Image provided by: University of Nebraska-Lincoln Libraries, Lincoln, NE
About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Aug. 28, 1896)
Bierzig Kronen. Von Thore Vlanch (5tockholm). Wenn Here Winberg, der erste Buch halter der Jrnportfirma Welin öc Co» die Feder weglegte und seine Bücher zu samntenklappte, war er immer der Letz te im Komptoir. Schon gegen 6 Uhr fin en seine Kollegen an, auf die Uhr zu chielen und gleich nach halb Sieben legten sie die Manschetten an und ord- i mien vor dem Spiegct im ToitettezimJ mer ihre Krabattem Um dreiviertel 7 Uhr versperrte der Geschäftführer Herr Carlsson den Kassaschrant. Einiges Minuten darauf war das Komptoir leer, und Herr Winberg saß allein dort. Wenn die Uhr begann Sieben zu schla en, litt er von dem hohen Stuhl hina , au dem er den ganzen Tag ge kauert hatte, wie eine Krähe auf einem Ueberrock und nahm behutsam eine Ci garre hervor, die er anziindete und mit andachtsvoller Miene unter die Nase führte. Dann ging er im Zimmer auf und ab, erkletterte aufs Neue seinen Stuhl, sah den duftenden Rauch in blauen Ringen aussteigen und fühlte sich glücklich. Ein Viertel über Sieben kam der Komptoirbursche, um zu schließen· Winberg glitt wieder hinab, ärger lich, mitten in seiner Cigarre gestört zu weren, schloß die Bücher ein, zog einen anderen Rock an, ohne sein Ebenbild im Spiegel eines Blickes zu würdigen. Dann gin er. Auf der Gasse ange langt, dre te er den schmalen Kopf wie. ein Vogel nach beiden Seiten, sog mit j eini en tiefen Zügen die Abendlust ein,« die eucht und frisch vom Strome wehte, und ging seinem Kaffeehause in der Besterlanggasse zu. ; Dort legte er den Winterrock ab,; machte die Runde durch das Lokal und sammelte die Abendzeitungen aus, wo rauf er sich an seinem gewohnten Ti-? sche niederließ und seine gewohnte Taf - se Thee mit Weißbrod, Butter und kal tem Aufgeschnittenen nahm. Alles stand immer schon in Bereitschaft, wenn er in der Thür erschien. Nachdem er fertig gegessen hatte, fiillte er die Tasse und setzte sich zum Le sen zurecht, hie und da einen Schluck Thee nehmend, und dann kam die Kaffeewirthin heran und begann zu plaudern, während die siumpfnasige Tochter in der Thüre zum Schankzim mer stand und zuhörte. « »Herr Winberg sind doch ein so ge miithlicher und ordentlicher Herr, wa rum heirathen rr Winberg nicht?'« sagte sie, indem e die Hände über den Faßuch faltete und die Daumen kreisen re . --LL --s.- ak--— m:—c--4 Icc, GCIULUGLIG Vkss OIIIULSB« Aber die Frau fuhr fort: »Herr Winberg passen gar nicht für’s Ledigsein und sind zum Heirathen ge boren.« Er erwiderte lächelnd: »Ich will Ih nen sagen, warum ich nicht heirathe, es will mich Niemand haben. Und übri gens machen die jungen Mädchen heut zutage, so große Ansprüche. Sie brau chen Ia blos sür ihre Toilette ein ganzes Kapital.« »Das kommt darauf an, wen man heirathet! Ein einfaches-, häusliches Mädchen müßte es sein, so eines, das sich um ihr Haus kümmert und auf den Kreuzer sieht. Solche giebt’s genug!« »Na, nennen Sie mir nur Eine, wenn ihrer gar so viele sind.« , J »Hm,« antwortete die Frau und schielte zur Seite. »Nun also!« sagte Herr Winberg, stand aus, bezahlte und ing. Er ging meistens dir t nach Hause, denn der einzige Luxus-, den er sich ver gönnte, war ein schönes-, kleines Heim, ierlich und nett wie ein Puppen fchranb Hier war es noch besser, als im Komptoir, und daheim in seiner Behag lichkeit war er am glücklichsten. Aus einem dürftigen Hause hervor gegangen, war er zeitig hinaus in die Welt gekommen und hatte sich aus ei en Faust emporarbeiten müssen. Ar tsam, verlüßlich, ordentlich bis zur Pedanterie, hatte er im Alter von wanzig Jahren die Anstellung bei der irma Welin cke Co. erhalten. Erwar jetzt fünsunddreißig Jahre alt, war zum ersten Buchhalter avancirt, genoß das volle Vertrauen seines Ehess und das für seine geringen Bedürf n e bedeutende Einkommen von 3600 Konen jährlich. Er hatte nie zu jenen gehört,«die viel» vom Dasein verlangen. Er verab scheute das liirmende Außenleben in; Varietes und Restaurants, ging selten» in’s Theater und hegte einen ausge-! sprMen Schrecken vor Frauenzim merrh die ihm als eine fremde feind liche Macht erschienen, mit der wohl ein ttlicher, elYanter Mann wie Freund arlsson pa amenttren konnte, aber vor der er am besten that, sich in Acht zu nehmen. Als er vor 15 Jahren mit einem Ge halt von 1200 Kronen jährlich zu We - M etc Co. kam, da war es ein einziges I Ziel gewesen, durch gewi enhaste Ur L A beit sich eine Stellung zu erwerben, di ihm gefiattete, ein paar behagliche Zim ; mer zu miethen, sie bequem zu möbli «en, einige Bücher zu taufen und eir , paar hundert Kronen jährlich für feini s alten Tage zurückzulegen. Er hatte sein Ziel mehr als erreicht und er war zufrieden. Er hätte besse1 leben können, als er es that, sich mehr amüsiren, fein Souper in einem fei neren Lokal einnehmen, aber er em pfand kein Bedürfniß, etwas an feinen alten Gewohnheiten zu verändern, unt er fühlte sich wohl in dem kleinen Cafe das er seit Jahren besuchte, und dessen Eigenthümer-in er von Jahr zu Jahr einer Kugel ähnlicher werden fah. Sein einziges Vergnügen, abgesehen von den fpärlichen Theaterbefuchen, be ftand darin, zuweilen auf dem Heim wege in das kleine Panorama in der Hafengasfe zu treten, sich vor dem run den Guckloch niederzulassen und fremde Länder vorbeipafsiren zu sehen, wäh rend die Uhr die Fahrt regulirte und mit jedem Schlage neue Scenereien ver kündete. Er empfand keinerlei Sehn sucht, selbst diefe Ote zu befuchen. Ei fiel ihm nicht ein, daß er es leicht er möglichen könnte, sich eines Sommers loszumachen, ein paar Wochen Urlauk zu erlangen und eine Reise zu unter nehmen. Er freute sich blos darüber daß es f o viele schöne Orte gab, er dach te nachher an sie, freute sich an ihnen phantasirtesein bischen von ihnen, abe1 sehnte sich niemals-, hinzugehen. It· si- If Es war spät ini Herbste. Die stärkst Jmportzeit im Haus e Welin F- Co. wa1 gekommen. Es war unmöglich, vo1 Sieben oder halb Acht vgm Komptoii fortzugehen, aber Herr Winberg sak bis 8 Uhr dort und sein Thee in Stamm-Kasseehaus war uin eine gan ze Stunde hinausgeschoben E fühlt( sich recht müde und wollte sich gerad( aus dern Kasseehaus entfernen, als stöhlische Stimmen im Flur ertönten die Glasthiir geöffnet wurde und zwe« junge Mädchen in’5 Zimmer eilten. Sic nickten der Frau zu, warsen ihre Män: tel ab und nahmen kichernd und plan dernd an einem Tische Platz, wo si zwei Gläser Bier und vier Butterbrodc bestellten — aber große. Winberg griff mechanisch nach de1 sortgelegten Zeitung und versuchte zr lesen, aber während seine Augen übe1 die Spalten glitten, war seine Aus « merksamteit aus seine Nachbarinnen ges richtet. Es schien ihm, als wäre eii frischer Wind durch das stille Kaiser haus gestrichen. Welche strahlende Laune sie hatten diese beiden jungen LadenmädchenL Si( hatten gewiß den ganzen Tag gearbei tet. Jetzt gab es ja viel zu thun, dem Weihnachten nahte heran, und alle Ge schästshäuser strengten sich aufs Aeus ßerste an, um das Publikum anzuzie hen, aber ihnen schien es nichts zu ver Hschlagem Mir weichem Icachorua ne oie wur . ierbrode an den Mund führten und si mit ihren frischen Zähnen zermalmten und wenn sie ihr Bier tranken, nickter sie einander zu und stellten das Glai mit einem entzückenden kleinen Athem holen weg. Und·die ganze Zeit flüster ten sie, als hätten sie sich unendlich vie zu erzählen, und sahen sich nach den an deren Gästen um — auch nach ihm — und dann steckten sie die Köpfe zusam men und flüsterten aufs Neue unt drückten die Servietten an den Mund um nicht laut herauf-zulachen Auf dem Heiweg lächelte er vor sick hin. Seine Müdigkeit und schlecht Lnune waren wie weggeblasen, und e1 empfand ein Gefühl des Wohlbeha gens. Und noch als er sich austleidetc und zu Bette ging, fchmunzelte er be dem Gedanken an ihre irausen, tleinn . Köpfe und ihren gierigen Appetit. » Am Abend darauf saß er ungewöhn Jlich lange bei seinem Ther. Er hatt Hschon längst die Zeitung durchgelefen ibegann aber immer von Neuem. End j lich, als er eine Stunde gesessen hatte I warf er sie von sich und gin mürrisa Jseiner Wege, ohne die heleidtgte Mien» der Koffeewirthin zu dachten. Es fehlts ihm etwas. Er fühlte sich unglücklich ohne eigentlich zu wissen, warum, unt er ging mit mühen Schritten heim wärtg und einem beunruhigenden Ge fühle der Einsamkeit, das er nie zuvo· empfunden hatte. Einige Tage verflossen. Er war sict wieder leich und plauderte wie ge wähnliis mit der Besitzerin des Koffee hauses, die ihn fragte, oh er einen Jn umso-Anfall gehabt hatte. Plöhlicl br er zusammen und tauchte mit den Gesicht hinter die Zeitung unter. Ali die Thitr aufgeriffen wurde und di· beiden ungen Ladenmädchen hereinfloi en un er ihre ftshlichen Stimmei örte, kam plählich ein glückliches Ge iihl über ihn. Nun begriff er, wai hmhgefehlt hatte. Es war ihre Freu dig t, nach der er dürsiete, ihre frische ungentrte Art, ihre raschen Blicke, be weglichen Zungen, ihr lustiges Ricken das Rafcheln s Brodes zwian ih ren scharfen Zähnen, während s- ins I— H W Uf- - « Letbeskrästen tauend, von des Tages - Arbeit spra n. Sein Ense luß war gefaßt. Als er sich umsah in einem schönen, behagli chen Heim, das ihm pldtlich diister und einsam vortam, da schwor er, daß er sie aufsuchen und mit ihnen bekannt wer F den würde. Eine heftige Sehnsucht - brannte in ihm. Er sehnte sich danach, Jemanden zu liebtosem zu streicheln, dieses fröhliche, jugendliche Lachen zu hören, das ihn durch seine Frische be rauschte, und diese plauderhaften, wei ihen Lippen an seinen eigenen zu süh en. Aber welche von ihnen — die Blon de oder die Schwarze? Das sollte der Zufall entscheiden! Am Abend daraus rief Herr Win berg im Komptoir Sensation hervor: er hatte es eilig, fortzukommen. Mit langsamen Schritten ging er die Bester lan gasse hinab. Ueber der ganzen Gase ruhte jene Fieberstimmung der letzten Wochen vor Weihnachten, da Alle kaufen und Alle verkaufen wollen. Plötzlich hielt er inne, wurde zur Seite gestoßen und blieb mit einem Fuße auf der Stufe zu einem hand schuhgeschiift stehen. Wie verhext starrte . er in den kleinen, blendend erleuchteten Laden. Es waren gerade ein paar Da men drinnen. Der Ladentisch lag voll Handschuhe, und dahinter lächelnd und plaudernd und ihre weißen Zähne zei - gend, stand die kleine Blonde. Froh nnd glücklich, als hätte er in der Lot terie gewonnen, ließ er sich vom Stro me mitreißen, ging dann auf das an « dere Trottoir, wurde wieder zurückge « führt, und trieb es aus diese Weise hin " und her, bis der Menschenstrom sich zu « lichten begann und die meisten Geschäf » te die Liiden verließen. Da entsann er sich, daß er hungrig war, und ging in’s Kaffeehaus, wo sein T Thee schon lange talt stand, und da er ’ sich müde fühlte, bestellte er ein Glas s Porter und ein paar Butterbrode. Aber die Frau. die zweimal die Jn 1 fluenza gehabt hatte und alles Merk 7 würdige in der Welt auf diese Zurück fährt-n schüttelte den Kopf und sah mit " mütterlicher Besorgniß, wie er in sich ! hineinliichelte und das Butterbrod auf s« eine besondere, nachdrüctliche Art zum Munde führte und jedesmal Athem « schöpfte, wenn er das Glas wegstellte. f s J Während der nächstfolgenden Wo chen erweckte herr Winberg sowohl im ; Komptoir, wie im Kaffeehause Ver , wunderung. Es war offenbar etwas in Unordnung gerathen bei diesem Auto maten, dessen Regelmiißigteit bereits fprichwörtlich geworden war. Jn ei nem Augenblick eitel Sonnenschein, konnte er im nächsten wie ein zum Tode Verurtheilter aussehen. Still und verschlossen, wie er war, ließ man ihn jedoch in Frieden, ohne irgendwelche Fragen an ihn zu stellen. Nur die Frau , im Kaffeehause glaubte zu wissen, was mit ihm los war, und sie machte ihn beinahe wahnsinnig mit ihren Reden von Antiphrin und Antifebrin, und wie traurig es sei, Niemanden zu haben, der Einen hegte und pflegte, wenn man krank war. Da sah er sie ernsthaft an und nickte. ohne zu antworten. Sie hat L te ganz Rechts Niemand konnte das » besser wissen als er selbst, dem das ’ früher so theuere Heim jetzt förmlich zur · Plage geworden war. Jeden Abend ging er an dem kleinen Handschuhladen in Besterlanggasse » dorbei. Zehnmal hatte er sich vorgenom men, einzutreten, aber wenn der ent scheidende Moment kam, verließ ihn der E Muth. Er wußte, daß sie ihn bemerkt 7 hatte, wie er so ging und draußen auf s der Straße patrourllirte, wie ein Sol s’ dat auf Wache. Sie hatte gelächelt über T diesen scheuen Bewunderer, der so gar ! nicht den anderen herren glich, die sie kannte und ziirnte durchaus nicht ob dieser siillen Huld« ung, die ihr im Ge gentheile schmeiche te. Endlich eines Abends, zur Verzweiflung getrieben, beschloß er, den entscheidenen Schritt zu thun. Den Kopf konnte es wohl nicht kosten, wenn er hineinging und ein Paar andschuhe kaufte — und es füg te sich o gut jetzt nach Weihnachten, wo die Liiden fast leer standen. Er ging sehr rasch, als wollte er Anlauf zu ei nem turnerischen Sprun nehmen, fühlte, wie ihm warme Lu t entgegen schlug, und stand bleich und athemlos in dem kleinen· Laden. Sie blickte erstaunt den wunderlichen Besucher an. der lam, als würde er hereingeschossen. Dann erkannte sie ihn und lächelte. »Was steht zu Diensten?« fragte sie und nahm eine kotette Stellung an. »Ein Paar handschuhe . . . dunkel roth . . . Nummer 7 1-3,« erwiderte er hastig. Sie unterdrückte ein Lächeln, wendete sich um und nahm einige Kar tons herab »Bitte sehr zu wählen,« sagte sie und breitete den Inhalt auf dem Ladentisch aus. Mit einer hast, als fürchteten, zu spät zu einem Zuge zu kommen, wshtte er ein Paar aus. Aber als sie ihm die Handschuhe anziehen hals, als er die Al Wärme ihrer Oiinde fühtte, als er tzren blonden Kon sich so nahe sah, da er sich nur niederzubeugen brauchte, um ihren Nacken zu küssen, da war-es, als ldfte sich Etwas don ihm. Und wie ein brausender Strom wül te es sich hervor. Wie er sie im Kaf eeehause gesehen, wie oft er über die Gasse gegangen war, ohne zu wa gen, hereinzukommen, seine Einsamkeit und seine Sehnsucht. Sie hatte seine Hand losgelassen und sah mit halb ver legenem, halb amüsirtem Blick auf den eigenthiimlichen Kauz vor sich. der mit niedergeschlagenen Au en und zucken den Lippen stehenden uszes sein Herz vor ihr ausbreitete und ihr, ohne daß sie zehn Worte mit einander gewechselt hatten, eine förmliche Liebeserkliirung machte. Sie musterte ihn verstohlen, während er sprach. Er schloß ebenso überftiirzt, als er begonnen hatte, ath mete tief auf und sah sie mit einem un sicheren Blick an. Gleichzeitig öffnete Jemand die Thüre. Sie sliisterte hastig: »Ja einer Stunde schließe ich. Ermatten Sie mich draußen.« Dann half sie ihm gelassen mit den Handschuhen und wandte sich dem näch sten Kunden zu. e ·- i Herr Winberg kam sehr spät Abends heim. Er war glückberauscht und wußte taum, ob er aus dem Kopfe ging oder aus den Füßen. Sie waren in ein Kasseehaus gegangen. Sie war ihm voraus in ein besonderes Zimmer ge schritten und hatte ihm Platz auf einem Sopha neben sich gemacht, das so enge war, daß sie dicht aneinander saßen. Er hatte sie küssen dürfen, aber nur sehr wenig, er fühlte noch den frischen Duft ihres Haares; er hörte ihr zwitschern des Lachen und s ah. wie sie sich mit auf gerissenen Augen im Sopha zurückwarf und vor Erstaunen in die Hände tlatfchte: 3600 Kronen im Jahr! Gott, so viel Geld! Sie. die nur » hm, vierzig Kronen monatlich hatte! Und bei Welin Fc Co. war er angestellt! Nein, folch’ ein Mädchen! Vierzig Kronen im Monat, und doch so nett und fein gekleidet-— das konnte man sparsam nennen! Was würde Freund Carlsson sagen. der so gerne vom Leichtsinn und von der Verschwen dungssucht der Weiber sprach? Aber er sollte es noch nicht erfahren ——- Nie mand durfte bis jetzt etwas wissen. Sie hatten vereinbart, daß es eine Ueber raschung werden sollte, eine völlige Ueberraschung für Alle, bis sie es in die Zeitung festen. Nein, vierzig Kronen monatlich für Essen. Wohnung und Kleider! Und da bei war sie noch nicht einmal am ärgsten dran. Jhre Freundin, die Schwarze, hatte nicht mehr als dreißig. Ach, die Frauen, wie wenig sie brauchen, um zu eben, vergnügt zu sein und schön aus zusehen. Jm Ver reiche zu ihr war er ein wahrer Krdsus, ein Verschwender. Es wiirde vortrefflich gehen. Er hatte 3600 Kronen jährlich, vollständiges Mobilien fiir zwei Zimmer und über dies Geld in der Bank. Er promenirte im immer auf und ab, schnippte mit den z in ern, hörte Musik und Vogel gezwits er in der Luft und legte sich dann nieder, umgaulelt von rosigen Träumen. — Was sie betraf, hatte sie es durch aus nicht eilig. Jn dem kleinen im mer angelangt, daß sie gemeinscha tlich mit ihrer Freundin bewohnte, nahm sie Tinte und Papier zur hand. Die Schwarze war noch nicht zu Hause, und froh, allein zu sein, setzte sie ich nieder, und schrieb ein paar Briefe, die sie ver siegelte. Mit erunzelten Brauen wog sie die beiden ouverts in der Hand, während ein leichter Seufzer sich den Weg iiber ihre Lippen bahnte . . . . Und mit einem Blick auf das unberührte Bett der Schwarzen begann sie sich langsam auszutlerden. Dann löschte sie die Lampe und sprang rasch in’s Bett, die Der-te über-die Zähren ziehend. Als Herr Winberg ein paar Wochen später in’s Komptoir lam, war er der Gegenstand der allgemeinen huma ung. herr Carlsson drückte kräftig seine Hand, doch ohne seinem Blick zu begegnen, alle Kollegen gratulirten ihm, und der Chef rief ihn zu sich hi nein und beglückwünschte ihn mit eini en freundlichen Worten zu seiner Ver obung. Am Abend saßen er und der Ge schäftsführer noch da, nachdem die An deren egan en waren. Sie machten den A schlux und hatten viel zu thun. Plötzlich e te herr Winberg die Fe der weg und agie: »Du solltefi meine kleine Braut len nen lernen. Dann würdest Du ein liebes Mitdel zu sehen belommen.« Eine lei te Rsthe flog über herrn Carlson’s esicht. »Na, umso besser fiir Dich!«» ant wortete er kurz. »Sie isi in einem Handschuhladem bat aber fiir den l. uli ihren Plat ge kündigt. Jm herb e wollen wir hei raihen,« hr Heer Winber mit liicks li m Eicheln fort. g g ber Derr Carlssm hatte im selben Augenblicke seinen Federstiel fallen las - sen und biickte sich- um ihn aufzuheben. »Das ist aber wirllich neit!« meinte er, von der Anstrengung roth im Ge lichte Eine kurze Pause entstand Fest blickte herr Winberg wieder an . Ein überlegenes Lächeln spielte um seine Lippen: »Sie hat nicht mehr als vierzig Kronen im Monat, nnd da mit hat sie sich beholfen. Das ist wohl was Anderes als Deine Frauenzim mer-Betauntfchasten!« Ein nervöses Zacken flog iiber Carlsson’s Gesicht, under murmelte etwas, wie, daß es ja Ausnahmen gebe nnd daß nicht alle Frauen gleich seien . . Jm Herbste heiratheten sie. Herr Winberg ist so glücklich, als ein neuge backener Ehemann nur sein kann. Die junge Frau ist fröhlich, lebhaft und lie benswürdig Sie ist bezaubernd hübsch, aber zu den Allersparsamsten gehört sie nicht, und ihr Mann kann nie begreifen, wie es möglich war, daß sie als Mädchen von vierzi Kronen monailich leben konnte, da sile jeyi bei nahe ebenso viel für ihre Toilette braucht. Aber wenn er einmal dieses Kapitel berührt, dann fällt sie ihm um den Hals und flüstert im in’s Ohr. daß sei jetzt eine ganz andere Sache. Denn jetzt putze sie sich um seinetwil len. damit er findet, daß sie schön ist . . . -- O.-o--- -- Von der Berliner Gewerbe Ansstellung. Deren eßbarer, trinkbaket nnd ranchbarer Theil. Uolntimr Zutun-I- « Aus dem französischen Kriege wird folgende Anetdoteerzählt: Ein deut scher Soldat, der sich mit seinem fran zösischen Quartiergeber in Ermange lung sprachlicher Kentniise nicht ver ständigen tonnte, nahm seine Taschen uhr, zeigte aus die Zahlen 8, 12, 4 und 8 und nannte dazu jedesmal das Wort »Manger«; dann suhr er wiederholt rasch mit dem Finger um das ganze Zifferblatt herum und tief: »Voire«· Das bedeutende und ununterbrochene Trinibediirfniß des Soldaten dürfte damit dem Franzosen wohl tlar gewor den sein. Wenn dieser durstiqe Deut sche sich auf die Berliner Gewerbeaus ftellung begeben s ollte, so wird es ihm nicht schwer fallen, auch ein hochge spanntes Eß- und namentlich Trink bedürfniß zu befriedigen, denn die An stalten, wo man ißt und vor allem trinkt, sprießen wie die Pilze überall aus der Erde. Was das Eisen betrifft, so nennen wir in erster Linie Adlon und Dressel, die das auptrestaurant besitzen und in der er en Etage einen Betrieb eingerichtet haben, der dem in ihren in Berlin gele enen Lotalen ent spricht, während au der unteren Eta e auch Bier geschäntt wird. Dort vo - zieht sich ein großer Massenlonsurn, der aber im wesentlichen auf die besser ge stellten Klassen berechnet ist, während die anderen auf die zahllosen Bräus angewiesen sind, in denen man zu den gewöhnlichen Stadtpreisen sich verpfle gen kann· Endlich haben wir die nie leer werdenden Pavillons von Aschin er, die zu billi en Preisen riesengroße utterbrode ge en und hier denselben großen Zuspruch haben wie in ihren zahlreichen Siadtloialen, die in Berlin eine Revolution hervorriefen. Die blau und weiß gestreifien Bierausschanie der Firma Aschinger, in denen man zu billigen Preisen jedes beliebige Bier in immer gleicher Frische erhält, haben in dem Grade einem wirklichen Bedürfniß entsprochen, daß ungezählte Nachah mungen ausgeiaucht sind. Aus der Ausstellung dürfte Aschinger zu denje -nigen Firmen gehören, die die besten t finanziellen Ergebnisse auf uweisen ihaben· Jn den Bräus ist die erpfleg tung verschieden, und wir wollen, um niemanden zu tränken, da nicht eine be sondere Stufenleiter aufsiellen, zumal l die Riesenaufgabe, uns durch alle durchzuessen, unsere Kräfte überstie gen haben würde. Nur das eine sei er wähnt, daß die Verpfle ung im Riesen zeli auf der Alpenwie e der Dassel Adlon’schen am nächsten kommt. Wir haben auch eine Ansstellun fiir Volks massenernährung, eine ii raus nütz liche Einrichtung, wenn sie in muster güliiger Weise eigerichiet wäre, was sie aber nicht ist. Die Unternehmung hat einen unangenehmen Prozeß wegen Einführung verdorbenen Fleisches, aus dem sie sich nur schwierig herausziehen kann, indem sie die Schuld dem Lie feranten zuschiebi· Aber auch ganz ah gäsehen davon gefällt uns die Einrich ng sehr wenig. Daß man dabei auf Luqu verzichtet hat, ist berechtigt und naiiirlich, aber die Abfiitterung macht nicht den sauberen Eindruck, den wir auch hier verlangen müssen. Der heutige Arbeiier hat auch Anspruch auf einen gewissen Kornfort, der sich bei aller Einfachheit sehr wohl erreichen läßt. Die Eßdiifte, die dieser Unter nehmung entquellen, sind unerfreu lich: turz, wer seine Anforderung auch esser sieht es mit der ischerei - Aussicllung verbundenen Kosthalle aus, die nur Fischspeisen liefert und reichen Zuspruch findet. Bisher ist bei uns die große Bedeutung, die der Seefisch für die Vollsernähr ung hat, noch nicht in genügendem Maße erkannt worden und vielfach be steht noch das Vorurtheil, daß der Fisch eigentlich eine Luxusspeise ist, die nur auf den Tisch des Reichen gehört. Seit die deutsche Seefischerei einen Aufschwung genommen hat und dank der Reichsunterftiißung in rationeller Weise betrieben wird, seit ferner ent egeniommende Einrichtungen der Ei fenbahnberwaltungen es ermöglichen, den Fisch in ganz frischem Zustande in das Jnland zu liefern, ist dieses Vor urtheil nicht mehr am Platze, und die Fischlvsthalle wird hoffentlich dazu bei tragen, es immer mehr zu verdrängen; seit Beginn der Ausstellung sollen tä - lich über 40 Centner Fische in derFiså tosthalle vers peist worden sein und an Sonntagen nahezu das Doppelte. Das ist ein sehr schöner Erfolg, an dem die Nordsee den Löwenajtheil wegnimmt, mäktrend die Ostseehäfen bisher nur im viel bescheidenerem Maße — mit fri-— schen Flundern -——— aufgetreten sind Wahrscheinlich liegt es daran, daß der Transport von diesen Hafen noch nicht in so befriedigender Wei- sz se geregelt ist, wie von der Nordfee. - Auch die Ostsee enthält aber eine große Menge sehr schmackhafter Fische, die wohl verdienen, im Binnenlande auf den Tisch gebracht zu werden. Bisher wird von den Ostseehiifen im wesent lichen nur Räucherwaare in großen Mengen vertrieben. e r niedri stellt, wird te taum erfüllt « . « is Gehen wir von den Speisen zu oen Getränken über. so stehen wir vor einem wahrhaften »embaras de richesse« und müssen die Hoffnung ausgeben, im Nachstehenden auch nur eine annäh hernde Vollzähligkeit zu erreichen. Am wenigstens zahlreich ist noch der Wein vertreten, wenigstens was die eigentli chen Weinstuben betrifft, die ihn aus schließlich verschänten. Neben dem Hauptrestaurant finden wir ihn in Altberlin im Rathhause, wo die ver einigten Berliner Weinhändler ihre Produkte proben lassen, und außerdem giebt es eine Reihe von Sectpavillons, die sieh zumeist im Vergnügungspari finden. Eine holländiiche Theehude se findet sich in Altberlin, und in einem großartigen Papillen wird die Darstel lung der Chotoladenproduite von Fe lix U. Sarotti, verbunden mit Aus schant und Verkauf der Waaren vorge führt. Auch die Continental Bodega Companh hat sich einen eigenen sehr reich ausgestatteten Glaspalast geleistet, der mit einer American Bat verbunden ist und gut besucht wird. Das aueg aver verschwindet gegen über dem Massenaufgebot von Bier, · das in solchen Mengen auftritt, daß man schon beinahe von einem anlan teren Wettbewerb sprechen kann. Die großen Berliner Altien-Brauereien ha en ebenso wie die bedeutendften have rischen Brauereien ihre eigenen Tempel aufgeschlagen. Die Aktien-Gesellschaf ten Plaßenhofer, Moabit, Friedrichs hain, Oswald Berliner, adel, die in Berlin gegenüber den ro en bajuvari schen Bierpaliisten äu rlich uriickste hen, nehmen hier nachdrii lich den Kampf auf; Pilsener Bier steht in startem Wettbewerb mit Radeberger Exportbier —- Bürgerbriiu, Truhen Löwenbriiu, Hader und wie die Edlen alle heißen, haben sich hier ein Reside vous gegeben, dem von weftdeutschen Vieren Dortrnunder Union, sehr be gehrt und anerkannt, zur Seite tritt. Es ist des Guten sehr viel und offen estanden zu viel, denn wenn die Aus tellung auch noch so besucht ist, so ver irümmen sich in dem riesigen Raume der Bierhallen und Biergarten die Be sucher doch so, daß einze ne Brauereien oft verzweifelt leer aussehen. Wenn sich 150,000 Menschen in durstlissehens der Bethätigung hier einfinden, so be merlt man es kaum. und die doppelte Anzahl würde bequem dem Geschäft des Durstliischens obliegen können. Von Alt-Berlin bis zu den Afrikanern und in den ii yptischen Wüsten fließt das Bier in trömen und scheint schier un erschöpflich. Selbst München müßte uns ob dieses Bierreichthums beneiden; vermissen würde es nur die Radi, die sich trotz verschiedener Veksuche bis her hier nicht einbürgern lonnten. Wir haben ein ,,nasses Biereck«, das offiziell so benannt und allerdings hervorra gend naß ist« aber über Mangel an Feuchtigleit lönnen sich auch alle an dern Gegenden der Ansstellung nicht im mindesten bellagen. Auch diejenigen, die es lieben, schär fere Getränke zu schlürfen, gehen nicht leer aus« denn a esehen von einem Pavillon der Berl ner Schmutz-Fabri lanten, die sieh Destillateure nennen, ist noch recht viel Gelegenheit, Gott Bar (