Bericht-Ihn Liebe Bon Maul-ice Leotanr. Intvrisirte Uebersetzung von Wilhelm Thal. c Lucien Dornen verheirathete sich leh ten Winter in Rizza. Selbst Paul und mir, seinen besten Freunden, theilte er seinen Entschluß ganz turz ohne jede Einzelheit mit. Dann hörten wir nur von Zeit zu Zeit etwas von ihm. Er befand sich stets aus Reisen. Erst ge ern lud er uns brieslich zum Diner in eine neue Wohnung in der Avenue Mareau. Seine Frau, eine noch sehr junge Dame, ist eine Brünette von düsterer Schönheit, deren Augen stets in feuch tem Glanze schimmern· Man fühlt, daß sie sich tief und innig zugethan sind. Jhre Augen suchen sich und bleiben lange in einander versunken. Das Dimt war recht düster, und ein kleiner Zwischensall spielte sich ab. Paul, der Freund, der mich begleitete, sagte zu der jungen Frau: »Ich glaube, ich habe Sie schon im vorigen Sommer in Luchon gesehen. Sie waren dort mit einer Dame ——— ich glaube, es war Jhre Schwester?!« Sie wurde roth und siotterte: »Ja, das ist möglich! . . . . aber mei ne Schwester ist todt!« Es trat eine verlegene Pause ein, und das Diner ging in diisterem Schweigen vorüber. Doch als wir Herren uns allein im Rauchzinimer befanden, rief Lucien: »Und jetzt, meine Freunde, wollen wir plaudern· Versetzen wir uns, wenn es Euch recht ist, in die ersten Wochen meines Ausenthaltes im Süden zurück. Wir iorrespondirten damals ziemlich fleißi mit einander. Jhr kanntet alle den zustand meiner Seele in jener Epoche, in der ich nach Zärtlichkeit, Vertrauen und Ruhe lechzte. Da mir die Einsamkeit infolge des sen schiidlich war, so begab ich mich ei nes Abends auf den Ball, und hier führten mich der Zufall und meine Be ziehungen in einen Kreis junger Leute, die um eine große Dame mit schwarzen Flechten herumschwirrten, die höchstens dreißig Jahre alt war, und deren aus fallendes Koftüm und freie Manieren die allgemeine Aufmerksamkeit erreg ten. Jch wurde ihr dargestellt Sie hieß Madame Biolaine und war Witt we. Die Herren nannten sie s piiter, als die Dame sich zurückgezogen hatte, bei ihrem Bornamen Theresa. Beim Ko tillon sasz ich neben ihr, und da sie nicht tanzte, so unterhielten wir uns. Sogleich begannen die Feindseligkei ten. Jch sage Feindseligkeiten, denn nie empfinde ich deutlicher, als wenn ich mich einer Frau gegenüber befinde, wie sehr ein Gepliinkel verliebter Worte ei nem Duell ähnelt. Der Mann greift mit seinen Schmeicheleien, die Frau mit ihrer Koketterie an. Und die Ausfiille sind oft heftig, boshaft und tückisch. Nach einem einstündigen Duell kam ich zu der Ueberzeugung, daß ich der schönen Wittwe nicht gleichgültig war, und sie lud mich auf den nächsten Tag zu einer Tasse Thee zu sich ein. Erst in ihrer Wohnung erfuhr ich von der Existenz ihrer Schwester, meiner theuren Simonne. Sie erschien mir beim ersten Anblick wie ein Kind. Sie trug kurze Röcke, und ihre Haare hin gen in dicken Flechten auf ihren Nacken hernieder. Diese Augen indessen be fremdeten mich durch ihre nicht etwa natürliche und träumerische Traurig keit, nein, es war die Traurigkeit eines Wesens, das den Grund seiner Leiden kennt. . « Als die Vorstellung erfolgt war, sagte Theres a zu ihr: «Laß uns allein!« »Sie ging fort, und ich bemerkte: »Sie ist hübsch, Jhre Schwester!« «Oh!« versetzte sie; »sie ist ein Kind, ein kleines Mädchen.« Jch empfinde eine wirkliche Genug thuung, wenn ich erkläre, daß mir The resa von diesem Augenblick an voll ständig gleichgültig geworden war. Weshalb? Das könnte ich selbst nicht sagen. Der Ton ihrer Antwort befremdete mich durch seine Härte. Vor Allem aber interessirte mich das Kind. Jch hegte den leichzeitig innigen und unklaren Wunsch, sie wiederzusehen und mit ihr zusprechen. Mein Besuch erschien mir pköslich albern und überflüssig. Die Unterhaltung schlief ein. Ich hatte nicht einmal den Muth, die erforderlichen althergebrachten Höflichkeitsphrasen zu · dreschen. There a bemerkte das und hat es mir nie verziehen. T » . Gewisse Wesen ziehen uns aus uner -« klärlichen Gründen an. Liebe ist das f-. nicht, denn dieses Gefühl kann uns zu « cis-en Leuten oder häßlichen Gesichtern Wem Es ist eine Art Neugier der " « » sing-—- wenigstens möchte ich . »so-Mem III ich Simonne wiedersah, befand. » eine XAellschast im Solan, « U bemerkt-, sich Niemand mit D If « , e Gleichgültig .G ans mich den Eindruck einer streng von der älteren Schwester aufge stellten und durchgeführten Regel. Es lag darin eine Art oerlehender Affek tirtheit. Ebenso sehr, um mich davon zu über zeugen, als auch um meine Untersuch und zu be innen, näherte ich mich dem jungen Mädchen. Bei den ersten Wor ten wurde sie bereits verwirrt, Mein Benehmen s chiichterte sie augenscheinlich ein, und ich merkte, daß sie mißtrauisch wurde und sich anschickte, ihre gewöhn liche Jsolirung gegen jeden unberuse nen Versuch zu vertheidigen. Jch vermied es, sie beim Sprechen anzublicken, und plauderte von gleich giltigen Dingen, wie ein Herr, der aus i reiner höflichkeit also handelt, um eine gesellschaftliche Pflicht zu erledigen. E Die Leute in unserer Nähe betrachteten ! uns mit einer gewissen Verwunderung. f Da bemerkte ich die Schwester, die mich s mit boshafter Miene anstarrte; und ! Simonne, die mir bisher nur sehr ein silbig geantwortet hatte, flüsterte mir ; mit leiser Stimme zu: k »Ich bitte Sie, mein Herr, entfernen : Sie sich!« I Jch erhob die Augen; eine innige I Bitte sprach aus den ihrigen. Ich las Idarin viele Leiden, doch nicht die ge H ringste Verlegenheit. Frei und offen bat ! sie mich, zu gehen. Ich verbeugte mich und gehorchte. Jn den folgenden Tagen bemerkte ich in den wenigen Minuten, da ich sie sah, dasselbe Gemisch von Entschlossenheit i und Schiichternheit, eine klare, fesie Entschlossenheit und eine ungekiinstelte Angst, die ihr mißgünstige Umstände und die Furcht vor ihrer Schwester ein geben mochten. Doch warum fürchtete sie ihre Schwester? Eines Morgens fand ich sie allein in « dem Garten der Villa. Sie wars einen unruhigen Blick zu den Fenstern hin f aus. Die Palmen verdeckten uns. Das mußte sie wohl beruhigen, denn sie war fröhlich, heiter, s orglos, lebhaft und zeigte sich im vollen Glanze ihrer Ju-« gend und Schönheit. »Wie gut die Fröhlichkeit Jhnen steht!« rief ich entzückt. ; Plötzlich —- wie mit einem Schlage —- verfchwand diese Fröhlichkeit Und ihre Au en machten sie mir zum Bor wurf; se glichen den Augen eines ar men Thieres, dem man weh thut. Trotz dem nahm sie meinen Arm, und ich fühlte, daß sie sich fest auf mich stützte . . . Eines Abends beobachtete uns Therefa. »Wenn man Jhre Schwester so sieht,« sagte ich leise, »möchte man glauben, sie hasse Sie!« ( »Oh! sagen Sie das nicht, sagen Sie das nicht!« versetzte sie lebhaft. sie liebt mich... und ich... ich... habe... habe sie auch sehr lieb . . ." nicht deutlich ·ausgespkpchmm, abe I Jene Unoere trat nahek »Womit langweilst Du den Herrn ?« »Ich sagte, Du hättest mich fehr « lieb.« Die Aeltere zuckte die Achseln und ging davon. Jch that, als bemerkte ich das nicht, und beim Fortgehen driickte mir Simonne die Hand stärker als ge wöhnlich. Jhr Vertrauen wandte sich mir zu, wie eine zarte Pflanze der Wasserströ mung. Mit der Zeit lernte ich sie lie ben. Listig und schlau erzählte ich ihr die Enttäuschungen meines Lebens. Jch erfand schreckliche und unheilbare Qua- L len, damit sie mich wie einen Gefährten, einen Bruder im Unglück betrachtete Jhr Mitleid erwachte, und sie weinte bald ebenso sehr über mich wie über sich ; selbst. Wenn ich ihr meine Leiden er zählte, so fühlte ich, wie sie ihr eigenes : Leid verglich und die Größe des ihrigen TMeer sang zu unseren Füßen. an dem meinigen maß. » »Warum erzählen Sie mir das al ;les?« fragte sie. Es war eine herrliche Stunde Das Sein Athem streifte uns. Jch glaubte, jedes zärtliche Wort würde in dieser Stunde » nachhaltiger wirken als sonst. »Ich erzähle es Jhnen, weil es Ei nem Trost gewährt fich aussprechen zu zkönnem weil sie die Erste sind, der ich mich zu vertrauen wage, weil auch Jhr Leid sich dann leichter bekennen laßt, und mein Geständniß dem Ihrigen « nachhelsen wird.« I »Mein Geständniß?« rief sie er schreckt, »woher wissen Sie?« »Ich weiß, daß Jhr Geheimnis Sie äfrftickh und daß Sie der Hilfe bedür en »Nein, niemals, niemals!" Vielleicht hätte sie wirklich nie davon gesprochen, meine arme Freundin; doch eine noch heftigere Krisis zwang sie da » zu. Eines Abends als ich, ohne gemel .det zu sein, in den Salon trat, hörte ich, I wie ihre Schwester sie auszanlte Die Ursache war ich a, ich bin überzeugt, daß Du ihm die htheit gesagt hast« schrie The resa. »Du bist so tückisch. Uebrigens werde ich ihn vor die Thiir sehen« ichSkidkonrrzxinäentilochtewirtschl wi phrtefcheni Scha einer Dann öffnete sich auf der anderen TM Theresa entfernte sich. t l- J ch trat ein. Simonne weinte, und ich eite miggu ihr. »Sagen te mir Alles, meine kleine Freundin!« Wie ein Strom flossen die Worte von ihren Lippen. Das ist nicht meine Schuld . . . wenn sie wüßte« wie ich leide. . . sie ist so ko kett, meine arme Mama . . . ja, Sie ha ben es gehört . . . sie ist nicht meine Schwester, sie ist meine Mama . . . ach, wie wohl das thut, meine Mama zu sagen . . . . meine Mama . . . aber das macht sie älter, und darum soll ich sie meine Schwester nennen . . . Alle glauben es auch ..... « Jetzt begriff ich die gräßliche Qual dieses Kindes, die Qual dieses zurück gestoßenen Herzens, das lange Mar tyrium des armen Mädchens-, dem die Mutter das Almosen ihrer Liebe wei gerie. Und nun gab ich ihr das Verspre chen, das ich gehalten habe. »Ich werde Dich retten, geliebte Si monne. Da Deine Mutter Dich ver stoßen hat, so wirst Du sie ihren Ber gniigungen überlassen. Von mir sollst Du die Liebe empsan en, dieDir fehlt, die warme Liebe, die in Herz der Le bensfreude erschließen soll . . . .'« Molla Mnhameku Nach dem Kurdischen von E. Hartnann Jn den guten alten Zeiten —- Allah weiß, wie weit sie hinter uns liegen — lebte in Sulairnanije, einem Städtchen fern an der Ostgrenze des mächtigen türkischen Reiches, ein Mann Namens Muhammed, seines Standes Motiv-, d. h. Doktor der Theologie und Schul meister. Schon seit Jahren überwachte er so die ungeschickten Schreibversuche der Buben aus ihren Schiesertaseln, lehrte sie den Koran lesen und ließ da bei wacker den langen Rohrstoct aus ih rem Rücken tanzen. Molla Muhammed jedoch war ehrgeizig und verwünschte alle Tage seinen Beruf. Schon als zwölsjiihtiger Knabe hatte Muhammed den Koran auswendig gekannt und Je dermann staunte iiber seine Hand schrift, die schön geschwungenen For men der G s und K’5. Uebung genug besaß er im Schreiben: von sriih an legte er auf jedes Blatt Geschriebenes —- es war ja lange bevor die Schwarz kunst der Drucker uns mit sündigen Büchern überschwemmte — Beschlag. um es sorglich abzuschreiben. Gab es nichts zu kopiren, so schrieb er seine ei genen Gedanken nieder und strömte die Sehnsucht nach hohen Zielen in zahl losen Bersen aus. Da war ihm sein Amt eine rechte Last und nur um des Weibes und der alljährlich sich mehren den Kinder willen, die täglich ihr be geeheidenes Brod verlangten, blieb er da i. Eines Tages rieth ihm ein Kauf mann, der weit in der Welt herumge tomrnen war, er sollte einmal nach Stambul ehen; wo so viele Händler gute Geschäfte machten, werde er einem guten Molla sicher nicht fehlen. Das leuchtete dem Schulmeister ein und bald schienen ihm Reise und bevorstehende Mühfal nur ein Kinderspiel. Als sein treues Weib ihn beimAbfchied wei nend umschlang, tröstete er fie: »Ge dulde Dich fünf Jahre lang, in dieser Zeit hoffe ich mein Glück zu machen, als wohlhabender, geachteter Mann lomme ich —- Jnschallah —- dann zu Dir und den Kindern zurück.« Nach einer ers chiipfenden Reife kam Molla Muhammed in Stambul an. Seine geringe Baarschaft war unter we s verbraucht, seine Kleidung abge ri en; doch was that’s? Jn Stam bul erwartete ihn ja das Glück. Seine erste That war daher ein Schreiben an den Scheich-ul-Jslam, den obersten geistlichen Würdenträger des Reiches; da drechselte er die lühnften Redensar ten, fchmiedete die unglaublichstenVerse hinein, vergaß auch feine G’s und MS nicht und ging damit zur Pforte des Scheichs. Doch der wohlerfahrene Pförtner wies den Schädigen barsch zurück; nicht einmal den Brief nahm er ihm ab, «sein Herr lese Bettelbriefe nicht!« Betrübt schlich Muhammed fort und probirte einen neuen Weg. Er gin in eine der großen Schulen· Mit ern ein Gruß trat an die Professoren heran, nannte Namen und Beruf und fragte nach einer Stellung. Doch auch hier wurde er ohne überflüssiges Wohl wollen abgewiesen- Unser Molla hatte nun das stimmte Gefühl, seine abge risseneKleidung müsse die bisherigen hlschliige beeinflußt haben. Flu s ehrte er in sein Quartier, einen arm e li en Chan, zurück, um es mit einer ssristlichen Eingabe zu versuchen. Rteer sonst seine Talente und gute nnung gerühmt, so verlan te er jeht einfach, man solle ihn der lehr tenprtifung unterwerfen zu der er vor bereitet sei. Zwei, drei e vergingen, die Behörde antwortete n t. Unter desfen litt der arme Muharnmed bereits hunger. Wohin er lam, begegnete man dem Unbeiannten leichgllltig; Em pfehlung en von hoåmägenden Perso nen — in Beten alten Zeiten legte man seltsamer ise viel Gewicht daraus-— besaß er nicht. Schließlich suchte er so gar eine geliebten haudschristen zu ver-äußern, wobei er hoffte, daß die Verse nun gelesen werden und ihn so berühmt machen würden. Aber die öffentlichen und privaten Bibliotheten standen an Sprödigkeit keinem der übrigen Jnstitute nach: hier »hatte man keine Veranlassung«, dort »be dauerte man unendlich«. Sehnsuchtsvoll gedachte unser armer Muhammed da seiner kleinen Schule in Sulaimanije; hätte er nur erst wieder die Jungen unter dem Stocke liegen! Als er, solcher Gedanken voll, durch die Straßen ging, sah et mit Neid aus die Lastträger, die eben ihre Bürde nieder seßtem sich unter dem Zeltdach einer Schänte niederließen und in die Speise einhieben. Die hungerten nicht. Am anderen Morgen schon hätten alle gu ten Leute aus Sulaimanije nicht wenig estaunt, ihren Molla im Hafen als csxleiszigen Lasttriiger zu erblicken, aber aus seiner pfissigen Miene beim abend lichen Heimwege zugleich geschlossen, daß er wie immer noch große Pläne ne bei hegen miisse. Das Intermezzo dauerte auch nur wenige Tage. Weit draußen in der Vorstadt erstand Mu hammed beim Trödler fiir seinen Ver dienst die lange schwarze Kutte eines armenischen Mönches. Mit derselben angethan. ging er auf’s Neue zum Pa last des Scheich-ul-Jslam und begehrte Einlaß um einer dringenden Angele genheit willen. Vor den hohen Wür denträger geführt, verneigte er sich tief und sprach: »Ein wichtiger Wunsch führt mich zu Dir. Du siehst, ich bin ein Ungliiubiger. Aber heute Nacht er schien mir der Erzengel Gabriel und verkündete, daß nur der slam die ein zig wahre Religion sei. o bin ich voll Unruhe und Seelenangst zu Dir ge kommen, damit Du mich zu einemMus lim machest·« hoch erfreut pries der Scheich-ul-Jslam Allah und die Pro pheten, hieß den Ankömmling Platz nehmsn und lehrte ihm sofort selbst die Glaubenssormel »la ilaha illallah inu hammad rasu allah«' (es giebt keinen Gott außer Allah, Muhammed ist der Gesandte Allah’s). Dann mußten die Diener ihn in’s Bad führen und ihm anstatt der häßlichen Kutte ein schönes Ehrentleid bri Kaum war er vermeintliche Be kehrte im neuen Rocke warm geworden, als ihn sein Gönner schon vor den Sul tan schleppte. Denn iein Geringerer als der Großherr sollte diesem wunder bar gewonnenen Proselnten seinen muslimischen Namen verleihen. Vor feierlicher Versammlung befragt, sprach der Molla demüthig: »Unter all den hohen und herrlichen Namen, von de nen ich fiirder einen tragen soll, scheint mir keiner dem gleich, den der Gottesge sandte —- Gott segne ihn —- selbst trug. MZIIO chi- IIZO Its-I- mstnkö Dass-Isiva In cis-BE M3·äjihääkism?i·3" W« " So erhielt Molla Muhammed den Namen Muhammed. Am anderen Tage sprach ganz Stambul von dem Neubetehrten. Mit aller Noth war’s nun vorbei, er mußte im Hause des Scheich-ul-Jslam woh nen und asz an seinem Tische, ja, man machte einen der berühmtesten Mollas zu seinem Lehrer. Der Sultan geruhte, sich alle paar Tage selbst nach den Fort schritten seines Pathen zu ertundigen, und war hoch erfreut, daß man die Fähigkeiten Muhammed’s gar nicht ge nug rühmen konnte. Nach einem Jahre war Muhammed, dank dem Engel Gabriel, seinen Gön nern und seinen »Fähigteiten«, schon zum Molla reif. Bei der Feier feiner Promotion sammelten die Großen des Reiches, die Spiyen der Gesellschaft Beiträge für ihn, der Sultan schenlte ihm ein haus und verlieh ihm eine ein triigliche Sineture. Es war Mode, seine Weisheit zu bewundern, ihm Verse abzubettelm man riß sich um sei ne Gese fchaft und weithin strahlte endlich der Ruhm dieser neuen Säule des Jslam. Der Sultan. dessen Wohlwollen Muhammed stets geleitete, dachte ihn noch fester an seinem Hof zu tetten und schlug ihm die Heirath mit der Tochter seines Großveziers vor. Doch Mu hammed erwiderte, sich bis zur Erde verneigend, mit feierlicher Miene: »Er habenster Herrscher, Du ehrst mich mehr, als ich es verdiene. Und doch muß ich diese Gunst ausschlagen. Näh me ich eine Gattin, so würde mein Den ken und Lieben getheilt zwischen ihr und der Wissenschaft, eine oder die an dere müßte darunter leiden. Nimm, wenn Du willst, mein Leben, o Herr, aber zürne mir nicht, wenn ich es allein dem Dienste des Propheten widmen will.«——-Man begriff seine handlungs weise zwar nich, war aber überzeugt, daß ihn nur die heiligsten Beweggrün de dazu vermocht haben konnten . . . . Allein Muhammed sah ein« daß feine Stundebald geschla en habe, auch war die Sehnsucht nach einer verlasienen mtlie durch diesen Vorfall wieder ärker ewotdem Wenige-Monate nach her erschien er vor dem Sultan und fptachx «Behetrschet der Giiinbe en! Undergleichltch ist das Leben in De net Nähe, köstlich in Deiner hauptstadt Aber siehe —- ich stamme aus det Ge gend von Sulaimanije, wo tiefe Un-. wissenheit im Volke herrscht. Jch fühle den Drang, dorthin u gehen und das Licht des gereinigten laubens nnd der Wissenschaft in meine Feimath u brin gen. Gieb mit die rlaubni dazu; Allah se ne Dich und mich.« Eine solche Selbstlosigteit im Dien ste der Wissenschaft mußte belohnt wer den: Muhammed erhielt zugleich mit der Entlassung ein Schreiben, das ihm die Einkünfte der sechs teichsten Ort schaften um Sulaimanije sicherte. Auch tüstete der Sultan selbst ihm die Reise karawane aus: hundert Kameele konn ten die Kostbarkeiten kaum wegschlep pen und ein wahrhaft sürstliches Ge fol e begleitete ihn. åo kehrte Molla Muhammed nach Sulaimanije zurück, ein vermögender und hochgeachteter Mann. Das war nämlich in den guten alten Zeiten — Allah weiß« wie weit sie hinter uns lie gen —, wo ein Mann von Talent noch sein Glück machen konnte. ....-—.--. - ...—.— Die Tantalusqualen. —— Humor-esse von Einst Murr. Die Turner tagten und heute fand ihr großer Festng statt. Ein wolken loserhimmeh den offenbar Vater Jahn fiir seine Schaaren vom Allgiitigen er wirtt hatte, blaute über den Straßen und die ganze Stadt war auf den Bei nen. Ein starter Zung von Fremden aus Nah und Fern vermehrte noch die schaulustige Bevölkerung Wigulitus Schmitt, Doktor der Phi losophie und Assistent beim Staats archiv, befand sich heute gleichfalls in einer fieberhaften Aufregung. Er war zwar sonst lein Turner, aber sein Herz turnte heute vor Wonne in Kreuzspriim gen, Saltomortales und Dauerpochen; denn er war bei Kommissionsrath We ber, dessen Haus in einer der feinsten Straßen der Stadt sich befand, eingela den, vom Fenster aus den Zug mit an zusehen. Nun war zwar Weber mit seinem riesigen Kahltopf, feiner start wosel bliimchen-sarbigen Nase und seiner ge drungenen, was das Bäuchlein betraf, sogar geschwungenen Erscheinung nicht gerade ein Objekt, sitt das man schwär men konnte; aber seine Lotte —— ach, diese Lotte! Werthers Lotte war ent schieden nichts dagegen; alle übrigen Lotten der Welt zusammen in der einen Waagschate mußten, was Schönheit be traf, bergehoch hinausschnellen, wenn diese Lotte in die andere Waagschale stieg oder vielmehr schwebte-lurz und gut, Wiguläus war so verrannt, ver narrt, verschossen, verliebt oder —- ei gentlich am Besten gesagt —- »der-lot tert«, daß seine ganze Philosophie zur Zeit in ihren zwei beiden Rehaugen, ih rem Kirschende und ihren Rasta nienlocken gipselte. Und heute sollte der entscheidende Ansturm auf ihr Veilchenherz erfolgen. Mit all’ der diplomatischen Schläue, die der ute jun e Gelehrte sonst im ge sellschafgtlichen sehen nicht entwickelte, dachte er heute einen nfterplah neben ihr zu ertiimpfen un langsam, aber stetig sei-n Ziel —- die Erforschung und Gewinnung ihres Herzens —- loszuar betten. Bis das leßte Turnus-Musik torps unten mit Schalmeien und Trommeln vorüberzog, mußte jubelnd in sein Herz die Gewißheit eingezogen sein: »Sie ist Dir gut!« — und dann geraden Wegs auf den Kommissions rath los — bis zum Abend muß die offizielle Verlobun stattfinden-sonst —- sonst —- er da te gar nicht weiter an die entsetzlichen Dinge, die geschehen mußten, wenn die Sache sich nicht pro grammmäßig abwicteltr. Jn dem son nenstrahlenden Optimismus, der ihn heute erfüllte, lannte er tein Mißgetin gen! Sonst gerade tein Dichter, hatte er rasch vor dem Fortgehen aus ein dusti ges Blättchen doch noch ein paar Verse hingeworfen, die er in ein Bouquet praktiziren und ihr letzteres überreichen wollte, ——— ein lleines Vorspiel, das Stimmung macht. Schon vollständig und zwar heute sehr sorgfältig geklei-; det, überlas er die Reime noch einmal,1 riss, wie das auch vorlommt, nach dem . Eintensasz statt nach der Streusands hiichse und sah im nächsten Au enblIH seine schönsten Reime von einer Schwar- ; zen Ueberschwemmung verschlungen«s von der auch der Daumen seines neuen hellen handschuhö sein Theil abbetom-» men hatte. « s Der fudschuh slog in einen Winkel; dann se te er sich ärgerlich und schriebs das Ged cht noch einmal —- aher es siel ihm nicht mehr ganz genau so ein »—· der Dust war weg, er mußte Flieh-or ier anwenden. eine siehethafte Unge duld beherrschte ihn zudem — kurz und spat, erst nach einer Viertelstunde ge ang ihm das kleine Geversel lbwegs wieder. Dann holte er müh am mit dem Spazierftoct unter der ommode den im ersten Zorn weggeschleuderten shandschu hervor, legte den Verwahr » losten in e n Bad, das den überraschen Jden Erfolg hatte, daß nicht bloß die J ghwarze Tinte, sondern auch die gelbe - uarde abging —- dann stürmte Wigu laut davon. « Es war allerhöchste Zeit. Die Straßen zeigten bereits jene verdäch tige Leere, welche man in einer großen Stadt nur dann beobachten kann, wenn die gesammten Menschenwo en einem Centrum, wo etwas ganz esonderes vor sich geht, zugeströmt sind. Mit Mühe fand Wiguliius noch ei nen offenen Blumenladen, in dem eine grämliche Alte an Flochs Statt über die dustigen Wesen waltete. Sie wollte ihm durchaus einen großen Eichentranz aufs wäßen, weil er für einen Turner sam assendften sei. Erst, nachdem er ihr —- bei ihrer Schwerhörigteit nicht T leicht — begreiflich »macht hatte, daß jes sich um ein weniger robustes Wesen j handle, elang es ihm, von ihr zu Fest L tagöpreisen ein Rosenbouquet zu er T stehen, in das er schleunigst seine Verse l verbarg und dann mit laut tlappernden Schritten durch die öden Straßen da hineilte. Wenn er durch die Margarethen straße über den langen Platz lief, konn- " ite er durch das Wandelaäszlein von stückwärts an Weber’s gelangen und » noch Einlaß finden, ehe der Kopf des quges eintraf, so überlegte er unter’m I Weitekhasten s Troer ais er an oie meargarerhem straße lam, sah er sich bitter enttäuscht. Acht- und zehnsach stand hier bereits die Menschenmauer, welche des Zuges harrte, und sein suchender Blick sand nirgends mehr eine Lücke, die ihm Durchlaß gewährt hätte. Gegen seine sonstige hescheidene und etwas men « schenscheue Art versuchte er es nun mit freundlich stehenden Worten. Aber man Ewiirdigte ihn nicht einmal einer Ant Htoors -—— nur Einer machte eine Rück Ywärtsbewegung mit dem Fuß, die sich « nicht mißt-erstehen ließ. J Da packte ihn die Verzweiflung Er ’ wars sich gegen die Menschenmauer und ; versuchte, durchzudringen. Aber da ; tam er schön an! Eine Fluth von Ar T tigteiten, wie sie in seinem ganzen Archiv nicht auszutreiben gewesen wä . ren, prasselten über ihn und nicht weni ge Ellenbogen versuchten ein Gleiches « —- ja, eine etwas angejiihrte Schönheit, deren Spitzenhut er ihr beim Vor wärtsdrängen schief über’s Gesicht ge « zerrt hatte, versetzte ihm gar mit ihrem »Sånnenschirm einen Schlag in’z Ge nt . ; Schon nar er mir gerotheien Wan Lgen in der Mitte des Menschentniiuels ! und sah mit brennenden Augen die sieie Straße nicht mehr weit von sich. da ge jwahrte ein reitender Schutzmann von s ferne die Unruhe unter jenem Theile der Unterthanen und sah mit zürnendem ; Erstaunen, daß die Menschenlinie, wel j che das Trottoir martirte, sich dort ver dächtig ausbauchte, als sollte plötzlich ; ein Borstoß aus ihr aus die Straße her »ausplatzen und so die mühsam herge istellte Ordnung stören. Mit wenigen .Siitzen seines außerordentlich feurigen Schlachtrosses befand er sich an der ge fährdeten Stelle und zwei Dutzend Be schwerden zugleich erschollen ihm gegen den lecken Eindringling entgegen. « »Aber ich muß durch —«, protestirte dieser in Verzweiflung «Zuriick!« rief indessen der Berittene mit dröhnender Stimme — das Voll, welches sich nun von der Staatsgewalt geschiin und befehligt wußte, zog einen Moment alle seine Musteln zusam men; dann plötzlich wurde Wiguliius mit elementarer Gewalt in die Seiten straße, woher er gekommen war, zurück geschlossen, so daß et noch einige Meter weit flog. Der Hohn und die Entrü stung der geträntien Menge folgte ihm nach. Bedauernden Blickes betrachtete er sein Bouquet —— die Rosen, denen teine Ellenbogen zur Verfügung standen, hängten arg geknickt die Köpfe und das Gedicht sah so zertnittert aus, als wäre es erst aus einem Redattionspapieriorb wieder auferstanden. Als Wiguliius wieder etwas zur Be sinnung lam, sin er wie rasend zu lau fen an. Viellei t gelang es ihm, den anzen Straßentreis, in dem der Zug ch bewegte, zu um ehen und doch noch von rückwärts an eber’s Haus zu ge lan en. « Oft-er mit Entsehen gewahrte er bald, daß sich die Kette nun auch hinter ihm geschlossen hatte. Jn der Max-Ernst Straße war ein undurchdringlicher Wagenpart derer, die sich nach den Fest straßen hatten bringen lassen, angefah ren und das Au e es Gesetzes wachte, daß kein Unberu ener sich ihm nahte. Da erfaßte den armen Jrrenden ein gewisser Galgenhumor. »Kann ich denn wirklich nicht bis zu Dir gelangen« mein deal,« so murmelte er, »dann willi wenigstens in Eurer Straße « J