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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Aug. 28, 1896)
Sonntags - Blatt : Beilage des ,,Anzeiger nnd Herold« zu No. SI, Jahrgang Is. , J. P. Wiudolpl), Herausgeber — Grund Musik-H Nyesskhskiik dkii«28. Augicstissjbf TIEEmlletomn1 Vönuingtjausm Roman von Claire v. Gliimer GortsetzungJ Otto versuchte sich zu be win en; Tante Thetla war «edoch au merksam geworden und ließ ch nicht mehr täu-l chen. Nach beendigtem Frühstück zog sie Otto, während der Freiherr die Zei tungen las, in eine sternische und sagte mit der größten estirnmtheit: ) . »Es hat zwischen dir und Johanna etwas gegeben —- Sag’ mir, was es ist . . . Du weißt ja, wie gut ich’s mit euch Beiden meine.« Otto wollte leugnen, aber dann sah er in die bittenden, liebe- und sorgen vollen Augen der Taute, erinnerte ch, wie oft sie von seiner Kindheit hel end und ausgleichend fiir ihn eingetreten war, und sa te sich, daß er au jetzt keine bessere ermittlerin finden könnte. »Du haft Recht, liebe Tante," ant wortete er, indem er ihr die hand küßte. »Ich will beichten, so schwer es auchj ist ..... Du bist meine letzte, ein ige1 Hoffnung.... und wirst mir helfenj das weiß ich! und wirst mir teine Vor würfe machen, das thu’ ich selbst ge nugt« Und nun erzählte er ihr in ha «stigen Worten so aufrichtig, wie er überhaupt zu sein vermochte, die Ge schichte seiner Verlobung und die heu tige unglückselige Waldscene. Mit dem schmerzlichsten Widerstreit der Empfindungen hörte die alte Dame zu. Jhre Redlichkeit, ihr Ehrgefiihl empörten sich gegen den Verrath, den Otto und Magelone an Johanna ver iibt hatten, und doch konnte sich das nachsichtige Tantenherz bei Otto’s Klagen und Selbstvorwiirfen des Mit leids nicht erwehren, und der auch in ihr stark entwickelte Familiensinn der Dönninghausen erfüllte sie mit der Ueberzengung, daß in diesem Konflikt wie in jedem anderen vor allen Dingen die Ehre des Namens gewahrt werden mitssr. Sie war auch auf -Otto's Bitte gleich bereit; das Versöhnungsweri in ie Hand zu nehmen, und ging zu Jo- » hanna hinauf. ; Die Fenster waren noch immer ver-; hüllt, aber Johanna lag nicht mehr Mit iiber der Brust getreuzten Armen gin sie auf und nieder. Als die Thür· geö snet wurde, wendete sie sich um und am der Eintretenden entgegen. m-2.- --.-D I!-k-,1:I II, L « I, ,, l »Ulklll Ulllch, lIcUcI auch-, Ngulcll Tante Thetis-, verstummte aber, als sie kelbsi im halbduniel Johanna’s Ge tchtsausdruck s ah. Da war ieine Spur von Weichheit oder Trosilosigteit; das blasse Antliy war wie versieinert. Al les, was sich die alte Dame zu sagen vorgenommen hatte, paßte nicht. »Seht es dir besser?" fragte sie end lich, um dem peinlichen Schweigen ein Ende zu machen. »Ja, liebe Taute, sorge dich nicht um mich«« antwortete Johanna mit er zwungener Ruhe. Tante Thella seufzte; es that ihr weh, daß das jun e Mädchen so wenig Vertrauen zu ihr tte; aber das durfte sie nicht irre machen. « «Kornm’, sehe dich zu mir, ich habe mit dir zu sprechen,'« sagte sie. indem sie im Sovha Platz nahm, und als Johan na mechanisch gehorchte, fügte sie hinzu: »du brauchst dir teinen wang anzu-; thun; Otto hat mir A es aufrichtig gestanden·« »Aufrichtig taum!« sagte Johanna bitter. ! »Du thust ihm Unrecht!« riet Tante’ Theilu. »Nicht um sich zu entschuldi en t er gesprochen-im Gegentheil!« gest g angellagt hat er sich. Wenn du gehört hättest, wie er bereut und sich nach deiner Verzeihung sehnt, du müß test sie ihm aus vollem Versen gewäh ren." »Ich kann es nichts« antwortete Jo hanna, ohne aufzuiehen. »O, iag’ das nichts« rief Tante Thella. »Du kannst nicht nur, du mußt verzeihen . . . Beten wir nicht alle Tage: »Mer uns unsere Schuld, tvir wir verge n«i« »Ich iann es nicht!« wiederholte Jo hanna. - Eine Weile schwiegen sie Beide; dann glhtåb Tante Thetla den schüchternen i . »Vertenne mich nicht« wenn ich tin-l mer wieder für Otto bitte, sagte sie; »ich fühle mit dir; ich begreife, wie dich sein Leichtsinn getränkt hat.« F »Geträntt nennst du das!" siel Jo hanna ein, »beschimpst hat er mich, hat mein Leben und meine Seele oergistett« s »So scheint es dir «eßt," sagte dieT Tante; »aber du wirst es anders an-’ sehen lernen, wirst wieder anders süh-« len und urtheilen. Glaub’ mir Kind,i Otto ist deiner Verzeihung werth . . . . Troß seines Leichtsinns ist er gut und wie er dich liebt . . . .« Johanna sprang aus. »Tante, das tann ich nicht anhören!« rief sie die hände an die Schläsen drückend. »Vergiß nicht, daß ich vor wenigen Stunden mit eigenen Augen sehen mußte, daß Otto . . . daß Mage lone . . . . und du sprichst von Ver zeihung, von Liebe? —- Mir ist Alles verhaßt . . . . das ganze Leben, ich selbst . . . ." Sie sant aus ihren Stuhl zurück und schlug ausstöhnend die Hände vor die Au en. ante Thetla weinte, nach langer Pause erst sagte sie : »Wenn du mich nur aussprechen ließest . . . . ich weiß, es würde dir wohl thun! Ouälen will ich dich nicht, dir nur wiederholen, was mir Otto ausge tragen hat. »Sage Johanna« —— dasi sind seine eigenen Worte, aber du müß- i test, um ihre volle Wirtunslzu empfin- ; den, auch seine bittenden ugen sehen und den Ton seiner Stimme hören — ,,sage Johanna, daß ich sie mehr liebe als ie, und daß ich sie geliebt habe, seitl ich sie tenne ..... «« »O Tante!« siel Johanna ein, »das sagst du mir?. . . . as soll mich trö sten? . . . L Wenn er mir sagte, Magelo nens Reiz war unwiderstehlich siir mich; er hat die Liebe zu dir verdrängt, verlöscht -—-— das hätte ich verstanden, hätte mich, ohne Vorwurf sür ihn, dar ein ergeben wie in alles Unabwendliche. Aber wenn er Magelone belogen und betrogen hat wie mich, wo ist denn Wahrheit? ——— Was tann ich glauben? ——— Woran soll ich mich halten?« Die alte Dame war rathlos. i »Ich wollte, du könntest die Dinge anders ansehen,'« antwortete sie nach; langem Besinnen, »und ich hoffe, duz thust es mit der Zeit. Aber jeßt —- was s soll jetzt daraus werden, wenn du Ot-l to’s Bitte um Verzeihung nicht ersüllsts · —- Mein Bruder dars natiirlich nichtsl erkor-ten . . . . s Johanna sah verwundert auf. s »Nichts erfahren?« wiederholte sieJ »Du glaubst doch nicht, daß ich Orts-! heirathen kanns — An meine Stelle ist s Magelone getreten.« I »Kind, ich sagte dir ja, Otto liebt; Magelone nicht!« antwortete Thetlazs »und sie liebt ihn auch nicht — wenig ftens nicht Cgenug um seinetwegen den Zorn des roßvaters aus sich zu neh men.« Und Johanna’s hände ergrei fend, fügte die alte Dame mit flehen den, thriinenvollen Augen hin- , zu: ,,Bedente, was du thust! Das! Glück und Unglück der anzen Families liegt in deiner hand. annst du nicht s ver eben, so verliert ohann Leopold! die raut; Otto’s und elonens Le ben ist zerstört, mögen sie ich heikathmt oder nicht —- und mein Bruder, der nur « für Glück und Ehre seines Hauses ge sorgt hat, sieht in seinen letzten Lebens· I tagen Alles zusammensuchen . . . .« s »Wenn ich’s ihm ersparen lönntel«l rief Johanna. Das war doch endlichj ein Herzenswu. Tante Thella saßtel wieder Muth. l »Sobald du willst, kannst du esi auch,« sagte sie und trocknete die Augen. »Glaube mir, Kind. es liegt für den Verzeihenden selbst der größte Segen im Vergehen und Vergessen.« »Vergel)en und Vergessen!« wieder- . holte Johanna. »Ja, das wäre ein Se gen . . .. aber das Vergessen läßt sichs nicht erzwingen, und wenn ich auch ver- ; gebe, jeder Bitterteit in mir überwinde, gas alte Vertrauen kommt nicht wie-J er . . . .« ,,Versuch’ es nur erstl« fiel Tante Thetla ein. »Wie viele Frauen haben eine herzensverirrung, eine Untreue des Mannes zu verzeihen gehabt und sind wieder glücklich gewesen. Denk an das Bibelwort: »Die Liebe verträgt Alles, sre glaubet Alles, sie hosset Alles, sie dugdet Alles, die Liebe hört nimmer au . . . .«« »Es heißt aber auch: sie freut sich der Wahrheit,« sagte Johanna und ihr Ge sicht nahm wieder einen medusenhast starren Ausdruck an. »Eure Herzens verirrung läßt sich verschmerzen——aber was Otto und mich auf immer trennt, ist seine Verlogenheit. Wenn du wüß test, wie ich mich dadurch erniedrigt fühle, wie ileinlich, mißtrauisch, gera dezu schlecht sie mich macht! —- Um Magelone und sich selbst vor des Groß vaters Zorn zu schützen, hat er sich mit mir verlobi —- aus demselben Grunde dringt er auf ersöhnung mit mir — vielleicht, wer weiß, fällt auch der Be sitz von Tannhagen mit in’s Gewicht! . . .Tante Thetla, sag’ selbst: tann der Mann, von dem ich so denke, mein Herr sein?« Johanna stand aus« ging an’s Fen ster und schlug den Vorhang zurück. Da war er wieder, der unbarmherzige Sonnenschein! Er bohrte sich ihr in Augen und Herz und zeigte ihr wieder das schrecklich-schöne Bild der Beiden unter dem wehenden Strauche. Nur das nichi mehr sehen müssen . . .. am liebsten nichts mehr sehen . . . . Eine leichte BeriihrUn schreckte sie auf. Tanie Thekla war ist nachgegan gen und legte die Hand aus ihren Arm. »Welche Antwort soll ich Otto brin gen ?« fragte sie. »Sei gut, sei verstän dig! —Bedente, übermorgen werdet Jhr zum ersten Male ausgeboten . . . ,,Dazu darf es nicht tommen!" fiel Johanna ein. »Sage Otto, daß ich mit jedem Grunde einverstanden bin, durch den er, ohne sich und Magelone bloßzu stellen, die Lösung unseres Verhältnis ses erklären kann . . »Du bist schrecklich,« rief Tanie Theiln. »Das ist der ganze Siarrsinn unseres Geschlechts, nur daß du ihn ge gen Dönninghausen wendest. Aber es kann nicht das letzte Wort sein . . . . Du wirst ruhiger werden, wirft einsehen, daß du deinen Stolz, deinen gerechten Zorn überwinden mußt . . .. Bleib’ in deinem Zimmer, ich werde meinem Bruder sagen, daß du Ruhe brauchst, und ver-sprich mir, nicht zu übereilen . . bitte, versprich es mir . . . ." »Sei ruhig, ich thue nichts, was Otto schaden tönnte,« antwortete Johanna. »Er selbst —- das sagte ich ja schon — mag Alles ordnen. Die Schuld des Bruches will ich aus mich nehmen; aber nun laß uns nicht mehr davon s prechen, liebe Tante Thetla; ich kann wirklich nichtmehrs ,L« s. ask k XVI-( Illuuc ulcu lluuklg IUUL UUV IUIIIL fo lebensfrische Gesicht! Tante Thet la’s Augen füllten sich mit Thränen. i »Wenn ich nur etwas fiir dich thun! könnte!« sagte sie. »Ach so allein zu lassen ist mir schrecklich . . . . aber Ort-J wartet auf Antwort . . . ! »-Otto und immer Otto!« dachte Jo-! hanna voll Bitterkeit, im nächsten Mo-! ment überwand sie die Regung und er-i widerte in milderem Tone als bisherJ »Sorge dich nicht Alleinsein ist fiir mich das Bestel« Die alte Dame zö erte noch immer. »Du hast mich ho fentlich nicht falsch verstanden?« fragte sie. »Du weißtJ daß mir dein Glück am Herzen liegt?« ahanna fiel der Tante um den Ha s. »Du bist gut . . . Du wirst mit miri Geduld haben!« flüsterte sie. ! Tante Thetla ging mit erleichterten Herzen. An Geduld wollte sie’s nichtl fehlen lassen, wenn sich die Beiden nur? endlich wieder usammenfanden. Unds sie mußten sich finden, wenn Otto selbst seine Sache führte. Heute that er viel leicht besser, Johanna ihrem Nachden len zu überla en; morgen war sie ruhi ger, zugänglicher —-- dann mochte er wieder kommen. Aber während sich Tante Thella im mer zuversichtlicher der Hoffnung auf Versöhnung hingab und auch Ottok Zweifel mehr und mehr besiegte, blieb Johanncks Empfindung dieselbe. Jhr Herzensparadies war verloren, und wenn sie sich auch zur Vergebung zwang, vor dem Zusammenbrechen ih rer Verhältnisse konnte sie das nicht scharen-« · Ja, ein Zusammenbrechen war eg, das Weiterleben in der alten Weise un möglich. Was sollte sie nun beginnen? Wohin tonnte sie gehen? — Nach Lin denbad. — Dabei fiel ihr ein, daß man ihr, als sie von ihrem Morgenritt zu rückkam, einen Brief von Ludwig gege-« ben hatte —- oder hätte sie das ge-; träumt? —- Nein, da lag er auf deml Schreibtische, ein großes, fchmutziges Couvert mit Postmarken und Inschrif ten bedeckt. Sie brach ihn auf: es war ein alter Brief —- die verloren gegebene Antwort auf i re Verlobungsanzeige. Lu wig fchriev: »Liebe Johanna! Jch weiß, das; es Sthl ist, eine Berlobungsanzeige mit Glückwiinschen zu beantworten, aber ich würde mich sowohl gegen die Wahr haftigkeit meines Wesens, wie gegen die Liebe zu Dir versündigen, wenn ich meine Empfindung und mein Urtheil unter den üblichen Redensarten ver steckte. Hoffentlich hast Du das Ver-. trauen zu mir so weit bewahrt, daß" Du, auch wenn dein Gefühl im Wider spruch mit mir ist, an d e Redlichkeit meiner Absicht glauben kannst. , ,,So möge Dir denn dies Blatt met nen Warnungsbrief bringen, die Mah nung, Dich ernstlicher zu fragen, als Du bisher gethan: ob dieser Mann wirklich im Stande ist, Deinen Anfor derungen zu genügen, Dein Herz aus zufüllen, Dich zu verstehen, und mit Dir Schritt—-zu halten. Ich, der Dich kennt wie Niemand sonst, ich sage: er ist es nicht, und bitte Dich, öffne die Augen, ehe Du Dich unauflöslich bin dest. Durch die Ehe mit diesem Manne verurtheilst Du Dich selbst zu lebens langer Einsamkeit und Entbehrung. »Das weißt Du auch selbst! Spricht doch schon der erste, im ersten Herzens jubel geschriebene Brief von dem Ge-I I fühl eines,,Mangels« in Deinem Glück. Daß Du dies Wort später zurück nimmst, kann seine Bedeutung nicht ab schwächen. Du empfindest in innerster Seele, daß Du im Begriff bist. eine Mißheirath zu zu thun, und dein Her zensinstinkt, der, höher ist alle alle Ver nunft«, warnt Dich davor. »Daß ich nicht bei Dir bin, diese leise Stimme zu unterstützen, kann ich mir nie verzeihen. Jch mußte voraus sehen, was jetzt geschehen ist, sah es auch und habe Dich in Zorn und Trotz und getränktem Selbstgefühl verlassen, während es meine Pflicht sowohl wie mein Recht gewesen wäre, Dir zu sa gex .mir gehörst Du und ich lasse Dich ni t. »Das sage ich auch heute, und mein Leben wird Dir beweisen, wie ernst es mir damit ist. Beharrft Du auf dem Unglückswege, der Dich von mir zu trennen droht, so wirst Du, bas gelobe ich Dir und mir, diese Worte nie mehr hören, aber finden wirst Du mich zu je der Stunde, wenn Du mich brauchst. »Daß Du Dich von mir verlieren konntest, ist meine Schuld. Als ich Dich bei Deinem Vater aufsuchte und sand, daß Du der Atmosphäre meines El ternhauses entwachsen warst, habe ich Dich in thörichtem, knabenhaftem Trotz von mir gestoßen und hätte Dich doch am liebsten in meine Arme gezogen, Dich von Allem, was nicht ich ist, abzu trennen. »Warum ich Dir das jetzt noch sage? — Weil Du in mir Bescheid wissen sollst, und weil ich Dir mit dem Bei spiel unbedingten Vertrauens voran gehen will. Wir Menschen würden uns viel Schweres erleichtern, wenn wir uns weniger scheuten, uns selbst und Anderen einen Jrrthum, eine Nieder lage, einen Lebensrechenfehler zu ge stehen; laß mich hoffen, daß Du von dieser unheilvollsten Eitelkeit und Feig heit frei bist; schließe nicht geflissentlich die Augen, und erkennst Du Deine Uebereilung, so mache sie wieder gut, ehe es zu spät wird. Bot Allem rede Dir nicht ein, daß Du um Deines Verlobten . willen an dem gegebenen Worte festhal .ten mußt. Wie ich ihn beurtheile, kannst Du ihn mit aller Liebe nicht glücklich machen. ,,Wirft Du mich der Rohheit ankla s gen daß ich Dir das sage? —— Immer hin! ich lann nicht lügnerisch lächelnd oder auch nur schweigend zusehen, wie Du in Dein Verderben gehst ( »Oder hätte ich mich geirrt?' Daß dieser Mann von den zierlichen Schab lonenfigiirchen seiner Umgebung den Weg zu Dir gesunden hat, macht mich zuweilen wankend in meinem Urtheil iiber ihn. Sicherlich werde ich mich der besserm Einsicht nicht verschließen, und findeft Du ihn dauernd Deiner Liebe werth, ist er fähig, Dich zu würdigen, macht er Dich glücklich, so werde ich ebenso rückhaltslos sein Recht auf Dei nen Besitz anerkennen, wie ich es jetzt bestreite.« »Den 10. November 1874. »Seit ich die vorstehenden Blätter s chrieb, habe ich Tage und Nächte theils in den Hospitälern, theils in den ärm sten Borstädten Bombays zugebracht. Erst seit einigen Stunden bin ich wie der in meiner Wohnung, habe mich durch Baden, Schlafen und Essen er frischt und kehre, wenn ich diesen Brief geschlossen habe, zu meinen Kranken zurück. Diese Thätigkeit, die seit Wochen andauert — der alte, niedrig gelegene Theil der Stadt ist von einer schweren Freberepidemie geimgesucht— macht Dir vielleicht den eelenzustand klar, aus welchem mein Brief hervor geht. Alles Scheinwesen ist mir noch gleichgültiges als bisher; Gesundheit des Leibes und der Seele erscheint mir als das höchste Gut, und ich fühle mich ebensowohl dazu verpflichtet, denUnvor sichtigen zu warnen, der sich ohne Noth der Brutstätte todtbringender Mias men nähert, als dazu, den kranken Or anismus in Behandlung zu nehmen. In diesem Sinne rufe ich Dir meine Mahnung zu, unbekümmert, ob sie Dir rauh an’s Ohr klingt. Nimm sie als Warnung des Arztes ohne falsche Em pfindlichteit hin. —- Eine Antwort dar aus erwarte ich nur in dem Falle, daß meine Vorstellungen irgend welchen Eindruck aus Dich üben. Schweigst Du über diesen Brief, so nehme ich an, daß ich mich geirrt habe, oder daß Dir die Wahrheit lästig ist, und nie werde ich, außer wenn Du selbst darauf zurück kommst, dies Thema wieder zur Spra che bringen. « »Ueber den Termin meiner Rückkehr bin ich noch im Zweifel. Anfänglich war sie auf nächsten März oder April bestimmt. Kann ich Dir von Nutzen sein, so komme ich auch schon früher, komme gleich, wenn Du schreibst, daß es Dir erwünscht ist. —— Jm andern Falle bleibe ich wahrscheinlich noch län ger fort, komme wenigstens, wenn ich auch nach Europa zurückkehre, nicht in die Heimath und zu Dir, bis vernarbt ist, was mich jetzt noch schmerzt — es wäre denn, Du brauchtest den Rath oder Beistand Dein-s Bruders. Ludwiq.« »Nein, seinen Beistand nicht!« sagte Johanna zu sich selbst, als sie die Blät ter wieder zusammenlegte. Der Ge danke, ihm zu zeigen, wie sie litt, war ihr unerträglich — warum, wußte sie nicht, fragte auch nicht darnach. An Ludwig’s Zuneigung, Großherzigkeit und Thatkrast zweifelte sie keinen Au genblick, und doch fühlte sie sich doppelt gedemiithigt, seit sie sein Urtheil über Otto gelesen hatte. »Nein, nein, nur seinen Beistand nicht!« sagte sie sich immer wieder, aber wenn sie den nicht annehmen wollte, durfte sie auch nicht nach Lindenbad gehen, und wo war sonst ein Asyl für sie? —- Und wie bitter war es, sich hier loszureißen, wo sie trotz Allem eine Hei math gefunden hatte! — Sie brauchte freilich nur ein Wort zu sagen, um sich diese Heimath zu erhalten —— aber um welchen Preis mußte das geschehen? Tante Thetla hatte Recht — die letzten Lebenstage des Großvaters durften nicht vergiftet werden; und wie sollte Johanna in diesem Hause sortleben, dessen Frieden sie gestört und dessen Kinder sie vertrieben und unglücklich gemacht hätte? Sie wußte, daß auch die Trennung von ihr dem Großvater wehe thun würde, aber leichter über wand er es doch, wenn sie sich ,,undanl bar« von ihm lossagte, als wenn er Magelone und Otto seines Namens und feiner Liebe unwiirdig finden muß te . . .. Alles Sinnen und Denken er ab immer nur das eine Resultat: daß sie gehen und die Schuld der Trennung auf sich nehmen müsse. Wie sie das an fangen und wohin sie sich wenden sollte wußte sie noch nicht s— aber auch das mußte sich finden. Der Tag verging; Tante Theile hatte wiederholt herausgeschiclt, hatt» Essen und Erfrischungen bringen unt fragen lassen, ob sie kommen sollte, abe« Johanna hatte gebeten, sie heute alleii zu lassen, und hatte sich endlich, wi ! zerbrochen an Leib und Seele, aus ih ! Lager geworfen. ) Und dann war die Nacht gekommen z eine Nacht ohne Schlaf, in der die - Stunden langsam, langsam vorüber " schlichen und jeder Herzschlag die dum , pfe Qual vermehrte, unter der die Seele i aufstöhnte wie in Todesschauern. Und l dabei rückte das Mondlicht iiber Wände kund Estrich wie in jenen holden Näch ; ten, als jedes Erwachen ein Gliichsge ifühl war und jedes Wiedereinschlafen ; süße Träume brachte. —- Und dann krähten die ähne, und das graue, kalte Morgenlicht ließ Alles noch trost »loser erscheinen, und dann begann das ·gellende, mißtönende Sperlings-ge schrei. Bier Uhr schlug es auf dem Schloß thurme und gleich darauf kamen leise, schlurfende Schritte von der Treppe her, an Johanna’s Thitr hörten sie auf, und ein vorsichtiger Finger klopfte. »Wer ist da ?« fragte Johanna. »Ein Telegramm fiir das gnädige Fräulein,« antwortete die Stimme der Haushälterin. Johanna nahm ihren Bettmantel um, empfing das blaue Couvert und s las, an’s Fenster tretend: ,,Lisbeth todtkrank, jammert bestän dig nach Dir, komme gleich. Helene.'« ; Einen Augenblick war Johanna wie betäubt, dann raffte sie sich auf —- ihr Entschluß war gefaßt. » Um sechs Uhr ging der Frühzug nach H Hannover, den konnte sie noch erreichen. - Schnell kleidete sie sich an, packte das Unentbehrlichste zusammen und be stellte den Wagen. Dann schrieb sie hastig an Otto: »Eben bekomme ich ein Telegramm, das mich nach Hannover an das Kran kenbett meiner Schwester ruft; ich fahre mit dem nächsten Zuge und gebe Dir damit eine plausible Erklärung für un sern Bruch. Aus dem Hause des »Kunstreiters« kannst Du Dir die Braut nicht holen. Die Aussöhnung, die Du mir durch die Tante Thekla vorschlagen ließest, ist unmöglich; ich habe alles Vertrauen zu Dir verloren, und Du würdest mir die Waldszene nie verzeihen. Dem Großvater die nöthi gen Erklärungen zu geben, muß ich Dir überlassen, und wünsche Dir im vollen Sinne des Wortes Lebewohl.« « Mit diesem Briese ging sie zu Tante « Theklaz die alte Dame lag noch zu Bett, war aber vollständig wach; auch j sie hatten die sorgenden Gedanken nicht schlafen lassen· ’ ,,Kind, was bedeutet das?« fragte sie, als sie Johanna reisefertig eintreten sah. t Johanna gab ihr das Telegramm,. sagte, daß sie gleich nach Hannover fah ren würde, und bat, den Brief an Otto zu besorgen . . . . « ,,Fahren . .. ohne meines Bruders Zustimmung! . . .« sagte die Taute, von jbanger Ahnung ergriffen; »du willst idoch nicht? . .. Du kommst doch wie ! der?« « Johanna wendete sich ab· i lFMfestMg MgtJ 4 Gerechtes Bedenken. « »Nun, lieber Freund! Was schreibst ; Du gegenwärtig?« . »Ein Trauerspiel — »Julius Cä sar!« . »Was? Einen neuen »Julius Cä ; sar«; aber ich bitte Dich, wozu denn? ’ . Es ist ja der alte von Shakespeare noch Z ganz gut!« is .--, , ."-...--. ,l Sehr begreiflich. Z Fremder (die Rechnung überflie gend): »Ein Beessteak . . . dessen erin - nere ich mich aber gar nicht mehr!« It Kellner (sreundlich): »Glaub’s gern! i« So groß sind unsere Beessteaks auch -«nicht, daß man sich ihrer gleich erin - ? nert!« 3l — «- ---—— ZAus dem Physik--Examen. i, Professor: »Was ist der Unterschied g zwischen einem Thermometer und ei nem Barometer?« J Schüleknn tausendAeugsten): »Das e eine hängt draußen und das andere D « drinnen!« « äj DiegefundenePille. e · Zwei Knaben fanden eine Pille, r Sie theilten sie in aller Stille; t Sie schmeckte ihnen ausgezeichnet-— ; Wer weiß, was später sich ereignetI