unter: brach sie mit den Worten: »Meine Her ren, ich darf nicht dulden, daß Sie die zGattin meines hohen Vorgesetzten — ich selbst bin nur ein ganz simpler Re gierungsrath, habe es leider nie weiter gebracht — hier beleidigen. Wenn der Regierungspriisident Cranz je erführe, daß seine Frau hier den tränkendsten Jnsinuationen ausgesetzt würde —- —« Als Frau Cranz drei Tage darnach das Badeörtchen verließ, hätte sie sich ein eigenes Coupe miethen müssen, um alle die Bouquets zu befördern, die ihr von der mit geltiimmten Rücken voll zählig aus dem Bahnhof dersammelten Kurgesellschast überreicht wurde. Sie nahm aber nur lächelnd den kleinen Nellenstrausz des Rathes in Empfang und riefdiesem, ohne sich sonst um Ei nen noch zu kümmern, aus dem Conne fensier zu: »Aus baldige-s Wiedersehen zur Hochzeii.« —-.-·......- ..-.-...-— — Eine geduldige Katze-unalter Vielfach begegnet man in der Thier welt dem schönen Zug des »Bemut terns'«, den wir ja auch bekanntlich zur Aufzucht werthvoller Thiere ausnunern deren Mütter aus irgend einem Grunde an der Ausübung ihrer Pflicht verbin dert sind. Aber auch ohne Vermittelung des Menschen tornmt es vor, daß Thier rniitter sich in vollster Freiheit der hilf los gewordenen Jungen fremder Eltern, sogar solcher aus fremden Thier-grup pen, annehmen und sie mit einem Eifer ausziehen. daß zuweilen die leiblichen Kinder unter der Bevorzugung ihrer Stiesgeschwister zu leiden haben. Zwei fellos sind derartige Vorkommnisse zum Theil durch überreichliche Milchabson derung beeinflußt, aber hier und da lassen sie sich auch auf eine »hZhere Re gung der Thierseele« zurückführen Jch selbst glaube —- so schreibt uns ein Thierfreund —— Derartiges beobachtet zu haben. » Als Göttinger Student berlebte ich ? die großen Fersen 1871 in Friedberg in F der Wetterau, wo ich fast täglich auf ei Inem Gutsbofe verkehrte. Hier hatte eine der vielen graugetiegerten Hoslatzen eines Tages einem Häuflein Kätzchen das Leoen gegeben und am anderen Tage fand sich zu aller Verwunderung? noch ein Spätling im Wochentorb dor, T der nur sehr wenig Aehnlichleit mit sei nen Geschwistern hatte und auch seine Wimmertöne in ganz anderer Klang farbe von sich gab wie diese. Jch wurde als Obersachoerftiindiger vor die Bege benheit geführt und fand zwischen fünf grauen Kähchen einen ganz jungen Jl tis, der zwar noch mit Blindheit ge schlagen war,sich darum aber doch schon mit größtem Eifer dem angenehmen Geschäft des Milchtrintens hingegeben hatte. Vorläufig blieb der Fall röth selhafi, denn ganz abgesehen Von den tbiirichteri Ansichten des Gesindes, war nicht wohl anzunehmen, das-, ein-e gewis senlose Jltiömutier ihr Kind bei Miezi aus-gethan hatte, auch nicht, dasz Miezi. iiber deren anständige Gesinnung bis dahin kein Zweifel bestand, ganz beim lich bei Zigeunern das Kinderrauben gelernt baden sollte. Die Katenttnderliube war ein run der Korb. dort Wahne genannt, und stand auf dem Vof in der Nähe eines of sinen StrohsMnh der noch in der F ereignihvollen Woche zum Theil ausge riiumt wurde. Bei dieser Gelegenheit fanden die Arbeiterganzoben itn Stroh eine öhlung mit weiteren fiinf jungen iti en und damit bermuthlich des ’thsels Lösung. Denn möglicherweise war das adoptirte Thierchen in Sehn sucht nachderboriibergehendabwesenden FrauvMama aus dem Nest gekrochen und uber den nahen Rand der Stroh WMW Still VIII va gepurzeli. Ganz na turgemasz wird es dann so lange gesam mett haben; bis Miezi sich des armen Wurmes erbarmt und es in sein Lager geholt hat. Immerhin ist es aber doch auch möglich, daß Mutter Jltis nicht auf die Ernährung von Sechslingen abgestimmt gewesenist und sich des Ver brechens der Kindesausse ung schuldig » gemacht und damit bewu t oder unbe iwußt ihrer braven Nachbarin Gelegen » hdt zurBethätigung ihres Edelmuthes s gegeben hat. l Zwei der jungen Jltisse waren schon der Rohheii der Knechte zum Opfer ge fallen. drei konnten wir noch retten und sie ebenfalls der Pflege Miezis überge ben. Oswohl sie chon reichlich Nah rungssorgen hatte, wurden die kleinen Berlassenen von ihr doch sofort in liebe bollster Weise au genommen, zuerst ei ner eingehenden Katzenwiische unterzo gen und dann wenigstens der Versuch gemacht, ihren unbändigen Durst zu löschen, wobei Miezi wirklich schon an fing. ihre eigenen Kind-er zu vernachläs sigen. Bald mußten wir der Ueberbiir deren drei Kätzchen wegnehmen, nicht alle, denn es war von besonderem Jn teresse, die verschieden gearteten Jüng linge in ihrer Weiterentwicklung ge meinsam zu beobachten. Die ganze kleine Gekellschast gedieh Prächtig, die jungen Ka en schlecht und recht in ihrem Betragen, wie das Kin dern anständiger Hausthiere zukommt. Aber die nichtsnutzige Ratzenbande, die sog mit der Milch durchaus nicht die frommen Denkungsart ihrer braven Pflegemutter ein. Es ist kaum zu glau ben, wie diese lleinen Teufel das gedul dige Thier gepeinigt haben. Nichts konnte ihnen die Alte recht machen. Lag sie aus der rechten Seite, wenn die Ban de sausen wollte, so wurde sie gezerrt, getrampelt, geknusft und gebissen, bis sie sich nach lints drehte, und umgekehrt Manchmal habe ich das über alle Be griffe geduldige Thier vor Schmerz aufschreien hören, aber nie sah ich, daß es einem seiner Peiniger eine wohlver diente Strafe hötte angedeihen lassen. tFriede hatte Miezi nur, wenn die wil ten Gefellen wie vollgefogeneBlutegel abgefallen und dann in tiefern Schlaf versunken waren Bald nachdem sie die Augen öffnen konnten, finaen die Jltisse an ganz nach Art ihrer Pflegegeschwisier mit diesen, unter sich und mit der Ziehrnutter zu spielen. Diese überaus anziehenden Spiele. in denen sie rasch größere Ge wandtheit, aber auch größere Wildheit als die Katzen entwickelten, sind leider bald zu ganz wüsten Balgereien ausge artet und als Miezi gar die von ihren Pflegelingen zum Zeitvertreib zerfetzien Ohren hängen ließ, da mußte das un dantbare Gesindel aus der Kindersiube nach einem großen Käfig überstedeln, wo es noch manche Schandthat voll führt, aber auch zu sehr fesselnden Be obachtungen Gelegenheit gegeben hat. ----—-«-- — --i s——- was-— n Das arme Lischen. fLischen hat die beste Censnr in der Klasse. Als sie dieselbe in Empfang nimmt, bricht sie plöhlich in Thränen aus.) Lehrer (ersiaunt): »Aber, List-idem hist Du denn mit Deiner Censut nicht zustieden2« Lischen (schluchzend): »Ach ia das schon, Herr Lehrer, aber meine Bruder f haben so schlechte Censuren, und wenn lich nun eine gute heimbring', dann . hauen sie mich!« -. AdOculosillustrirt P r ofes s o t: »Die Mäsziaung, liebe Schüler, —- — o bitte, die Thüe’ steht ja noch ossenl Die Mäßigilng also —- abek zum Kuckuck, machen Sie doch die Thüre zu! Die Mäszigung. sage ich, ist diejenige Ruhe des Gemü- . thes, — Himmelhomdenelement, will denn leiner von den Ileaeln die dema ledeite Thüre zumachen?« . JmExamen. Professor »Das Schnüren der Frauen lann auch auf das Sein-ems gen von schlechtem Einfluß sein. Was toiitden Sie also thun, wenn eine statt chniiete, augenltanle Patientin zu hnen täme2« Kandidat: » eh würde sie um die Taille fassen un ihr in die Augen schauen.« DerhraveLeheer. »Nun, haus, hast Du heute wieder in der Schule bieihen wissens« »Nein, Papa« heut· war dee kehret mal-todt« ...·i«.«.k--s-»-.