Eine Bekehrung. Von R. U. in Klubb Misogynia herrschte gro ße ufregung. Das enge BereinslotaL ein Hinter gmmer des »Hotel Germania« an der abbage Avenue, widerhallte von wil dem Geschrei, etwa ein Dutzend erregter Männer wetteiferte, sich gegenseitig im Schimper, Bier-trinken und Tabak rauchen zu iiberbieten. »’Ne wahre Affenschande ift’s,« schrie ein schmächtiges Männchen mit großer Glatze und einer Stimme, die immer fort umschlug, »thut uns der Mensch den Tort an und blamirt uns vor ganz s Dutchtotvn, das Lynchen hätte er ver-s dient, der Kerl, der Scheinheilige!« ! »Jatvoll!« brummte der Bierbaß ein-es Dicken, »hast Recht, Mutte, aber nicht auf einmal soll man ihn kaput machen, sondern so schön langsam, in dem man ihm sozusagen schluckzessive Wasser zum Sausen giebt, bis er zer platzt, dieser —- dieser —- « Da ihm ein geeigneter Ausdruck für seine Entrüsiung momentan nicht zu Gebote stand, schloß der Dicke seine Re de mit einem gewaltigen Schluck-e aus dem vor ihm stehenden »Schooner«. »Meine Herren,« rief endlich Einer, offenbar der Präsident des Vereins der Weiberhasser, in den Lärm hinein. »ich bitte um Ruhe, ich rufe die Versamm lung zur Ordnung.« Als allmälich Ruhe eintrat, fuhr der Präsident fort: »Meine Herren, ich bin dankbar für die Einhelligkeit, mit der Jhr die per fide Handlungsweise unseres Mitglie des und Expräsidenten Josef Walten (Rufe: Pfui!) verurtheilt. Unsere Ent riistungsmiethung soll ihm zeigen, was für ein schlechter Kerl er ist. Jndem daß ich das konstatire, beantrage ich, den Mister Walten infamer Weise Mu se: Sehr gut! Bravo!) aus dem Klubb Misognnia auszuschließen und ihm die sen unseren Entschluß heute noch kund zu thun. Sein Resignationsschreiben legen wir, als gegenstandlos geworden bei. Wer dagegen ist, soll aufstehen!« Da sich Niemand erhob, wurde der Beschluß vom Bereinssekretiir rasch zu Papier gebracht und sammt dem Resig nationsschreiben dem in der Nähe woh nenden Walten durch den »Omnibus« des Hotels übermittelt. Dieses Resignativsnsschreiben des Herrn Walten war sehr kurz und sehr deutlich gewesen. Es war ein feiner, theils bedruckter, theils beschriebener Ratten, auf dem zu lesen war: Clava Sommer Josef Walten Verlobte. Darunter in Handschrift: »Ich er kläre meinen Austritt aus dem Klubb Misoghnia. Josef Walten.« Während Walten das Ausschließ ungsdekret der Misogynia las, flog ein leichtes Lächeln über seine Züge. Eine Weile saß er nachdenken-d da, dann kleidete er sich zum Ausgehen an und be gab sich dorthin, wo man ihn eben »in absentia« hinausgeworfen hatte. » Als er durch die Thiir des mit Ta bakrauch und Bierdunst geschwängerten Bereinslotal eintrat, hatte sein Erschei- » nen ungefähr dieselbe Wirkung, wie ein ’ aus heiterem Himmel niederzuckender Blitz. Walten grüßte mit einem freund lichen »Guten Abend« die verblüffte Saufbriiderschaft, legte Hut undUeber ziehet ab, füllte ein Bierglas aus dem ausliegenden ,,Keg«, setzte sich neben das sprachlase Präsidium und begann in al ler Gemüthsruhe eine Cigarre inBrand zu stecken. .Das Männchen mit der Glatze und derumschlagenden Stimme hatte sich als erster vom Schreck erholt und me ckerte: »Herr Präsident, wie kann geduldet werden —" Walten schnitt ihm die Rede ab: »Sei still, Wutke, und laß mich re den; auch Jhr anderen unterbrecht micht nicht« Jch will Euch, meinen langjährigen Freunden, getreulich be · richten, wie es kam, daß aus dem Wei berhasser Walten ein Verlobter, und sukänstiger, hoffentlich glücklicher Ehe inann werden konnte. Wem es nicht paßt, daß ich hier bleibe und mich recht fertige, der soll es s agen; wenn die Ma jorität meine Entfernung wünscht, so werde ich mich fügen. Wie steht’s als o?« Niemand erhob einen Einwand A gen Walten’s Verbleib, und dieser sann seine Ezzählrängx — Wie Jht wißt-, ist es mir in den u ig Jahren meines Aufenthalts in Xa gelungen, durch rastlos es Mii - « und Arbeiten soweit zu kommen, M ich, wie man zu sagen pflegt, gut ed bin und meinen Le nsabend sor srei in Ruhe versehen könnte. Wie » » CinåpafndererhntrteeinerEkflTsse III-ten ich nangs· re ar " · s . der verwünschte Gelehr « seinem , wie di FOR-umzir- Mr Ul- M ich vers lieblich froh - l- I meine amerikanische Karriere als Ge schirrwascher beginnen zu können. Später lernte ich das Handwerk eines Zuschneibers und verdiente damit ein schönes Stück Geld. Nebenbei spekulirte ich in Grundeigenthum und, da ich Glück hatte, sah ich mich bald im Besitze eines stattlichen Vermögens Wenn es dem Menschen gut geht, so hat er das Bedürfnis, sein Glück mit Anderen zu theilen. Jch begann nach ei ner Lebensgefährtinumschau zu halten« « Die Erfahrungen, die ich hierbei machte, sind Euch bekannt. Sie haben mich zum 4 Weiberfeinde gemacht, der mit Gleich gesinnten den Klubb begründete, aus ’ dem Jhr mich, nicht mit Unrecht, heute hinausgefeuert habt. Dies Alles ist Euch, wie gesagt, be kannt. Ueber die Gründe aber, die mich bewogen haben, die alte Heimath mit einer neuen zu vertauschen habe ich bis heute still geschwiegen aus Rücksicht aus meine Angehörigen. Diese Rücksichts nahme ist nunmehr unnöthig geworden. Urtheilt nun selbst, ob meine Gesin nungsänderung gerechtfertigt ist oder «nicht. Als meine beiden Eltern rasch nach einander starben, hatte ich eben die Uni versität in J. bezogen; ich trachtete das Ziel zu erreichen, dem mein älterer und ; einziger Bruder Karl bereits nahe war. Karl stand nämlich im Begriffe, seinen Doktor zu machen. um dann in den Staatsdienst einzutreten. Der Tod ver Eltern war für uns ein harter Schlag. Nach Abwickelung der Verlassenschafts ges chäfte blieb uns kaum so viel Vermö gen iibrig, um unfere Studien beenden zu können, es hieß alle Aus-lagen auf das Nothwendigste zu beschränten. Mir hätte dies nicht viel verschlagen, aber Karl, als ehemaliger Korpsbursche an nobles Auftreten gewöhnt, empfand unsere Armuth wie ein Unglück. Er behauptete, seine Karriere stehe auf dem Spiele, es sei ihm unmöglich, mit dem kargen Zinserträgnisse seines Erdwei les die lange Referendarzeit durchzu machen; ja, wenn er das ganze Erbe allein hätte, dann ging es freilich, aber fiir zwei reiche es nicht aus u. s. w. Seine mißgünstigen Reden verursachten schließlich eine Entfremdung zwischen uns, die bald zur Trennung führte; ich verließ unsere gemeinschaftliche Woh nung und bezog ein einfaches, billiges Quartier. Ein Jahr war vorübergegangen, als ich auf einem Ausfluge des atedemi schen Gesangvereines mit der Familie des Bankiers Sommer bekannt wurde Sommer galt für sehr reich und seine Töchter Emrna und Clara versprachen die besten Partien in der Musenstadt zu werden. Clara stat freilich noch in den Kinderschuhen, als ich sie kennen lernte, sie war erst 10 Jahre alt, aber die so eben aus der Genfer Pension zurückge tehrte Emma zählte bereits 17 Lenze und war in meinen Augen das liebrei zendfte Geschöpf auf Gottes Erde. Was soll ich viel Worte machen? Wir ver liebten uns und genossen eine Zeit des reinsten Glückes, eines Glückes, das durch die Heimlichteii unseres Verhält nisses nicht im Geringften getrübt wurde. Mein Bruder Karl hatte J. verlassen und war nun bei der Regierung in der Residenz als Referendar in Verwen dung. Wir hatten uns ausgesöhnt und ich trat ihm ein Drittel meines Einkom mens ab, um ihm behülslich zu sein. Als die Wintersaison begann, übersie delte meine getiebte Emma mit ihrer Mutter ebenfalls nach der Residenz; sie sollte in die große Welt eingeführt wer den. Unser Abschied war von Treue schwiiren begleitet und in der ersten Zeit wechselten wir beinahe täglich Briefe voll Zärtlichkeit und Liebe. Nach und nach wurden diese Zeichen der Hin gebung seitens Emma immer seltener und endlich blieben sie ganz aus. Und ehe ich noch wußte, was ich von diesem Mangel an Pünttlichieit, wie ich es nannte, denken sollte, brachte mir der Postbote eines schönen Tages die An zeige der Verlobung Emmas mit — rneinem Bruder Karl! — Drei Wochen später war ich in New York. Studien, Vermögen, Heimath, Alles hatte ich im Stiche gelassen, wiek geistesabwesend kam ich hier an und er-j wachte erst, als die bittere Nothwen digkeit mich den Kampf mit dem Da-» sein lehrte und ich keine Zeit mehr fand, ] in meiner herzenswunde mit dem Sta chel der Erinnerung berumzuwiihlen. Meinen Bruder aber habe ich verflucht und in den zwanzig langen Jahen hat er nie ein Sterbenswörtchen von mir vernommen, obgleich er des Oefteren in den Zeitungen nach meinem Verbleib geforscht. Jch hatte nämlich meinen Familiennamen mit dem Namen Wal ten vertauscht, um ja vor jedem Zusam meiiiåreffen mit dem Berhaßten gesichert u n Vor einem Jahre las ich die Nach richt vom Tode des Amtsrathes R» meines Bruder-. Noch einmal begann die alte, kaum vernarbte Wunde bluten, dann aber ein neuer in mireitydercei der Verschenth des Urzeit-at Arn Grabe schweigt l J der Haß, die dunklen Flecken am Ange denken des Todten werden durch die Thriinen der Wehmuth til-gewaschen Und auch die liebe alte Heimathserde fing an zu locken, all’ die Erinnerungen an die glückliche Jugendzeit wurden wach und zogen mich zurück an die Stätte, wo ich so viel erduldet. Jch kam im Domizile des Zeitarbe tien an. Die schwarz gekleidete Frau, die mich empfing, war nicht mehr die strahlende Emma. wie sie in meiner Er-» innerung lebte; sondern ein vergröm tes, die Spuren einer langen Leidens-» zeii im Gesicht tragendes Weib. Als: ich meinen Namen nannte, da stieg eine Blutwelle in das blasse Gesicht, es fehlte nicht viel, so wäre meine Schwägerin ohnmächtig zu Boden gesunken. Jch vermied jede Anspielung aus unsere ehemaligenBeziehungen, sondern brach te, so gut es eben gehen mochte, meine Tostspriiche vor. Die Wittwe hörte theilnahmslos zu, keine Thriine kam ihr in’s Auge, wenn ich von ihrem Seligen s prach. Jch konnte mir nicht verhehlen, ihre Haltung befremdlich zu finden, ; und srug sie, ob sie denn mit meinem T Bruder nicht glücklich gelebt hätte? " »Glüellich?!« rief sie, und dreßte die Hand aufs Herz, ,,lonnte ich, konnte er, wirklich glücklich werden, mit der Sün de des Berrathes, den wir an Dir be gangen, auf dem Gewissen? Zwanzig Jahre lang haben wir nebeneinander gelebt, nicht miteinander. Jch wurde bald nach der Hochzeit gewahr, daß sei ne Liebe nur Spekulation auf das Erbe der reichen Bankierstochter war. Als : mein Vater starb und statt des Reich s thums ein bankerottes Geschäft hinter » ließ, da begann eine Leidenszeit, in der ich den wahren Charakter meines Man nes immer unverhüllter lennen lernte. Z Während Emma noch sprach, öffnete i · sich die Thüre zum Nebenzimmer und ; etna hübscher, etwa achtiähriger Junge Z trat über die Schwelle. Er ging zur « Wittwe, die ihn streichelte und sah mich mit großen Augen an. »Wie viele Kinder hast Du, Emma?·« frug ich. Meine Schwägerin zuckte zusammen. Ohne meine Frage zu beantworten, sagte sie zum Knaben: »Geh hinauf, Otto, und sage Deiner Mama, Onkel Josef aus Amerika sei hier; ich lasse Mama bitten, herabzu lommen.« Als der Kleine das Zimmer verlas sen hatte, wandte sich Emma zu mir. »Verzeihe Josef, sagte sie mit zit ternder Stimme, »daß ich Dir erst jetzt antworte: Gott sei Dant, ich habe keine Kinder, ja, Gott sei bedankt dafür, — es wäre zu schrecklich, zu schrecklich!« Jch war über den Ton, in in dem sie dies ausrief, betreten. « »Aber Emma,« erwiderte ich, »der i Knabe trägt doch unverkennbar meines FBruders Züge; wie kommt er denn in dies Haus, wenn er nicht —« » »Der kleine Otto ist Karks Sohn!« » »Der Sohn Deines Mannes-? — Und nicht D e i n Kind? — Und hier?« rief ich erschreckt, ,,bei Gott, wie soll ich das verstehen ?« »O das ist sehr einfach,« fchluchzte meine Schwägerin, ,,ebenso einfach wie gräßlich, Otto ist — die Frucht eines ehebrecherischen Verhältnisses, dasDein Bruder mit ,— mit —« »Mit wem unterhielt?« rief ich ge spannt. . »Mit-meiner Schwester Clara!«—— Mir war, als wäre mir ein Schlag in? Gesicht versetzt worden. Diese Lösung des Näthsels war frei lich ebenso einfach wie schrecklich. Der alte Groll gegen meinen Bruder stieg aufs Neue in mir auf und zugleich; ergriff mich ein Gefühl der Scham, daß; es mein Bruder gewesen, der diese stille Frau um Glück und Ehre gebracht undi zu einer zersallenen Menschenruine ge- ; macht hatte. Nein, eines s o l ch eni Todten mit Pietät zu gedenken, dass überstieg meine Kräfte. Zögernd und mit Widerwillen er zählte die Frau die Geschichte des Ber brechens ihres Gatten. Jhre Schwester Clara war nach dem Zusammenbruche des Sommer’schen Haushaltes zu Amtsraths ezogen und von Emma mit Freuden au genommen worden. Mein Bruder begann an dem sich zu einer Schönheit entwickelten Mädchen Gesal len zu finden und te mit unziemlichen Anträgen zu oerso gen. Clara wider stand jahrelang, fand aber nicht den Muth, ihrer Schwester sich anzum trauen. Als Emma einst auf kurze Zeit verreist war, erreichte der Schurke mehr durch Gewalt, als durch freiwil lige hingabe Claras sein Ziel. Die Folgen blieben nicht aus. Die großherzige Emma verzieh der Gesallenen und behielt sie mittammt dem Kinde, aber ihre Ehe war, wenn nicht vor dem Gesetze, geschieden. Karl verkatn immer mehr, ergab sich dem Trunte und oernachlässigte seine Amte fflichtenz ein rühzeitiger Tod raffte hn hinweg, a s gegen ihn wegen ber schtedener Umtjoergehen Anklage er hoben werden sollte. So blieb der Familie wenigstens die geiste Schande l erspart und die Pension war fiir die! Wittwe gerettet. Die arme Frau hatte mit einemj Seufzer ihren traurigen Bericht been-« det. Jch vermochte nicht zu sprechen, es war mir, als wäre ich mitschuldig am Verbrechen, war ja der Thäter Blut von meinem Blute. Während ich noch darüber nachdachte, wie ich das Unrecht, das Karl begangen, theilweise gut ma chen könnte, trat Otto’s Mutter in's Zimmer. Sie war eine ernste, hohe Gestalt, trog ihrer 30 Jahre er schien sie merkwütdi jugendlich. Jrn Gespräche verrieth so viel Herzens güte, daß ich mich sympathisch zu ihr hingezogen fühlte. Und plötzlich lam es wie eine Erleuchtung iiber mich; das einzig richtige Mittel, die Ehre Deines Bruders zu sühnen, besteht darin, daß du das Kind zu deinem eigenen machst, ihm den Namen giebst der ihm, wenn ; auch nicht nach men chlichem, so doch ’ nach göttlichem Rechte gebührt. — — DieKarte, die ich Euch mit meinetw signation versehen zusandte, sei ein Be weis, daß es mir mit meinem Vorha ben Ernst ist. Jch liesz sie fiir meine ameritanischen Freunde drucken; wenn ich fiir immer nach der Heimath zurück gekehrt sein werde, dann wirdder Na me Walten durch meinen wirklichen, wie ich hoffe, wieder ehrlich gewordenen Vaternamen ersetzt sein. — Urtheilt nun selbst, liebe Freunde, ob meine Belehrung vom Weiberhasse zum Ehemann gerechtfertigt ist, oder nicht. — Josef Walten schwieg. Die Tafel runde der Misognnen war sehr ernst geworden. Endlich erhob sich der Prä sident: »Meine Herren! Jch beantrage die Streichun unseres Beschlusses betreffs Idrr Auss ließung des Herrn Walten! »Wer dafiir ist, möge sich vom Sitze er beben.« Als Alle ausgestanden waren. schrie das Männchen mit der Glatze und seine Stimme verlor sich im höchsten Dis lant: »Und ich beantrage. daß die Misogy nia ihren Expräsidenten zum Ehren mitgliede ernenne· Allerhand Achtung vor einem Manne, der durch solche Mo tive, wie sie Freund Walten hat, zum Ehetriippel wird!'« —« Die »Entriistungsmiethung« aber verwandelte sich in einen fröhlichen Festlommers. —- ...——....—-. -- - » . ——-.·— Ein schwerer Dienstgang. Von Juli-S Müller Gemächlich stieg der junge Gendarm zu Thale. Die graue Dämmerung kroch schon über die Berghänge empor, und schwarz, gleich einem Bahrtuch breitete sich der Föhrenwald an der Wand hin, die jenseits der zerrissenen, von einem schmalen Wassersaden durchrieselten Schlucht ziemlich steil sich erhob. Zur linken Seite des schmalen Saumpfades lomm der letzte, gelblich-blasse Abend fonnenschein durch den dürftigen Be . stand der Bäume. Hier und da scholl . fern im Forst ein häßlicher Schrei, und durch die Wipfel flatterte es taumelnd, mit unbeholfenen Flügelschlägen — die Vorbut der heranschleichenden Nacht. Von unten, wo das schwarze Zwie beldach der Dorfsirche über das breite Geäste der Noßlastanien sich hob, klang es gedämpst wie von Fiedeln und Pfei fen; bald aritre es heller und lustiger, dann schien wieder alles zu schweigen bis aus den polternden Brummbaß. Und wie der Landsoldat weiter bin abtam. da vermeinte er auch schon das Jauchzen und Trampeln zu vernehmen, in dem die bäuerische Kirchtagslusiig teit sich austobt Unwilltürlich machte er häufigere längere Schritte, und Re gungen übersielen ihn, die derzeit ei gentlich sDisciplinarvergehen waren: denn er hatte den Federhut aus und das Gewehr über der Schulter — er ging im Dienstes Da erheischt das Regle ment Ernst und Würde auch vom jüng sten Gendarmen, und Tanzzuckungen in den Beinen oder gar Jauchzer wären ungeheuer ströslich Aber was Disciplin und Reglementl Auch in einem Commißherzen ist die Lieb’ stärker. Vor seinen Augen stand die s auberste der Dorsdirnen, die RoseL die dem Gemeindewirthe heute aushals. Wie zum Greifen deutlich stand ihre ter nige Gestalt vor ihm: das runde, ge sunde Gesicht, die spöttischen und doch so treuen Augen, zwischen den rothen Lippen die starken, blitzenden Zähne — denn sie lachte gern, die Roset! —- die dicken, gelben Zöpfe« . jedes einzelne war ihm eine Schönheit, wiss teine zweite aus der Welt gab» : Lustig und laut ging ’s zu da drun ten: bei dem Larmen mußte man schon» aus der Träumerei aufwachen-—— Glis serilirren, ein Geräusch, wie wenn Stuhlbeine lrachend ausschlagen, und verworrenez Geschrei, das bald wieder kurz abschnitt. Da war er just recht gekommen zu einer Amtshandlung mit dem unerträglichen Bauernvoll Er lief das steike Seitenaiißsein hin tseter, das aus den grasen Pius Mhrtr. Ver Miste Verwirrung sub erreg-: te Stimmen tobten durcheinander Beim Thore des Gemeinde-Wirthshau ses, wo der hohe, entrindete »Kirta Bam« mit Bündern geschmückt empor ragte, ballte sich ein dichter, großer Knäuel von Männern, und die Schlage sausten unbarmherzig. Die Wuth schien sich egen einen Einzigen zu wenden, ei : nengstämmigen Menschen, der seine Be ; dränget übertagte, sich ihrer jedoch nicht « mehr erwehren konnte, ob er gleich mit güsjen und Armen um sich schlug. - chweiß und Blut rann ihm über das braune Gesicht, die Haare klebten ihm an der Stirne. »Sie verschlagen ihn!« rief ein Weibsbild, das ein fchlafendes Kind auf den Armen trug. »Nur zu! D’rauf!" schrie-ein alter Bauer neben ihr. »Schad’ um den Strick für den Hund!" Der Heßruf erbitterte die Bauern noch mehr. Der Mann im Knäuel d’rin, dem es an’s Leben ging, empfing einen wuchtigen Streich, unter dem er niedertaumeltez zertreten und zer stampft hätten ihn die Blindwüthigen, wär’ nicht Hülfe gekommen. ,,Zuriick im Namen des Gesetzes!« leuchte der Gendarm, athemlos vom Laufen. »Was gibt’s?« fragte er, als die Männer Raum gegeben. Der am Boden Liegende merkte taum, daß er seines Lebens wieder sicher fei, als er ein Schimpfwort ausstieß und auf springen wollte. Ein Dutzend Fäuste drückten ihn nieder. Der Gendarm, der den überwiiliig ten Knecht, einen übel berüchtigten Raufbold, erkannt hatte, trat dicht zu ihm und streckte die eine Hand wie be schiitzend über ihn. ,,.lieiner riibrt ihn mehr an!" »Du häit"st die g’ringste Ursach’, den da beiz’springen!« sagte einer der Bur schen mit einem eigenthümlichcn Sei tenblict nach dem Gendarmen. Grad Du net! Was er ang’stellt hat, der Hundsfötteri Geh’ in’n Stadel eint Gendarm. wirst’s glei seg’n. Drinn liegt s’, d’ Rosel, weiß und stud, mit g’schloss’nen Augen und mit an Stich in der Brust! . . . . Gelt, Gendarm, jetzt schmeißt’s di bald um?« Der junge Soldat blickte auf den Mörder, der ihm froh und höhnisch zu rief: »Jawohl, so ist’s, genau so wia se sag’n. Hab i se net hab’n tinna, soll a Anderer se a net hab’n!« Der Verhöhnte faßte sein Gewehr beim Laus, und es war eine Weile, als wolle er es nach rückwärts schwingenl um dem Verbrecher da den Kolben aus den Schädel sausen lassen. Gleich da nach faßte er sich jedoch wieder in Ernst und Ruhe. Er nahm die Handschellen aus der Tasche, befahl dem Burschen. aufzustehen, nnd fesselte ihn. Dann begab er sich mit dem Bürger meister und den zweiDorsiiltesten in die Scheune, wo sie den Körper der Erste chenen auf Stroh gebettet hatten. Die Lichter flackerten, und wie die Strahlen über das Gesicht der Entseelten hasch ten, gewann es fast den Anschein. als rege und bewege es sich in den starren Mienen. Gelassen gab der Missethäter zu Protololl, wie sich’s zugetragen Er hatte die Rosel, welche ihm schon längst gefallen, zum Tanz aufgefordert nnd als sie ihm ohne ein Wort hochmüthig den Rücken zugewendet, hatte er sie mit Gewalt zu den Musikanten gezerrt; sie schlug ihm in’s Gesicht, und da, als die Zuschauer gelacht, war die Wuth über ihn gekommen, und er hate das Messer aezoaen Mit sester Hand, als ginge der Vor sall ihn nicht,näl)er an, schrieb der Gen darrn die Aussa e nieder, indem er zu weilen die beson ers wichtigen Worte wiederholte, zuweilen, wenn ihm das Geständniß lüclenhast vorkam, eine Frage stellte. Hierauf ließ er den Be richt von den Zeugen ergänzen und ver langte die Unterschriften; alles wie die Instruktion es erheischt. Dann stand er usnschlüssig den Blick ber bisher den Winkel gemieden, wo .die blutbesleelte festlich gepu te Gestalt lag, sest aus den entseelten iirper der Getödteten gerichtet. Er nahm eine La terne vorn Tisch und leuchtete näher bin. eDabei war es immer, als wage er«nicht, völlig nahezutreten. Der Gesesselte ließ ihn -dabei nicht aus den Augen; wilde SchadensreUde sprühte darin. Der Gendarm stellte die Stalllaterne . auf den Boden und kniete nieder, with rend er die talten Hände der Leiche an faszte und zitternd über deren Gesicht tastetr. »Wie Eis ist’s schon,« sagte er, indem er sich zu den Männern umwendete. Er wollte sich den Anschein geben« als ver richte er nur eine Amtshandlung — als wöreef kein Abschied. »Im Augenblick muß P rnit der Ro sel ausgwesen sein," erwiderte Einer von ihnen. »Nein Ton hat ’s nach dem Stich von sich aeben.« Er sehnte sich, als ob er die Unter suchnna sortsehtr. mit der Wange an ibre erstarrten Unde, und bevor er sie wieder steigert-. küßte er sie heimlich wie mit einem hauch. Eine Weile warI als ob ibn der Schmerz packe, als ob er lulkchcuchmd M übe sie set-sen wel T -. le, über die Berstummte, die er Joch vor wenigen Tagen in Jugendsreude ge- "— ’sehen. - i Doch er rafste sich gewaltsam empor. s Einen herrischen Wink gab er dem » trotzig-frechen Burschen und schritt hin ter ihm drein, ohne sich auch nur ein einzzges Mal umzuwenden. .,, paar Burschen aus ’n Ort s oll’n mit n’iibergehen,« meinte der Bürger meister. »So ganz allein in der Berg einöd’ mit dem Kerl, dem a Menschen leben ian Psifserling werth is, ist so a hSach, wann er a d’ Händ in Eisen at.« »Dank’ schön« entgegnete der Gen darm kurz. »Der wird seine drei Schritt’ vor mir bermarschiren» sonst wird mit ’n Bayonett nachg’holfen, und wann er a Bissel z’ schnell vorwärts möcht': im Gewehr hab’ i mehr als an Schuß! Marsch!« Der Verbrecher ließ sich’s nicht zwei Mal sagen und schritt aus. Die Dorf leute ballten die Fäuste und beschimpf ten ihn mit wilden Worten, die er keck erwiderte. Fast wär’ man noch auf den Menschen gestürzt, wenn sein Be gleiter nicht die Bauern zurückgescheucht hätte: »Den rührt Keiner an, der ge hört jetzt mir!« . . » »Begreist’s, warum er Euch net braucht und will?« fragte einer der Bauern, als der Gendarm und sein Ge- - fangener in der Dunkelheit berschwan den. Gebt’s acht, net lang’ wird’s dauern, so hör’ wir an Schuß, oder T Banonnett kriegt Arbeit. Wann der Kerl renitent wird, macht der Gendarm von der Waffe Gebrauch.« Mit listi . gem Blinzeln fügte er hinzu: »Wann i den« der mir's Dirndl umbracht hat, mit Zukjdkkzz hiintk vor mir lziiik . . in der Nacht, im Wald, IV ACFID Ihm Zeis gen . . .i ichaueri schon, dsß Fk ZWEI nent werd’n möcht'! BegreisPsY « « Die zwei gingen bergan, der Knecht. einen Ländler pfeisend, den sie heute Abend zum Tanz ausgespielt, der Gen darm ein paar Schritte hinter ihm, I das Gewehr »in der Balanz" in der Rechten tragend, wie ein Jäger, der je- ! den Augenblick bereit ist, es zu verwen den. Hier und da rief er dem Verbre cher mit einem kurzen Worte zu, wie er gehen solle: nicht so rasch, oder rascher und welche Pfade, Denn er mußte wei- ’x,»« tere Wege wählen, die im ; reien gin- i gen, nicht zwischen eng aneinanderste- i bendem Gebüsch oder an bewachsenen Abhängen. ( »Plag’ di net, Gendarm,« sagte der Gefesselte gemiithlich; ,,i pasch' dir net ab, schon aus Dank net! Derfchlagen und dertret’n bätt’n mi die da unten.«' i Der Bursche sagte das in so spötti schem Tone, daß der Gent-arm doppelt auf der hut war, Antwort zu geben. Er war nur ein Mensch; trotz dem »Dienste« auch nur ein Mensch, dem das Blut in Wallung gerathen konnte Das verdroß den Anderen, der ge nau wußte, daß er sich sorglos schon etwas herausnehmen durfte und daß eigentlich der Bewafrrete hinten der Wehrlose war. N »Wegen aner Kellnerin!" begann er wieder. »Js leicht viel schad’ um so a lei t’s Frauenzimmer!« a war's dem Gendarmn, als ob ihn wer an der Gurgel fasse. Lust hött' er gehabt, das Gewehr in die Schlucht hinunter zu werfen, in der das Wasser rieselte und dem da vorn die Schellen abzunehmen —- ,,So, jetzt sind wir gleich, Mann gegen Mann! Sag’s noch ein Mal!' Der Knecht fuhr fort: »Sollt’ gar leine Straf d’raus g’setzt sein, auf das, was ich ’than hab’. Weg’n so an’ Al lerwelis-Weibsbild!« ,,Schweig!« befahl der Gendarin mit rauher Stimme. Wenige Schritte waren sie nur mehr von der Stelle entfernt, wo der schmale Pfad hart, an dem senkrecht abstiirzen den Gestein hinlief. Wenn sie nur da schon vorüber wären! wünschte der iGendarm den sinsteren Gedanken weh lrend. Wenn der nur nicht in dem Ton weiterredete! Denn ein Tritt, ein lei ser Stoß nur — und das Lästermaul verstummte —- fiir ewig Der Voranschreitende ahnte nicht, daß sein Leben an einem Haare hing. »Zum Fensterln war i ihr recht, aus’n Tanzboden war i ihr net sein genug, da hätt’ s’ den hanilichen Liebhaber oerleugn’t . . . . Wenn er nur nicht weitersprechen würde, nur so nicht! »Schaun aus’n Weg!« leuchte der hinter ihm. »Aui’n Weg sollst D’ schauen!« So lamen sie vorüber und beide wa ren der Gefahr entronnen· Das, was noch folgte, überwand der Gendarm leichter. Ein Stich, ein Schuß, das ist doch eine ganz andere Sache: dazu reißt einen die Versuch ung nicht so leicht. Als er beim Poitm-Commando an gelangt war, da erstattete er stvantrn und fest, wie das Realement ei vor schreibt, den knappen Bericht: ) »hei- toachtmeinek, ich meid- ge s bot-samst- daß its einen Mörder einge bracht hast«