Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 07, 1896, Sonntags-Blatt., Image 7

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    Sonntags - Blatt.
Beilage des »Anzeiger und Herold« za No. 48, dJahrgang IS.
J. " Wachspr Herausgeber
Grund Jsland chraska dcu7 ArigqrrftU1896sT
Feutl let-In
Donnmgyaufm
Roman von Claire v. Glis-net
! . « (Fortsetzung.)
Y« »
»O sieh’! der Himmel sagt uns
Willkommen!« rief Johann-a, indem
sie sich von seinen Armen losmachte,
und über den großen»Obstgarten, der
sich an der Giebelseite ausdehnte, zu
den Bergen hinüber-blickend sushr sie
fort: »Noch dieser Seit-e ist’s auch
hübsch —- der Wald so nah —- und wie
dustig mag im sSotnmer der Wiesen
abhang sein —- und dort unten das
alte Gemäuer zwischen Idesn Erlen und
Weiden scheint eine Mühle zu sein —
stets nur die geheimnißvoll Verlockende
) Schlucht, aus der sich der Mühlbach
hervorstiirzt . . . . Lieber Otto, wenn
es dir recht wäre, ich hätte nichts dage
gen, hier unser Hüttchen zu bauen.«
Sie gingen; das Gespräch rnit Ot
to hatte Johanna so froh gemacht, daß
sie vom Boden bis zum Keller alles in
rosigetn Lichte salz. Für jeden Mangel,
den Ton-te Theila a·ufspürte, wußte sie
Mithilfe und auch Otto Its-ar, von ihrer
heiterm Entschlosse-n«lyeit fortgerissen,
) mit Allein zufrieden.
»Johan·wa!« rief er jubelnd, in
dem er ihre Hände faßte und an die
Lippen zog. aber im nächsten Augen
blick ließ er sie wieder los und sagte,
indem er rnit bedenklicher Miene um
lyersah: »Wenn nur das Haus nicht so
abscheulich wäre! — wie kann ich dir
Mathem in solcher Unbehaglichteit
An .eri«stirens2«
Jovanna wars einen fchneuen vucr
iiber das große, niedrige Zimmer, der
grellfarbigen Tapete, den steifen, dünn
beinsigen rings an den Wänden aufge
. stellten Möbeln.
»Schön ist’«5 freilich nicht,« sagte sie,
»aber so braucht’s ja nicht zu bleiben.
- Denke dir die Außmwände von wildem
Wein, Klemgtis und Kletterrofen um
zogen, das Innere des Hauses gesäu
bert und geliiftet, diese Balken wieder
in ihre Holzfarbe, von gefchnitzten Trä
gern gestützt, hohe Lanrbries an den
Wänden, die Fenster zum Schiseben
ein-gerichtet mit runden, in Blei gefaß
ten Scheiben, dort in der Ecke einen
·"großen, grüne Kachelofen, als- Ame-ab
lernent hochlshnige Stühle, schwere Ti
fche mit gewundenen Füßen, eine große,
alte Wanduhn alte gefchnitzte Schran
ke, sEckbörter . . . .«
»Wind, hör ausf, sonst wird’s ein
ganzes Museum,« fiel der Freiherr, der
schon eine Weile zugehört hatte, lachend
in’s Wort. ,,Uebrigens glaube ich,"
fügte er nähertretend hin-zu, »daß du
für dies Euslenneft den richtigen Auf
putz gewählt thaft; wenn wir Tann
hagen kaufen, wollen wir uns Müshe
- eben, esdeinem Jdeale anzupassen
etzt wollen wir vor allen Dingen das
, us auf das ansehen, was«es hat,
und was ihm fehlt.«
« Endlich lbaten sie das Wsinlelchen
·j« « durchfiöberst, shattten Ider alten Pächterin,
die sich ietzt mit bösen Blicken begnügte,
,Wdieu« gesagt und gingen durch den
dämmerigen Flur der geschlossenen
Hausthüre zu.
,,theimiich ift’s hier doch,« flüsterie
Dante Theklaz »in allen diesen fin
stern Winkeln scheint lsich’s zsu regen —--—
und hört nur, wie lder Wind hewlt!«
«Un-finn!« rief lder Freiherr. »Meinft
du« der hätte für svie alte Baracie ein
besonderes Lied? Und twas die Winkel
betrifft. so Iwetiden Isie gleich hell und
. ungefährlich san-schen, swenn es Otto
, dæhin bringt, uns ldie Thüre zu öff
Eine Weile fchon hatte Otsto an dem
alten Schlosse geriittest, jetzt sprang es
auf; ein Windstoß schlug die Thüre
toachensd an die Wand; ein zweites
migchen ——- irgendwo mochte ein Fen
- anschiagen—gatbAntstvort. Dazu
eins Rauschen und Rasfchektn in die Höhe·
nun senkte !sich’s es fiel, und ein dunkl
les Etwas lag zwischen Tainsre Theile
und Johann-a, die mit eine-m Ansschrei
zurück-rasten «
Otto sspvawg zu, das Ding zu fass en.
»Ehe humitgunsg der abten Baracke
siir die neue herrin,« riess er bachemd
und wichte Johanna einen der weiten
Ernstekräwza
- »Ob« ein böses Ornen,« ssiisterte
Tante Tihekla, hoffte dann aber, ldasz es
Niemand gehört hätte. Das Braut
-pam sah ssie lächelnsd in die Augen, und
der Freiherr stmnd schon am Wagen
schlage umtd trin zum Einsteigem
Johanna kann nicht dazu, dem un
heimliche-n Eindruck nachzuhängen Der
Freiherr war so angeregt durch sdie
;Austspcht, in lder Näthe des altenStamm
ssitzes ein neues Distnniwghämser Nest ztu
grünt-ein tdaß er schon iwährenw der
Fahrt «das Für untd Wider des An
kasuss eisfrig besprach, tvobei Idas Für
mehr untd mehr idise Oberhand gewann.
Jn Dönningthausesn ilegte er dem jungen
Paare Alles vor, was er an Nachweisen
und Documenten ütber Tsannhasgen in
Händen hatte, und begegnete auch hier
bei umhetdtngter Zustimmung zu seinen
Wünschen und Ansichten. Otto war
sogar nsoch eifriger ais der alte Herr;
die Bedenkzeit von vievzehn Tagen, die
der Großvater Oorischlswg, erschien ihssm
zu Lan-g, und als er isich verabschieldete,
slijsterte er Johanna zu:
,.Geliebte, tim’ was kdu kann-st, das-,
wir uns ballv in Tannthagen hast-um«
Es war spät, auch der Freiherr woll
te sich zurückziehen Alls ihm Johanna
»Gute Nacht« wünschte, faßte er ihre
beiden Hände
,,Fiind,« sagte er, intdesm er sie an sich
zog, »du mußt n1un Inn-gen des Aniausss
von Tannhagen ernstlich mit sdir zu
Rat-be gehen. Vergiß nicht, idaß es sich
unn das Behagen deines Lebens handelt,
laß afso meine Wünsche unid Ott’os
Ungrtdulio außer Acht. Willst foru das
thun unsd mir in einiger Zeit unum
wunden deine Meinung sagen? —--- Wir
können noch weiter suchen und Besseres
finden«
»Mir inicy nicht, rieoer wroypapm
mir hat es tdas alte Haus geradezu an
gethan,« antwortete sie, uwd ihm die
Hand küssenid, siiiate sie leise hinzu:
»Wenn ich’s nsur ausdrücken könnte, wie
ntich deine Güte rührt-«
Bei diesen Worten lag etwas im
Klange ihrer Stirn-me, das den alten
Herrn mehr als je an ihre Mutter er
innerte. Sich der eigenen Rührung zu
erwehren, rief er:
»Was Güte, liebes Kide Eigen
sinn ist’s —— ich kann's niicht erwarten,
daß du den Namen Dönnighausen
trägs.« Unid wie mit sich selber spre
chensd, fügt-e er hinzu: ,,Dönn-inghau
sen-Tanithagen — Gott gebe dem Na
men einen guten Mangi«
»Dönnighautse-n-Tannshaigen!« flü
sterte auch Johanna ivor sich hin, als sie
bain idaraus in ihrem Zimmer am Fen
ster stand untd in die Finstern-iß der Re
gennacht hinaussah. Dönninighaiiisen
Tanwhagen —- toas war denn in idem
Nsamem das sie eigen bewegte? Oder
Zwar es «der Gedanke an das alte Haus,
das ihrem jungen Glücke zur Heiinath
wenden sollte? —- Deustlich stsanid es
ihr vor Augen, aber nsicht mir, wie es
war, auchtwie es wenden sollte, und wie
es einst gewesen sein mußte. Unitd nicht
nur die Mit-me swaren da ---— auch in
das Menschenleben das sich darin ab
spann, sathsie hinein. Gestalten lanien
und gingen, traten in Gruppen zusam
men, verschwanden und «wuoden durch
sAntdere eosetzL Sie sprachen und Jo
hanna Oerstansd sie, ohne eigentliche
Worte zu thören —- es war etwas Schat
»tenhastes, Tvaam-haisttes, und Johan
Ena empfand es so.
» »Ich glaube iwirtklich ich träume
schon der Tags that mich iitbermüdet,«
sagte sie zu tsich selbst, kleidete sich aus
uin legte sich nieder. Wher wäshrenid sie
sonst imit den Godanten an Otto eins-u
s schlafen -pslogte, war sie heute, sobald sie
die Lampe ausgolsscht hatte, auf's
Neue von »den Bildern aus Tannhagea
umgeben. Von Zimmer zu Zimmer,
tret-print untd ab, sdurch Hof usnd Garten
lging isre immer mit-drängt von wech
sselnden Gesichtern Da war auch das
Ider Msen Alten snlit Odem Kruckstocke.
; Sie verwandelte sich, sah fung, frohlich
zundssrsumdlichaus und Johanna wuß
te, dosi site ssich heimlich aus ihrem El
i
i
t
ternhaitse, der Mühle am Erben-hasch,
fortgeftohlen hatte, ium nur auf wenige
Minuten mit idem ibloniden Pächters
sohne von Dann-hingen zusammen zu
sein, den sie liebte und nicht heirathen
sollte. Und plötzlich Iwar sie iwielder alt,
stieß smit wem Krückstock auf den Estrich,
wiederholte Sdaß Kein-er, lder Jan-ahn
gen kaufte, Fremde Idaran halben Mir-de
untd dazu vafchelten iunid act-erschien die
weltens rntelriinze rings swm den Flur,
als Iwollsten ifise Isaaem wir haben noch
viel gesehen, und könnten noch viel er
zählen. ·
Ganz unbekannt waren· Johann-a
diefe zudrängentden Phantasiobtitlder
nicht, nur freinsd goworiden Als Kind
wurde sie häufig Ida-von heimgesucht
auch noch in Lindewbwo Aber Idamals
kamen sie am Tage, oft iinitten in lang
weiliige Schulstiuntden rund Awfgaben
hinein. Zuweilen waren es nsur flüch
tig auftauchersde nebelhafte Gebilde,
zulwetilen waren es fetfte Umrisse, be
stimmte s avben, vereinigten ssich zu
ibuiistein Qpiel und bildeten die tolliften
fMiirchem die »das Kin tagelang, wo
.chen«l«ang forttfspiniien mußte Nur
wenn ihr Gelegenheit weit-de, sie zu er
"zä«hlen, tam sie danon los —— oft schnel
ler als sie wollte. vWie auf ein Zauber
ivort war dann plötzlich idas Phanta
ftsische Gewühl zerstoben. Sie hatte
fich darum auch seinen festen Zuhörer
treis erworben. Niur unter tden »Klei
nen« in der Pension fanden sich hin unld
wieder ein paar wusniderdiirstige Ge
müther, die ihren Fraganenten lausch
ten. Von den ,,Großen« wurden sie
verschmäht verspottet; Johanna
schälmte ifich, bezwang sich, unid endlich
waren die »Id-umnien« Bilder weggewie
ben. —- Was wollten lsie jetzt fo plötzlich
wieder? Nach Dannhaigen locken oder
davon zuriichscheuchenZ
Eine Weile ließtfie Johanna lonrmen
und gehen, dann Esuchte sie sich davon
los zii machen, aber es getan ihr nlicht
Endlich zündete sie Licht an, stand aiiif,
hüllste sich in ithren Schlafrock und setzte
sich an lden Schreibtiifch Vielleicht war
Schreiben eben-so wirksam als Erzäh
len.
Sie nahm ein BriesblatL
»Lieber Otto!« fing sie an, strich
es aber gleichswiesder aus. Er wiirde sie
nicht begreifen, würde lachen wie die
»Groszen« in Ider Pentsion Ueber-dies
wollte er keine Briefe untd sollte nun
auch nicht wissen, ldafz Johanna ihre
,,Aswgen anstrengte und ihre Nachtruhe
verkürzte«. Jtn früheren Zeiten hätt-e
sie ihre Mitttheitunigen an Ludwig ge
richtet —- atber ishm enziiblen, »was isie
Otsto toeoschttvieg — suwmöalichi
Eine Weile sasz isie trenentschsiossen da,
dann tauchte sie idie Feder wieder ein.
»Ich twill’s vertsuchen,« fliisterte sie
vor isich hin unsd begann zu schreiben
An swen2 — Ins Bliaue hinein ---— untd
was? tdas twntszte tsie selbst noch nicht.
Neunzehntes Kapitel.
’ Der Freiherr hatte Tansnshagen ge
tasust und auf Otto’s Bitten eingowils—
ligt, daß »die Hochzeit Ende Mai statt-s
finden sdiirfe. Nmn gasb es viel zu thun,
um bis dahin ,xdie alte »Barac!e«, wie
lizier Freiherr das Gutshaus nannte,
Iroohnslich ein-zurichten. Die Besprech
ungen mit Baumeister uno Hand-wer
tern nathm kein Ende; Tapeten und
Stoffe wurden Oevschriebenx Löbet
Wolf, der wieder Au Gnaden angenom
men stvar, durchstiiberte die Umgegend
nach Hausgeräih sunid abveni Möbeln in
Johan«na’s Geschmack; Tante The-t
la setzte die Tuuthen rnitiden Leinwand
untd Damasworriitthen in Contribu
tion, unto Otto twar Ibeständig unter
wegs, um die Arbeiten in Tannhagen,
so sweit sie der Winter gestattete, an
treibend zu überwachen oder dem
Großvater iiber alles Bericht zu gaben.
Der Freiherr schien in dieser Ge
schäftigkeih die ihn vielfach in Anspruch
nahm, von Tag zu Tag kräftiger und
heiterer-zu Iwerden. Sie shaslsf ihm auch
darütber fort, daß tDönningshausen dies
Jahr seine gewöhnlichen Weit-nachts
gsätste entbehren mußte, »und daß Jo
shann Leopotkd fehlte. Hedwig konnte
mit ihrem Jüngstgsborenen nicht reisen.
«und Hisdogsaws Kinder thatten die
Masern« zur gstinstigsten Zeit für ihre
Mutter, Idie ungern smit sdsm Braut
paare zwsanrmen gern-essen wäre. Ma
gelone blieb ebenfalls sfovtx sie hatte
plötzlich eine zärtliche Liebe zu Hed
wig’s Kindern gefaßt unid bat den
Großvater, ssie ldas Cthristfest mit ihn-en
verleben zu «lassen.
Eine große Freude Ewar es, daß kurz
vor sdem Feste entdlich einmal wieder ein
Brief von Johann Leopold ankam.
Aus dem Jnthcklt tdessellben ging hervor,
daß eine friithere Sendung, der ein
Brief Lutdtwig Werner’s Geigelegen
hatte —- -die Antwort auf Johannacs
Verlobungsanizeige — verloren fein
mußt-e. Diesmal schrieb Johann Leo
pold allein. Ludwig hatte sich einige
Zeit von ihm getrennt, um Asusfliige in
das Innere zu machen, zu Idenen sich
sich Johann Leopold nicht stark genug
fühlte. Spoziselles ütber sein Befinden
ifasgte er nicht; akus mehreren seiner
Aeußevungen ging jedoch Gewor, daß
sich die Hoffnungen, mit sdenen er seine
Reise angetreten, nicht verwirklicht hat
ten und trotz der Ueberfülle großartiger
un)d interessant-er Eindrücke, die ihm ziu
Theil geworden, uintd tdie er noch zu er-,
warten hatte, sprach eine leise Sehn-I
sucht nach der Heimath aus seinen Zei
len: sdas Verlangens des Kranken, sich
eimzufpinnen in gewohnte Umgebun
gen und ruhig verflsießenbe Tage Den
noch schien er seine Rückkeise nicht be
schleunigen zu wollen. Er schrieb, daß
die Aufgaben der Expedition, zu wel
cher Luldwig Werner gehörte,
schwerlich vor Enlde des Som
mers erfüllt sein würde, so
daß sie Bei-de erft im Herbst auf
das Wiedersehen der Jbrisgen hoffen
dürften. Uirn so dringender orrlanate
er nach genauen Berichte-n aus sdesm Fa- I
miliewtreife; aiuch iiiber sdie ZukunsftsJ
pläne des Brautpaares, das er lherzlich
bmt, seinen tbrülderlsichen Bseiftanfd nach
jeder Richtung Ibin in Anspruch zu neh
men. Die Mitifreude asn ihrem Glücke,
fiigte er shinizrtz solle ihm die eigenen!
Entbehrungen erleichtern. (
»Arme Magelone —- oon einem sol
chen Schatten eines Mannes erwartet
sie das Glück ihrer Zu-kunft,« dachte
Otto sbei diafer sBriesstellex ider Frei
herr aiber erklärte ssie für hypochonidri
schen Unsinn unld Iwar überzeng daß
wenn »der Estnrichttungs- untd -Hoch
zeitströdel« in Tannthagsen zu Enlde
wäre, sdiefelbe Wirühfchnfit in Don-nig
hausen Iden Anfang nehmen münde.
»Du solltft sehen, Thekla,« fasgte er f
Fu seiner Schwester, ,Jwen-n’s- nsur evst
ernsthaft an’s Neftbauen getht, wkridl
Johann Leopold ebenso vernünftig, wie
Otto geworden ist. Nie im Leben hätte
» ich geglaubt, idaß der Junge so praktisch
und thättsig sein könnte. Jch hasbe meine
sherzliche Freude idaran.«·
i Auch Johanna war von Ottio’s Eifer
Hund Unermüldlichkeit überrascht, aber
sfce konnte sich des Gefühls nicht erweh
ren, baß er über den Rahmen iihres Le
bens das Leben selber außer Acht ließ,
und seine stürmische Zärtlichkeit end-s
schädigte ssie nicht für dem Mangel dess
innig-ernsten Seeslenverkehrs, den sie
oon ihvetm Brauttftankoe erwartet hat-te
und tägilch aufs Neue ersehnte. Otto
meinte, zum ,,Pthilofophiren« shätten sie
Muße genug »wenn sie erst in ishrer
Tannhagener Eintsarnkeit fäßienz jetzt
schien es ihm nöthigen über Hausbau
und Gartenunlagen, Tapetenmuster
unkd Möbeltfovmen zu berathen, uan da
feine untd Jothanncks Geschmacksrich
tiumgsen ganz auseinander gingen, —- er
hatte eine urtheilslose Vorsliebe für das
Moderne, Glänzende Eslegsante, with
rend sie ihr Haus künftlerisch ziu schmü
cken wünschte, ——· nahmen die Besprech
ungen kein Entde, und für »das. Iwcrß
Johanna innerlich berührte, blieb Ot
to teine Zeit.
Daß es ishm an Interessen dafür
fehlte, wollte sich Johanna nicht einge
stehen, unld wenn sie, nachdem erAbentds
Abschied genommen hatte, isn ihr Zim
mer tam, suchte Isie tsich lmtist aller Ener
gie von Dem Gefühl inneren --U«nbeha
gens zu befreien. Mehr und mehr ge
lwöthnte sie sich, alm Schreibtisch Hilfe
zu suchen. Der iphantcøstitsche Eindruck,
den Tannhagen lbei idem ersten Versuch
« auf sie gemacht hatt-e, ewirkte fort. Das
alte Haus zeigte sich ihr von Gestalten
bevölkern denen- 1sie cumvillikürlich Leben
« von ihrem Lean igaikz Edie ssie fragen unId
antworten, tielbm und leiden, hoffen
und bangen ließ, je nachdem ihr selbst
zu Mth swan sDanetben aber hatten
diese Gestalten iein eigenes Dasein, das
sie tsich klar machen und in Worten
darstellen mußte, ohne zu wissen, was
sie tdaszu trieb. « »Sie that es imit einem
Gemisch Ivon Qual nnd Lust. Ost ver- ;
sag-ten Form sunsd Farbe, oder das Ge- !
bilde, das Iste zu halten glaubte, zer
slatterte wieder. Elin anderes Mal 'd-a- ·
gegen lwar es ein sröhliches Gestalten«
ein deräwgen lichter, schöner Bilder,
ein müsheloses Hineinsehen in fronrde
Seelenzustände Was daraus werden
sollte oder könnte, foasgste sie nicht; sie
glaiulhte nsur (de-m Verlangen Fu folgen,
sich selbst für Otto zu erklären. »Apo
tryphische Liebesbrisese« nannte ssce die
Blätter, tdie ihr das Herz entlastete«n.
’Sie schrieb isich zur Ruthe, wie Anldere
sich zur Rnrhe singen.
So ging der Winter sooritben Selbst
für Ediese Gebirgssgegst Iwar er unge
wöhnlich hart ern-d stüvmisch gewesen.
Uim so freudiger satthrnete Johann-a ans,
als die ersten Frühlings-lüfte swehten,
die ersten Zugvögel kamen und von den
Haseelsnmßsträsuchern ·die ersten Blüthen
rispen niederhinigen. Ntun gseniigte ihr
das Wasnldern nnid Reiten smsit desm
Großvater nicht mehr; srüh Morgens
schon gincg’s in’s Freie imit Golidihund
und Ellinor, unsd idas Uirwkethrem um
zur rechten Zeit am Früstückstische zu
sein, war oft recht schwer
Eines Morgens lwar sie früher ausf
gebrochen als gewöhnlich Schsarse »
Märzlrrsst »und Sonnenwävme ströinten
in eintasnsder; hoch im Blauen san-g eine
Lerche. »Noch der Walldklausse« sagte
sie zsu sich selsbtst unid lenkte, von dem «
frshlich bellenden Hunde umkreist, in
den Waldweg ein.
Sie harte uyresSchutztrnge lange nicht
gesehen. Der Freiherr hattte den Ver
kehr nicht verboten, atber ser wurde ver
drießlich, roenn er etwas ldaivon merkte.
Darum hatte Johanna, so oft ssie auch
mit Großvater aus dem Wege nach
Tansnthagen iin der Nähe der Waldklau
se vooülber gekommen war, nicht gewagt.
dahin atbzsutltiegen Durch Otto, der
Christine shin und iwidder ihre Grüße
gebracht hatte, wußte isi-e, daß es dem s
Ehepaar gut ging untd freute »sich da- ·
raus, dies einmal wieder »von Christine
selbst zu ihören.
Aber sie santd eine Krancke Aus der
Küche kam ein-e knsixentde Alte untd öff
nsete Johanna die Stubenitthiir. Da
lag die jung-e Frau mit blassem abge
zehrt-m Gesicht unid erloschenen Augen,
von Kissen gestützt asus »dem Sopha,
und idie Hantd, die Isie Johanna reichte,
brannte in Fieberigtnch
»Ehr·tstinie, was ist denn geschehen!«
rief Johanna bestüvzt. »Als Otto zu
letzt hier gewesen lwar —- svor acht Ta
gen alsso -—— brachte er mir die besten
Nachrichten.«
Clhristiinens Augen nahmen einen
aswgsvvollen Ausdruck an«
»Gleich nachher bin ich isoank gewor
den,« antwortete ssie mit matiter Stim
me. »Aber ich bitte, gnädiges Fräu
lein —— smirswollen nicht davon sprechen.
Eben thöre ich den Jakob kommen —
der sorgt sich gar zu sehr, und es ist doch
schon viel, soiel sbesser.«
Er tvait ein; Johanna erschrack vor
seiner finsteren, Verstörten Miene.
i »Die gädijge Frölen!« rief er und
riß ldie Mütze ivom Kopie
Johanna glaulbte einen Vorivurf in
seinem Ton zusthören
»Ich swußste nicht, daß Christine
krank ist, sonst Iwüsrlde ich längst gekom
men,« sagte tsie. »Warum halben Sie
nicht geschickt? Wie gerne hätte ich et
tosas zur Pflege lder Kranken gethan.«
»Du-nie, gnädige Fsrölen,« antwor
tete er; ,,an Pslege ihn-Es nich-i gesetth
Der Klausentbunger Doktor ist jeden
Tag dagewesen, unsd Medizin bekommt
sie Tag tin-d Nacht — da, Kleine, " ist
eine neue Flasche voll — und was sie
essen oder trintken will, wirtd geschafft,
und roenn sich stundenlang darnach lau
fen müßte...« Er lachte und fuhr
mit iden Fingern in Idie rothen, borsti
gein Haare, daß sie ihm twirr um den
Kopf standen. »
Christine sah ihn bittend an.
»Ja, gnäsdsiges Früukein,« sagte sie,
,;gepsilegt hat er Imich, als ob ich eine
Prinzessm wäre Tag untd Nsacht ost er
aus den Füßen»
,,So, das singst du!« fiel er ishr in’s
Wort, »aber daß ich an sall’ dem Elend
schuld bin . . . .«
»Ja-kob, was hast dru mir verspro- .
chen!« kliaigte tdie Kranlke sunid whoib fle
hend die Hände -aws.
»Daß ich Keinem was Vdises nach
sagen will,« galb er finster zsur Ant
wort; »ich thu? ja auch nicht. »Aber
was ich selibist sgethan halbe, davon werde
ich doch rseden ldürifenl . . . . Ja, gnäidige
Frölen——ich mit meinem Jäiyzorn bin
schwlld, ldaß die Kleine so daliegt, usnsd
baß esimit der Fremde, sbaslid Iwieder ein
Kind Au haben, aus sund tvoribei ist . . .
und twenn ich Iisie nuns Ifo ·seihe, gebuitdig
wie ein armes Lamm...saber wen-n
siemir stirbt . . . .« Er streckte «den ge
sunden Armi in Wie Höihe mild schüttelte
die geballte Faust. »Wenn sie mir
stirbt . . . . Hervgott im Himsmiel!«
Mit Diesem Asujfsschrei brach er zu
sammen, san-i ausf sdan nächsten Stuthl
unjd deckte schluchzentd die Hand iiber
Die Ausgen.
Christinie richte-te lsich ausf. ,,Lassen
Sie mich, bassen Sie mich!« bat sie
and suchte sich ivon Johanna los-zu
nachen. »
Jakob sprang wieder auf unxd trat zu
.« r.
»Siehst MI, so mache ich’s immer
v-.ieder,« sag-te er, indem er sie sanft in
Iie Kissen zurückdrückir. »Sei gut, sei
In Oerniinftig für cuns Beide — ich
Fainn’s nicht sein, Idenn isch half nichts
ils tdich, und swer dich mir nehmen swill,
)b’s ein Mensch ist old-er sunser Herr
zott . . . .«
-.. -.- .- s - « «
Vlc tolllcklc Il)lll Illlc chcllV Tlls
Manto
»Sei st-ill!« Ibatt iste, ,,vevsiinidige
oiich nicht —- ich tbin ja wieder tbesser —
virswenden schon nsoch sein Weilchen zu
ammen bleiben — — laß Iuns darum
Jeten —- versuch’s nur ’«ma-,l imir zu
Liebe ..... «
Er trat zurück.
»Dir zu Liebe, itoastdu swillst ctber «be
:-en kann sich nicht sniethr.«
»Er iwird’s schon Iwieder · lernsen!«
iiet Johanna ein. »Jetzt aber, Ebri
·tine, dürfen lSie lsich nicht sorgen —
vuch darum nicht, dem Jaihob zu Liebe.
Kuhig liegen, tsich pflegen slasssen, weiter
Tyaiben Sie nichts zu thun. Ich muß
etzt beider fort, aber sobain ich kann,
komime ich wieder, suntd sinnwischen lasse
ch ansvaigen Daß ich etwas zu ihrer
Frquickuntg schicke nnuß lder Jakob er
.aiuben.« «
Wieder kam lder angstvolle Ausdruck
n Gheistinens Augen.
,,Li-eber Jsattob — ldie Hanina tsoll msir
meine Suippe kochen,« sagte isie unsd asls
er zur Dhiir shinsatus Iwa«r, faßte ssie Jo
Hannas Hand »und ftiistsevte: ,,-Gnä«d-i
ges Fräulein, Iwenin Sie kam-men, itst
nir’s die größte Freude atber iich bitte
—— nehmen Sie’s nicht sfür uwgut —
tragen Sie »dem Jsuwier Otto nichts
In mich auf . . . . es ist Besser, wenn er
nicht herkommt...so lange ich krank
bin wenigstens nicht . . . . der Jakob iist
so heftig unsd ich tbin lso ängstlich . . . .«
Jchre Hände zsuclten untd Isie athmete
schwer.
»Er soll nicht kommen gewiß nicht,
Cinristine . . . antwortete Johanna.
»Aber Sie diirsfen wem Junker nichts
von tnieiner Bitte sagen — nicht wahr,
das Versprechen Sie mir?« fuhr die
Kvainke fort, untd ehe Johanna antwor
ten konnte, kam Jackotb wieder herein.
Johanna natkym AtbschietdF heute gab tsise
auch Jaka tdie Hantaz Eber-» no de Mensch
that ibr ebenso leid, wie die kleine,
seh-wache Frau, die iitm zitternid liebte.
Was mochte zwischen ibm innsd Otto
vorige-fallen sein? Mit der größten Un
besansgensheit shatte dieser iiber sein-e Be
suche in der Wasltdttliause Bericht erstat
tet —- -waik)nschein«lich aihnte er nicht,
daß er Jakobs Zonn erregt «hatte; der
arme verbitterte Mensch war so leicht «
verletzt. Vielleicht wäre durch ein Wort
Alles gut zu machen-; aber ebeniso mög
lich eoar es, Daß Jakob nur zu neuen
Amstbriichen gereizt wurde — der Ge
fahr durfte die Kvawke nicht ausgesetzt
wenden; sbis ztu ihrer Genesung wenig
stens mußten alle Erörterungen mutet
bleiben
Jn diesen Gedanken versunken hatte
Johanna den gewöhnlichen Waldwsg
verfolgt. Jetzt schlug es sim Man-sen
burg acht Uhr. Sie wschrasch wenn