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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (Aug. 28, 1896)
vellistisch verwerthen diirftr. Verste s Sie, was ich meinet« hm »Bolliommen,« antwortete ich, eine ; Rauchwolie hervorpustend, »und zu F welchem Wetter oder u welchem Na turerei niß brauchen ie die passende Geschi te, wenn ich fragen darf-« »Sie fragen sehr richtig,« sagte er er freut. .S e sollen selbst urtheilen und , wahlen. Jhre Liebenswiirdigteit er siillt mich voll Dank, ich hatte doch in Ihrem» Gesichte mit dem mir nun ein mal eigenen Instinkt sofort erkannt, daß Sie ein älterer Lebenserfahrener End. Und darum Freundlichteit für reundlichkeit; i will Ihnen einige meiner Naturemp indungen vorlesen und Sie sollen selbst bestimmen . . . Dabei griff der junge Mensch mit unheimlicher Schnelligkeit nach einem roth gebundenen, verdächtig dicken Buche, das er von irgendwo herauszog und machte wahrhaftigMiene, mir vor zulesen. um Glück kam er nicht so weit. ch hatte nach der Uhr gesehen· Ma dame Ridour, meine Tischnachbarin, wünschte, wie ich mich rechtzeitig erin nerte, meine Begleitung nach Glion hinauf. ch beeilte mich daher, mich meiner ge ährlichen Nachbarschaft zu ) entzie . - k- Ueber Na t muß ich mich bedeutend u meinem ortheil verändert haben. ie Gunst des Geschickes eigte sich siir mich darin. daß Jean aul mir den» Vorzug der Ansprachen von »lieber herr« bis um »lieben Freund« ge-: währte. — nd leich darauf fette ers mir mit einem « ie müssen!« die Pi-» siole seiner Redekrast aus die Brust, während er mich in eine stille Ecke Zog. »Sie miissen mir Material ge n, liebsier Freund! Gestern machten Sie, wie ich vom Kellner hörte, einen Spa ziergang mit drei Damen. Jch fühle( heute die Arbeitskraft in mir, drei Da-» men aus einmal zu -— wie soll ich michf richtig ausdrücken « zu verwerthen.; Erzählen Sie mir also! « hre Beglei-; terinnen sahen recht intere ant aug, sie sind ziemlich jung und hübsch, sie haben sicher jede ihre Geschichte, ihren No man, wenigstens ihre Novelle, und Sie ——— das sehe ich Jhnen an ----- lennenJ diese.« H Jch zögerte aus guten Gründen. ! »Und wäre es ein Geheimnifz,« sügtei er, sich nervös durch das Haar fahrend, hinzu «——-- »dann ist es bei mir begraben« . ich pflege niemals die wahren Namen der handelnden Personen zu nennen, meine Phantasie gebietet über eine An zahl schöner, srei erfundener und durch aus unbekannter Namen.« »Gut denn,« sagte ich, »so will ich , Jhnen in Gotteönamen das Geheimnißs der drei Damen verrathen. Zwei von] ihnen, Madame Nil-our und Madame Leon sind Wittwen, die dritte, Mada me de Maux, ist geschieden von ihrem Gatten und alle Drei —-— lieben. Ich dächte,das ei ein ausgiebi er Stoff ür die wettge ndsten Naturfchilderungen Jhr D Lagers —" c ok- -r.-- -·.. I;.r.... u- ein«-»- o« »J-, - ........................... «Meiner unmaßgebenden Meinung nach verschiedene Männer; fiir Einen wäre et doch zu viel des Segens." »Ach, sparen Sie doch die Witze, lie ber herr, verstehen Sie mich doch recht, ich muß Details haben, mit Aphoris men allein kann ich nicht arbeiten, das müssen Sie doch begreifen ?« — Er sah mich ordentlich aus eregt an, bekagerte mich förmlich au meinem Lehnstuhl in der Ecke der Vorhalle und in der Nothwehr begann ich zu ..... fabuliren. »Sie erinnern sich vielleicht eines großen, sehr starken jungen Mannes, der seinen Bart in zwei halbmonden trug und immer, wenn er s prach, vorher und nachher, lächelte. Er kleidet sich gort eseht hellbraun, soll ein.bedeuten er aler in Paris . . . . werden wollen und geht darum stets mit einem Photo graphie-Apparat umher. Nun, diesen jungen hoffnungsvdllen Mann er saß bei Tisch in meiner Nähe —- lieben die beiden Wittwen. Er aber schwankt zwischen eins und zwei, keine wollte ihn lassen, er wollte keine missen, der Kon flikt packte ihn dermaßen, daß er, nach dem er die Photographien Beider aus genommen hatte, wie ich glaube, abge reist ist, um in stiller Beschaulichkeit ei nen Entschluß zu sassen.« »Jamos,« rief derSchriststeller, »bö- i ren Sie zu, wie ich das verarbeiten will. I Also: Die Drei machen die Fahrt nach: dem Rocher de Nahe, — « Schilderung der Gegend, ——--- Tunnel Tunnelbe schreibungen sind meine Spezialität!M Jn einem solchen schmiegen sich die bei den Darnen aus Angst vor dem Dunkel an den zwischen ihnen sihenden jungen Mann, jede ergreist eine seiner Hände, im Dunkel wird ihm beider Liebe klar. Oben aus dem Rocher de Naye « Son nenuntergang. Die Sonnenuntergänge sind meine Farre! —-—- Alle Drei sind entzückt . . . . Gleiche Empfindunaen, gleiche Stimmungen, ergo gleiche Ge siihlr. —- Riicksahrt, drobendes Gewit ten in Bezug auf die grollendenvherzen der beiden Wittwen und ——1a, was soll denn aber nun aus der Sache wer dens« — j «Zunächst möchte ich bernerien, daß nach Sonnuntergang tein Zug mehr vom Rocher de Nahe herunter geht,« warf ich trocken ein. . »Ach was, verstehen Sie doch, das ist eine poetische Licenz, in diesem Falle als o Pean Exgazug . . . .« » ir au recht,« nickte ich ernsthaft. »Was nun den Schluß Jhrer Novelle anlan t, so sehe ich gar nicht ein, wa rum »- ie den helden nicht einfach auf Reisen schicken können, damit er Zeit zur Entschließung hat und im übrigen jedem Ihrer zahlreichen Leser es über lassen, sich den Ausgang nach Belieben hinzuzudenten.« . »Hm,das muß ich mir erst noch über j legen. Aber wie steht es denn nun mit der dritten Dame und welchen Rath ha ben Sie den beiden Wittwen, die sich Jhnen doch offenbar anvertraut haben, gegeben?« Der Knabe Jean Paul begann mir fürchterlich zu werden; aber ich war nun einmal in der Nothwehr, log also ruhig weiter. »Ich rieth den Damen zunächst die Rückkehr des Dopeltgeliebten abzuwar ten, und dann, falls er sich nicht ent scheiden könnte oder wollte, das Loos bestimmen zu lassen, eventuell Wappen oder Schrift. —- Was aber Madame de Maux betrifft,« ich zögerte, denn mir fiel in dem Augenblicke wirklich nichts ein — »so muß ich —- Sie —- zunächst; um Jhr Wort bitten, indieserBeziehungj sowie in der des bereits Mitgetheilten —-- mich niemals —- als Jhre Quelle zu nennen.« . Er gab mir das gewünschte feste Ver sprechen. Jch hatte inzwischen Zeit ge wonnen, und nun fiel mir etwas ein· »Die Dritte -— —- ja, haben Sie das denn noch gar nicht bemerkt?" »Was denn? — Nein, gar nichts,« gestand er aufrichtig. »Die Dritte« —--— ich zögerte nochmals —s-— ,,liebt Sie selbst.« Er strich sich mit dem zufriedensten Lächeln den blonden Bart und nickte freundlich. »Natürlich, natürlich, geahnt hab’ ich es ja immer. Aber nun stellen Sie mich ihr vor, nicht wahr? Jch lerne dann die Dame näher kennen, und wer weiß, ob sie nicht Stoff bietet für eine nied liche kleine Novelle. Mehr kann sie doch nicht verlangen, als von mir besungen und so berühmt zn werden!'« Wir schieden. Auf meine Flunterei bildete ich mir allerdings nicht viel ein, aber ich machte mir auch teine zu schwe ren Vorwürfe. Was konnte schließlich passiren? Wenn Jean Paul wirklich eine alberne Novelle in dem total unbe kannten »Echo de Veyteaux« zum Ab druck brachte, dann war das auch nicht welterschiitternd Warum ließ man denn solche Leute frei umherlaufen! — Ueber die drei Damen beunruhigte ich mich auch nicht, sie waren alle drei für Scherze, sogar etwas gewagte, sehr zu aänalich. tDie Dinge entwickelten sich naturge mäß weiter. Jch stellte Abends den jungen Mann meinen drei Damen als einen bedeutenden Schriftsteller und Novellisten vor. Sein Französisch war erträglich, sein Aeußeres annehmbar und da er sich Madame de Maux gegen iiber ganz als deren erkorener Liebling geritte, amiisirten sich die beiden ande ren Frauen königlich, indem sie sich scheinbar bemühten, ihn siir sich zu ge winnen. Madame de Maux, eine hüb sche, etwas schwerhörige Blondine, aber bemüht, die Gehörschwiiche zu verheim lichen, nickte, trotzdem sie Jean Paul’s Liebesgesliister kaum verstand, lächelnd und wie zustimmend. Dadurch kühner geworden, drückte er ihre Hand, die er küßte, und sah die Dame mit großen Augen an, so daß sie sich etwas ängst lich von ihm zurückzog. Das alles er re te die heiterkeit der beiden anderen lustigen Französinnem sie neckten den jungen Mann, der schließlich, unfähig, die Scherze entsprechend zu erwidern, aussprang und mit drohendem z« inger den beiden Wittwen zuries, daß ie sich vor ihm in Acht nehmen s ollten, denn er kenne alle ihre Geheimnisse. Schellen des Gelächter und die Aufforderung, sein Wissen nur ruhig zu verrathen, war die Antwort. Jn diesem Augenblicke össnete sich die und der Maler mit dem Mondsichelbar- » te trat, steundlichst grüßend, aus die Gruppe zu. JeanPaul erblickte erstaunt den Ankömmling und, zu den zwei Wittwen gewendet, sagte er mit starker Betonung: »Hier, meine Damen, steht Jhr Ge heimnisz!« Sämmtliche Augen« waren aus ihn gerichtet, aber er blieb selbstbewußt und ruhig wie ein Triumphator. Die Da men schrieen oor Lachen und fragten allerhand durcheinander, der Maler aber näherte sich mit seiner großen, starken Gestalt dem Schriststeller und ; wünschte sehr gemessen Ausilärung i »Auslliirung?« sagte dieser, »nichts s leichter als das. Sie und die beiden lie » benswerthen Damen sollen sie mit ei nem Worte haben. Possen Sie aus, wenn ich bitten dars: —- Rocher de » Nahe!« rief er, jede Silbe betonend, verbeugte ich und war fort. Die kleine Gesellschaft fah sich doch tetwas verdutzt an, man war allgemein der Ansicht, daß der arme Mensch plötz lich übergeschnappt sei, beruhigte sich aber doch schließlich und lachte von Neuem. ; Wie ein ganz Unbetheiligter hatte ich in einiger Entfernung den Vorgang» beigewohnt und meineCigarre getaucht. ; Die ziemlich harmlose Lösung war mir nicht unlieb; nun fand ich es rathfam, ! mich um den guten Jean Paul zu küm- » mem. Jch traf ihn im Vesiivu1, im! lebhaften Gespräche mit einem soeben angetommenen älteren Herrn von rund licher Gestalt. » Als ich mich angesichts dessen zurück- i ziehen wollte, faßte mich Hort am Arme, H um mich feinem lieben Freund, seinemf Onkel, vorzustellen. der ihn hier plus-l lich mit feinem Besuche freudig über rascht habe. Wir tauschten ein »Seht angenehm!" und »Auf Wiedersehen, morgen!« aus. Am nächsten Tage nahm mich der; Onkel, als ich ihm begegnete, sofort inf Bdchhg i ,,Enkk"chuldigen Sie, mein Verm wenn ich Jhre Freundlichkeit fiir mei-! nen Neffen Paul auch für mich in An- ! spruch zu nehmen wage. Sie wissen wohl, daß der Junge sich einbildet, ein; Schriftsteller, Dichter oder dergleichen; zu sein. Er hatte früher die Jnseratei fiir mein Geschäft verfaßt, kam dadurch I mit Zeitungs-Redattionen in Verbin dung, beschrieb einmal irgend eine Bergtour und man nahm die erträg liche Ferienarbeit, aus Rücksicht für meine Jnserateniundschaft, auf. Seit dem ist mit dem Menschen nicht mehr auszukommen. Er hat mein Geschäft verlassen, will nur noch Schriftsteller sein, und da er sonst ein guter Kerl ist, auch im Geschäft anstellig und brauch bar, habe ich ihm, als meinen einzigen Neffen, an dem ich Elternstelle vertrete, beinahe ein Jahr lang die alberne« Bummelei durchgehen lassen. Jetzt aber, dächte ich, sei es genug. Was Paul bisher in der Schriftsteller-ei ge leistet hat, ein paar langweilige Artikel chen, wie mir Kenner versicheru, das scheint mir weder genug für das ver brauchte Geld zu sein, noch als Beweis für seine Befähigung zu diesem Beruf, ; für den Paul geschaffen zu sein an-« giebt.« Der Unter sprach onenoar ganz ver nünftig, und ich erwiderte, daß ich an nähme, er sei gekommen, um Jean Paul « wieder auf den richtigen Weg in die Ge schäftsstube zurückzuführen »Warum - ean Paul?« sagte er ver wundert. » er Junge hat nie anders als Paul geheißen. Uebrigens haben Sie richtig gerathen, und meine Bitte an Sie, sehr werther Herr, geht dahin, daß Sie mir dazu helfen, aus Paul wieder einen halbwegs vernünftigen Menschen zu machen. Jch habe ein sehr gutgehendes Engrofzgeschäst in Seiden waaren und mein Nefsfe, der sonst tein übler Mensch ist, war mir mit aller Flunterei, bei seiner leichten Zunge, sei nem netten Aeußeren und seiner ziem lichen Schulbildun , ein passender Rei sender, aus dem i mit der Zeit schon einen richtigen Kaufmann machen ; wollte.« Es war tein leichtes Stück Arbeit," Paul zu überreden, aber schließlich wil ligte er ein, mit dem Onkel zunächst un- . ter der Bedingung nach Hause zu rei-! sen, daß es ihm unbenommen bleibenl soll auch ferner noch seinem inneren ? Drangen nach s chriftstelleris chem Ruhm F durch Veröffentlichungen seiner ,,shste-s ! matischen Naturschilderungen im Rah- i men der Novelle« Folge leisten zu dür fen. Da ich dem lieben Paul auch noch zu , verstehen gab, daß der Maler über sein ! endecltes Geheimnisz höchst ausgebrachtt sei und trotz noch bestehender Unent-? schiedenheitals galanterFranzose, ganzs fest auf eine Säbelsorderung bestehen: werde, fo war es nicht zu verwundern, dern, das; Onkel und Nesfe sich sehr schnell zur Abreise entschlossen. Jm lHotel machte das keine sühlbare Lücke; die Französmnen bedauerten nur den armen, jungen, hübschen Men schen, der so Plötzlich ,,nerdös« gewor den sei. . Das »Echo deVenteaur« aber hat bis : jetzt die Novelle noch nicht gebracht . . . .l i -s-«- QOO « lsestohlene Perlen. Erzählung von M. Brutto-in ,,Adieu, alter Junge, amiisire Dich gut und derdrehe den jungen Mädchen an der See nicht zu sehr die Köpfe.« ,,Lebe wohl, lieber Fred Schreibe mir bitte recht oft. Wenn Du sort bist und Robert ebenfalls, dann werde ich mich zu Hause sehr einsam fahlen.« Die Sprechenden waren Robert Lenz, mein Freund, erster Buchhalter des weltbetannten Banlhauses Schanz etc Co. und dessen Stifschwester Gertrud. Robert war ein Mann von fünfund vierzig Jahren. mit wellen, bleichen Zügen, graumelirtem Haar und müden Augen; Gertrud ein hübsches, liebrei endes Mädchen von vierundzwanzig Jahren, meine Braut. Es war gegen zehn Uhr Morgens an einem heißen Sommertag aus dem Bahnhos, von wo aus ich, ein junger Mann von sechsundzwanzig Jahren, meine Ferienreise nach Köln antrat. Aber nicht nur meiner Erholung wegen, sondern auch einer anderen Angelegen heit wegen fuhr ich dorthin Jch sollte siir das Banlhaus Schanz est- Co., wo selbst auch ich angestellt war, einige ist-E tundigungen einziehen. Vor acht Tagen hatte mir Robert; i unter dem Siegel strengster Verschwie- - genleit eine sehr erstaunliche Mitthei lung gemacht. Vor etwa einem Jahr hätte sich Fürst F mann, vom Hause Schanz efe Co· die Summe von fünfhunderttausend Mark ein junger Lebe- z geliehen und als Unterpfand einen be-? rühmten Perlenschmucl, der er von sei-E « ner Mutter, einer russischen Fürstin,i geerbt, niedergelegt ----- einen Schmuck, der einen Werth von einer Million Mk - besaß. Diese Perlen waren mit der denkbar sten Vorsicht in dem sestesten Tresor des Banlhauses eingeschlo en worden. Vor etwa vierzehn Tagen atten nun die Chess die erschütternde Entdeckung ge macht, daß mittels raffinirtester Schlauheit die Sicherheitsschlösser des eisernen Zimmers wie auch des Geld schranles erbrochen und einige der Per len, etwa der sünste Theil, verschwun den waren. Der Polizei machte man vorläufig keine Mitthetlung, um die Sache nicht an die große Glocke zu hän gen. Aber Robert Lenz, der als acht zehnjähiger Knabe in die Bank einge treten und im Dienste derselben er graut war, wurde in das Geheimniß eingeweiht. Jch wohnte seit drei Jahren in; Nobeer Hause und als sein bester; Freund und zukünftiger Gatte Stiefschwester besaß ich seiner . sein ganzes z Vertrauen. So hatte er mir, etwas un- J vorsichtiger Weise vielleicht, den Verlust J der Perlen mitgetheilt. Der Schlag, den die Bankiers litten, hatte auch ihn gewaltig schiitteri. ers-. elf-F er betrachtete oie Uhre, oie Interes sen feiner Chefs als die seinen, wie dies in Anbtracht seiner langjährigen Ber- , trauensstellung ganz natürlich war. Er « schien sogar ärgerlich, daß ich angesichts dieer tragischen Vorsalles meine Ruhe! bewahrte und trotzdem meine Ferien-; reife antreten wollte. Am liebsten hätte er es gesehen, ich wäre zu Hause ge- l blieben. l Robert sechek sollte nach Kaiser fah-t ren. Offiziell ging auch er zur Er- I honmg dahin, in Wirklichkeit aber, um! Ertundigungen über das Vorleben und ; die Familie eines in der Bank angestell- - ten Kassirers einzuziehen, weil dieChess k Grund zum Mißtrauen gegen diesen E etwas lustig lebenden Herrn zu haben meinten. Von alledem wußte Gertrud keine Silbe. Sie war ein herziges Mädchen, mit sanften, braunen Rehaugen und - ruhigem Wesen. Nach meiner Ansicht ging sie zu einfach, geradezu unmodern gekleidet. Besonders geistreich, wie unsere meisten jungen Mädchen, konnte sie sich auch nicht unterhalten. Meistens war sie darum in der Gesellschaft schweigsam und reservirt. Manchmal rechnete ich ihr das sogarl als Fehler an, denn ich besaß ein leb-; hastes Jnterfse für die moderne Be-k wegung und besonders für die französi schen Romane, in denen geistspriihende und interessante Frauen so packend ge schildert werden, daß ich für diese Hel dinnen schwärmte. So kam es, daß ich . mir mit heimlichen Seufzern gestand, Gertrud sei gar nicht mein Jdeal der Weiblichleit, das ich aus die Dauer lieben könnte. Gerade in dem Moment, da deri Schassner die Thür schließen wollte, stieg eine in Trauer gekleidete Dame in mein Coupee. Das Gesicht war mit einem dichten Crepeschleier verhüllt. l Kaum hatte ich Zeit, sie flüchtig zu be- l trachten, da ertönte dasAbsahrtssignaL i Noch schnell ein Kuß von Gertrud, ein » höndedruck von Robert und der Zugf leuchte davon. Jch setzte mich in eine Ecke und begann meinen Roman von Zola zu les en. So verstrich etwa eine Viertelstunde tiefsten Schweigens, da vernahm ich plötzlich einen Seufzer. Unwillliirlich blickte ich nach meiner schwarzverhüllten Reifegesiihrtin Sie hatte den Schleier eliiftet und ich erblickte ein Gesicht von o wunderbarer Schönheit, daß ich ganz bezaubert war. Aber ihre Augen sahen so furchtbar traurig aus-, daß mir das Herz weh that. So jung, so schön, und so —- unglücklich? i Sie war von schlanker, graziöser I Figur und mochte über die erste Jugend I hinaus sein. Das machte sie jedoch in meinen Augen um so interessanter. Meiner Ansicht nach mußten so die Romanheldinnen aussehen. Jshr Haar zeigte jene goldblonde Färbung, die sich unter dem schwarzen Crepehut um so zerrlicher ausnahm, als sie im grellsten egensatz zu dessenFarbe stand. Graue, unergriindlich tiefe, graue Augen mit langen, schwarzen Wimpern, welche wie ein seidener Schleier über die Lider fielen, belebten in feines blasses, fast duchsichtiges Gesicht, und ihre Stimme, die mich schüchtern fragte, ob ich nicht freundlichst das Fenster schließen wolle, versetzte mich in einen wahren Freu denrausch. Es war eine entzückende Stimme, so süß« so eich, so ein schmeichelnd, daß sie sitz einem jungen Mann» wie ich es war, sofort in’s Herz stehlen mußte. Armes Kind! Jhre Geschichte war eine sehr traurige, wie ich bald erfuhr. Vor sechs Monaten hatte sie ganz plötz lich den Gatten verloren, der sie mittel los zurückließ. Jetzt befand sie sich aus dem Wege nach Paris, wo sie eine Stelle als Gesellschafterin bei Ber wandten in einem vornehmen Hause des Faubourg St. Germain angenom men hatte. Frau Hausen, so hieß die bezaubern de Wittwe, war in Deutschland gebo en. Jhr Vater war Franzose, ihre Mutter eine Deutsche gewesen. So kam es, daß sie beide Sprachen gleich geläu fig redete. Anfangs war meine schöne Wittwe sehr zurückhaltend und schweig sam. Doch bald waren wir in das Ge spräch gekommen, und nach und nach thaute sie auf. Das lebhafte, sprühende Temperament ihres Vaters schien bei ihr zum Durchbruch gekommen zu sein, denn jetzt lernte ich sie von einer Seite kennen, die mich anz und gar be rauschte. Es stellte ich heraus, daß wir · emeinsameBekannte hatten, von denen sie sehr lange nichts gehört hatte, mit denen ich aber erst kürzlich zusammen gewesen war, und nun führte sie die Unterhaltung in geradezu überschweng licher Lebhaftigleit. Jhr ganzes Wesen übte aus mich ei nen saszinirenden Eindruck aus. Noch nie in meinem Leben hatte ich ein so wunderbar schönes Weib gesehen, ge schweige in ihrer unmittelbaren Nähe geweilt. Außer deutsch und sranzösisch sprach Frau Hausen noch englisch, ita lienisch, kurz, sie schien ganz interna tional zu sein. Meine Sinne waren so verwirrt und ich ganz und gar so be rauscht, daß ich beschloß, meine Reise abzuändern und sie nach Paris zu be gleiten. Jsch hätte es mir nie ver ziehen, wenn ich diese ausfallende Schönheit allein eine so weite Strecke reisen ließ. Nach langem Bitten gestattete Stella « so lautete ihr Vorname mir end lich, daß ich sie begleiten und in dem selben Hotel absteigen durfte, woselbst sie die fünf Tage, die sie vor Antritt ihrer Stellung noch frei hatte, zubrin gen wollte. Schon aus der Reise hatte sie sich mit eifrigem Interesse nach allen Verhältnissen meiner Familie, nach meinem Leben und Gewohnheiten er kundigt und dieses Fragen nach allem möglichen damit motivirt, daß sie ein seltsames Interesse für mich empfinde und nicht etwa von bloßer Neugier ge leitet sei· » L ..s. »1-W Mlc IU gullö ulluclp IUUL »st» Tät-Illu im Vergleich zu Gertrud. Der Gedanke an mein Braut war mir fast peinlich. Jch wußte, daß ich bis über die Ohren und-mit rasender Leidenschaft in Stella verliebt sei! Jch hätte die größten Thorheiten fiir dieses Weib begehen können, wohingegen Ger trud -— Stella wollte genau wissen, mit wem ich verkehre, wer meine besonderen Freunde seien u. f. w. Alle diese Fra gen ftellte sie mit so bezauberndem Lä cheln, daß ich ihr Alles sagte, was sie nur zu wissen begehrte. Am vierten Tage meines Aufenthal tes in Paris bekam ich einen fürchter lichen Schreck. Stella war, Kopfweh vorschützend, im Hotel geblieben, wäh rend ich auf den Boulevards umher schlenderte. Plötzlich wurde meine Auf merksamkeit auf die Jnsafsen einer ele ganten, von vier feurian Vollblutpfer den gezogenen Equipage gelenkt. Die in den Kissen zurückgelehnte, auffällig und kostbar gekleidete Dame, sehr hübsch,aber von herausforderndem Wesen,war eine der bekanntesten Chan sonetten-Sängerinnen von Paris, wel che wegen ihrer Extravaganzen sehr beriichtigt war. Und der Mann neben ihr mit den welken Zügen, dem grau melirten Haar und den traurigen Au gen ——- war ich denn bei Sinnen —- irrte ich mich auch nicht? Täuschten mick ; meine Augen, oder war das wirtlick I der erste Buchhalter, der Vertraute des H Hauses Schanz und Co» mein Freuni ; und zukünftiger Schwager Rober ; Lenz? Diese Zweifel follten bald gelöst wer ; den, als sein Blick auf mich fiel· E« Istarrte mich entsetzt an, wurde roth zdann todtenblasz, und blickte mit un j säalich elendem Ausdruck weg. I Jch nahm eine Droschle und folgt l der Equipage· Die hielt vor einem de theuersten Hotels Auch ich ließ halte1 und legte meine Hand auf Robert’ Arm, als dieser ausstieg. »Nobert, sagte ich leise, aber be stimmt, »ich muß Dich sofort sprechen.« Einen Moment starrte er mich an, wie wenn er geisteskrank sei. »Das Spiel ist also aus,« murmelte er dumpf und führte mich schweigend in sein Zimmer. »Versprich mir, daß Du Gertrud nichts erzählen willst,« sagte er, »und frage nicht lange, was mich zu der That bewog. Es kam über mich vor einem Jahr . . . . Der Gedanke, daß die Perlen dort lagen, keinem Menschen etwas nützend . . .. Wie leicht es für mich sei, einen Theil derselben an mich zu bringen . . .. Auf mich würde nicht der mindeste Verdacht fallen, dessen war ich sicher. . .. Jch habe all’ die langen Jahre ein Hundeleben geführt, Arbeit und Dienst, Dienst und Arbeit: das war mein Loos. Dazu eine Verant wortlichkeit bei geringem Lohn, wie sie sobald nicht wieder einem Menschen ausgehalst ist. Tagtäglich gingen die unglaublichsten Summen durch meine Hände.... Die Versuchung war zu ; groß . . . . Sie war stärker als ich . . ·. I Jsch war krank —- herztrank, ein Todes kandidat. Das weiß ich, und deshalb l fühlte ich das mächtige Verlangen, ein . mal —- nur ein einziges Mal und wenn es nur einige Tage wären — das Leben zu genießen, jenen Taumel kennen zu I lernen, von welchem man so viel er - zählt.« Stöhnend hielt er inne. Dann fuhr er fort: ,,Nur noch wenigeWochen waren mir vom Ar t gegeben. Mich ergriff eine fieberhafte Sehnsucht nach den Freu den, die mir bisher Versagt geblieben sind. Es ist ein Unglück, Alfred! Geld, Luxus, lustige Gesellschaft —- ich habe , es genossen vier Tage lang! Aber jetzt « habe ich genug davon — übergenungl Komm — ich will Dir die Perlen ge ben. Es fehlen nur drei. Auch mein Bekenntniß sollst Du schwarz auf weiß besitzen. Jch habe es längst niederge schrieben, weil ich fürchtete, daß ein Herzschlag mich Plötzlich übereilen kön ne. Es ist versiegelt und an Schanz ch Co. adressirt. Nun nimm dieseDinge und geh’ in Dein Hotel zurück und lomm’ heute Abend um sieben Uhr wie der hierher. Du brauchst nicht zu be fürchten, daß ich mich aus dem Staube machen werde. Leb’ wohl, Alfred, ver zeih’ mir und — halte Drin Verspre chen, Gertrud nichts zu verrathen.« Ich ging« Daß ich Robert nicht lebend Wieder sehen wurde, war meine feste Ueberzeu gung. Jch·war ganz erschüttert von dem, was Ich der letzten Stunde ge hort und gesehen. Das werthvolle Packetchen in der Hand, ging ich in mein»Hotel zurück, eilte die Treppe hin auf,»offnete mein Zimmer und-prallte besturzt zurück. Auf dem Fußboden kniete Stella und wühlte emsig in mei nem. Koffer, den ich wohlverschlossen zuruckgelassen; der Inhalt dessele lag zum großen Theil ringsum verstreut au dem Boden. Als sie mich gewahrte, stieß sie einen Schreckensschrei aus und floh aus dem Zimmer. Dabei entfiel ihr ein Blatt Papier. Jsch hob es auf und entdeckte, daß dasselbe im Depeschenstil gehalten und an eins der berühmtesten Detectiv Institute in Hamburg adressirt war, woselbst, wie ich wußte, auch weibliche Beamte angestellt waren. Auf dem Papier theilte meine schöne fasziniren de Wittwe ihren Chefs mit, daß sie »das Objekt« nach Paris geführt habe und die Perlen baldigft zu erlangen hofo Leise schritt ich über den Korridor nach ihrer Thür und lauschte: Sie ging auf und ab. Behuts am drehte ich den ’ Schlüssel herum und zog ihn ab. Wenn sie entdeckte, daß sie eingeschlossen war und Lärm schlug, mußte erst ein Schlosser geholt werden, um die Thür zu öffnen. Bis dahin konnte ich schon über alle Berge sein. Dann packte ich schnell meine Sachen, bezahlte meine Rechnung und verließ das HoteL Nun fuhr ich zu demjeni gen, in welchem Robert wohnte. Ich fand den Besitzer desselben in größter Aufregung, denn man hatte meinen Freund todt ausgefunden —- er hatte zu viel Morphium genommen. Eine halbe Stunde später saß ich im Blitzng nach Hamburg, um vieler Er fahrungen reicher und — klüger. Die Besitzer der Bank erhielten die Perlen sofort bei meiner Ankunft zu rück.. Jch nehme heute noch Robert’s Stellung ein. Seit ienem Abenteuer aber hatte ich einen heftigen Widerwil len gegen weibliche Wesen, die ausfal lend schön sind und einen faszinirenden Eindruck ausüben. Seit einem Jahr bin ich mit meiner lieben, sanften Ger - trud berheirathet und der glücklichste k Mann der Welt. - Sie hat nie erfahren, welches Drama - sich in jenen Ferientagen zugetraaen hat. Denn auch meine Chefs haben über diese Angelegenheit nie ein Wort verlauten lassen. Sie danken mir, daß ich es war, der ihnen die Perlen wieder zurückgebracht und schon aus Rücksicht auf meine kleine liebe Frau haben sie « mir stets Stillschweigen gelobt. Cis-IN