Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, July 24, 1896, Sonntags-Blatt., Image 11

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Zio fo MEMPMUKNMDLYMS
In einem Pier-sie jedoch vermochte es
W In gehorchen Beim beste-n Willen
gelinngte es nicht dazu, eine gute Ge
sichtswa sdie Fett-beides urn Jokanni
reisenden Apfels, eine Farbe, wie sie
ldie Miit-tu ergötzt, zu haben. Unter
seiner glatten, in Folg-e svon Chlorgtsiö
durchsicht·k.gen, seinigen Haut schauten
M Avoerchen ihn-von uan zwischen
chinein zeigten isich-Stellen, lnie den leich
ten Stich in’s Gelde des Massmors
theilen. Seine Dunkelbbanen Augen wa
ren kieslisgenkn ssein Gesichtsauspruck
war ruhig, tesignitt, sein Mündchen
glich einer entfärbten bereits verwest
ten Rose. Sei es »durch die ängstliche
Bild-Many vor ivom keifeften Hauch von
Kälte, sei es eins-ach cdurch die Ver
schlechterwnsg des Blutes-, war die Klei
ne sso erfroren, Spaß sie bei der stärksten
Sommerlhifze weiße Wollfachen trug,
wobei idie gleichfalls wollenen weißen
Mschuthe um Genufchen nicht fehl
ten. Wenn man sie so ganz weiß,
fchiarsk, sin steifer haltnng. langsam,
ernst idckherlommen sch, wichen die fri
schen, lwurrigen Vorfall-singen wie sie»
sonst die Kindheit einflöszt, ganz an-(
der-n tdibftem von Kloster usnsv Maus-)
lett-nd Man währte nicht, daß vie El-;
tern nicht bemerkten, das Kind sei eines;
svon jenen «Lä-mpchen, nie ein Lust-!
chanch auslöfcht. So auffällig wars
ihnen dies, Paß sie »denn-us hin ng fli:
ng irr-mer mehr sdie Spalten ver
stopftem durch die ein schädliches Lüst
chen einzudringen ver-möchte. Nachdem
«er so das hans verpanzettm aus-vat
tirten, fütterte-n, wünde »der leise Athem
ides Tcides keinen Eingang finden
Korn-m Watte-, komm Wolle, komm
Climwid hüten wir nnlser Lin-Ideen
hüten Mr es Oor jeder Berührung mit
der Aufzenweltt Ach könnt« es Doch viel
Mutter in ihren Lein zurückversetzenl
Jalwäre es nur thunlich, es imiter einell
Lufpnmpe zu stecken oder in »dem Ofen(
Fu bengstn isn welchem Die jungen Hülpl
wer ausgebriitrt werden. .
Tuch das Just-: hindurch, diei
fchscoern Vorhänge halb öffnend, sechs
die Kleine zuweilen zerlurnpte, ausge
hsskne sei-wer aus ver Gasse specu
Frisch, lachend, liikmenb, Leben ver
breitenkn fielen sich loie Kleinen mit ei
nem aus Weidenruthen gefertigten
Stier-kon an, oder ssie balgken sich gre
tcrdszu oder bewirker sich mit Stein
chen. Bei dem Landbau-se das den
Strom beherrsfchte, wiederum Gassen
jnnlgen —- «die Stils-ne Ader Fischer —
kanim bekleidet, sonmerbrannL die wie
Fische, geschmeioig und beben-V, in
Schwönmen wie »diese lbctdetem Stun
den lang ssch in dem grünliche-r Waf
fen aufhielten in dokn sie wie Del
phine unter-tauchten
Der arztltchen Verovonung entfpr·e-f
chend, badete auch unsere Märtyrerin
Man hatte hierzu ein sbequontes Lasts
häuöchen zurecht gemacht; dort flei
dete man sie aus mio übergab fie, mit
tausend Umhiillen verwahrt, den Hän
lden des Beldomeisters, der sie fiir einen
Augenblick sin Die See begrub, unsd sie
allsogleich bemeson sobald sie sden
Eindruck tdes Wassers empfangen
hatte. Und dieser Eindruck mußte wohl
ein Lfutchtltarer gewesen sein. Das Blut
drang wenn armen Geschöpfchen zum
her-seen Zitternd Mo mit erweiterten
Papillen betrachtete es jene erschrecken
fve sllmserttjlichltetit, jene-n Abgund von
grünem, den«-senden Gen-äffen ’oie
Schaut-er errogensve, sich fortrollenlde,
hohle Welle, die sich über ihm schloß,
nls ob sie es sverschlntgen wollte. U:tI
ldie Zähne der Kleinen tlappertem und
see dachte: »Ich fürchte mich.« Doch
tein Schrei, kein Sen-her verrievh das.
Das Gelübde des Schweige-as brach sie
auch dann noch nicht. Nur daß nach
-her, wenn sie vom Fenster aus all vie
nnuthswilligen Gassentirsver mit den
fchrecklichen Wellen fo vertraut uinld wief
Mövesn mit ihnen spielen sach, die klei
ne Märtyrerin dachte: Wie müssen vie
sfe Kinder es cnsur anstellen, um so ta
pfer Fu sein. .
Inzwischen näherteksich der Tod«
Ider hohle Schädel mit dem düstern
Lachen, der here-schriftlichen wohlver
fchlossenen Bedauswng Gewiß, er
fand keine Pforte, durchi) die er ein
treten, keine Spalte, durch die er hi
neneschlitpfesn konnte. Er mußte, sich
ganz platt drücken-v, unter eine-m Dach
ziegel in ein Dachstübchm ein-steigen,
von dasdurch das Schlüsselloch sich asuf
die Stiege begeben und von der Stiege
aus unter den Ueber icher des Arztes
schütpr der ganz ngslos in »das
dont trot, während er den Vertilger
hinter dem Streichholzschächtelchen
txn der Rocktufche bang.
Jn Folge kder vielen Wiserigsteistem
denen er begegnet tote-r, um unvermertt
tn das baut der Kleinen zu gelangen,
twar der Tod etwas verzagt und trat
nicht mitt entschlossen-m Stoß, sondern
mit heuchlerlscher Milde hervor und
ging zögernd on’s Wert, sein Opfer zu
I sJ
fasten M iZen two-u vkk Tod »he
:Wtfte, Muth izu fassen, nvar fiir »die
jlleine Ouiiverin seine Ilicmge Fiel-ten
Widrcge Medica«mente, ekelerregende
Gebväue, Unlschliiige, Aeymitteh die
Wunden wegziiibresnnem welche das
Eler ihres Orzmiismxus in ihrer
Kehle öffnete, all wies wuiioe arge
-.vsanbt, ohne baß das Opfer das Ge
lübde des Schweigen-Z brach, sunv ohne
daß feine Honler mf Ivie sinkt-ne Bittel
feiner gläsernen starr Blickean An-l
gen achteten . . . eben weil diese Scharf- l
richtet es zu sehr Vergötterten, wrn isij
auch nur ein Detail derTovesstrcrfe zu
erlassen. Nur im letzte-n Augenblicke
als sman Der Avnven noch einen Löffel
voll von einem übelfclyneclendan plut
nsaceutischen Gerüchte reichte, seufzte
sie. richtete sich im Bette auf, schüttelte
drei Mal verneinen-d das Könfchen und
flüsterte, Oder halb wahnsinnig-en Mut
ter um den Hals fallend, an sderen Ge
sicht das ihve sichmisegmsm ganz leise:
»Mir-mu, iffsfne das Fenster.«
Es war ohne Zweifel die Beile-rn
nvunig des letzten .Wft"k,omaanfalls, ver
Jsich ein-stellte »Er währte kurz. Urt)
Jdlie kleine Dirlverin blieb sanft, weiß,
?bliutlos, doch mit ein-ern Ausdrucke von
Hasen-gedrängter Bitterkeit, gleich Ei
fnenn, der ans dem Leiden scheidet und
settvas zu vollbringen, zu ·sasgen, zu
Tempfinden unstet-läßt, etwas, das viel
ileicht sgerddqzu die Essensz Des Lebens
mec
H Aus dem mit Atlas aussspaffirth
Sarg-e, »unter dem weiße-n Fliehen Der
sie in vornehmen Wohlgerxich einbüllte
schrieen die armen sterblichen Reste
nach Gerechtigkeit führten Lsie Kåage
über einen langsamen Meuchelmoird.
Da es Frühling und die Nacht mit-De
war, öffneten die bei der Kleinen Wa
chsenlden Das Fenster, Den Wachs-— nn-:
Leichewgeruch zu verfcheuchen Als ver
wählt-listige Hauch ider frischen Luft
eindn1.nsg, ’fcl:ien das sabgezelirte Ge
»tsichtchen einen fan-«:en Ausdruck oon
Ruhe zu erlangen. —
j Vielleicht wollte die Kleine nicht,
ohne Luft geschöpft zu halben, aus der
Haft ihrer Behaiufung in Die des Gras
ibes gelungen
Kirschblütljen
Von N. Falck.
Der Schnee lag aus allen Bäumen.
Der Blüthenschner. Und in die schin
memden Zweige griff eine schmale
glädchmhand und brach ein dustiges
eis.
»Das gebe ich ibrn!«
Und das Vlütdenästchen wurde mit
der schmalen Hand an einen kleinen,
rothen Mund gedrückt. Das schlanke
-Miidchsen rückte das weiße Matrosen
hütchen aus ihrem dunkelbraunen Kopfe
zurecht, steckte die Nabel, die es an das
volle Haar heftete, ein wenig fester, und
das croniefarbigelileid ein wenig schür
zend, daß die schmalen Fäßchen, die
in Lackfchuben stocken, sichtbar wurden,
eilte sie rasch durch die Kirschenallee, die .
im Glanze der Vormittagssonne grell;
weiß leuchtete. l»
Sie sah sich öfter um. Vielleicht er-!
spähte sie ihn irgendwo. Denn sie mußtel
ihn nochmals sprechen, ehe er zu ihrem!
Vater ging um dessen letzte Entschei
dung. t
Der harte Vater! Er hatte ihn
rundtveg abgewiesen, beinahe barsch.
Und Arthur war reich, ein liebenswür
digen tschöner Mann. Zu kurzem
Feriesbesuche war er aus der Residenz
getommem seinen unbekannten Ver-—
wandten sich vorzustellen Der Ontel
war sehr erfreut, den Sohn seiner Cou
sine kenne. zu lernen, wenngleich Ar
thur durch eine geivifse Kälte, die der
stattliche, graut-artige Herr mit Miibe
verbergen wollte, ein wenig unange
nehm berührt wurde. Er hatte der
wansdtschastliche Wärme und Entge
genkommt-n erwartet, odzrvar im El
ternljause über diese Verwandten nie
mals gesprochen wurde. Es war nur
so ein plötzliche Einfall gewesen, die
schönen Junitage zu einem Ausflnge in
das kleine Prodinznestchen zu benützem
in dem Onkel Eduard als wohlhaben
der Oetonmn unsd Steinbruchbesitzeri
lebte. Der stattliche Fünsziger mitt
dem sleicht ergraut-en Barte that aberl
gar nicht sonderlich überrascht undj
freundlich, und Artlyun dessen Feinge
sülyl verletzt war, wäre auch sogleich
wieder abgereist, hätte ihn nicht jene
süße Kraft zurückgehalten die aus dem
Wesen eines achtzehnjäslyrlisgenMädchens
berücker ·dustet.
Lucie hillt iltn zurück. Ein junges
MädchM, das in der Provinz erwach
en ist, wird vom Aeußeren eines Groß
äsdtiers sbestochen und verwirrt. Sie
sieht und fühlt in ihm die größere, lau
tere Welt, von der sie aus Büchern hört
und von der ein heller Wiederschein asus
den Spalten der Zeitungen, die jeden
Morgen smit dem Postsieinpel Berlin
aus dem Tische liegen, »die jungen Au
gen verwirrt. Sie sah zu Artlyur aus,
l— —
sie schmiegte sich innerlich an ibn misd er
verliebte ich in ihre Fragen, in chr lu
stiges, naives sit-nd doch kluges Wesen.
Fchäon nach drei Tagen geschah der erste
Unter winskendery dusteinden Kirsch
blutben.
»Willst Du mein Weibchen werde-n,
Lucie? Mein tleinseT berziges Weib
chen?« —
— »Wenn Du mich magst — —?«
Aber der Onkel hatte ihn abgewie
sen. Die Verliebte-n waren bestürzt
Was hatte der Vater? Und er war der
Mann, der immer gut überlegte, ehe er
ein Nein sagte, und nie ein solches zu
rückte-abm. Aber Arthur wollte ihn
nochmals sprechen Und wie er die stei
nerne Treppe zur Van hin-ausstieg,
huschte eine schlante, lichte Gestalt ne
ben ihm empor. Wie ein Dust.
»Lucie!«
»Du gehst zum Vater? —«
»Ich wer-de Alles ausbieten..
»Nimm diese Blüthen!«
Er natan idas Kirschblüttbenreis
küßte es und trat in das Haus. Mit
schlsagsendem Herz-en eilte Lucie in den
Garten.
Wen-n der Vater nochmals Nein
sagte? Sie zerzupste in allerliebstem
Zorn ein grünes Blatt. «
— »Ei da, mein lieber Arthur!«
»Guten Morgen, Ontel!«
Der alte Herr legte die Zeitung bei
Seite (
»Du kommst Dich doch nicht schon
ver«abschieden?« fragte er, seine s-bre-n
nende Cincharre m eine Meerschaumspitze
steck-end (
»Beinatse, lieber Onkel! Aber ich
sann nich-i eher von hier, als bis ich
Dein letztes Wort über Lucie gehört
ha·be.«
Der alte Mann runzelte sei-ne hohe
Stirn. Seine großen, sbiarten Augen
blitzten unimiuthig Unter den buschigrsn
Augenbrauen
»Du hast mein letztes Wort,« sagte er.
ruhig.
»Aber Deine Gründe, Onkel! Diese!
möchte ich doch wenigstens kennen «
Der Alte lächelte.
»Kann Dir das ein Trost sein?«
»Der junge Mann zerrte nervös an
seinem schwarzen Schnur-wart i
i»Ich will wissen, was Du gegen michs
hast!«
Der Alte mussterte ihn vom Kopf bis-»
Fuß Jn seinem Blick lag etwas, als
ob iibm der junge Werber gar nicht
wiss-alle asber auch etwas wie Schaden-F
freude war darin. I
»Was tust Du Denn da für Blü-: »
then?« s
»Sie sind ein Geschenk-« »
Der Aue sah jin-n schuf in Die Au- (
gen. i
»Von mem?«
»Von —- Lucie.«
«
»So- —
Er lehnte sich zurück nnd blätierte ins
der Zeitung, dann warf er sie auf desnl
Tisch und stand aus. Einige Male ging!
er aus und ab, sah zum Fenster hinausi
in das junge Grün der wogt-enden
Baumkronen, dann wandte er sich zul
Arthsur und sah ihn lange an, als wolle
er etwas sagen und finde nicht recht den
Anfang.
»Du hast mir etwas zu sagen, On
te1.«
Der alte Alt-Inn lächelte und setzte
sich nieder.
,,Setze Dich hier neben mich, lieber
Junge· Hier hast Du Cigarren, rauche
und lache mich aus, wenn es Dir Spaß
macht. Zieh’, ich war so alt, wie Du,
oder so jung vielmehr, und liebte ein
Mädchen. Recht herzlich. Man liebte
damals viel inniger als heute. Jhr
tröstet Euch viel schneller. Und sie gsab
vor, für mich zu empfinden. Es ge
nügt schon stürmischen Temperamen
ten, wenn man sich von ihnen lieben
läßt, ein erwiederter Kuß, ein liebes
Zeichen von Neigung tann arg beraus
schen. Jch gab Stellung und Carriere
aus, um sie bald mein nennen zu tön
n—en. Es war ini Juni. Ein Tag wie
heute. Wir kam-en von einem Ulugiluge
heim und gingen durch eine Kirschen
anla—ge. Es war eine leichte Vernim
mung zwischen uns eingetreten, denn sie
hatte sich vorhin mit einem jungen As
sessor besser unterhalten, als mir lieb
war. Er war allerdings gegen mich
ein Adonis sund hatte die zärtlichen
Manieren, die unbedingt nothwendig
sind, wenn Einen das weibliche ·Ge
schlecht »nett« siiniden soll. Wir gingen
ein Weilchen nebeneinander, ohne ein
Wort zu wechseln. Aber mich drängte
es, mit ihr zu sprechen. »Es giebt Mo
mente, in denen man einem Charakter
tiefer ans den« Grund blickt; Schwei
gen ist sin solchen Moment-en schädlich,
denn eine Aussprache giebt die Rich
tung an, die Ein-en entweder näher zu
der Person silhrt oder aus immer von
ihsr scheidet. Um einen Antniipifsusngss
punckt zu haben, riß ich ein-en kleinen
Zweig voll Mrschblüthsn ab· Mit th
rem unwiderstehlichen Lächeln streckte
sie ihre band darnach aus und ich gab
r
ihr das Blütheniistchem An demselben
Abend saß ich in meinem ·Sta«m-nv-Cafe
und las. Es war sehr warm und nur
wenige Gäste da. Eben wollte ich fort,
sals mehrere Gerichtsbeamte eintraten,
unster ihnen auch der Assessor. Er zwar
sehr lusstig und gesprächig unid hielt ein
Aestchen mit Kirschblüthen in der
Hand. Ein Kirschblüthenästchen ist
dem andere-n mindestens so ähnlich, wie
das sprüchswörtliche ein-e Ei dem and-e
ren, aber ich erkannte sofort die Blüthen
als die meinen. Jch sbin eine jähe Natur
und mußte mich sehr bezähmen. Riishiig
fragte ich den :Assessor, woher er die
Blüthen habe. Er gasb ein-e ironische
Antwort nnd ich konnte meine Wut-h
nsicht mehr zurückhalten Es gab einen
Standal, dessen Abschluß ein Duell
war. »Er erlitt eine leichte Verwun
dung ich msuszte außer Land.«
Der sAlte schwieg und stand auf.
»Und das Mädchen ?« fragte Arthur.
»Er heirathete »sie. Und weißt Du,
wer sie heute ist? — —«
; Mit scharfem, stechendem Blicke sah
ihn der Alte an.
»Und weißt Du, wer sie is —- —?«
wiederholte er — — ,,D e i n e M ni
te r.'«
Der jun-ge Mann zuckte zusammen.
»Meine Mutter?! —- Und der As
sor etwa —- ——«
»Dein Vater....«
Die Beiden sahen einander starr in
die Augen. Der Alte mit verschränk
iten Armen, in den Blicken das Leuchten
»eines Triumphes.
«.Kennst Du nun meine Gründe?«
Der junge Mann stand betroffen,
erstaunt und verwirrt da· Darum al
so war sim Elternhiause noch nie ein
Wort über diese Verwandten gespro
chen worden?
Der alte Mann lächelte über die Ver
wirrung seines Neffen, dann öffnete er
ein kleines Lädchen seines Sehr-Eihü
sches und entnahm diesem eine lederne
Tasche. Aus dieser nahm er ein kleines
Notizbuch, in welchem sorgfältig ge
preßte, vergilbte Blüthen lagen-.
»Hier hast Du die Blumen, die ich
einst Deiner Mutter gab-«
Den jungen Mann beschlich ein ei
genthümliches Gefühl, als er dsie
Kirschblüthen sah, die seine Mutter als
Mädchen am Busen getragen hatte.
Er ergriff die harte Hand des On
leis.
»Willst Du mich büßen lassen für
meine Mutter?«
Aus des Alten Aug-en fuhr ein wil
der Blitz.
»Ich will jetzt versagen, wie sie der
sagt hat.«
»Und das könnte Dir eine Genug
thuung sein? — «
» »Es wird sie schmerzen —- und das
wird smir wwhltlyun.«
« Damit wandte er sich ab.
Auf dem Tische lage-n die trocknen,
alten Blüthen dürr, bei jedem Rucke
drohend, in Staub zu zerfallen. Unsd
neben diesen das frische, dufitende Blü
th«enkeis, schimmernd in glänzendem
Weiß und saftigem Blatt-ergrün.
»Sieh’, Onkel, wie der Zufall da
zwei Symbole neben einander legte,«
sagte der junge Mann, den Onkel sanft
den Blüthen zuwendend ,,-3ieb’, das
Reis, welt und zerfallend, das ist Dei
ne alte Liebe unid Dein verjäsbrter Haß.
Und neben diesem die frischen Blüthen,
das ist meinse Liebe. Sollen diesewelten
uned zerfallen, weil jene welkten s Könn
te das ändern, wag lange schon ge
schehen ist«-»- —— «
iDer Alte wich dem Blicke des Nef
fen aus. Er machte sich los- und wan
derte auf und ab, dann blieb er lä:
chelnd vor desnt jungen Manne steh-en
unsd leg-te sei-ne Hand auf dessen Schul
ter. So sallzen sie einander lange in
die Augen.
,,Wo ist Lucie? —«
»Im Garten."
»Wartet sie auf Dich?«
Der junge Mann lächelte
»Nun —- laß sie doch nicht so lange
warten.«
,,Ontel!!«
»Nun geh’, Du —- guter Narr!«
Artlyur erfaßte seine Hände.
.,EKoIrn-ntst sDu mit?«
»Nein, nein, geIl)’ nur allein, Jbr
skötrnt ja keine Zeugen brauchen. Und
ich muß ja doch die neue Botschaft ver
künden-« -
»Bei-künden? —- WemP —
,,«Laß niur —- taß —«
Der alte Mann ward roth.
Er mochte sich Jst-ehren wie er wollte,
er wartd umarm nd getüß-.t Dann
griff der junge Mann nach dem Hute
und idem Blütsbenreis.
»Galt, mein «Sohn,« wehrte lächelnd
der Alte, »die Blitthen läßt Du hübsch
mir!«
.Un-d als Arthur draußen war, da
führte er die lichten Blüthen » zum
Munde und küßte sie. Draußen aber,
sim wogenden Grün des Gartens, hielt
sich »die Jugend küssen-d umschlungen
untd auf die braunen Köpfe schneiten
die Flocken der duftenden Kirschblü
then wieder.
Zum Tode gejagt.
Aus Paris wirto geschrieben-: Die
stille susnlo überaus resikzento gelegene De
partementsstasot sBlois, unweit Paris,
ist der Schau-plus leines Sesastiosnsprw
zesses, Idser mehrere iGerichstssitzungeni in
Anspruch nehmen idürfite Es handelt
sich um einen jugendlichen, kaum 23
jährigen Verbrechen der zwei alte
Leute, ein-e Frau unxo einein Mwnm er
mortoet hat, wofür ser wohl zweifellos
zsusm Tod-e verurtheilt werden« Mitv.
Sein Verbrechen ist e’in t-o"dt!:viir!diiiges,
doch ssinlo Demselben Umstände voran
gegangen, die Iden- Angeklang ver
zsurn Bösen übrigens Everanllagt war,
ztu seine-m -venzwecife«lten Entschlusse
noch besonloers sgetrielben shasben könn
ten.
Bartheleimy Meinst-e, so lheißt 'dser
Mörder, wasr von« Hin-US asus ein sarigier
Gesell. Er ist in Betrug-e, Departe
menst Maine et «Loir.e, geboren-, taugte
weloer im lder Schule noch bei einem
Spezereithäntdler svsiel, Izu idem er in- wie
Lehre gegeben iwurioe Später zusm
Militär aus-gehoben, zeigte er sich eben
falls unifolgsam so idaß er schließlich
zu einer Strascollonie wach Tun-is ver
setzt »wunde, von wo er Idesertirte. Er
wanioerte nuch Constantine tumld sdorst
gelang es ihm, auts einem Segelschiss
als NotshrnsastrsoseUeber-fahrt nach Moor
sesille zcu erlan-gien. Jlm Mluttierlande
angekommen, zalhlte ihm ider Kaipitän
noch so viel aus« daß er sich ein Eise-n
bthsnibillet nach Tours lösen konnte, wo
er rvon Verwandten unterstützt zu wer
den th-o«fifte.
Da bei dem Ziege, der Meinise in Die
Heimat-h besförtoetrn sollte, tdie ldritte
Klasse siibertsiülltt mar, warne er· in ein
Klupee zweiter tMasse gewiesen, wo
selbst sich außer ihm nur ein einzeln-er
Reissiesnioer bestand Dieser-mochte kurz
dorther Von eine-m ans leimen Jwgeniewr
mächrenb ider Fahr-i sverülbten Attesntait
geleisen haben, thintn er ließ den seid-r
herabgekommen aussehenden Burschen
nicht asus lden Auge-n untd machte in ei
ner Zwischseinistatsion den Beamten auf
ishsni ausmeotisam. Der Statiosnschef
fragte Meinst-e nach sein-en Papier-vom
Der jun-ge Mann erschrak, sda er sich
als sDeiserteIur »der-folgt "lvä)hnte, unb
statt eine Antwort zu -ertl)eiben,
sprang er aus dem Wagen und über
die Einfriedigsung dies Bonnhof-es und
lief ins Feld.
Mernre ivasgsckdundsirte seit-dem nun-«
gern-d unsd frierendtdsurchs Lsanln Jn
Vieron lwuwe er ivsotr ein-ern Germar
nvenattgelyailtem idem er aber ebenfalls
aus-riß. So langte er, wie ein geh-W
tes Wilh-, am 30. Jana-are sbei einsam im
der Nähe von Noyes gelegenen Mein
hos an igetgesrr 5 Uhr Nachmittags, als
es beretits sitntster war Meinie hatte
schotn seit mehreren Tag-en nichts ge
gessen. Um ein Stück sBrod ziu erbet
teln, Iwollte er den Meierbof betreten,
als er eine salte Magd bemerkte, sdie
vom Vorplatze tden Schnee «weg-krtbvte.
Plötzlich latm itlim sdser Gedanke, einen
Diebstahl oder Raub zu begeben, um
sein-er Ltasge srnit ein-eint Male lauszitliseb
sen. Zitterntd vor Kälte luntd Hunger,
hatte er nlicht sdtie Kraft idem Gewan
ten gleich Die Dhat folgen zu lasse-n,
sondern setztse Iseine Wanderung fort
bis in ein nahes Gehölz. swo er aus ei
nigen abgestorbenen Zweigen, smit
Züntdhölzersn, ldie er noch beii sich lhsaitt1e,
ein Feuer ein-machte unsd seine erst-arr
ten Glieder i:viiv.nte. Zwei Stirn-dein
später pochte er an der Innre des
Meierhoses, Der eisstixn gewissen Co
nette gcihörte
Dieselbe Magd öffnete ihm, eine
Greisin von 77 Jiatkyrsen Wittwe
Jouannea·u.
»Sie erkennen- mich Erricht?« sraJte
Mein-is in farnsisliäretm Tonse.
»Nein«, antwortete tdie saslte Fran,
den sonderbare-n IGiast msustemloz ,-.va«g
soiinfchsen -Sie?«
»Ich skmn bereits lhier Ivortbsei Vor
kurze-r Zeit. Möchten Sie mir iwotyl
erlauben, mich thier zu wärmen bis zum
Abgang des nächsten Zu-ges?«
Freundlich stellte ittym dtoe a lte Magd
einen Stuhl thin. »Du, setzen lSie tsich
an’s Feuer.«
Meinie asbser Ischloß idie Thitr z-u umso
stellte sich »vor ldiise nunmehr Gr
schrseckende.
»Das iist noch nicht Alles, Alte!« vies
er aus. »Ich muß Dein Geld Gabeln
oder IDU iwirsst stertben.«
Vom fdiieser Drolhusntg außer sich »ge
bracht, thing-ann- ldie Wittwe Jonannesau
usm Dilsse zu ischreien. Meinie zögerte
einen Moment, tdsanin Orisz er eine «a-n ider
Wand shiingende Flisnste Dem-b und
schoß beide Läufe sgsesgen ldie alte Frau
ab. Die Lsatdsusnigen tdranrsgen ilhr in Iden
Kopf mild site antar aus toter Stelle todt.
Sosort ersgrsisfs lder Mörder Iden Leich
nam usntd kzservte itlfn ins Frei-e, Ium ilhin
lyitntsesr dem Hain-se im Gesträuch zu ver
bergen. tDansn kehrt-e er zurück, wm zu
stehlen.
Jn tdems Zimmer aber lwar jetzt ein
Mann enschienssm Ider Besitzer ldes Mei
F
enhofes, Herr Conett«e; ebenfalls fchm
ein Siehzsiger. Derseibe hatt-e sdie
Schüsse draußen geshörst wnld war her
beigeeilst. Als Mein-te ihn sach, wolltte
er zuerst ldie Fkucht egveifsenz sda aber
ver satt-e Mann mun ebenfalls laut win
Hiilfe ·rie·f, gviff er wies-er zu them ab
g·eschossew:n Gcwcthr untd schiwg M
sein neues Opfer imiit Kolbenssehkägsm
enn. Consette ssuchte verzweifelt sein Le
ben ziu werthesioigsen Je smsehr er sich
aber swehrstesuirtd schrie, um fohsftiiget
gerietlh Meinie din Wink-h »Er erschlug
den alt-ein Martin tmiit susnrgeizäihltsen Kol
benshieben shei deinen idas Gewehr ent
zlnreibirsach Oder Unsglücklische aber furcht
biar ziu leiden hatte. lDer Mörder kaim
aber nicht idaizu, mit «f-ei1nen vom Blute
gerösthsetein Händen nach Geld »und
Geldeswert-h zu ssuchonz denn Tdiie Knech
te des Meienhosfes eiiitein herbei, asuif den
Lävm, lden sie oemomimen Der Mör
der ergriff, noch inirner hungrig, die
Fiuscht E
Die Bewohner des Mesierihofes be
waffnseiten sich mit ihren Fiinten und
machten ssich san die Verfolgung Autf
dem Felioe erblickten sie Meini«e’s Ge
statt, thie iiber den Schnee lief. Sal
venweise wurde ausf oden Flüchtling ge
schossen. Meinie munde lvon mehreren
Kugeln gestreift Trotz-dem gelang es
ihm, zu eint-mischen Er verban sich
indem Wäidevn, two er (viele Tage lang
von Wurzeln lebte. Zu seinem Ver
hängnsiß kannte er lsdie Gegend nicht.
Nachdem er lange Zeit «wniihevgeirrst,
kam er an der Stelle seines Verbrechens
wieder an, vollsstänsdig erschöpft und
nahe darun, vor Humtger unid Kälte
zu Isterben Sein-e Mordthaten hatten in
der ganzen Gegean Bewegung hervor
gerufen. Das Signalement des Mör
ders Imar allen Leuten bekannt Usnter
solche-n »Um-ständen tonsnte Meinie «sesi
nem Schicksale nicht entgehen Aln ei
nein Sonntag Anfangs Febousar
schkisch ier Tich im ein-en iBiaiusernhoIf bei
Ghewoncectux, um zu stehlen. sEr traf
auf seinen Knaben von Jwösllf Jahren,
der iasußnrerllsaim die Kleider des Ein
drsiniglinsgs Iniitfterte Meinie tmg ei
ne Igrauon Hut usntd einein lichten Pale
to, asn welchem noch deutlich »die Blut
s pure zu Hsehen waren Wälhvenld Mei
nise noch überlegte, was er Imit dem
Kncalben lbegsiinnon lsolltse, lief der Junge
hinweg, both Umfantd: »Hier ist lder
Mörder! Kommt geschwinth T;
Die Donfberoohner uimzingeltetn das
Haus untd mehrere liefen-, sdie Gen-i
darmerie -z«u benachrtichstigielm Idie eine
Midnige Vorkehrungen straf, iivelche
sätnitmtlsisch überstliitssiig twaren Denn
Meint-e war smit lseiner Kraft zu Ende
und dachte nicht daran, Widerstand -z«u
leiste-m
Als er Iverthckftet wur, mußten ihn
die Gsengwairsmen mit erthodesnser Waffe
innigeben demm die Dorfbtewoshner woll
ten Den Möuoser zerreißen Sie folg
ten ldeun Teansiport lernt-er fortwähren
den Rufen: »Schlagt ihn toldtt«
Asuif Tuo rvind roahrischsesisnlich auch
das llriiheil des Gerichts Ilauten Es
ist wenigstens igang usndensllbah daß die
Gefchzoorenen miioevnide Ulmstanide vzit
erkennsen iioertden Wesan aber doch, s o
kömmt- msian ·:;iunlderte Fälle aufziihlesn,
isn .o-elchen Milde noch weniger Oam
Platze «1oasr. Firrchitbar ist ichs Verbre
chen Meinii’e’s-, soer Mond san zswesi grei
fen Peosonen Aber Eder jun-ge Mewfch
goäre othnie jenem äingftlischm ·Ma«n.n iilm
Eiseirsdiashsntuppee soioeist 3nich-i gekom
men. »Ein gewisses Mitleid kann mtan
Dein Unsselischn wohl moin mendschlichen
Standpunkte nicht ivölltig versagen.
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Ein interessantes Schauspiel
Ein interessantes Schauspiel ist au
genblicklich in der Provence zu sehen
—- Idag eines wandern-den Berges.
Jim Tstsiall des Davdon irn südlichen
Frankreich, nicht weit von Nimes, be
tvegt sich ein aug Steinen und Erde
bestehender Hügel, dessen Unterlage
von Gran-d und Mergel unterwasschen
worden, sunter doninerälhnliichem Ge
räusch t-"t)a-Labwät5. Schon ist das
dort liegende Kohlenbergwerk von
Grande Combe vernichtet, unsd ein gw
ßer Theil der von Atais nach Nimes
führende-n Blau-n zerstört worden, untd
allem Anschein nach wird die Beweg
ung nicht eher aufhören, als bis die
riesige Masse das Flsußbett erreicht hat,
wag dann eine anfängliche Ueber
schcveinrmunn kherbeissijtyren wird-, bis
sieh der Gardsosn ein neues Bett gegra
ben hat.
Tausende eilen von allen Gegen-den
herbei, um das interessante Schauspiel
zu sehen oder besser zu hören. Denn
die Bewegung ist mit fdem Auge kaum
wahrnehmbar, und nur bei sehr ge
nauer Beobachtung zu erkennen. Aber
das Geräusch ist l-k)e«t-äul)and, und von
Zeit zu Zeit iglauibt nuan fern-e Explo
sionen zu ·hören, wenn große Risse in
der Masse entstehen. «