Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 04, 1896, Sonntags-Blatt., Image 15

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    . , J
I lder allen Anderen. besonders aber auch
seinem Papa, als leuchtendes Beispiel
und Exempel vorangehen soll?«
»Aber, mein Gott, was ist denn?«
Ehr der jun-Je Mann, wie aus den
ollen Zesa en aus; Ellen, iiber und
tiber err· then-in hatte sich bereits erho
ben und ihren kleinen Brüdern zuge
winkt.
»Eure Eltern sitzen drüben im Spei
rsaale und warten aus Euch.« sagte
rs. Pintet mit Nachdruck, »und Sie,
junger herr, wendete sie sich an ean
Baues »Sie würden wohl thun, - hren
v chapa etwas gewisserhaster zu bewa
en.« »
Damit wendete sie sich voll stolzerj
Bestiedi ung ab, lehrte allen Vieren:
den Rii en zu und schritt aus der ent
egengesesten Seite wieder in’s Freie
Finanz. Sie war auf die Hinterpartie
des Zeltes gerathen, welche sich ziemlich
verwildert ausnahm. Ein klägliches
Weinen traf ihr Ohr; diejenige, von
welcher dasselbe ausging, saß aus einer
balbzersallenen Treppenstuse und war
keine Andere, als die Burlesiensönge
in, die vorhin ein so trauriges Fiasko
gemacht hatte. Jhren Bühnenstaat hat
te sie mit einem Kattunwrapper ver
tauscht, der ihre ganze Gestalt umhüllte.
So, in sich zusammengesunten, tauerte
« sie dort, ein Bild des Elendes und der
Verzweiflung.
»Na, was ist denn los mit Dir,
Girl?« sra te Mrs. Pinlet herantre
tend, »bist uhungrig, oder hat Dir
Jemand etwas gethan? Sag’s bot-t«
Das Mädchen erhob ihr Gesicht, ob
gleich noch jung, so war doch jeder Niciz
der Jugend abhanden gekommen.
»Ach, Madame, das war mein Letz
tes, mein Allerletztes,« schluchzte sie,
»Aus versucht und Alles gefehlt.«
»Du warst wohl die, welche da drin
nen san ? Ja freilich, das war schlecht
gnug, « timme hast Du keine, k.:nnst
U denn sonst nichts?«
»Jch bin durch mit Allem —- wollte.
ich wäre todt —- wenn ich nur wüßte, ob
mein Kind noch lebt — mein Keines
Kind!« Wieder weinte sie laut·
»Also bist Du verheirathet?« fragte
Mes· Pinket. Die Unglückliche schüt
telte den Kopf. »Er konnte mich nicht
nehmen, er hatte auch seinen Trubcl —
aber das Kind —-«
Wga was ist denn damit?«
» « ie sagten, es wäre todtgeborrm
aber ich habe es schreien hören, und sein
warmes Leibchen — ach Gott! ach
Gott!«
»Und fett sehnst Du Dich darnach,
wo Du selbst nichts hast, Du armes
Ding, und der grundschiechte Kerk, - der
Dich verführt und verlassen hat, tsen
verfluchst Du nicht, bis in die tiefste
Sölle? Girl, Du bist eine dumme
ans, dafiir hilf Dir fiir's Nötbigste
auf, und morgen fährst Du nach New
York und wirst Mitglied der Solda
tion-Armee, da helfen sie Dir und brin
gen Dich zurück auf den Weg der Tu
gend.«
hocherhobenen hauptes ging Mars
Pinket von dannen, fest überzeugt, ein
ausgezeichnetes Werk «estistet zu haben.
Henrh Jones jun. satte seine drei
Schiihlinge zu ihren Eltern Meinige
bracht und bemerkt« wie das reitet-de
Mädchen, dern er nur zu tief in die
schönen Augen geschaut, sich an die Sei
te ihrer Mutter flüchtete, wie ein Küch
lein unter die Flügel der Henne, die es
ausgebriitet.
Indessen ging ihm doch die Warnung
der Mes. Pintet im Kopfe herum. wes
kalb er sich von der deutschen Familie
öfiich verabschiedete, in der Absicht,
ernstlich nach seinem Vater auszu
schauen.
Es be ann bereits zu dämmern, in
allen Sälen steckte man die Lichter an,
und von so manchem Strandplnh
strahlten alsbald elettrische Sonnen,
welche die auf und nieder wogenden
Wellen des Meers vergoldetem Zahl
reiche Menschengruppen zogen bereits
den heimtehrenden Exkursionsbooten
u, während Solche, die in Cottages,
oardinghiiusern und Hotels fiir einen
längeren Aufenthalt sich ein ericjstet
hatten, den schönen Abend am trande
verbrachte-n. -
Der junge Jenes stieß auf eine
Schaar Leute, die offenbar eines beson
deren Ereignisses harrend, var einem
ziemlich umsiinglichen, ganz neuen Ge
bäude standen, das in seinen Schaufen- ’
stern eine Masse Bicycles zeigte.» sonst
aber einer Reitschule nicht unahnlcch
Away L an sam schlenderte er daran
entlang, bl eb aber plöhlich überrascht
stehen, da er seinen Vater erkannt zu
haben meinte. Derselbe saß neben ei
ner ihm völlig unbekannten Dame auf
einem schmalen Brett, das über zivei
leere Fässer gele t worden war unt- eine
iertisani vorste te. Beide schienen aufs
Tiefste mit einander beschäftigt und in
einer äußerst vergnügten Unterhaltung
begriffen zu sein. Der jugendliche Ve
obachter bemerkte jetzt auch die rothen
.Nelken, welche Beide trugen und deren
Zweit ihm nicht sofort einleuchte wollte.
Als er noch so dastand und simuiiete,
kam von der Seite her Mes. Piniet
auf ihn zu und fragte mit einer gewis
würden.
« wundert.
sen Feierlichkeit, ob er auch warten«
wolle, bis die Thüren wieder geöffnet
»Weshalb denn?" fragte er ver
,,Um zu sehen, wer herauskommt,«
antwortete die Dame scharf. »Eine be
rühmte Schauspielerin nimmt ja drin
nen, hinter verschlossenen Thüren, ihre
erste Leition im Bichclereiten; wie es
heißt, wollen sie sie ja bei ihrem Her
austreten begrüßen und gemeinsam
nach ihrem Hotel begleiten· Manche
behaupten, es sei gar keine Dame, fon
dern ein Herr, mehrere sollen sogar
schon darauf gewettet haben. Nun, die
Thüren können jeden Augenblick auf
gehen und dann wird man ja sehen,
wer heraustommt.«
»Das ist ja merkwürdig,« bemerkte
zerstreut der junge Jones, wobei er be
ständig nach seinem Vater schielte, der
jetzt seinen Arm um die Taille der Frau
an seiner Seite legte und dazu ein ganz
merkwürdiges Gesicht zog.
»Ich möchte wissen, zu was eigent
lich die rothen Blumen sind,« stieß er
hastig hervor. »Sie tragen auch welche,
ist das etwa der Schauspielerin we
gen ?«
»Die Blumen, die haben ja alleriei
Zwecke, wissen Sie denn das noch nicht?
Sie sollen Glück bringen, wenn man
spielt oder wettet, im Pferderennen sind
sie besonders beliebt, in Liebesassuiren
sind sie auch ein sehr gutes Mittel gegen
Jntriguen und außerdem ein weithin
leuchtendes Ertennungszeichen.«
»Ach, was Sie sagen!«
Da wurden plöflich die Pforten der
Bichcleschule eöf net und das Brett
mit den daraus Si enden, das dicht da
bei war, kam in’s utschen, sodaß Hen
ry Jenes sen. Mühe hatte, sich mit sei
ner Begleiterin oor dem Fall-n zu ret
ten.
M:- D-----8-- h-2-«64- k--Hs-Z »n
Un Wann-usw« »so-»Hut- -,·.--.--«. »i»
die berühmte Persönlichkeit herauskom
men zu sehen, mußten aber zu ihrem
Leidwesen erfahren, daß derHerr, wel
cher seine erste Lektion im Bichcleiuiten
genommen, schon vor einer Viertelstun
de das Gebäude durch ein Seitenthür
chen verlassen habe und nicht genannt
sein wolle, eine Nachricht, welche mit
einem mehrstimmigen Murren in Em
pfang genommen wude.
Ohne länger zu zögern, begab sich
jetzt der Sohn zu seinem Vater.
»Papa, ich habe mit Dir zu sprechen.«
»Ach, lass’ mich in Ruhe, später —
später —"
Die neben Jones sen. stehende Dame,
es war die mit der ausgeftiilpten Nase,
dem röthlichen Haar und en kleine-Mu
gen, blickte abwechselnd auf Vater und
Sohn und ein äußerst maliciiises Lä
cheln verbreitete sich über ihre Züge
Mrs. Pinket war so nahe als möglich
hinter die beiden Herren getreten und
beobachtete die weitere Entfaltung der
Scene mit größter Spannung
»Habe ich recht verstanden, Sie sind
verheirathet, das ist Jhr Sohn und
was haben Sie mir gesagt?« sagte die
Dame·
»Jawohl,« antwortete an Stelle sei
nes Vaters der junge Mann, »ich bin
sein Sohn, einundzwanzig Jahre alt,
Elert in einem Banlgeschäst, selbststän
dig und dieser alte Herr hier ist mein
Vater. Komm’, Papa laß uns auf die
Terrasse hinaus gehen und ein verniins
tiges Wort zusammenreden.«
Die Frau brach in ein helles Geläch
ter aus.
»3u gut, zu gut!« schrie sie laut
«Paclen Sie Jhren alten Greis von Va
ter in Watte ein und sorgen Sie dafür,
daß er keine Zeitungs-Personals wieder
beantwortet
Jn dem Augenblicke lam ein Vleiner
Einspänner des Wegs daher, in wel
chem ein einzelner Mann saß.
Die elettrische Beleuchtung rings
umher ließ jedes Gesicht deutlich erken
nen und so währte es denn auch kaum
einen Moment, als plötzlich die roth
blonde rau bei dein Mann auf dem
Bug h aß,. Mrs. Pinket aber stieß ei
nen chreetensschrei aus und wäre bri
nahe in Ohnmacht gefallen, denn sie
hatte ihren geschiedenen Gatten er
lannt.
»Da fahren sie hin, die beiden Un
getreuen!« rief sie dem eilig weiter
rollenden Gefährt nach, ich wollte, sie
führen direkt in den Surf und lämen
nicht wieder heraus.«
»Darinnen waren sie heute schon ein
mal,« bemerkte henrh Jones jun. sehr
ruhig," ich habe sie genau ertannt. den
Mann sowohl als die Frau. Eine
schöne Gesellschaft für Dich, Paua,«
» setzte er leise hinzu.
» »Dummer Bub’!« murnielte der Ge
ischoltene, seinen Sohn am Arm neh
I mend und mit ihm langsam weiter
schreitend, ohne aus Mrs. Pintet,· tie
immer voran eilte, zu schauen. »Was-»
hast Du Dich in meine ttlngelegentietenI
zu mischen,« suh er vorwurssooll iortJ
»mich als hinsälligen alten Mann aus-»
zuschreiem wo ich doch höchstenzi nur
fünfundzwan ig Jahe älter bin als
Du? Du hast gar kein Recht, meine
Absichten zu durchlreuzen, einestheils
brauche ich Zeitvertreib und andern
»
theils muß ich Geschäfte machen, und
solche Sportssrauen, wie die, welche
Du mir eben verscheucht hast« sind äu
ßerst nützlich beim Wettkennen; sie
wetten selbst und verleiten Andere dazu
und wie gut sie die Pferde taxiren, das
ist-gar nicht auszusprechen. Unsereiner
macht dann seine Rechnung dabei und
verdient einige Hundert Dollars im
Handumdrehen. Aber Du —- Du bist
ein unbändiger Esel, ja das bist Du,
mein Bub’.«
»Nicht so ganz, Papa, denn ich trete
für die Mama ein und wenn sie auch
schon seit einigen Jahen todt ist, s o lasse
ich ihr Andenken doch nicht beschi:t«psen,
weder aus Zeitvertreib, noch aus Ge
schäftsriicksichten. Wenn Du wieder
heirathen willst, gut, dann sage es srei
heraus und nimm’ Dir eine Dame, die
werth ist, mit mir in verwandtschast
liche Verbindung zu treten. Jch werde
mich dann auch verheirathen und wir
können unsere Hochzeitsreise zusammen
machen. Aber mit Personals und ro
then Nelten und zusammen aus einem
alten Brett sißen — nein Papa, das ist
gegen den Kontrast; weißt Du noch,
wir haben mit einander ausgemacht,
daß Jeder seinen eigenen Weg gehen
kann, aber Keiner darf dem Anderen
ein ehrenrühriges Aegerniß bereiten.
Du hast mich aber geärgert, schändlich
«eärgert —- und nun habe ich etwas ror
Zinborausf
»Ich möchte wissen, was,« brummte
der Vater.
»Das will ich Dir gleich zeigen,« ter
setzte der Sohn, ,,tomme nur vollends
die Terassenstusen heraus — hier Pa
pa, vorwärts — dort sitzt sie! Siehst
Du das schöne Kind, das so unschuldig
aussieht, wie ein Engel im Himmel?«
»Dort, bei den deutschen Leuten, mit
denen wir an demselben Tische gesessen
liaben? Der Mann ist der Conirattor
Miller, ziemlich wohlhabend, was hast
Du mit dem vor?«
»Mir orrn have Ich vor, oakz er mein
Schwiegervater werden soll, seine Toch
ter Ellen wird meine Frau und die zwei
kleinen Knaben werden meine Brü
der —«
»Und die dicke Madame wird Deine
Schwiegermutter, ich verstehe.«
»Die ist an ihren kleinen Fingern
mehr werth, als eine gewisse andere
Madame über und über. Ellen’s Mut
ter wird von mir auf den Händen ge
tragen werden«
»Na, da gratulire ich; eine nette
Last!«
»Danle, Papa, durchaus nicht zu
schwer für mich.«
»Was denn sonst noch?«
»Jetzt wollen wir uns zu unseren
künftigen Verwandten setzen, uns lie
benswürdig machen und meine Hoff
nungen für die Zukunft praktiich ein
leiten.«
Den Beiden war bereits Mrs. Pin
ket zuvorgekommen, die halb athemlos
ihr Begegnen mit« ihrem ehemaligen
Gatten erzählte und dabei die rothen
Nellen, die noch an ihrem Gürtel steck
ten, hervorzog und zerruvste.
Als bereits der Mond am nächtlichen
Himmel herauszog und mit Millionen
silberner Sternlein in den rauschendcn
Ocean hineinschaute, als das letzte Er
tursionsboot abgesegelt, mehrere Eisen
bahnziige mit Seelustschnappern abge
dampft waren, da fing für die zurück
bleiben Strandgiiste das Leben erst
recht an.
Heller strahlten die elektrischen Son
nen, schmetternder ertönte die Musik
und in einem der großen Hotelsiile wur
de sogar getanzt.
Henrh Jones ihn. und Ellen Miller
—- das reizendste Paar, das man nur
tanzen sehen konnte — schienen über
alle Maßen glücklich zu sein, während
Henry Jones sen. sich mit Kontrattor
Miller in ein so ernstes geschäftliche-s
Gespräch einließ, daß selbst die miß
trauische Mes. Pinlet ihrer Freundin
sbeistimrnen mußte, als diese flüsternd
bemerkte, der Mann sei vielleicht besser
als man denke, jedenfalls besitze er einen
sehr achtungswerthen Sohn.
Weit entfernt von den eleganten Ho
tels vor einer elenden halb zersnllenen
Bretterhütte, saß um dieselbe Abend- -
stunde der alte Leiermann, der heute et
nen so großen Glückstag gehabt hatte.
Neben ihm stand ein Krug mit Pier
und zwischen seinen welken Lippen neck
te ein qualmendes Pseischen. Jn feinen
altersschwachen Gedanken aber mischte
er zweierlei durcheinander: »Das Le
ben ist doch noch schön und die Men
schen sind doch noch gut.« «
Etwa hundert Schritte von ihn-. ent
fernt. da, wo ein felsiger Vorfvrnng
eine dunkle Stelle im Ocean bezeichnet,
wo hinab selbst Mond und Sonne nicht
zu dringen vermögen, dort leate sich an
demselben Abend jenes verzweifelte tun
ge Frauenzimmer, das sich mit dem Les
ben nicht länger abzufinden vermochte
ganz still zur Ruhe. Jhr letztsr Sein
zer, den die Wogen davontragen, galt
ihrem Kinde und ihre arme, tleine,
schwache, verwahrloste Seele fand sicher
lich einen milden Richter dort, wo der
»Friede waltet und die Klage schweigt.
Wer tretbt’s qui längsten?
Eine Kreta-Erinnerung von Christ. Benkard.
Endlich einmal Sonnenschein,
Kreta-Weiten Nachdem uns vor acht
Wochen bei unserer Ankunft in Suda
ban, dem Kriegshafen Kretas. ein herz
haster Schneesturm empfangen, harten
wir vor lauter Nebel und Regen nur
während weniger Stunden die Spitzen
der uns umgebenden Höhen sehen kon
nen; es schien, als sollte unsere stille
,,Minerva« gar nicht mehr aus der dü
steren Sackgasse herausfinden. Selbst
mit dem ,,Hohenzollernwetter« ivar’s
nichts gewesen, wenigstens hatte uns
nach der Kaisers-Geburtagsfeier am
22. März ein yöiger Südost derart
zum Tanz aufge pielt, daß die Anker
lette tnackte. Diejenige der vo: uns
liegenden österreichischen Korvette »To
nau« riß sogar ab und um ein Haar
wären die beiden Schiffe in ieinigir
Umarmung auf dieweiter draußen ver
ankerten türkischen Torpedos gerathen.
Ein solcher nächtlicher Zwischenfall
wirkte nach dem Genuß steifen Kom
mißgrogs ungemein abiühlend.
Doch heute war’s, wie gesagt, schön
und dieSonneHomers schien uns schon
am frühen Morgen wacker anf’s Hirn,
als wir auf Urlaub an Land fuhren
Jn Sudabay gab’s nur Werften, Fia
sernen und Zeughäuser, aber nichts
Trinlbares; was Wunder also, daß
wir uns sofort über die am Werfiihor
feilgehaltenen Orangen und rohen Eier
hermachten! Für einen Piastcr t22
Pfg) 16 Orangen und 12 Eier! Und
die Seelranken nachher, als auf dein
Ritt nach Kanea die munteren morgen
ländischen Esel dafür sorgten, dafz der
Mageninhalt ihrer abendländischchen
Ritter hübsch durcheinander geschiiitelt
wurde!
Ich hatte es vel einigen Orangen oc
wenden lassen und in strafbarer Ausz
niitzung des unlauteren Wettbewerbes
der tretensischen Eselstreiber fiLr ein
Spottgeld ein stattliches Reittliier ge
miethet, das mich für-s Erste ganz gut-»
willig trug. So konnte ich, dem aroßen
Troß ziemlich weit voraus« mich nach
Herzenslust an der herrlichen Umge
bung weiden. Vor ein paar Wochen
hatte ich auf dem gleichen Wege bei trit
bem Wetter fast nur die» vielen Stein
pyramiden auf den Feldern ges eben, die
Grabstatten meuchlings Erschosse:ier,
sowie die »weißer Berge«, wo wieder
einmal die Gen-ehre der aufständischen
Sphakioten tnallten; dabei hatten
meine Begleiter mit mir hintern-»ew
then, welche Ausgabe uns wohl zuge
theilt würde, wenn der seit Monaten
drohende russisch-tiirlische Krieg wirt
lich zum Ausbruch käme. Heute fah ich
grüne Wiesen und Wälder, rothschiw
mernde Felsen und einen wunderbar
blauen Himmel; ein leichter weiser
Wolkenzug über den Bergen erschien
mir als der Rauch einer großen Welt
Friedenspfeife,und zwischen dem Laub
der Platanen hindurch schimmerte es
goldig wie Kreterwein
,,Sch"ones Kreta! Wie ein Smaragd
aus blauemSaphir, so erhebft Du Dich
mit Deinen immergrünen Lorbeerhai
nen, mit Deinen wilden Bergen und
paradiesischen Thalern, umhüll« vom
Nimbus der Sage und der Geschichte
aus den Fluthen des ewigen Meeres.
Glücklich, wer im Strahle der auf
gehenden Sonne Dein Antlitz geschaut,
glücklich, wer, unter Myrtben wan
delnd, den Duft Deiner Blüthen geakbi
met, und dreimal glücklich, wer von der
Spitze Deiner Berge hinausgeschaut
hat auf Land und Meer, in tiefer III-Lib
rung anbetend Deine Schönheit! Er
wundert sich nicht mehr, das-, um Dei
nen Besitz Europa gegen Asien zu Fekd
zog. Nicht umsonst ist das Fierzolut
der Völker um Dich geflossen! Der
rothe Strom hat Deinen Boden ge
düngt und über den Gebeinen der Tod
ten prangen die herrlichsten Fluren der
Erde!«
Also steht zu lesen in meinem Erst
iings-Roman: ,,Unter Halbmond und
Kreuz.« Jch würde das etwas schwär
-nerische Selbstzitat bescheidentlich nn
terdriickt haben, tennzeichnetendic at
lerdings erst nach Jahren :.-.ederae
schriebenen Worte nicht meine Stim
mung an jenen-unvergeßlichen Sonn
tagmorgen auf Kreta.
Hatten nur auch die miserablen
Bremsen meinen Esel in Ruhe geietsfent
Ein Jammer war’5, wie die Blutspu
ger das arme Thier zerstachen, das der
zweifelt mit dem Schweife und den
fchier fabelhaft gelenkigen Ohren um
sich schlug. Es war daher nicht mehr
wie Menschenpflicht, daß ich von eine-n
Busch am Wege einen Zweig erbeiß, die
Blätter irbstreifte und den Bremfen mit
der Gerte zu Leibe ging. Sei es in
dessen, daß ich bei einem der ersten
Schläge eine wunde Stelle traf, sei ec,
daß das Grauthier meinem Vorgehen
ein weniger edles Motiv unter-scheu
iurzum es bäumte sich plötzlich auf,
legte die Ohren und riß mit mir aus
wie der Teufel mit ’ner armen Seele-.
. Lintsgalopp nennt man ja woh! bei
L
der Kavallerie die Gangart, die mein
Renner zunächst anschlag, wenigstens
verspürte ich den einem jeden Sprung
folgenden Stoß linksseitig am gründ
lichsten; dem Sattel mochte es ebenso
ergehen, da er allgemach merklich nach
rechts auswich. Ob auch der Eigen
thümer des rasenden Biehes hinter uns
lockte und fluchte, es ging »Bei-ne a
Terre« weiter nach Kanea hinein durch
Gassen undGäßchen, wo Alt und Jung
schreiend auseinanderstob. Einem des
Weges kommenden schwer-beladenen
Früchtehändler war dies jedoch un
möglich, wir rannten ihn daher an,
und während ich in einer kleinen Pfütze
landete, stoben nun wenigstens- seine
Orangen auseinander. Der Mann
nahm mir das Reiterstiicklein hisllisch
übel, seinem Geschrei nach zu urtheilen,
herbeieilendeNachbarn sciundirten ihm
und im Hans-umdrehen hatten sich die
heißbliitigen Kretenser derart eceisert,
daß mir im Hinblick auf die langen
Scheidemesser meiner Bedroher um
meinen Hals bange ward.
Nun besaß ich Sprachkenntvisse ge
nug, den Umstehenden in einem ihnen
leidlich verständlichen Gemisch von
Neugriechisch und Jtalienisch ehre-i zu
zurufenz »Meine Herren, icks warne
Sie vor Ausschreitungesz sonst bekom
men Sie es mit den Westmsicizten zu
thun!« Dennoch that ich, wes ich zu
vor schon in Afrika und in der Gut-see
unliebenswürdigen Eingeboresien ge
geniiber in kritischen Augen-Hinten mit
Erfolg gethan, ich bediente mich lachend
meines heimathlichen Jdiems und
fragte in die Tasche greifend: »Was
kostet die Bescheerung?« Und siehe Ia,
man verstand mich, denn das Gebrull
verstummte und der Händler meinte
schmunzsclnd siir einen halbe-: Met
schidie könnte ich seine gesamtnte Waise
haben.
Jch wollte die-Orangen bezahlen uno
die liebe Straßenjugend um ihren Be
sitz rauer ·lassen, als plötzlich die süße
Polizei auf der Bildfläche erickiein Die
Kretenfet wichen vor dem derlstnoilns
gen Beamten unwillig zurück, ich aber
fah mir den Mann etwas nkiher an,
worauf wir uns kräftig ·:-ii: Hände
schüttelten. Das war ja der Polizi
wachtmeister Hussein «Reeset, der ver
drei Jahren im Hospital St. Antonie
zu Smyrna eine auf Kreta einriangese
Schußwunde ausheilen ließ, nährend
ich in dem gleichen Krankenzimmer un
einer Lungenentziindung laborirtc. Er
hatte mir aus Langeweile italienischen,
ich ihm deutschen uniekkkchi sei-»Hi- Io.
war ich dem sonst ziemlich rsnzugäng
lieben Manne näher bekannt get-Horden
Die Wiedersehungsfreude trat bei
ihm nicht weit her, ja es verdroß slj;n,
das-, ich trotz seines Widersrrncns den
Früchtehändler wie den atlxeinlog her
beieilenden Eselstreiber abloänte
»Den Kerlen muß man nicht ihren
Willen thun,« tadelte er mich, indes-i
wir zusammen weitergingen
»Ich war doch aber bei der Carl-In
brlage der schuldige Theil.
»Eine:«lei,« wies er meinen Einwand
zurück, und da wir über dieser-. Punkt
wohl doch nicht einig geworden waren
berührten wir ihn nicht weiter. sondsrn
tauschten unfere seitherigen Erlebnisse
aus. Hufsein Reefet war nach feiner
heilung nach Beyreuth versetzt wes-dem
jetzt, da es auf Kreta wieder nährte
hatte man ihn wieder nach Kanea le
r·:fen, wo man ,,fcharfe« Polizeibeamte
zu brauchen glaubte. Er Wand sich
nun, kurze Abiommandiruisgcn »die
rs-chnet. als Soldat und daan als N J
lizist seit fast zwanzig Jahr-II auf dsr
Insel und es gefiel ihm gut l.iir, wie er
sagte.
Es gehörte viel Gleichmuth dazu sich
an einem Orte wohl zu fühlen, wo man
auf Schritt und Tritt nur mifztranii
schen haßerfiillten Blicken begegnet;
rnir war wenigstens das Spissiirutlzseni
leuer bald so zuwider, das; ich. u«n
nur von der Straße weg,;-ilomm)n,
meinen Begleiter zu einem Glase Wein
einlud. Der Koran nimmt ja lsetams -
lich die Soldaten vom Verbot des
Weintrintens aus-, und Hufieiu Reefet
nannte fich mit Stolz einen alten Sol
daten.
Er lehnte es ab, ein Reftourant zu
betreten, und überredete mich-. ihm lie
ber in seine Wohnung zu folge-as seine
Dienststunden seien vorüber unri wir
könnten auch beiihm eine Erfriiclmna
nehmen. Neinfagen konnte ich niilzt
qut und so ging ich eben mit itprn okn
Konat vorüber nach dem Quer-, wo er
unweit der österreichischen Poii in nt
nem wohl noch aus venezianisiber c3.it
stammenden alten Bau hausie. Als
tinderlosem Wittwer geniiate ihm ein
einzig diirftig eingerichteteä Zion-ne«;
immerhin bemerkte ich an dcr spannt-;
wand ein gutbesetztes Bücherbreit nndf
zu meinemErstauneneinige n« irr-seen
Nägeln angeheftete hübsche Kett-notif
tionen Matart’scher Gemälde. Ein Eve
freundeterZollbeamter hatte Fe im Na
men der Regierung die sich dem Pisist
tum geaenüber als Tugenktsdiichtefn
berufen fühlt, konsiszirt und dem jetzi
gen Besitzer billig abgelassen.
Während ein im Hause wehncnker
Junge Wein und Scherbert holse und
Hussein Recset das Rauchzeug zurecht
legte, trat ich an’s Fenster und s ah iibir
die kühngewölbten venezianischen Ha
sknbauters hinweg aus dass herrliche
blaue Meer hinaus, das »sehwa:33e
schnäbelte Schiffe« durchsurimem wie
Vater Homer sie beschrieben Plötzlich
packte es mich, und herumfabreno, rief
icb in’s Zimmer hinein: »Was seid « LIr
fiir Narren, daß Jhr Euch nicht bei
tragtl Das müßte doch hier ein Leben
sein wie irn Paradiese.«
»Kann ja noch werden, wenn its-r
erst mit den Christen fertig sint«.« ers-t
gegnete mein Gastfreund und lösselte
auf dem herkömmlichen roth Metze-ge
nen Divan sitzend, beschaulich in seinem
Scherbert herum.
»Wie ist das zu verstehen?« fragte
ich, mich ihm gegenübersetzend
»Nun man kann, um Ruhe zu be
kommen nichts Besseres thu·-. als die
Ruhestörer vernichten. Die Jan-t
scharen wurden vernichtet, nu-! kommt
die Reihe an die Armenier und Die
christlichen Kretenser.«
Jch sprach natürlich von Barbarei
und der Jntervention der Großmachse,
mein Gastfreund blieb aber bei seinen
radikalen Ansichten,ohne sich dabei ais-h
nur im Geringsten zu ereisern. Und
wie er, so dachten seiner Versicherung
zufolge alle guten Alttiirtesi Dann
erzählte er von dem guten Anrecht dir
Türken auf Kreta und wie er. di: zäh- n
Bergvölksxr unterwerfen zu helfe-: wie
derholt gegen die Sphakioten mitgespi
tkn. Das-, diese Leute sich mit allen Elz
nen zu Gebote stehenden Mitteln m
wehren suchten, fand er ebenso in dir
Ordnung wie die furchtbarer-. Repres
solien· die seine Landsleute -)e-iib:c:i;
es frage sich nur, wer es am längsten
aushalte;
- .-- « . ; ( r» ,,.s
»Die Opyllllvlcll lurruru unt-.- u.-I
dem letzten Loche pfeifen, da sie schon
ihre Weiber und Kinder zum Kampfe
aufbieten,« fuhr er, sich eine Cigareise
drehend fort. »So fand ich, als ich ei
nes Tages einen sehr exponirteci B« «.«
posten beschlich, eine junge Frau cus -—
nem Felsstiick sitzend, Gewehr im Art-i
und eingeschlafen.«
»Und was thaten Sie?«
»Nun, was werde ich gethan ba
ben?« sagte er und setzte die Cigarctte
in Brand. Bedächtig blies er den
Rauch von sich. »Ich schoß sie natür
lich über den Hausen.«
Mir hatte schon dieFrage den Athrw
versetzt, jetzt sprang ich auf und schrie
ihn an: »Mensch. dann sind Sie ja ein
ganz gemeiner Mdkdek!« D
Das war etwas starker Tabat und
ich hätte mich nicht wundern dürfen,
wenn man mir die Thüre grirsicscn
hätte. Mein Gegenüber schob mir aber
gelassen ein Weinglas hin und einges
nete: »Nennen Sie’s, wie Sie's woi
len. Die Kretenser treiben es ebenso,
und wer’s am längsten treibt. der be
hält Kreta; —- votre sante, Monstran«
Jch hätte ihm um Alles in der Welt
nicht Bescheid thun können, die Fiehke
war mir wie zugeschniirt und ich oth
mete erst draußen wieder auf, als ish in
der Stadt meine Kameraden aufsuchte
und fand. Und selbst dann bedurfte es
fröhlichen Zuspruchs und manche-i nu
ten Tropfens, mich wieder Er Stim
mung zu bringen. «
se
-
-
Il
Ein paar Tage später machten wir
Dampf auf, um nach Jaffa in See zi
gehen, da verbreitete sich an Bot-) das
Gerücht, in Kanea seien Unruhen aus
gebrochen und wir müßten zuerst dort
Ordnung schaffen. Als ich mit der
Dampfpinasse unsere letzte Post abhol
te, fragte ich den Postbeamten, was an
der Sache wahr sei.
»Bagatelle«, lautete die Antwort;
,,dergleichen kommt öfter vor. Ein Po
lizeiwachtnieister ist verschwunden: die
Christen hatten ihn längst auf dem
Zug, und richtig! gestern wurde er mit
ein paar Messerstichen in der Brust nir
Quai aus demWasser gezogen Abends
schoß dann eine unserer Patrviiillen
drei oder vier verdächtigeKretenser nie
der, die sich nicht arretiren lassen woll
ten.« Sonst ist nichts vorgefalten, rein
gar nichts!«
—————.-O—--—.——
Eine Entengeschichte.
Jn einem Dörfchen unweit Salzwe
del fand ein dortiger Bauer am Wasser
ein Nest mit Wildenten-Eiern. Er
nahm sie mit, legte sie einer Glucke un
ter und diese brütete die Eier auch aus.
Nachdem die Enten ziemlich flügge wa
ren, verkaufte er solche an einen Land
mann aus einein benachbarten Dorfe.
Als dieser seiner Verwunderung
Ausdruck iiberdas eigenthijniliche Aus
sehen der Enten, gab ihm der Vertäuser
den Trost: ,,De Ollen hewen ot so rit
sehen!« und befriedigt zog der Andere
mit seinen Enten von dannen.
Eines Tages nun ——- den Enten wa
ren inzwischen die Flügel tiichtia ge
wachsen —- hoben sie sich in die Lüfte
und ließen dein Bauer das Nachsehen.
Betrübt kommt der zum ersten Be
sitzer, um ihm sein Leid zu klagen, die
ser tröstete ihn abermals mit den Wor
ten: ,,De Ollen hewen dat ok so maktt'«