Sonntags - Blatt Beilage des »Anzeiger und Herold« zu No. 44, Jahrg-Am IS. ,..«,. « J P mmwtth wrong-geber Grund .Jsla11t:,«:lievraska·, den i0. Juli ist-XI H— Feumetm sz Jdnningyaufm Roman von Claire v. Glitmer ——-. GortsehnngJ »Pardon, wenn ich störq!« sagte sie in einem Tone, der neckisch sein sollte, da für aber zu scharf war «Durchanö nicht!" antwortete Otto, » der ihre eisersiichtige Regung errieth. »Komm’, schließe dich dem hohen Rathe an: wir verhandelten eben die Frage, ob ich ein paar Tage hier bleiben oder flklich in meine Garnison zurückkehren o . Magelone war herangetreten. »Gleich wieder sortreisen? -—— »Un sinnt« würde Großpapa sagen nnd das sage ich mit,« antwortete sie. »Die: bleiben, uns unterhalten und Tante Theile ans ihrer darmoyanten Stim mung hemusreiszem das, mein edler Ritter, ist Ihre Ausgabe. Nicht um sonst solle-n Sie mich Herrin genannt haben! ich besehlr. —— Sie gehorchen. —« Aber kommt jetzt aus die Veranda zu Tante Theila ——— hier unter den Bäu men ist’s unerträglich schwill.« Mit diesen Worten hing sie sich an Otto’z Arm und zog ihn fort. »Werkstatt du, Johanna-W sagte er, . indem er die band nach ihr ausstrecktr. »Gteich, ich will nur ein paar Rosen pfiitcten,« antwortete sie; dann aber blieb sie noch eine Weile sieben und fah den Beiden nach, während sie in der dämmerigen Tiefe der Lindenallee ver schwendw DEWIOHO chu W- feine Herrin, die ihn, —- wie er an jenem Januarabend gestanden hatte — durch ihre Kotetterie beberrichte und wohl auch ferner beherrschen würde, denn die Liebe, die er zu seiner Befreiung ange rufen, schien das erlösende Wort nicht zu finden . . . . oder hatte er die Liebe setbft nicht gefunden? Was er woshi noch gesagt hätte, wenn Magelone nicht getommen wäre? Müßige Fragen, de nen nachsinnen Tbocheit war. — Jo fhart-m wendete sich dem Schlosse zu. « Magelone hatte Recht, es war unerträg lich schwiil unter den Bäumen; dazu der betäubende Lindenduft . . . . .am liebsten hätte sie Eli-nor satteln lassen, um binauzzuiagen iiber die thansrischen Wiesen im Thale, oder über die haide am Waldeösaum, aber dann fürchtete sie Tante Theklckz Erstaunen, Magetm nens Spott, Otto’s Begleitung und gab es auf. Am folgenden Morgen fuhr Otto in die Stadt, um die Anleihe bei Löbel Wolf zu erheben, kam jedoch mit dem nächsten Zuge voll tin-willen zurück. Der alte Wechsler und Antiquitätenisiindler wollte die Steine nur in Ver-saß neh men, iwenn sich der Freiherr oder seine Schwester damit einverstanden erklär ten. Aus die Frage des jungen Man nes: ob er selbst etwa unbekannt sei und ob sein Name nicht jede nöthig-e Sicherheit biete« hatte Löbel Wolf er klärt, daß er keiner Sicherheit bedürfe, es wäre nur so Geschöstsgebrauch Das Einzige, wozu er sich verstand, war, Otto einen Schein mitzugeben, den die ser von Tante Tbekla unterschreiben lassen sollte. Anfangs kam der alten Dame die Sache nicht gebeuer'vor« da nicht sie, sondern Johanna Eigenthü merin des Schmuckes war; aber als Johanna bat, nicht durch ihre Weigei rung nse Schwierigkeiten herauszubr schtvören, unterschrieb sie das Papier und Otto fuhr mit dem Nachmittags zuge in drücken-der Schwüle zum zwei ten Male nach der Stadt. Nun machte die Angelegenheit keine « Schwierigkeiten mehr; Otto betam die verlangte Summe, erhielt seinen Vet xcischetn und subt, trotz des bestig ans rechensden Gewitters, mit leichtem her Zu nach Unningbansen zurück, ohne tin-ung. daß sich ein andere-. schimme res Ungewitter ilder seinem haupte zu sammenon . Lttbel Wolf hatte sich, sobald sehn des junge Mann verließ, in das Anlchauen des Schmuckes versenkt. In dem tleis nen Comptoir hinter dem höhlenartts gen, vom Fußboden bis zur Decke mit Raeitäten aller Art vollgestopften La den sasz er an seinem Pult und ließ die Steine im Gaslicht seiner ewig bren nenden Lampe funkeln. — Eine schwer fällige Fassung that ihnen Eintrag, aber sein Kennerblick erkannte, was sie sein würden, wenn der Schmuck, den rechten Händen anvertraut, die ihm ge bühren-de Umarbeitung erhielt, und in der Seele des Alten —- dessen Staren Ipferd der Juwelenhandel war —- er Iwachte der Wunsch, die Steine zu er Jwerben. T Aber ob der Freiherr den Schmuck verkaufen würdet Die Dönnighau sens gehörten zum reichften Adel der Umgegend. Löbel Wolf wiegte sinnend das greife haupt — konnten nicht auch für den Reichsten Tage der Verlegenheit kommen? und daß sie für Gönnt-na hausen gekommen sein mochten, erschien Löbel immer wahrscheinlicher. Der eine Enkel ldes Freiherrn machte eine kost spielige Reise, der Andere heirathete methr nach Rang als nach Vermögen, der Dritte lam nicht aus den dummen Streichen und Schulden heraus. Mit dem Entschluß, dem Freiherrn, so bald er zurückkehrte, den Juwelenhandel vor zufchlaaem brachte Löhel Wolf die ver führerischen Steine in Sicherheit« Aber der Karfuntelzauber, dem er von jeher verfallen gewesen, liefz ihm keine Ruhe, und noch ehe Otto nach Thalrode kam, hatte Löhel Wolf be schlossen, dem Freiherrn nach Wien zu ;schreiben. I Fur Otto hatten Welt unoueoem im er die rettende Summe in den Händen hielt, ein anderes Ansehen gewonnen. Tante Thella hatte ihm bei der Ein hiindigung des Schmuckes das Ver sprechen abgenommen, dem Großvater so bald als möglich Alles zu gestehen. »Es wird eine schlimme Stunde fiir uns,« sagte sie; »aber noch schlimmer wär'z. wenn mein Bruder das Fehlen des Schmuckes entdeckte, ehe wir ge beichtet haben. Wäre dein Vorschlag dir das Geld svom Rentamtmann zu verschaffen, ausführbar gewesen, so hättest du ja auch ohne Verzug mit Großpapa reden müssen.« Otto hatte ihr Recht gegeben und versprochen, die Rückkehr des Großva ters in Dsnninghausen abzuwarten; aber schon während der Rücksahrt wur de er anderer Meinung; er sagte sich selbst, daß es grausam sein würde, dem Großvater gleich bei der Heimlehr mit idiesen Unannehmlichleiten entgegenzu treten; daß siir ihn sowohl wie für die Schuldigen Alles leichter würde, wenn Tante Thella oder Johanna eine gün stige Stunde fiir das Geheimniß wähl ten, und daß für den Hanptsiinder selbst nichts wünschenswerther sein könne, als dem ersten Zorn des alten »denn entristat zu sein. Er, beschloß daher, sich rechtzeitig aus dem Staube zu machen —- Tante Theila von der Nothwendigteit seiner Flucht zu über zeugen, war gewiß nicht unmöglich So war denn Alles aufs Beste geordnet und er konnte die Tage, die ihm in Dön ninsghausen vergönnt blieben, als Fest tmd Fregdeikzeit genießen. « »Das wen-irrer harre einen ganorrgen zuriichgelassen, der filr längere Zeit den Aufenthalt irnFreiennnmöglich machte «Schade, wir hatten eine teizende Waldpartie verabredet, nun müssen wir statt dessen nach Klaufenburg fahren,« fagte Magelone am ersten Morgen. »Um Otto’s willen,« fiigte sie leife hin zu, und Tante Thetla — die lieber zu hauö geblieben wäre —- ergab sich dar ein. denn der arme »Junge« mußte Er heiterung haben. « Darum war es denn auch mit dem einen Ausfluge nicht abgetham in Klausenburg luden die Remminger ein; in Remrningen wurde ein Frühstück bei Forftmeifters in Grünroda verabredet; am vierten Tage feierte man in Klau fenburg den Geburtstag der Comtesse Elfriede und am fünften Tage wollte die ganze Gesellschaft in Dönninghasu fen zufammentommen, um zu tanzen. »Zur Nachfeier von Wall-mass Hochzeit —- ich versichere dich, Großpapa rent sich datübet,« sagte Magelone, als tTante The-Ha etwas bedenklich dazu ·auslah. und die alte Dame fügte sich auch jetzt wieder. ! Der Freiherr hatte erft einmal, am Tage feiner Ankunft in Wien, geschrie ben. Die Reise war ohne Unsall von Statten gegangen; er befand sich wohl und sprach sich übersWaldemat’sBraut, wie über die ganze Walburg’sche Fami lie mit großer Befriedigung aus. Seine Rückkehr, fügte et hinzu, könne er noch nicht bestimmen; das junge Paar wür de gleich nach ider Trauung abreisen, er dagegen gedächte noch einige Tage im Kreise der neuen Verwandten zu blei ben, und würde Tag und Stunde sei Tr Heim-lehr im nächsten Briese mel n. Bis zur Ankunft dieser Nachricht wollte Otto in Dönninghausen bleiben und Magelone sich so viel als möglich amiistrem So strahlten denn am Abend sdes acht-zehnten Juni die Schloßfenster imit sestlichem Glanze den Regen hin ;aus, eine fröhliche Gesellschaft bewegte ssich in den mit Blumen geschmückten Räumen, und bald war nach den Klän ngn des Claviers, das der Schulllehrer jspielte, der Tanz im vollen Gange. Ma Jgelone, im duftigen weißen Kleide, iweisze Rosen in den goldsig schimmern-» »den, hoch aufgsepufften Locken, war wie- » ;der — wie Otto nicht müde wurde, ihr szuzuflüstern ——- Balltönkigin, und selbst Tante Theilu, die sich heute seltsam be-; stlommen fühlte, wurde auf Augenblicke lleichter um’s Herz, wenn sie daß an muthige Geschöpf mit rosigen Wangen ;und glänzen-den Augen durch den Saal ; fliegen sah. l Auch Otto war oder schien heute wie der einer der Heitersten in dem sheiteren IKreisq Tante Thella wußte nicht recht, ob sie ihn tadeln oder bewundern sollte. Einmal, als Johanna vorüberging, die ihrer Trauer wegen nicht tanzte, sagte er zwar: ,,Eine Plaudersiwnde mit dir ware mir lieber als dies laute Treiben, « aber war das mehr als eine freundliche Re densart? und was war überhaupt sein« washreg Gesicht? Das lachende, leicht snmige, das sie alle Tage gesehen, oder jenes andere, ernste, das er nur zeigte, wen-n er mit ihr allein war? Eben trat er dicht vor Johanna mit Eomtesse Elfriede zur Francasise an. Er mußte besonders liebenswürdig gewesen sein, den«-n seine Tänzerin schlug ihn in ihrer 'burschilosen Weise mit dem Fächer auf den Arm und lachte, daß es durch den kSaal schallte. «, i I Zsylllkllll war Oel All-Um usuucigeiss Hnebnu sie zog sich in die nächste Fenster- i Jnische zurück, drückte die glühende Stir- Y ;ne an die Scheibe tin-d sal) in das Re jgerrgeriesel hinaus. Ein Wagen fuhr in den Schloßhof, waren denn noch nicht alle Gäste da? —- Sie erkannte die iThalroder Miethstutsche, und als der Diener, der, in einen Regeninantel ge hüllt, neben dem Kutscher saß, den Kopf erhob, glaubte sfie auch ihn zu erkennen und ihr Herz stand still. »Es ist nicht mögl-ich!« dachte sie. Jn dem-selben Augenblick lam Goldhund mit lautem Gebell aus dem Hause ge stürzt, sprang in ziwei Sätzen die Frei treppe hinunter und hätte sich fast unter idie Räder geworfen. Die Kutsche hielt, der S lag wurde geöffnet, und Jo hanna tte sich nicht geirrt: auf Chri-; ,st·sian’ö Arm gestützt, stieg der Freiherr ·aus dem Wagen. Wie es ihr möglich geworden war, den Saal zu verlassen, wußte Johanna i selber nicht; sie kam erst wieder zrur Be ·sinnung, als sie auf der Treppe die lsStimme des Großvaters hörte. So schnell sie konnte, ging sie ihm entgegen. s »Sieh’ da, Johanna!« sagte er kalt. Beim All-schied hatte er sie umarmt, ietzt reichte er ibr nur die Hand, auf die sie leines Wortes mächtig, einen Aus-, drückte. « »Ich lomme Euch ungelegen, Jhr habt Gesellschaft, Tanz, wie ich höre. Geh’, geh’, laß dich nicht stören,« fuhr ’er in grollendem Tone sort. ,,Halt!« fügte er hinzu, als sie verschüchtert zu rücktrat; »ich wünsche nicht, daß du mit solcher Leichenbittermiene meine An «tusn-st unsre-sannst Es soll nicht heißen, daß die Rückkeer des Haus herrn die Gäste aus Dönnsinghausen verscheucht. Meiner Schwester magst du sagen. daß ich hier bin, Niemandem sonst, und sehen will ich auch Thetla nicht, bis die Sprinsxerei vorüber ist; dansn will ich aber Euch sprechen. Euch Alle —- hsrst du! auch Monsieur Otto.«; Mit diesen Worten ging er weiter, be gleitet bon Goldbunid, der nicht miide s i - J wurde, helle-nd, winselnd unrd sich an drängend feinem Entzücken Ausdruck zu geben. Beftürzt blieb Johanna zurück. Asus dem Tone, in dem der Freiherr geredet hatte, ging ihr nur zu deutlich hervor, daß et von Allem unterrichtet fein mußte. Das fröhliche Getön, das aus dem Saale zu ihr drang, that ihr weh, und als sie in die Gesellschaft zurück kehrte, war ihr zu Muth, als wäre sie von wirren Traumbildern umgeben. Noch mehr als bisher zog sie sich in Winkel und Fensternifchen zurück und ging Tante Thetla aus dem Wege. Trotz des Auftrags, den sie erhalte-ni hatte, konnte sie sich nicht entfchließenJ ihr jetzt schon die Rückkehr des Groß-T vaters -mitzutheilen. Sie fürchtete, daß J die alte Dame nicht im Stande fein; würde, ihr Erfchrecken zu verbergen. ; Dennoch blieb die Nachricht nicht lan· e verschwiegen. Vielleicht hatte ei-» ner er Gäste den Freiherrn ankomment sehen oder die Bediente-n hatten trotz des ( Verbots davon gesprochen. Bald lhier, bald da fanden sich flüsternde Gruppen zufammen; ungewöhnlich früh gab Gräfiw Klaufenburg das Zeichen zum Aufbruch, und eine halbe Stunde spä ter fuhr der letzte Wagen vom Haufe. Als Magelone und Otto, die den Gästen das Geleit gegeben hatten, fröh lich plaudernd sdie Treppe wieder her auftamen, wurden sie von Tante Thekla und Johanna in Empfang genommen. »Wißt Jhr’s noch nicht?« fragte die alte Dame: »der Großvater ist zurück gelonimen.« ,,Alle Teufel! dann mache ich mich aus dem Staube!« fiel Otto ein. »Das sieht dir ähnlich!« rief die Donnerftimme des Freiherrn dazwi-l schen, dessen hohe Gestalt in diesem Augenblicke auf der Schwelle des «Wobnzimmets erschien. ,,Wortbrnchj und Feigheit gehören zusammen . . . .i Aber herein mit Euch « ich hab-e mit Euch Allen zu fprechen.« Mit diesen Worten trat er zurück unsd ließ die Sei-. nigen cui-sich vorbei defiliren; dann; folgte er ihnen und schloß die Thür. Tante Thekla nahm sich gewaltsam zufammen. »Liebe: Johann!« fiammelte sie,s »ich freue mich, dich wieder hier zuk sehen.« · » l - « - — »Wenn dich- —— isonoeroare Freude-, die so aussteth gab er grollend zur Antwort. ,,Laß"es gut sein, es ist jetzt nicht Zeit zu Sentimentalitäten. Setzt Euch und hört, was ich zu sagen habe.« Die Frauen gehorchten; Otto blieb an den Kamin gelehnt stehen; der Frei herr ging schweren Schrittes aus und nieder. Nach einer Pause sagte er: ,,Zuerst, Theiln, muß ich bemerken, daß ich-es unpassend finde, in meinem Hause während mein-er Abwesenheit Fe ten zu geben. —- Keine Einreden, ich bitte dich!« fügte er mit abwehrender Handbewegung hinzu. »Ich weiß, daß es nicht deine Invention gewesen ist; Magelone, der KindglospL wird den Unsinn angestellt haben. Aber wir Al ten smd dazu da, das junge Volk im Zaum zu halten. Statt dessen bietest du die Hand . . . und nicht nur Mage lone . . . Er brach ab, wie er zu thun pflegte, swenn er die eigene Hestigteit fürchtete, zog mit bebender Hand einen Brief aus der Tasche und wars ihn der Schwester in den Schooß. »Da lies,« sagte er mit mühsam» ngdiimpfter Stimme. »L«obel Wole ietbietet sich, den Schmuck zu tausen, den thr versetzt habt. So weit ists mit iden Dönninghausen gekommen . . . so weit habt Jhr es gebracht . . . Und du, Johanna . . . .« sein Ton wurde lauter und schärfer, »du bast mir bewiesen, daß nicht ein Funken Pietiit in dir ist. Ein Familienckleinod wie den Brautschmuck der Großmuter, wirst man nicht weg um solches Buben willen.« Otto fuhr auf. »Groswatsr!« rief er, mäßige dein-e Wort-e, —- ich ibin Osfizier . . . .« »Gewesen!.« ergänzte der Freiherr, indem ser vor dem jungen Manne stehen blieb. »Morgen am Tage reichst du dei nen Abschied ein« Wer wie du sein Eh renwort gebrochen hat« dar-s des Königs Rock nicht länger tragen. Oder wagst du zu leugnen, daß sich’s auch diesmal wieder um Spielschulden handelt?" Otto war blasz geworden er schien etwas sagen zu wollen, athmete aber schwer aus und senkte den Kopf I Tante Thekla sühlte sich getrieben, einzuschreiten. « ,,Lie1be·r Johann, ich bitte dich« .«I begann sie mit ziternder Stimme. DerI Freiherr siel ihr in ’s Wort. I »Still, Thetla, das verstehst du nicht!« sagte er barsch; sie ließ sich je- I doch nicht einschüchtern I »Was soll denn aus dem armen Jun- I gen werden«-» fragte sie leise. I ,,Recht so, der arme Junge!« rief der Freiherr mit höhnischem Lachen I ,,Merltwürdig, daß bei Euch WeibernI solche Cumpane immer einen Stein im Brette haben« Uebrigens magst du dich beruhigen, es swird dem armen Jungen besser gehen, als er es oers.dient Er ist mein Enkel, leider! ist ein Don ninghausen —- auf die Straße werfen kann ich ihn nicht. Wenigstens will ich noch einen letzten Versuch mit ihm sma chen. Zur Landwirthschast wird er zurückkehren-ich hätte gleich nach dem Kriege daraus bestehen sollen! —- Läßt er sich gut dabei an, so gebe ich ihm viel leicht ’mal eins meiner Güter in Pacht, « wenn nicht« Zur Ergänzung der Rede strich der Freiherr mit ausgestreck-I ter Hand nach rückwärts durch die Luft, I dann ging er Ewieder stumm auf und nieder und Niemand wagte das Schwei gen zu unterbrechen. I Minuten vergingen; unheimlich klang das Ticken der Wanduhr durch die Stille, endlich blieb der Freiherr stehen. l »Ich wünsche, daß vie jcymachvoue Geschichte mit Anstand abgemsacht wird,« sagte er. »Daß Otto den Ab schied nimmt, ist sein freier Wille, ver standen? — Morgen früh um acht Uhr hat sich der saubere Patron in meinem Zimmer einzufinden, um meine weitere Befehle in Empfang zu nehmen. ,Was den Schmuck betrifft, so wird er natür lich ausgelöst und bleibt Johanncks Ei genthum, aber in Gewahrsam muß ich ihn behalten, bis ihr alle zur Raison gekommen seid-« Nach diesen Worten schritt der alte Herr mit bösem Blick und steifer Hal tung zur Thür hinaus-. Tante Thetla, deren Schlafzimmer neben dem seinigen lag, hörte ihn bis zum Morgengrauen auf und nieder gehen. Fünfzehntes Kapitel. Otto hatte sich den Befehlen des« Großvaters gefügt, hatte seinen Alb schied eingereicht und war als Volontär in die Musterwirtihschaft der gräflich Klausen«burg’schen Güter eingetreten; ein Schritt, der natürlich zu den wider sprechendsten Deutungen und Urthei len Anlaß gab. Der Eine meinte, Otto hätte wieder Schulden gemacht und der Freiherr wolle ihn hier ,,an die Longse nehmen«; der Andere wußte aus sicherer Quelle, daß sich der junge Mann wegen einer unglücklichen Lie sbesgeschichtse so plötzlich aus sein-en bis herigen Verhältissen losgserissen habe; einer Dritter hatte von Mißhelligkeiten mit den Kameraden gehört, die ihm den Aufenthalt beim Regimente verleidet haben sollten; übrigens waren seinei Freunde« überzeugt, daß er es jetzt ebensowenig als früher bei der Land wirthschaft aushalten würde, und. nannten dies häufige Umsatteln eine Lächerlichkeit, indeß die jungen Damen um den eleganten Offizier Klagelieder anstismmten —- in Civilisah er nicht halb so giui aus. Elfride Klausenburg das Licht ihrer Familie, wies solche Urtheile und An sichten mit iibelegeneni Lächeln zurück. Ein Majorat wäre noch tleidsamer als Edie Uniform, sagte sie, Und daß der Freiherr bei Johann Bewole bestän digem Kranisein die Möglichkeit in’s Auge fasse, das Majorat an einen an dern feiner Enkel fallen zu sehen, und daß dieser Enkel sich mit den nöthigen Kenntnissen a"usriiste, um dereinst der Verwaltung so großer Güter gewachsen zu sein, erschien ishr durchaus vernünf tig und angemessen. Comtesse Elsriede wiederholt-e dies so oft und mit solcher Bestimmtheit, der alte Gras Klauseniburg lächelte so dip lomatisch, wenn er versicherte, ihm sei über Ott-o’3 Verhältnisse und Aussich ten nichts Näher-es bekannt, und Otto war so häufig in Dünninghausen, daß die nachtheiligen Gerüchte mehr unkd mehr verstummten, und er in immer größerem Kreise als Majoratsherr an gesehen und behandelt wurde. Daß er widersprach, swenn ihm diese Ansicht der Dinge zu Ohren kam, fiel nicht in’s Ge- - wicht. Die Dünninghausens waren in « Betreff ihrer Familienangelegenheitsen zu einer gewissen Geheimnißlrämerei geneigt, die hier in Rücksicht ausf Johann Leopold sogar verboten swurde und daß Otto diese Rücksicht nie — auch in ver traulichem Kreise nicht —- aus den Au gen verl—or, sprach für sein Zartgefühh « feine Discretion und Zuverlässigkeit Es war merkwürdig, wie viele gute Ei genschaften, die früher Niemand beach tet hatt-e, jetzt an ihm entdeckt und ge priesen wurden! Otto wußte, daß diese Freundlich keiten, die man ihm erwies-, zum größ ten Theile desm künftigen Majorats herrn galten, aber er war mehr eitel als stolz und die Eitelkeit erfreut sich auch am Erfolg des Scheins. So ließ er sich denn mit spöttischem Behagen von. der Strömung der allgemeinen Gunst tra gen und treiben, ohne zu fragen, wohin, und half Elfriede Klausensvurg ein Luftschloß zu bauen, dessen Herrschaft " sie —- allen Nehenlbuhlerinnen zum Trotz —- mit ihm zu theilen entschlos sen war. l Als Hauptrivalin erschien ihr Mage one. »Es ist schamlos, wie tsie mit Otto Dönningshausen ko-kettirt,« sagte «die junge Dame zu ihren Schwestern; »ich hoffe jedoch, daß er zu klug ist, um sich fangen zu lassen; es liegt auf der Hand, daß es ihr nur um das Majoratx zu thun is.« A.melie, die sich durch ihre Jahre von diesem Wettkampf ausgeschlossen sah, erwiderte mit boshaftem Seiten-blick: Das swiirdennan ebensogut von Andern behaupten könne, die den jungen Mann bisher keiner Beachtung gewürdigt ha ben; und Helene, die sich seit einiger Zeit als Männerfeisnldin geberdete, er klärte in ihrem schärfsten Tone, daß sie sehr im Zweifel wär-e, ob Mage lone mit Otto oder er mit ihr to kettir-e. Elsriede antwortete den Schwe stern nur mit verächtlichem Achselzucken. Sie fühlte, daß Otto in den Fesseln ih rer slachsblonden Schönheit lag und wußte aus seinem eigenen Munde, daß er nur aus den Wunsch seines Großva ters so häufig nach Dönninghausen hinüberritt. « -.- . - . Diesem Besuche gehorlen denn auch « wirklich zu dem Anstandssprogramm des Freiherrn, aber wären sie Otto«nicht angenehm gewesen, so hätte er sicherlich Mitel undWege gefunden, sie zu be schränken. Der Verkehr mit den Seini gen hatte sich jedoch von vornherein iiber Erwarten gut gestaltet. ·Der Groß vater pflegte sich gleich nach den Mahl zeiten, bei denen er Otto freilich noch weniger beachtete als sonst, in sein Zim mer zuriickzuziehen, wo er sich Von Jo hanna vorlesen ließ; dann suchte Tanste Theila den ,,ar-men Jungen« durch ver doppelte Freundlichkeit für die Kälte des alten Herrn zu entschädigen, und Maaelone war so glückselig, das Einer lei ihrer Tage durch ihn unterbrochen zu sehen, daß immer wärmere Töne aus dem Spiel ihrer Koketterie hervorklan gen. Selbst das; sein Verkehr mit Jo hanna durch die Ansprüche, die der Großvater an sie machte, sehr beschränkt wurde, war Otto, ohne daß er es ssich eingestand, mehr angenehm als störend, denn obwohl sie nie auf die Hilf-e zu rückgekommen war,dielsie ihm so bereit willig gewährt hatte, fühlt-e er sich ihr gegenüber bedriiclt und unsicher. Aber trotzdem übte sie hin und wieder noch - den alte-n Zauber aus ihn. Sprach er sie dann allein, was selten und immer nur auf kurze Zeit geschah, so klagt-e er, »daß sie sich so wenig sähe-n, oder beschul digte sie, ihm absichtlich auszieweichen und vensichertc, daß ihn nur die Aussicht aus sdas Zusammen-sein mit ihr ver mocht hätte, sich »den Anordnungen des Großvaters zu fügen. »Du iibst den günstigsten Einfluß aus mich; Alles, swas gut und tüchtig in mir ist, wird durch dich geweckt und ans Licht gezogen; wenn du mir zur Seite stehst, ich bin Verständigen kräf tiger, besser als sonst,« sagte er, und es war ihm Ernst damit, so lange er in