Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 24, 1896, Sonntags-Blatt., Image 7

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    — - , S NUM- Blatt
Beilagedes »Du-zeiget- vnd«««Herold-«zuNo.46, Jahrgang Ä»"»IS6«.W"«
J. V. Wiudpjzjk",·;"";3;k;zzzzzb-ck;- ·- -- —
Grund Jscaiw, Nebraska, den 24. Juli 1896.
Femlletmx
Zdnningyausm
Roman von Claite o. Glitmer
——
GortsegungJ
Mit diesem Märtyrerbewußtsein
trat er vor den Großvater-, ver ihn in
seinem Zimmer, am Schreibtifch sitzend,
erwartete.
Nach der ersten Begrüßung hieß ihn
der Freiherr auf einem Stuhl neben
dem Schreibtifch Platz nehmen. Sein
Blick war streng, aber nicht von ver ver
nichtenven Geringschätzung die Otto
mehr als einmal darin gesehen hatte
»Dies Billet, das ein sonderbarer
Zufall m meine Hände gebracht, Hast du
geschrieben,« begann der alte herr, rn
dern er Otto das unglückselige Blätt
chen zuschob. »Ich möchte wissen, an
wen ?«
Otto sah vor sich nieder. Magelone
verrathen — unmöglich! —- Johanna
nennen, wie Magelone verlangt hatte —
ebenso unmö lich.
«Nun?« ngte ver Großvater nach
einer Pause.
»Ver.zeitl)’, ich lann dir den Namen
nicht nennen,« antwortete oer junge
Mann. ·
Wer Freiherr zog die Brauen zusam
men.
»Jn diesem Falle ist Discretion die
pure Spiegelfechterei,« sagte er. »Das
Billet ist an Johanna, das liegt auf der
Hand — hat ssie es gelesen?«
»Mein Ehrenwort, daß sie es ni cht
gesehen hat, auch nie gesehen haben
würde. J
»Wintelzüge und kein Ende!« siel der
Freiherr ungeduldig ein. »Gesehen
oder nicht, du hast es an sie gerichtet,
unsd ich frage dich, mit welchem Rechte
du dir erlaubst, sie unt ein Nendezsvous
zu bitten, und sie zu nennen, wie du
hier thust.«
Der-i Frederr reichte ihm das Blätt
chen. Otto, der sich des Inhalts nur
ungenau erinnerte, sah mit Schrecken,
daßihm, um Magelone zu retten. nichts
ittbrig blied, als die Deutung des Groß
vaters gelten zu lassen. Aber noch im
mer wollte ihm die Lüge nicht über die
Lippen. Er sah stumm zu Boden, wäh
rend der Freiherr in steigender Unge
duld aus und nieder ging. Plötzlich
blieb er vor dem Entel stehen« -
»Seid ihr im Einverständniß?«
sragte er.
»Nein!« antwortete Otto in einem
Son, der den Großvater überzeugte.
Nach einer Pause fragte er wieder:
»Glaubst du, daß deine Neigung er
iedert wird?« s
»Jch.... ich weiß es nicht!« starrt
weite Otto. i
»Unsmn! Du sollst es wissens«
schrie ihn ider Freiherr an. »Du bist
doch sonst nicht schüchtern. und wenn eß
sich urn die ganze Zukunft handelt —
oder wie?« und abermals blieb er«
Bären und seine Augen dlihten unteri
bnschigen Brauen; hättest du dir
etwa erlaubt, nett Johanna nur zu tän
delni Dann, tnein Junge, stviirden wirz
ein Wörtchen mit einander reden. Jo
nna ist meiner Tochter Kind, ist eine
Inninghausem auch wenn sie nicht den -
Namen trägt.«
Otto saß eoie gebannt unter dem bö
!
t
i
i
i
sen Blicke des Großvaters.
»Ich vertsichere Dich —« sing er end
lich an.
«Keine Redensarten!« siel der Frei
herr ein. »Beweise, daß es dir ernst ist« »
indum du dem untlaren Zustande ein»
Abknnmchst Meinen Segen sollt Jhri
Otto suhr in die Höhe. Aus heftige
Vorwürfe hatte er sich gefaßt gemach-t,
Mit aus zeitweicltiäe Vemnnung aus
« nntnghnnsen, r Ach verloben spl
len —- -nn«t Johanna! Was würden
die Schwestern Klausendurgs, die Ka
meraden dazu sagent —- toae vor Allem
Mir-gekoste
«Lieder Grohaterf stammelte er.
während ihm dies Alles Uisschnell
durch den Kops flog; »Die wiire das
möglichi . . . . meine Verhältnisse . . . .«
»Und allerdings derart, daß sie dich
gerade nicht zu einer ibrillanten Partie
ntachen,« ergänzte »der Freiherr in bit
terem Tone. »Aber Johanna ist groß
herzig; wenn sie dich liebt, wird sie
nicht rechnen. Ihr mütterliches Erb
theil ist nicht groß, genügt indessen,
euch ein descheidenek Heirnwesen zu
gründen.«
«Lieber Großvater, auch ich pflege
nicht zu rechnen!« fiel Otto ein. Der
Freiherr lachte spöttisch.
»Das brauchst »du mir nicht erst zu
sagen!" rief er. Uebrigens steht das
Alles erst in zweiter Reihe. Die erste
Frage ist« oh Johanna so viei Liebe,
Achtung unsd Vertrauen siir dich hat,
daß sie dir ihreZutunftandertraut,und
darauf mußt du dir Antwort holen.
Jetzt gleich kannst du es thun —-, ich
habe dir nichts mehr zu -sagen.«
Otto erhob sich.
»So einfach, wie dn meinst, ist die
Sache nicht," antwortete er mit erzwin
Lgenem Lächeln. »Erst muß ich Johanna
wieder versöhnen . . . .«
»Was hasht ihr denn mit einander?«
fiel der Freiherr ein. ,,Gestern schien
dir ja eine Viertelstunde genug....«
Er brach ab und mit versinfterter Miene
fügte er hinzu: »Bleib’, Johanna soll
hierher kommen —- ich muß selbst sehen,
wie es zwischen euch steht. Opfer brin
gen soll sie nicht« Dann klingelte er,
befahl, Johanna zu rufen und setzte
schweigend seine Wanderung fort.
Otto trat an’§ Fenster; er swar em
pört; sein Gesicht glühte, seine Pulse
klopften. »Mageion: hat Recht,« dachte
er, »Großpapa ist geradezu vernarrt in
Johanna . . . . Opfer bringen, sie mir . .
und das anhören müssen, sich fügen
müssen. . . sich fiir’s Leben bin-den! . . .«
Aber vielleicht kam es nicht dazu-—
oielleicht schlug ihn Johanna aus . . ..
Die Tochter des Schauspielers einen
Freiherrn von Dönninghauseni Er
shiß die Zähne zusammen, unt nicht aus
zulachen in Hohn und-Zorn.
Und dann hörte er die Thiir auf
gehen, und als er sich un-will«tiirlich
umfah. trat Johanna in«s Zimmer.j
Ihr Blick flog mit deni Ausdruck der;
Vesotgniß vom Großvater zu Otto hin-Z
tiber — daß es hier Staren gegeben«
hatte. war unverkennbar-. » ·
Der Freiherr forderte sie a.,1f sich z »k:
setzen, dann a: ng er noch ein paarnial
schweigend auf und ab Was ihm
vorhin fo e: nfach ersch: enen war, fand
er plötzlich schwer in Worte zu fassen
Endlich sah er Ltto S Bi llet ans dem
Schreibtisch l: eaen nnd gab es ihr. j
»Dies- Billet, « innre er mit finster-er
Miene, »das für dich beiti »O.nt :,oar ist
mir in die Hände gefallen und hat mir«
Dinge gezeigt, von denen ich teine Lin-l
nung hatte, Zustände die ohne Verzug
geordnet werden müssen. Ich shoffa
daß dn mir diese Aufgabe durch Offen
herzigteit erleickytersk . . .. Vor allen
Dingen lieg.«
Sie gehorchte; er sah ihr Erstaunen
zur peinlichen Verwirrung swerdem und
als sie das Blättchen in den Schooß sin
ten ließ, that sie ihm leid und er
wünschte, ihr zu Hilfe zu kommen.
»Ein-d, sglairbe nicht, daß ich sdir
zürne," fing er freundlicher an. indem
er sich ihr gegenüber setzte. »Nu: ein
offenes Geständniß will ich shall-en, wie
du zu Otto stehst, und was du ihm ge
than hast, daß er aus solchen Unsinn
;dontrnt: Rendszvous Nachts im Gar
ten während ihr euch Tag für Tag
sprechen könnt .was soll das.
redet«
j Sein Ton war wieder heftiger ge
i worden und seine Augen sprühten.
i ,,dRe e. » redet« wiederholte er,
während sie erschreckt nach Athem rang;
iaber nun hatte sie sich gefaßt
i »Weder Großvater-X sagte sie, »ich
Lgebe dir mein Wort, daß ich seldst nicht
verstehe»
Otto ließ tsie nicht weiter sprechen.
Rasch·dortretend, so daß er ihr ae en
iiber neben dem Freiherrn stand, riefen
»Liebe Johanna, verzeitk inir die Un
tbelonnenheit, die dir diesen peinlichen
Austritt bereitet! Deine Abweisung
gestern ini Walde hatte mich toll und
wild gemacht —- ich toninte die Span
nung zwischen uns nicht länger ertra
en . . . .
Johanna, dte anfangs zu ihm auf
gesehen hatte, senkte »die Ansaen vor sei
nem glühenden Blick Ihre Pulse
schlugen, ihr derz zitterte.
»Ich weiß,« fuhr Otto fort, und se
länger er sprach, um so mehr redete er
sich selbst in eine gewiss rzesnsbewe
ung hinein, »ich weis-» da mein Genes
men dir oft zu Mißsdeutungen Anlaß
geben konnte — aber alle diese Schwan
bungen sind nur da rgekomsrnem daß
ich mich dir gegenii unsicher fühlte.
Verzeih (mir, nna, glaube wieder
an mich wie früher, vertraue mir wie
der . . .«
Der Freiherr sprang aus«
Redensarten und tein En«de!« rief
er. »Im Sache, Mensch, oder wenn
du’s nicht kannst, so laß Andere siir
dich reden..J-o’hanna, einein Kind,«
fuhr er abermals in brsiinstsigtem Tone
fort, »daß dir dieser Bursche nicht
gsleichgiltig ist, habe ich eben gesehen;
aber die Frage it —- .und ich sbitte dich,
gehe ernstlich mit dir zu Rath, ehe du
antwortest —- ist sdeine Neigung fiir ihn
start genug, seine Schwächen und
Thorheiten zu überwinden? und traust
du ihm zu, dich glücklich zu machen,
und euch Beiden, mit einander eine Ehe
führen zu können, wie sie von Gott ge
boten unsd unseres Geschlechtes swiirdig
ist? —- Kannst du zu dem Allen ja sa
-gen, liebes Kind, so gebe ich euch von
Grund des Herzens meinen Segen.« s
Während dieser Rede des Großva
ters war Otto dicht an Johanna her
angetreten und hatte ihre Hand gefaßt.
»Johanna,« slüsterte er, sich zu ihr
niederbeugen-d, als der Freiherr schwieg,
,.d-«.1 kannst nicht zweifeln, nicht zau
dern sei mein .du mußt!«
Jetzt trat auch der Freiherr heran,
und aus den thränenvollen Augen, die
Johanna zu ihm aufschlug, leuchtete
then eine solche Fülle von Glück unid
Liebe entgegen, daß er sie mit dem Aus
ruf: »Gott segne dich, mein liebes
Kindl« in seine Arme zog. »Gott
sen-ne euch Beide,« fuhr er fort, indem
er ihre unid Otto’s Rechte in einander
legte, und als Otto die zitternde Braut
umarmte, war ihr zu Muth, als ob erl
etwas längst Erstrebtes errungen hätte.
Siebzehntes CapiteL I
Johanna an Ludwig. I
Dömkinghaufm 22. August 1874.;
Obwohl dieser Brief erst in Wochen i
feine überfeeische Reise antreten lann,i
drängt es mich, dir vor allen awdereni
zu sagen, welche überraschende Wen- E
dung mein Leben genommen hat. Seit?
einigen Tagen bin ich Otto’s Braut.!
Großpapa hat nicht snur seinen Segen;
gegeben, er wirl auch nicht miide zuj
oerfichern, daß ihm durch unsere Ver-Z
lobung ein Lieblingswunsch in Erfül
lung gegangen ist, und wie viele Inn-i
ident"i)ränen die gute Tante Thella uns
zu Ehren geweint hat, lannft du dir
denken. —- Und du, lieber Ludwig, was
sagst du zu meiner Verlobung? —- Daß
»du jetzt schon damit zufrieden sein
wirft, erwarte ich taum, aber ich hoffe,
dich durch mein lünftiges Glück mit
dem gegenwärtigen zu versöhnen —- ich
hoffe sogar, daß das künftige größer
sein wird als das gegenwärtige·
»Ein sseltsamer Ausspruch tin-Mun
de einer jungen Braut! Jch glaube
nicht, daß er mir einem Andern gegen
über auf die Lippen gekommen wäre.
Aber ich bin so lange gewöhnt, im Ber
lehr mit dir mein innerstes Empfinden
und Denken zu zeigen, daß ich auch jeßt
nicht anders kann. Vieles wird ja
mir selbst klar, wenn ich mit dir darü
ber spreche. · .
»Auch diemal wieder! Gefühlt habe
ich vom ersten Moment an einen Man
l in cmeinem Glück, aber das Warum
sinde ich erst jett und weiß, daß Idu mir
wieder einmal übertriebene Ansprüche
vor-werfen wirft und ich bitte um mei
ner aufrichtigen Beichte willen um Ab
sol«ution.
»Sieh’, Ludwig, deine alte, thörichte
Johanna hatte sich das Brautwean
anders gedacht. Vorher hatte uns Bei
den, wie til-lich, »alle das Neigen von
Herzen zu herzur« Schmerzen die Fülle
gebracht; mir am meisten und beson
ders in der lehten it. Eifersucht,
Zweifel an ihm, - ·ßtrauen in mich
selbst, quälten mich täglich mehr-und
anstatt nun durch ein Liebeswort aus
seinem Munde von aller Pein- erlöst zu
Hwerden, fragte Großpapm ob ich Otto
;-liebe und ilyn heirathen volles Und
»dann gab es gleich so viel Amserliches
zu besprechen, es war, als ob es sich um
eine Heirath zwischen Fürsten oder
Bauern handelte. Großpapsa rechnete
Otto aus sdrr Stelle vor, wie viel sich,
als Exil-in seiner Tochter, zu beanspru
chen habe — ich eine Erbin! —- und wie
das Capital durch-Zins und Zinses
zins gewachsen sei; und nun toin im
merzwteder in Erwägung gezogen, swie
»mem Vermögen« am sbesten angelegt
werden tönntr. Einmal shat Otto die
unglückliche Aeußetung gethan, es
wäre ihm Alles recht, »wenn er mich nur
hätte, —- aber lda ist Großpapa sehr bö
se geworden, und seitdem läßt sich Otto
aus stundenlange Erörterungen- über
die Vorzüge und Mängel verschieden-er
Güter ein, die zu Fauser sind. Sehr
speinlich ist rnir dahei, daß Großpapa
immer wieder betont, Otto diirsse sich
nur als Verwalter meines Eigenthusms
betrachten, sich nie sdas Dispositions
recht darüber anmaßt-n. 1Daß scsich auch
Otto davon peinlich berührt fiishlt, ist
natürlich, und mein Herz empört sich
dagegen, daß solche Verstimtnung uns
die ersten schönen Tage des Brautstan
des triiben dürste.
Doch nicht all-ein Otto hat um un
serer Verlobung willen Peinliches zu
ertragen; auch ich habe —- abgesehen
davon, daß was ihn kränkt, mich ver
leßt — mehr als je unter der Nichtach
tung meines Vaters zu leiden. Um
seinen Namen nicht zu nennen, wurden
teine Verlobungsanzeigen gedruckt.
Dem hiesigen Betanntentreise ist das
Ereigniß idurch ein feierlich-s Diner
kund gethan; den auswärtigen Fami
liengliedern —- und Gott weiß, wie
groß die Liste der Vettern ist! — hat
Großpapa geschrieben. Da heißt es
denn: »Mein Enkel Otto hat sich mit
meiner Enkelin Johanna, der einzigen
Tochter meiner Agnes verlo-bt,« und
obwohl ich nicht weiß, was ich dagegen
thun könnte, vermag ich das Gefühl
einer Versiindigung gegen den Todten
nicht zu überwinden Daß in Otto’s
Augen der schöne Künstlername, den ich
trage, meine sbeste Mitgift ist, brauche
ich nicht erst zu sagen. Wenn es anders
wäre, hätte ich ihn nicht lieben können.
,,2lvgeteyen von Diesen —- gewisser
maßen doch nur äußerlich-en — Stör
ungen sind wir glücklich. Otto, der
schon vor einiger Zeit den Abschied ge
nommen hat, um zur Landtoirthichaft
zsutiickznkehrem vervollständiat seine
praktischen Studien in Frlauienburgi
Wir können uns also täglich sehen,
zuweilen schon Morgens, wer-n
Großvapa unseren Spazierritt so
einrichtet, daß wir mit Otto zusam
mentreffen, tin-d Abends immer. Dann
kommt Otto herüber Urio trotz Der
Dönningbäuser Etitette finden sich
wonnige Plaudeostunden zu Zioeien in
der Lindenallee, auf der Terrasfe, oder
wenn’s regnet, wie gestern, in einer
Fensterniiche des Wohnzimnrers, män
rend Großpapa und Tante Thetla Pi
quet spielen und Magelone sarn Flügel
sitzL Was da Alles saufiaucht aus
Herzenstiefen und Erinnerungsfernem
wie es uns drängt, was wir erlebt, ge
dacht, empfunden haben —- Alles, was
uns zu dem gemacht Eli-at, »was smir sindl
— mit der geliebten Seele anszutaws
schen, und rvie wir andächtig erfchauern i
vor idem Beicht-hum, den das Lebens
über uns ausströmt! — Nein, Ludwig,«
es ist frevelhaft, mehr zu begehren; es
ist nicht möglich, glücklicher zu werden,
als ich jetzt -bin!«
O
Ist sit
Ob Otto dasselbe gesagt shasben könn
te? Ausf Augenblicke vielleicht, asber
auch wur, und in allen Verhältnissen,
nur auf Augenblicke Er war so ganz
vom Eindruck sdes Moments abhängig,
daß es für ihn überhaupt nsur Stim
mungen, keine Zustände gab. Als er
Johanna zusm erstenmale als Brant in
die Arme schloß, war ihm »himsrnel
«hochjauchzend'« zu Muth, wie nie zu
vor, aber gleich darauf, als er Mage
lonens freundlich-kühlen Glückwunsch
empfing, und später, so oft er ihre nn
ergrünblichen Augen auf sich gerichtet
fühlte, kamen Unbehagen 4und Zweifel
über ihn. Er hätte wieder frei sein,
sich frei machen mögen —- bis ihn eine
Stunde des Alleinseinss mit Johanna
aan Neue ihr zu eigen gab. Die Liebe
ldieses starken, reichen Gerge-us hob ibn
iiber sich selbst binauö; dann glaubte
er an die eigene Empfindung uwd ließ
sich, so slange keins neuer Anstoß seine
Richtung änderte, srolybogniigt von
der Strömung tragen unjd treiben, der
sich Johanna überließ. Hatten sie lbald
geheirsatshet, so daß sie sich eine Zeit
lang ganz aus einander angewiesen ge
sehen, so wär-e vielleicht Jahansnckss
Einfluß Sieger geblieben. Aber Otto
sollte sein landwirthschaftliches Lehr
jahr in Klasnsenburg abmachen, Jo
hanna in Dönningsljausen die Kennt
nisse erwerben, deren die tüntftige
Gutssherrin bedurfte-uan Magelone
war sda und langweilte sich! —
Jm ersten Moment hatte sie Otto’s,
Verlobung erschreckt, wie ein Blitzstrahl «
aus heitevem Himmel. Der Gedanke,
daß vielleicht ihr Einfall Johanna vor- i
zuschieben, zu dieser Wenldung der Din-!
ge Anlaß gegeben, war ihr unerträg-!
lich. Bald aber fand sie, daß sich Otto!
iiberraschend leicht in »die Komödies
schicke, und endlich kam sie ausden Ver- I
dacht, daß er vielleicht mit ihr Kanns-s
die gespielt. Darüber wollte sie Klar-i
heit haben, und wenn es war, sollte er
es -biißen.
Unsgeduldig suchte sie Gelegenheit,
Otto allein zu sprechen, was er dage
gen zu vermeiden schien. Eines Abends
aber kam sie gerade «-die Freitreppe her
-unter, als er in den Hof sprengte, sagte«
ihm, daß die Anderen ism Garten wä
ren und ging mit ihm, sie aufz«usuchen.
Ein-e Weile gingen sie schweigend ne
ben ein-ander hin; endlich fragte sie in
leisem Ton, ohne asufzusehsen
»Hast du mir vergeben ?«
,,Ver.gesben?« wiederholte er ver
wundert. »Was meinst du »damit?«
»Die B-tll«etgesch«ichte — was denn
sonst?« siel sie ihm in’s Wort, und ihns
mit blitzen-den Augen ansehen-d, fragte;
sie: ,-Soll das großmüthig sein, daßs
du thust, als Ihätt-est du sie vergessen?«
Dann fiel sie in sden ern-sten, traurig
sanften Ton zurück. »Ja, es sist groß
mütkyig!« sagte sie. »Ich bin schulkd an
dieser Verlobung . . am Unglück deinesI
Lebe-us dielleicht.«««· » , , « i
»Du sirrst —- ich bin nicht unglück
1-ich!« antwortete er sund seine Miene
Verrieth eine leichte Verlegenheit, die
Magelone nicht entging. »Sie sbliest
stehen, legte dise Hand aus seinen Arm
und blickte ihm voll in’s Gesicht.
»Daß dich ’rnal darauf ansehen,«
sagte sie, »gliicklicher Bräutigam wider»
Willen! — Wenn Du wüßtest, wie to-»
misch du bist!«
Sie lachte; es war sdas alte, über
niiithige Kinder-lachen; aber im näch-s
sten Moment zuckten ihre Lippen, ihres
Augen umflorten sich, und, sich hastig
von ihm ab«wenden«d, schlug sie die Hän
de vor’s Gesicht und brach in Thränen.
aus.
»Magelonse, was ist dsir?« rief Otto
Hund versuchte ihr die Hände voim Ge
sicht zu ziehen. Doch mit einem kaum
lhörbarern »Daß mich! laß mich!«
smachte sie sich von ihm los un eilte den
Weg zurück, den sie gekommen war.
i Otto war .auf’s Höchste überrascht
sEr hatte ihr doch wohl Unrecht gethan,
Tals er sie keiner tieferen Neigung sähig
gehalten Die Berechnung, die er ihr
zum Vorwurf gemacht, swar ihr durch
die Verhältnisse asussgezwungm Nun
lhatte, trotz aller anerzogenen F-iigsam
leit, das thörichte Her-z seine »Rechte be
hauptet! —- IArime Mag.elone!
Als Otto see im Familienkreise wie
dersah, war sie scheinbar tiihl unsd hei
ter wie bisher und blieb auch so; aber
ihn konnte sie nicht imehr täuschen.
sEr wußte jetzt, was unter der Hülle
ver-bot en lag, bemerkte und deutete
jeden slgalben Seufzer, jedes zerstreute
Lächeln, jedes flüchtige in Gedanken
Vevsinken, aus dem sie sich erschreckt em
porzurafsen pflegte, und der beinah-e
unfreundlich-e Blick, mit dem sie ihn
dann streifte, war ihm ebenso verständ
lich, wie ihr sichtliches Bemühen, ihm
auszuweichen.
Anfangs war er ihr dankbar vsdasiirJ
was hätte er ihr nach der Gartenscenei
sagen sollen? Nach und nach aber wur
de ihm ihre Zurückhaltsung unbequem.
Der neckische Verkehr lmit ihr war das
nothwendige Gegengewicht zu der Härte
und Herbheit des Großvaters und so
gar, obwohl er sich das nicht ein-gestand,
zu Johanncks Ernst. Eine Zeitlang
war es ishsm interessant gewesen, ihren
Gedankenwesgen zu folgen, um so mehr,
da er mühelos Schritt hielt, sobald er
wollte, und von ihr gesiiihrt, gleichsam
Entdeckungen in sich sselsber machte, sdie
sein-er Eitelkeit schmeichelten. Asber
ldann wurde er des sErnistes müde. Er
muß-te doch inrmer erst wollen, sich zu
tsamsmen nehmen, swährensd Johanna
einfach in der gewohnten Richtung wei
ter ging, und ban sing er an, sich nach
jenem geistigen- Ausruhen zu sehnen,
das er sonst sism Verkehr mit Frauen ge
sucht und gesunde-n hatte.
Aber wo fand er es jetzt? Mage
lone entzog sich ihm, lund Elfriede
Klausenburig schien vergessen zu !haben,
ldaß er existirte. Ueberhaupt war seine
ganz-e sStellsunsg zur Gesellschaft eine
andere geworden. »So lange die Er
widerungsfeten auf kdas Dönninghäw
ser Verlobungsdiner stattfanden, hatte
er das nicht sbemertt, aber nachdem die
Toaste aus das stautpaar verklungen
waren, fand er »sich plötzlich in zweiter,
dritter Reihe, wenn nicht gänzlich über
sehen, und nicht nur, wie das jeder
Bräutigam erfährt —- von specuslati
ven sMsüttern und Töchtern, die Ber
nsachlässigung war eine allgemeine. Daß
seine Wahl auf solch-en Widerstand sto
ßen würde, hatte er nicht erwartet.
Und es sollt-e der Gesellschaft noch
mehr Grund zur Mißbilligusnig gege
ben werden. sEines Tages bat die alte
Gräfin Klausenburig, Otto möge die
Zeitung, die er sfliichtig durchzusehen
pflegte, heute lieber nicht lesen. Na
türlich widmete er derselben nur desto
größere Aufmerksamkeit und fand die
Notiz, zdaß sich Johann-as Stiefmutter
mit dem »deriihmsten Kunstreiter und
Cireusdirektor Carlo Batti sverheira- «
then würde. Gliihend vor Aufregung,
ritt er nach Dönninghausen kund faan
Johanna allein in der Veranda.
»Hast du gelesen, wsas in der Zei
tung steht?« fragte er, nachdem er ssie
kaum begrüßt hatte. ,,,"Das ist sicher
wieder seine der schändslichen Lügen . . .«
»Nein, es ist w-ahr,« fiel Johanna
sein, ,,-Helene hat es mir selbst geschrie
sben . . . ihr IBrief kam zugleich mit der
Zeitung.«
,,«Also wirklich!« rief Otto. »Nun,
Eder Verwandtschaft ihsast du dich gerade
nicht zu rühmen . . . übrigens, was
geht’s sdich an!« fügte er wie zum Trost
hinzu, als er Johanna die Farbe wech
seln sah.
Erschreckt blickte sie zu ikym auf. So
äußerlich nahm er, was sie in tiefster
Seele verwundet hatte.
»Ach, Otto!« sagte sie, »ich kann es
nicht fassen, daß diese Frau, die mein
Vater angebetet hat, ihn so schnell zu
vergessen vermag«
Otto zuckte ungeduldig die Achseln.
Es ärgerte ihn, daß Johanna iiiber
solch-e Sentimentalitäten die realen
Folgen Ldieser unxglücklichsen Heirath,
das heißt den Rückschlag auf ihre ei
gen-e Stellung in der Gesellschaft, au
ßer Acht ließ. Jn diesem Augenblick
kam Magelone. .
»Wie seht Jhr denn aus?« fragte
sie, von »Einem zum Anderen blicken-d,
»Habt the etwas auszumachen? wollt
Jhr allein sein?«
»Nein, blei-b’ n«ur!« antwortete Ot
to. »Was wir zu besprechen !haben,
weiß die ganze Welt . . .«
»Ach so, die Zeitunsgsgeschichte!«
fiel Magelone ein. ,,D-arum sdiese Wet
teriwolken?—— Wie kann man so schwer
fällig sein!«
»Du hast gut reden,« sagt-e Otto.
,,-Ersahre nur erst an dir selbst, wie es
thut, wenn die lieben Freunde die Na
sen rümspsen.«
,,Dazu dürft thr es gar nicht kom
men lassen!« ries Magelonr. »Frei
lich, wenn Jhr wie »die beregneten Hätts
ner daherschreitet . .Kops in die Höhe
und Jeden fest angesehen, sdann rührt
keiner an die satale Geschichte —- unrd
wäre doch Jemand so taltlos, so leug
net Jhr frischweg.«
»Das können wir n«icht!« sagte Jo
.hanna, »die Nachricht ist wahr-«
- Magelone lachte hell auf.
»Das klingt ja, als ob du eben ein
gesegnet wärest,« antwortete »sie. ,,Wah«r
oder unwahr, bleibt sich gleich —- leug
nen müßt Ihr . . .«Du kannst Otto doch
nicht in die Lage bringen, als Stief
schwiegerssobn eines lKunstreitsers zu
gelten?. . . . Und uns Alle ..... u nser
Stiefonlel oder Stiesvetter Carlo
IBatri — esistzu lächerlich!« Mit die