,-Omeletts« Eine Gaunergeschichte von Lars Dillina. W dem Völnischen übersetzt von G. Ven i « witz. Hans Nilsen mit dem Beinamen »Omelette« hatte verschiedene Stellun gen gehabt. Er war Barbier ehilse, Kolporteur, Jäger und herrfcha tlicher Diener ge wesen Ja, er hatte sogar ein Tebut auf dem Theater gemacht, indem er einen feinen rn in einem Salonstiick gab und mit riiulein Johanfen, welche eine feine me darstellte, im Hintergrunde der Bühne spazieren ging. Jetzt kam Hans Nilsen aus der Bes serungsanftalt wo es recht langweilig est· Deshalb wollte er sich ein bischen zer streuen und als er sah, daß im Tivoli Mastenball angekiindigt war, beschloß er, den Ball mit seiner Anwesenheit zu s beehren. « Aber —- tse so vielen anderen Sterb lichen in diesen schlechten Zeiten, fehlte es auch ihm an Geld. Aus diesem Grunde nun begab er sich auf den Markt, wo er sich mit dem Portemonnaie einer Dame versah. Hieran ging er in ein Mastengar derobegeschäft, dort borgte er sich eine alte Ofsiziersmiitze und einen dazu pas - senden Mantel, und nachdem er in ei nem Barbierladen sich einen stattlichen Schnurrbart hatte auftleben lassen und seinem Gesicht durch Schminte der Ausdruck eines Betruntenen verliehen worden war, bot er vollständig den An blick eines verabschiedeten —Offiziers. Indessen war es noch zu zeitig, um schon zum Balle zu gehen, und er spa zierte deshalb ein Stück im Pakt um her. Bei dieser Prornenade erhielt er plöylich einen freundschaftlichen Schlag aus die Schulter. . Unser ,,Omeletie", der oft die schwere Hand der Polizei auf seiner Schulter gefühlt hatte, wandte sich erschrocken um Vor ihm stand ein junger Osfizier und trotzdem es bereits dunkel war, merkte Hans Nilson dennoch, daß der selbe ziemlich benebelt war. »Ist das nicht Lieutenant Hausen, mein alter Freund?« fragte der Of sizier, »höre mein lieber Junge, willst Du mir wohl eine große Gefalligleit er weisen?« »Mit Vergnügen« erwiderte »Es-me lette« gefaßt. «Siehst Du, ich bin zu heute Abend bei meinem Onkel, dem Bureauchef Bläkmeyen eingeladen Er ist ein Hagestolz und wohnt ganz allein auf einem bsvn Gebüschen umgebenen Platz bei Hägdehaugen. Er ift sehr reich und ich werde ihn beerben· Aber die Sache verhält sich nun fo, daß ich in diesem «"«««3nftande mich nicht vor ihm zeigen will, denn ich befinde mich in einem Zustande —- ———! Jch habe den ganzen Tag ge sessen und kalten Punfch getrunten. Willst Du ihm daher aus-richten, daß ich heut Abend auf der Wache oder zum Ausriicten kommandirt sei —- vder et was Aehnliches. Er bat nicht die leiseste Spur siir militärische Angelegenhei M.tl . »Das will ich besorgen, aber Du thäteft am Besten, nach Hause zu gehen und Dich zu Bett zu tegen," ,,murmelte «Omelette«. welcher inzwischen f eine Geist-es egenrvart vollständig wieder er langt atte. »Das will ich thun. Gute Nacht, Pausen, und besten Dank für Deine Ge älligteit.« »Keine Ursache, zu danken,« versetzte «Omelette« und ging nach Hägdehau gen hinunter, nachdem er die Adresse des Bureauchefs erhalten hatt-. Bureauchef Blätmeyer saß am ge decktenT ische und wartete auf seinen Neffen. Seine Haushiilterin hatt-: Zahn schmerzen bekommen und war zu Bett gegangen Es läutete. Der Bnreauchef schloß auf. »Bist Du da, mein Junge? Aber was sehe ich, ein fremder Herri« »Ja, Jhr Reff-e schickt mich k,:r, um Ihnen zu melden, daß er so betrunken fei, daß er nicht zu Ihnen kommen könne Sie möchten aber mich statt sei ner mit dem Abendbrot bewirthen « »Mit Vergnügen,« antwortete Blät meyer zwortommend und geleitete un ««Omelette in’3 Zimmer hinein. us Niisen warf Offiziermantel und he ab. »Sie ßnd xa nicht in voller Uni sure-Z« « »Nein,0 darum würde es am besten few, wenn wir die Thür zuschlössenX weint-e »Omk·ette ungenirt und steckte Des Schlüssel ne die Tasche. . . Las-u Sie uns nun zu Tische ge U. Sie eutschesldigen doch, wenn ich Bett Trich abnehme. Es ist so lä Mit-n speisen« srmueseki besann sich recht un WITH ev M »Aber sind Sie denn nicht Lieute nant?« ·,Nein, das war nur ein Fastnachts sicheer sagte Hans Nilfen und nagte vergnügt an einer Gänsekeu1e. « »Aber woher kommen Sie denn ?" »Ich? Jch komme aus der Besser ungsanftalt, ich bin heute von dort aus gerissenA Blätmeyer sprang auf. »Ertrage es mit Fassung, Onkel, « sagte» Omelette« und legte eine alte Pi stole, welche zu feinem Koftiime gehörte, auf den Tisch »Laß uns gute Freunde sein.« Der Bureauchef setzte sich erbleichend. Nachdem man — jedenfalls »Ome lette« —- gut gegessen und getrunken hatte, äußerte dieser, während er mit der Pistole spielte: »Hören Sie, Bureauchef, möchten wir nicht Röcke und Westen tauschen?« Der Bureau chef, ein kleiner, alter, schwächlicher Mann, fah ein, daß jeder Widerstand fein Leben gefährden würde und zog ge horfam Rock und Weste aus. »Sie können ja die Uhr und die an dern Kleinigkeitem die sich noch in den« Taschen vorfinden darin liegen lassen Jch werde damit vorsichtig umgehen Hier hängt Jhr Ueberzieher, der mir auch passen wird, und Jhr Flauschhut dazu. Es ift ganz merkwürdig« wie gut uns beiderseitig unsere Kleider passen Wir find wie fiir einander geschaffen,'« meinte «Omelette«, nachdem et die ver .schiedenen Kleidungsstiicke angelegt « hatte. »Aber es ist wahr, ich foll heut Abend noch auf den Ball gehen und ch kein Geld dazu. Du mußt mir ei ige Schillinge leihen.« »Ich besitze nicht mehr Geld, als was sich in meinen Taschen befindet,« seufzte der Buteauchef, mehr todt als lebendig. »Warte nur, hier ist gewiß der Kom modenschliissel, hier in der Westenta sche Nun wollen wir in der oberen Schuhladev nachsuchen. Fafele mir nur erft keinen Unsinn vor, Onkel. Du sehst ich habe die Pistole bei der Hand. « Nachdem er sich mit einer Masse blanier Goldstücke versehen und eine von des Bureauchefs Cigarren ange zündet hatte, welche er dem Etui aus- der Brufttasche entnommen hatte, ging er. »Gute Nacht, Onkel, und vielen Dank für den heutigen Abend! Du darfst Dir nicht die Mühe geben, mich zu begleiten, ich kann ganz gut hinter mir zufchließen,« sagte er, verschloß die Thiir von außen und steckte den Schlüs sel in feine Tasche. Der Bureauches sank halb ohnmiich tig auf ein-en Stuhl und »Omelette" schlenderte gemächlich der Stadt zu. Bald wintte ihm Tivoli’s erhelltesPors tal. Er ging hinein. - Nun hatte er nicht mehr nöthig, sich zu mastiren Er war ja fein angezogen und vornehme Herden gehen niemals oerkleidet auf den Maskenball. Dort herrschte Frohsmn und Heiter Leit. »Omelette« hatte viel Geld m der Tasche Und knüpfte daher viel Bekannt schaften an. So traf er mit der ,,Feöniain der Nacht« zusammen, die er mit einem halben Beafsteal und einer Flasche Bier traitirtex mit dem »Herzog von Man tua« trank er Branntwein und in Ge sellschaft von zwei florentinischen Blu menmädchen und einem Matroseri ge noß er einige Toddy’å und ein Paar Flaschen schwedischen Banlo. Die Folge davon war, daß er ver gnügt wurde, sogar sehr vergnügt und dabei ebenso vergnügt, als außeror dentlich übermüthig. Als er indessen in einem solchen An fall von Uebermnth der »Großherzoain von Gerolftein« eine leere Flaf che an den polizeilichen Verordnungen, weshalb er Kon warf und einem Konstabler eine Halbe bairisches Bier anbot, ging dies zu weit. Die Konktabler trinken näm lich niemals öffentlich halbe Flaschen Bier, außer bei Voltsaufläufen und dann geschieht es auf öffentliche Ko sten. Man fand darum in »Omelette’s« Benehmen einen Widerspruch gegen die polizeilichen Verordnunge, weshalb er auf die Hauptwache geführt wurde. Er zeigte sich darüber sehr aufgeregt. » Als man seinen Rock untersuchte, z fand man ein Visitenlarten-Etui in seiner Tasche. Dasselbe war mit zier Jlichen lithographirten Karten gefüllt: Benedittus Blälmeyer, Bureauchef. »Es ift schrecklich," meinte der - Rathsdiener. »wenn ein Mann aus bes seren Ständen sich nicht feiner zu be nehrnen weiß, als sich solchen Rausch anzutrinlern so daß er schließlich auf die Wachtsinbe gebracht werden muß." Jn weichen hatte Tags darauf der wirtl Patente-des den Sachverhalt bei der Polizeibehörde gemeldet und »Vorhin« wurde dern Oberhaupte derselben vor-geführt . — Djeser Herr erkannte ihn augenblick . Jus-ebene- Qmequches,« kiek er anz, »der-»in a »Organe« - Dann fügte er hinzu: «Quel bmit pcmr une Welette!" Und hierauf schaute er sich rings im Kreise seiner Untergebenen um und lachte herzlich, und die Konstabler und das übrige Personal verstanden nun, daß das Oberhaupt der Polizei eine witzige Bemerkung gemacht habe, des halb lachten sie auch herzlich, obgleich ihnen der Sinn derselbei nicht recht klar war. » ,,Onrelette« wurde zum Zuchtbaus verurtheilt »Aber es war ja nur ein gemind licher kleiner Scherz,« äußerte er. »Es( ist schlimm wie streng die Leute bierj find und wieviel Wesen sie von Unbe bebentenden Sachen machenf — --—-———4 O-———- — Der alte Onkel. Von Jnlia Hartman. Endlich verließ die kinderreiche Fa milie das Koupee; Gottlobi Die tor pulente Frau mit dem quietsenden Wi ckeltind im Arm und die abweselnd sich zankenden, oder gierig an ihren But terbroten schmagenben drei anderen Bälge. Toni Helmer atbmete auf und rüste sich in ihrer Ecke behaglich zu re t. Der Zug hielt fiinf Minuten an der » kleinen Station,-—Niemand wollte ein ; steigen in den warm gepolsterien Wagen f zweiter Klasse, —- und jetzt folgten noch ; fünf weitere Staiionen und dann noch keine gräßliche Omnibusfahrt bis zum ILanbgut HohenwaldeS Toni gähnte ; und schüttelte sich schnaubend vor Lan geweile, —- sie haßte langes Alleinsein, F und plauderte so unsiiglich gern« — l natürlich aber nur mit netten, artigen i Leuten! Käme nur Jemand! Das Signal zum Weiterfahren war k schon ertönt, da schwang sich ein großer « schlanker Herr aufs Trittbrett, bog den Kopf mit forschender Neugier zur offe nen Koupeethiit hinein — einen Mo ment dararif war die Ecke« Dido-bis nicht mehr leer. Sie erwiderte freundlich den Gruß des Fremden und schaute dann ange x legenilich zum Fenster hinaus. Aber die Sonne strahlte ihr gerade in das etwas erröthete Gesicht und so drehte «· iie den Kon zur anderen Seite;—-blöde ! war Toni tein bischen, im Gegentheil —- aber das Gefühl, fehr genau be trachtet zu werden« tann das tilhnfte Wesen etwas befangen machen. »Darf ich Jhnen ein Schliickchen an bieten, Fräulein ?« Toni fuhr erstaunt herum und blickte in ein Paar große, heitere blitzende Au gen von ganz durchsichtig arzurblauer Farbe, dann auf einen gutmüthig lä chelnden Mund, der von einem mai-tin lisch geschwungenen dunkelblonden Schnurrbart halb beschattet war und beim Sprechen starke glänzend weiße v Zähne sehen ließ· Z »Welch’ ein stattlicher schöner ; Mann!« dachte Toni iiberraschth Nicht smehr ganz jung, aber so frisch. so Ischneidig, — ganz anders wie der fade Kurt Linden, dieser langbeinige, fern-— melblonde, gigerlhafte Landjunier, von idem sie sich nun schon ein halbes- Jahr « lang, in Ermangelung von etwas Bri 7ferem, hatte den Hof machen lassen! Leichter grauer grünbordirter Jagd anzug, zerdrücktes weiches Filzhütchen mit hoher Reiberfeder geschmückt der braune Teint, die kräftig gebogene Na se —— natiirlich ein Waidman::, aber ein nobler, feiner! Was bot er ihr denn an . in dem blinkend geschliffenen Litor «glas? Es roch furchtbar start. »O, ein fanroser alter Cognac!« »Dann sehr!'« Toni reichte mit tbränenden Augen das fchnell geleerte Gläschen zurück und hielt sich kampf haft den Mund zu, um einer-. Huftenreiz zu unterdrücken. »Wir-hin geht die Vergnügunggrcier Darf man das Ziel erfahren schönes Fräulein?« frug der Herr mit so war-: nein, verbindlichein Interesse, daf; sich Jsoni unwillkürlich acschrneicheli fühlte. Sie konnte diesen Klang ganz genau i von dem tecken Ton vorwiyiger Neugier s Unter-scheiden er gefiel ibr ausneh mend, und ihr siebzehnjähriaes Herz pochte mit freudig erregten Schläaen Die unüberleate tindliche Butter-ens z ’e«·iale·«t, die sie bisher in ihrem fried j i-:s!len Dasein auf dem Lande meist , ganz gefabrlos geübt, drängt-: sich ihr , auf die Lippen; der ftarte Cognae tiatte f ihren angeborenen dreisten Uebermutb ? gestachelt Sie dachte nicht daran. daß Iibr alantes Gegenüber ein tout-frem : der ensch lei, der ihr noch nicht einmal seinen Namen genannt — nein, das war wieder die echte Toni Helmer, an der all’ die unzähligen elterlichen Rü gen, alles Ermabnen zur weiblichen Zurückhaltung und klugen Vorsicht stets wirkungslos abaeprallt, auf deren überfprudelndes Temperament auch die zwölf Monate lang ertragene lehrhafte Zucht in einein Pensionaie nicht den ac »eir:äfteu dämmenden Einfluß geübt be .« .O, eine Vergnügungsreifet« rief sie mit entsekter Sei-erde. indem sie die kleinen Hände nachdeiicklich zufam-f Deutschl-H »Ach, du lieber Gott!" Halb erstaunt, halb belusttgt hafteten des Mannes Blicke auf dein jungen blühenden Ge sicht. Die sirahlenden schwarzbrauneii Augen unter den feinen Brauen. die eine reine weiße Stirne überwölbte, das Stumpfnäschem der winzige trotzige g chiirzte Mund gewährten zwar einen reizenden Anblick, — es lag aber doch etwas gar zu Unbändiges in der Art und Weise, wie die junge Dame wäh rend ihrer lebhaften Worte das Mohn rosenhiitchen von den Flechten riß und sich wie verzweifelt mit dem braunhaa rigen Käpschen gegen die Polsterlissen zurückwars. »Jn die Verbannung werde ich ge schickt, zu einer schrecklich lorretten tu gendhaften alten Tante, von der ich feine Manieren, ordnungsvolle Haus haltung und altbackene Ruhe und Wür de lernen soll! Tante Lucie ift ganz nett und lieb, wisse Sie, aber ein schreck lich unmodernes pedantisches Frauen zimmer; wenn die mich nur ansieht, bleibt mir das Wort im Halse stecken Ivor lauter Respekt Immerhin wäre es ein paar Monate bei ihr auszuhaL ten, denn sie haben dort die herrlichsten Obstgiirten und Tante LuciensTöchter chen und Eingemachtes suchen ihres Gleichen; aber gerade dieses Jahr hat die Sache ihren besonderen Haken. Da ist nämlich ein Onkel ausgetaucht, Maina s Stiefbruder, der vor Kurzem aus Amerika tam und jetzt ständig in Hohenwalde hausen will. Sehen Sie, eine alte Jungfer mag ich ganz wohl leiden, wenn sie so ist wie Tante Lucie —- ja willich, es verlohnte sich der Mii he, ihr in Manchem nachzueifern — aber ein Junggeselle, so ein verschros benet, launenhafter, griesgrämi er Kerl, der nur so eilig ist, weil er sich wahrscheinlich zu viel Körbe gesammelt hat und dann aus Zorn darüber die jungen Mädchen verächtlich behandelt und wie ein hölzerner Schulmeister mit ihnen spricht —- so ein trockenen spott siichtiger Hagestolz ist mir ein Gränel! Jch lenne die Sorte ganz genau, in der ,.Gartenlaube" war nämlich einer be schrieben —- na, und Onkel Erich muß nur wenig iiinger wie Tante Lucie sein, wenn er 15 Jahre lang jenseits des Oceans gewesen ist und sich dort Dol lars erworben hat. Bitte, glauben Sie wohl, ich ließe mir von Onlel Erich im poniren? Mama und Papa haben ge stern Abend noch davon gesaselt, von seiner »großartigen« männlichen Ener gie, die würde mich zu zügeln verstehen! Und sie sollten mich doch kennen, daß ich mich von gar Niemand hosineistern lasse. Warum lächeln Sie denn, mein Herr! Ach, Sie halten mich wohl fiir recht un bändig? O nein, ich bin nur arg ver wöhnt worden und hasse jeden Zwang« und wenn Eltern ihre Kinder halt sc schlecht erziehen, dann geschieht es ihnen ganz recht —- wenn — ,.Das ist wahr, ja gewiß, das ist wahr, — dann ist die natürliche Folge. daß ein solches Kind später von ande ren Leuten erzogen werden muß. — Ganz richtig! Jhre Eltern handeln vielleicht sehr weise, daß sie ihr Töchter chen in noch jugendlichern Alter einer strengeren Hand übergeben!« »Aber mein Herri« — Toni Helmer war starr über dirse unerwartete Unter brechung. Wie mit Blut über ossen im Empfinden einer peinvollen un s chreib lichenBeschämung, blickte sie ihrem Rei segefährten in’s Gesicht. Sie sah indess ein gleichmiithig gütiges Lächeln-aber einen räthselhasten Ausdruck in den azurblauen Augen. Ein betlemmendes Gefühl machte sie verstummen; ein plötzliche-LI- Ahnen davon, daß sie sich un passend benommen, daß sie eigentlich ein sehr thörichtes tindisches Geschöpt sei, übertam ihre Seele —- und die Ent »»pörung über die empfangene Zurecht weisung wollte zu ihrem eigenen Er staunen nicht aufslammen, wie sonst bei jedem tleinen Anlaß daheim. » »Nun also, mein Fräulein, Sie rei sen, wie ich vernahm, nach Hohenwaldez ich bin noch über drei Stationen Jbr Gesährte und fühle mich verpflichtet über Jhr Wohl zu wachen. Schauen Sie mich gesälligst an, Sie sind in eini gen Augenblicken abwechselnd blaß und roth geworden, ich vermuthe, daß Sie Hunger haben." »Ich esse nie etwas!« stieß Toni jetzt hestig hervor. Die eigenthiimliche pro tegirende Art dieses fremden Herrn fing an, sie doch zu reizen. Uebrigens hatte er nicht Unrecht; sie gedachte eben faktisch mit Bedauern des delitaten Schintenbrödchenö, das sie in der Aus regung des Abschiede von den Jhren einzupacken vergessen hatte. Jm Kampf mit den verschiedenartigsten aus sie ein stiirrnenden Empfindungen, schielte sie doch verstohlen nach dem angebotenen Leckerbissen. Wahrhaftig Sandtörtchen, die sie so leidenschaftlich gerne aß! Wie kam nur so ein Jägerjmann zu Sandtörtchen!? —- Mit verschiirnt gesliistertern Dank ließ sie es zu, daß ihr der fremde here den ßtnen Kuchen in Seidenpapier ge hüllt aus die Kniee te — gan als verstünde sich das von elbtt —- un alt er in Betrachtung der Mchen vor-Mer ssliegenden Landschaften vertiest schien, s handelte sie m grellstem Widerspruch zu ihrer vorhin aufgestellten Behauptung und verzehrte mit größtem Behagen das duftende Gehört Nebenbei betrach tete sie mit steigender Bewunderung, mit einem ganz neuen noch nie gekann ten innigem Entzücken das edle Profilz ihres Reisegefährten. i Hat’s geschmeckt, Fräuleinchen? Ja, meine Schwester versteht so Iwaö Sie ist ein musterhaftes Weib in jeder Hin sicht, nicht blos im Törtchenbacken!« sagte der Fremde nach einer Weile, in mildem liebenswürdigem Ton. »Aber merkwürdig« —- fügte er dann nach dentlich hinzu, »wie Sie, so gehe auch ich gerade momentan einer sehr unge wissen Zukunft ent egen o Das tücki sche Schicksal harrt hrer in Gestaltei nes unangenehmen alten Junggesellen Ontels, dor dessen griesgrämigen Lau nen Sie sich jetzt schon fürchten, und ich — was denten Sie wohl, was mir die allernächste Zeit Schreckliches bringt? Da wird mir eine junge Dame, ein Stiefnichtchen, jählings über den Hals gesandt, ein teckes vorwitziges Gäns chen; das soll ich ein wenig kurz halten, damit ihm der tlebermuth nicht über den Kopf wächst, und meine treffliche Schwefter will mir helfen dabei. Ja, das wird ein Kreuz geben für mich ern sten Mann, der seine Geschäftsforgen und Arbeiten hat, und nur gediegene ruhige Gesellschaft gewohnt ist! Aber« —- fuhr er fort, indem er eindringlich in des Mädchens weit geöffnete aufge regten Augen schaute, — »Sie waren ja auch so offen gegen mich-— ich muß Ih nen gestehen, die übernommene Aufgabe interessirt mich doch ziemlich ftari. Da wurde mir zu den vorigen Weihnachten ein Bildchen geschickt nach Rio de Ja neiro, ein Konterfei dieses unartigen, tollen Nichtchens -— ach, welch’ ein her ziges liebes Gesichtchenl Jch habe mich ganz vernarrt hinein, trotzdem ich mit meinen 37 Jahren über die heißblütige Jugend hinaus bin, und das Original ihm genau gleicht, wissen Sie, das Ori ginal — nach dessen Anblick ich mich nun schon monatelang gesehnt — Der Fremde brach plötzlich ab, stand auf und lehnte sich weit zum Fenster hinaus. Bei der jähen Bewegung glitt ein Gegenstand aus seiner Nocktasche geräuschlos zu Boden. Das in hülsloser Verwirrung wie er starrt dasitzende Mädchen bückte sich me chanisch darnach. Das elegante Notiz buch war nicht geschlossen, beim Aufhe ben entfiel seinen Blättern eine Photo graphie. — Ein über-lauter Aufschrei — der Herr fährt erschrocken vom Rou peefenster zurück. Toni Helmer steht am ganzen Körper zitternd da und bin det ihr Mohnrosenhiitchen. Sie greift wie betäubt nach ihrer Reisetasche, ih lrem Schirm, tastei nach der Raume tbür — »Um'"g Himmelswillem Kind, Toni, Du stürzest hinaus-, liebes Herzen-»Und ich bitte Dich« — die Worte versagen dem großen starken Mann, er umfaßt die leichte Gestalt und reith sie heftig von der bereits offenen Thür zurück, und das behende Mädchen fühlt sich fest an seine Brust geschmiegt und weint. Aus der Bant liegt das Notizbuch und das Bild der lecken vorlauten Toni. »Q, Onkel Erich! OnlelErichl Wie bin ich Dir so guts« Woher kommt es nur, dasz Toni’s iibermiithiger Hindertnund sonst nichts hervorbringt? Herr Erich Hohenwalde streicht sanft über das braune Köpfchen, von welchem der Hut herunter esallen und biegt dann das glühende Zlntlitz seiner Stief nichte zu sich empor. Da lächelt sie, nicht wie ein gedanken los muthwilliges Kind, nein, glückselikx oerheißunasvoll wie ein liebendes Weid. »Was wirst Du nun mit dem Gäns chen anfangen?« sliisterte sie mit fast demiithiger Zärtlichkeit »Der griesgrämige Junggeselle wird es gehörig hofmeistern und lieben, lie ben aus iinmer!" llingt die jubelnde Antwort zurück. »O, tvelch’ reizende Fahrt nach Hohenwalde, tleine, anat tige, süße Toni! Was wird Schwester Lucie sagen! Wie wird sie sich freuen!« — OOO Vor den Geschworenen·. Eine Geschichte aus Ramänien von Marco Brociner. Vor zehn Jahren hatte sie ihn zum ersten Male gesehen. Sie war dazu mal noch ein Kind, taurn neun Jahre alt. Aber ihr war, als wenn es estern gewesen wäre, so sehr hatte si ihrer Erinnerung jener Moment eingeprägt, als vor der in eitel Gold und Silber strahlenden Bilderwand, die das Schiff des Dorftirchleins vom Allerheiligsten trennte, der junge Pape Damasltn er schien. Der sah ganz anders aus als der frühere greise, zitterige Seels or des Städtchens. ine schlanke, lr s tige Gestalt in einem wundersam lis ernden.Ornat. Stolz wie ein Hättst stand er da, das edelgeschnittene,» b ehe Antlti m einein kurzen Vollbart ein-. ge aßt, die langbewimperten Augen ülle bis zu den Schultern heradwal end. Und wie herrlich klang seine Stimme, wie reich und voll! Diese Stimme hatte sie später gar ost ver nommen, da der junge Pope jeden Sonntag im Herrenhos erschien. Er plauderte sehr gerne mit dem alttlugen Töchterlein des Gutsherrn, das so wild, so trotzig war, aber still, scheu wurde, wenn seine hohe Gestalt nur austauchte Und als er einige Monate nach jenem Sonntag, da sie ihn zum ersten Mal ge sehen, einen Avschiedsbesuch im Herren hos machte und ihr bei dieser Gelegen heit einen Kuß aus die Stirn drückte, da hatte sie sogar bitterlich geweint. Eine Zeitlang noch hatte sein Bild in der Seele des Kindes gegautett, dann Fhend die dunklen Locken in üppiger s verdärnmerte es allmälig. Sie hatte seither nichts mehr von ihm gehört, seine Existenz fast völlig vergessen, als vor mehreren Wochen sein Name nach Jahren zum ersten Male wieder an ihr Ohr schlug. All-e Welt sprach von ihm, von dem schönen Popen Damaskin, der ein furchtbares Verbrechen verübt, ein Weil-, seine Ge liebte, ermordet hatte. Und sie wußte mehr als alle Andere. Jhr Gatte war ja der Staatsanwalt, der die Unter suchung geleitet und nun vor den Ge schworenen die Anklage vertreten sollte.. Sie hatte mit fieberhaster Spannung alle Phasen der Untersuchung verfolgt. Sie wußte, daß der Mörder einsilbig, verschlossen war, daß er mit wenigen kurzen Sätzen die That eingestanden und daß er nur den einen Wunsch heg te, so rasch als möglich den verdammen den Wahr-sprach der Geschworenen zu vernehmen. Auch sie hatte mir nerv"o· ser Unruhe den Verhandlungstag er wartet. Nun war er endlich ange brachen. Madame Helene Dan, die Gattin des Staatsanwalies, war eine volle Stunde vor Beginn der Verhandlung erschienen, hatte aber bereits den Saal dicht besetzt gefunden. Die vornehmste Damenwelt war darin vertreten. Ei nen Popen, einen schönen Popen, der noch überdies Mönch war, als Mörder eines geliebten Weibes vor den Ge schworenen zu sehen, das war ein selte nes, sensationelles Schauspiel, das Emotionen versprach! Helene. die ihr Gatte am Arm führte, begrüßte lächelnd einige Freundinnen und unterhielt sich mit ihnen unbefangen eine Weile, bevor sie sich aus dem Sitz niederließ, den ihr Mann für sie in der ersten Bank des Zuschauerraumes reservirt hatte. Herr Dan, ein dünnes Männlein mit einem blonden Spitzbiirtchem strahlte förm lich vor Glück. Er war erst seit Aur zem zum Staatsanwalt ernannt wor den. Heute bot sich ihm zum ersten Male Gelegenheit, vor dem Publikum zu sprechen und noch dazu in einer so aufregenden Affaire. Und er konnte überdies seine oratorischen Künste vor einem auserlesenen Damenpublitum spielen lassen! Er hatte denn auch eine glänzende Rede ausgearbeitet, die er zu Hause seiner Frau bereits vorgetragen. »Wirst fehen,« sliifierte er ihr zu, ich er ringe heute einen großen (Lrsolg.« Dann zog er sich zurück, um gleichzeitig mit dem Präsidenten und den Beisitzern des Gerichtshofes einen solennen Einzua in den Saal zu halten. Für zwölf Uhr Mittags war der Beginn der Verhand lung anberaumi. Es fehlten nur noch wenige Minuteen bis zu dieser Stunde. »Die Damen wurde ungeduldig. Das Gewoge der lachenden, plaudernden Stimmen wuchs. Aus einmal wurde es still, dann ging ein Flüstern und Raunen durch den Raum. Der Ange klagte war, von zwei Soldaten flantirt, eingetreten. Sein Aeußeres entsprach nicht ganz den gehegten Erwartungen. Das war nicht der schöne, lebenslu stige Pape Damastin, von dem man sich allerhand galante Abenteuer er zählte. Er sah etwas verwahrlost aus. « Er schritt gebückt, mit schlotternden tBeinen zur Antlagebant, wo er, das FHaupt tieft zur Brust gesenkt, nieder lglitt Helene war bei seinem Anblick zusammengezuckt. Sie betrachtete ihn gespannt. War das derselbe Mann, Ider einstmals in der Seele des Kindes-v ein teimendes Liebesgesühl erweckt hat te. Allmiilig, während sie forschend seine Ziige studirte, erkannte sie in sei nem sinsteren Profit das einstige bleiche, edel geschnittene Antlitz des jungen Po pen. Damaskin saß regungslos da. Er erhob sich mechanisch. als der Gerichts hof eintrat, er schien kaum zu beachten, was sich weiter abspielie und verblieb auch in seinem dumpfen Trübsinn, als die Verlesung der Anklageschrift be gann. Es war ein langathmiges Schriftstück. Das Publikum lang weilte sich. Leises, dann immer kräfti ger anschwellendes Geplauder über tönte die Stimme des Vorlesenden. Da bat der Präsident freundlich lächelnd die Damen, sich ruhig zu verhalten. Das Wort Damen schien den Popen Damaskin aufzuriitieln. Er hob das daupt und streifte das Publikum mit einem raschen Blick. Ueber-all Frauen töpfe, überall Frauenaugem die ans Ihn