Du brauchst Zerstreuung Un tungz das vertreibt die dum men irden. Wir werden schor mach-in Jch will Dich mit einiger dachtet-sen bekannt machen, Junge da Du alle Zierpuppen der Welt ver en itvirstl« Und »der arme Bursche wurde ganz roth und sagte nur: »Mir gestillt Keine in der Welt wie diesel« « »Pauernseld hatte doch recht«, sagte ern junger Literat, als die schöne Offi ziersgattinin ihrer Erzählung einen Augenblick innehielt. »Er definirte die Liebe als die »Caprice auf Diel« »Wenn man es recht bedentt", sagte dte alte Generalim so ist es fiir einen Mann wirklich leicht, sich über gewisse Dinge zu trösten. Der Vater war ein ganz gescheidter Mann. Der Bruder war ein nicht minder gescheidter Mann, ober auch lockere Grundsätze zu haben schien. Und die Mutter? Erzählte die Barmherzige nichts von der Mutter-« · LI- doch", sagte die Dame und nahm thre Geschichte wieder aus. »Die Mut ter war, wie mir die Wärterin berich tete, ganz verzweifelt, als das Unglück geschah. Dann weinte sie mit dem Sohn und er mußte ihr Alles haarklein erzählen; wie es gekommen, daß er sich in die Spröde verliebte, wie sie ihn im mer sester mit ihren Netzen umspann, um ihn dann zu verlachen. Sie regte den Kranten mit ihren Thriinen und ihrer Entriistung so aus, daß ihr die Wärterin wiederholt vorstellen mußte, sie gesährde das Leben ihres Sohnes. Und jeden Sturm schloß sie mit den Worten: »Gräme Dich nicht, mein Kind, sie war Deiner nicht werth!««' »Auch die Mutter hatte Recht!« fiel hier die schöne Baronin ein. »Gewiß, sie hatten Alle recht«, fuhr die Erzählerin fort. »Aber dem armen Jungen war mit leiner ihrer Reden ge holfen. Zum Glück war ein Schwester chen da. sie tam zuletzt. »Es war ein junges Mädchen von vielleicht neunzehn bis zwanzig Jahren«, sagte mir die Barmherzige Schwester, »mit einem hübschen ganz unbedeutenden Gesicht chen. Nur swenn sie lächelte, so wars als tin-gelten sich ein paar seine, tleirre Schlönglein um ihren Mund, und in diesen anmuthigen Schlangenlinien lag so viel Schelmerei, wie sich mit Worten gar nicht schildern läßt. Auch sie ließ sich Alles erzählen und besonders die Werbungsscene genau schildern. »Und sie hat Dich lachend zurückgetviesen?« fragte sie dann den Bruder. --- »Ja.« —- »Und dann gingst Du hin und wolltest Dich todtschieszen?" —« ,,Ja.« — »Weißt Du, Hans«, sagte die Schwester, »das war recht thöricht von Dir. Das Mädel hat Dich recht lieb . gehabt, ich bin davon überzeugt Wel ches Miidel hatte einen hübschen Jun gen, wie Du bist, nicht liebt Und wenn ein solcher will, tann er sich immer sei nen Schatz erringen.« -—— »Aber sie hat mich doch zurückgewiesenl« —-— »Das hat nichts zu sagen, das war eine Laune, ein Ansall von Mißmuth. Viel leicht hat ihr die Schneiderin gerade ein neues Kleid verdorben « vielleicht wurde ein Ball abgesagt, aus dem sie glänzen wollte « vielleicht trug sie zu,enge Schuhe ·—--- wer lann da wissen, welche dumme Ursache im Spiel-e war? Mein Gott, ein junges Mädchen tann bald etwas verstimmen. Und warum soll sie ihre Verehrer nicht ein Bischen zappeln lassen? Warum soll sie gleich die Waisen strecken? Besonders wenn sie sieht, das-, der Freier närrisch ver liebt ist und nicht von ihr lassen tann? Jch bin sicher, wenn Du eine Stunde später wieder angeiragt hattest, so würde sie Ja geiaat hab-Ul« »Das Mädel war das Gescheidtesie unter Allen«, sagte die alte Generalin lachend. »Und was sagte der verliebte Jüngling aus ihre Rede-l« »Wie die Wärterin bemerkte, strahlte sein Gesicht vor Wonne. »Du glaubst, Pesterchery Du glaubst wirtlich«t«« ri er seelenvergniigt. »Ja, ja«, erwi derte sie, »und tausendmal ja. Und so bald Du so weit- genesen bist, dasz Du das Bett verlassen tannst, soll sie Dcr’s selber sagen, ich will ssie herbringen!« »Das wahklrznei«, schloß die Barm herzigr Schwester ihren Bericht. »Eh( eine Woche vergangen, war der jung· Mann gesund und hatte das Bett ver lassen. Jch tonnte meiner Wege gehen Als ich die Treppe hinunterstieg, an ade das Schwesterchen mit einem an en jungen Mädchen heraus. Du Breite war so roth wie Blut und trug einen Strauß Rosen, und die hand, du sie hielt, zitterte. Das mußte ksie gewe sen sein. Und richtig habe ich diese« Tage gehört, daß der junge Mann dt Korbsvenderin geheirathet hat« Das war der Bericht der Barmherziget er.« »Und dieser hat Sie so wunderba getriisteti« svagte die alteGeneraltn di Frau des Ritttnetstert. «Retn', erwiderte die Dame, »da, war es nicht« Jch muß sogarsagen daß die Geschichte in meiner damal get -«Stimmung einen unfreundlichen Ein . druck auf mich machte. Es ist manch . mal so beim Anblick fremden, wunder baren Glückes, wenn wir vom Schmerze niedergebeugt sind. Namentlich ver droß mich, ich weiß nicht, weshalb, der Strauß mit den Rosen. Und als meine Warterin schwieg, sagte ich nur trübe: »Das ist ja ein ganzer Roman. Die Rosen duften wohl berauschendz doch wie schnell welken tsie dahint« Da schien die Gestalt der armen Wärterin zu wachsen, sie erhob rasch den Kopf. ich sah, daß ihr Auge fun kelte, wie im Zorn. Aber meine kläg liche Erscheinung entwaffnete sie wohl. Sie fentte das Haupt aus die Brust und sagte milde: »Nun sind Sie wieder bei Ihren traurigen Gedanken; und ich wollte Sie erheiternt Ja, die Rosen welken, es ist wahr. Aber schickt der liebe Gott nicht immer neue? Sie tön nen ja noch hoffen! .. . . Denken Sie doch, daß manche Menschen um Sie leben, die all-e Hoffnung begraben ha ben, lange, lange schon . . . Das ist das Schlimmste!« Ich kann nicht sagen, wie mich diese Worte erschiitterten. Sie richteten mich auch mit einem Male auf und boten mir Trost! Die Hoffnung, ja wohl! jdie zauberten die Worte der Barmher i zigteit wieder herbei. Jm Nu über tblickte ich das ganze traurige und zer trümmert-e Leben der Aermsten. Wie groß stand ich sdoch ihr gegenüber da. die ich noch die Hoffnung hatte! Ich» beugte mich weit vor, um noch tiefer ins ihrem Auge zu lesen. Sie saß aberj wieder im Schatten, und ich sah nur an der Bewegung ihrer Lippen, daß sie be tete. Ihre abgemagerten Hände dreh ten den Rosentranz.« »Ja, das war ein Wunder des Tro stes, das an »Sie herangetreten ift,« sagte die alte Generalin. »Aber dieses1 Wunder ist nicht so selten, wie Sie; glauben· Aus dem größerm fremden: Unglück schöpfen wir gar oft Trost fiirs unser eigenes, kleineres. Aber es bleibt ; eine traurige Sache und ist nicht beson- ; ders schmeichelihaft siir dis Menschen ;herz.« Draiiiatitchen Unterricht ertheilt. ) L »Warum geben Sie nicht dramati schen Unterricht ?« Daran hatte er noch gar nicht ge dacht. E Er war mit seinen Ersparnissen nach kBerlin gekommen, um das Kunstleben idet Großstadt auch einmal aus der ,Hiihe der Saison kennen zu lernen Da er das seinen Wiinschen auch nur einigermaßen entsprechende Engage ment nicht sand, mußte er sich schon mit dem Gedanken vertraut machen, diesem Winter ganz aus Eigeneim zu le 1ben. Beim lleberziihlen seiner Baar 7schajt stellte sich aber heraus, daß es dazu kaum reichte. Und da hatte Je .mand diese Frage an ihn gerichtet. Das war eine gute Idee und mit sei ner Gewissenhaftigkeit wohl zu verei nen. Jri acht bis zehn Monaten konnte Ter begabte Schüler schon flügge machen, und so viel, wie nöthig war, sein Kapi tal zu ergänzen, ließ sich auf die Art leicht erwerben. Die Stunde drei Mart, gewiß eine bescheidene Forde rung, jeden Tag nur eine Stunde, das machte —— 30 mal 3 gleich 90 ——— sagen wir nur sechs Monate lang ——— schlecht gerechnet 500 Mark Zuschuß, damit ließe sich auskonimen. Er miethete sich in Rordost ein hübsches, großes Zim mer; durch eine spanische Wand war fiir Zchlascabinet gesorgt —- er tonnte Besuch empfangen. Ein Schildchen lhatte er sich angefertigt, schwarze, glän Yzende Buchstaben, sauber aufgeklebt: Dramatischen Unterricht ertheilt C. Schlönglein Das hing aus dem Hausslur in der Einwohnertasel und machte sich nicht übel. Es fehlte nur an Schülern Und siehe da, sie kamen. Gleich am zweiten Tade; er studirte gerade, welches Theater er heute als Freiberger unsicher machen sollte, da klopfte es· »Herein!« Eine dicke Frau mit braun und grün getviirfeltenUmschlagtucherschien. An der Hand führte sie ein junges, . häßliches Mädel. , »Juten Morjen! Bin ich hier recht i bei »den Herrn, wo sor’s Theater-— »Ganz recht, mein Name ist Schlang lein.« »-Na, siehste, Male? Jct habe ne - tleene Pliittanstalt in de Prinzenaller. ! J bin ja man ’ne janz einfache Frau« e aber mit seine Kinder will man doch t seine höher ’raus. Je nachdem! Da i is nu met Mächen —s— steh’ doch jrade damit daß der herr ooch sieht, was jormeb hiische Fijur daß Du hast — meine Anialie, die will nu mit aller Je swalt unter’s Theater jehn!'« »Mit Sie denn Talent?« . «Je nachdem —- das is ja nu Gen wosor daß Sie sorjeii sollen. Sehn-se zu hause macht se ja allerhand Faxei Ost-s Ist-Cos un smit sde ngen kann se tlappern, dc is ’t Ende von weg: aber man week doch nich, ob das doll jenug for der Vieh-ne is. Da muß es doch sckn — sv U —- hwfte Mcht ist-W »Freilich, ganz leicht ist die Sache nicht; wenn Ihre Tochter ebenso spricht wie Sie-— »Nu, so schlank mit de Zunge is se natirlich noch nich. Vor allen Dingen möchte ick erft wissen, wat die Geschichte tosten tann.'« »Sie -verpflichten sich vorläufig zu ichr nichts. Wen-n Jhre Tochter tein alent zeigt, wäre es ja Unrecht, Jhnen IOeld awbszunehmen Jch berechne im Uebrigen die Stunde anit drei Mart.« : ,,Js-nich billigt Vorläufig möchte ick ihr mal jede Woche eene Stunde neh men lasse-n; aber Sie thun et ooch for eene Mtart fufzig.« »Liebe Frau —« ,,Un denn besorjen Sie se bald ’ne Stelle, sdaß se unter Leite kommt. Wis sen Se, so macht se doch keene Bekannt Tchaft, aber bei’s Theater —- und denn, so feine Schamgsonettens, so französi sche, die müssen Sie fe beibringen, oder ge nachdem!« Adieu!« ,,Mart fufzig is iwoll zu wenig? Jott, fechs Mart der Monat — ,,Adieu!!« »Na, un ick plätt’ Jhnen ooch!« »Adieu!!« »Joit, dhun Se man nich so, Jhnen wer’n fe ooch an die Keefetifte knab bern! Komm, Male!« Nein, auf die Art wollte er sich nicht einen Pfennig verdienen! Diese Zu muthung — Vorbereitungs - Kursus für Tingeltangelt es ist empörendt Nach einer Stunde klopfte es wieder. Ein junger Mensch meldet sich. Er hat schon auf Liehhaberbiihnen gespielt und so Etwas wie Routine erworben; jetzt will er Berufsschauspieler werden. Er ift wirklich nicht ohne Talent die Erzählung des Mortimer —- Jch zählte zwanzig Jahre —- taan er wie am Schnürchen und zeigt die Gabe, seine Rede natürlich zu steigern. Aber er hat vorläufig noch lein Geld — die Eltern wollen erst »die Ueberzeugung gewinnen, ob was aus ihm werden kann, und dann das bedungen-e Honorar zahlen. Jn zwei Monaten müßte sich das ja zeigen. Der Lehrer ift nicht abgeneigt Die einzige Auslage, die er zu machen hat, besteht in Zeit, und daran fehlt es ihm nicht. »Und, Herr Professor, wie wär es denn mit einem kleinen Stipendium?' I »Stipendium? Was verstehen Sie darunter?« . »,Nun eine kleine provisorische Un terstiitzung, damit ich hin und wieder in ICafeS verkehren taan und in Künstler tneipen das bildet dacht« »Ach und die soll ich Jhnen —- — J »Meine Eltern werden natürlich spä » ter -—«« . Adieu!« ! »Jn einigen Monaten muß es sich « l ) . . . ! ,,Bedaure kehr, adieu!« ! »Na denn nicht« Schlänalein ift wieder allein. Ja, was glauben denn die Leute? So ein iBummelfritze —- der — ; »Herein!« j Ein hochgetvachtener Bierziger, nicht ·modern, aber peinlich sauber gekleidet, den Bratenrock bis iuim schneeweißen Stehlragen zugetnöth schiebt einen 5 bis 6jähriaen Jungen mit blonden Locken vor sich herein. Was soll das nun wieder? Der Fremde nimmt mit Wiirde Platz. »Ich sehe an Jhrem Blick, daß Sie erstaunt sind; ein so jun-ges Geschöpf — aber es ist ein Wunderlinsd!« Er spricht langsam, jedes Wort ab wägen«d. Er hat rothe Haare, der schmale Schnurrbart ist schwarz ge färt; es giebt seinem Gesicht etwas Unehrliches. »Sie haben wohl lein Klavier zui Hand?" —- er sieht sich um — »auch keine Geige? die hätten wir eigentlich mitbringen lönxnen —« Schlänglein wurde schon ungedul: dig, der Mensch brauchte so· viel Zei1 slir die ohnehin überflüssigen Worte. »Mein Herr, das wäre unnöthig ge wesen —«« »Sie glauben mir auch so —- natür lich; Theodor, singe dem Herrn etwai vor.« Ehe Schlänglein es verhindert konnte, begann der Kleine mit bemer tenswerther Sicherheit zu lräshen, einig Lieder trnd Opernstellen, nicht übe zwar, aber zu welchem Zweck? »Mit Gesangsstudien besasse irl mich leider überhaupt nicht.« »Er kann auch detlamiren!« Wie eine ausgezogene Uhr produzirt das Wunderkind sich auch in diese Form. Ohne Ausdruck, aber lmit über , raschend richtiger Betonung. , »Großars’g, was? Ueber den Prei i wollen wir schon einig werden. Ja denke, dreißig Mark pro Monat für’s Erste —« »Die Summe ——« »Ist Jhnm zu hoch?« Also —- sage-N wir —- zwanzigt« »Was, ich foll? —« »Sie zahlen mir vorläufig zwanzig Mark und Alles für den Knaben frei —- Reife — Hotel —- als Jmsprefario verdienen Sie Schlänglein kribbelte es in den Fin gern: »Sie find-vollständig im Jer thum —- ich unterrichtse nur Erwachsene, nehme —- verftehen Sie? nehme 50 Mark für die Stunde! Derartige Ge schäfte mache ich überhaupt nicht! Adieu!« Der Wuiwdervater ließ sich nicht heir ren: Ausnahmsweife — zehn Marti» nein? Aber, mein Herr, Sie stoßen; Ihr Glück mit Füßen von sich; ich kann doch nicht ganz umsonst— l »Ich bedaure wirklich —- Sie be mühen sich ganz umsonst, asdieu!« »So — na, das ift etwas Anderes-l« Er ging, Gern Knaben wieder vor sich herfchiebeiid; an der Thüre drehte er fich noch einmal um: »Weil Sie es find, also sagen wir, ganiz umfoniftl --— nein? Dann — gehe; -— ich—«— zu— Jhrem —- Konkiirren-T ten! — Schlänglein hat nie erfahren, wer dieser Konkurreni war Aber am an dern Tage las man an der Einwohner iafel nur: C Schlänglein: verschwun den ivar das: Dramatifchen Unterricht ertheilt— RudolfRetty. Japans nioderne Ciriilifatioiil —- l l i I c ) Unter all’ dem neumodischen Ge fchreibfesl über Japan und die Japaner leuchtet wie eine Perle eine tleine Schrift hervor, die Dr. L. LönIholm, Professor an der kaiserl. Universität zu Tokio, im Selbstverlag herausgege ben bat und die er durch ·die Roß-berg fche Hofbuchhandlung in Leipzig ver treiben läßt. Er nenint seine Arbeit ,,Japan’s mode-me Civilisation, ein Beitrag zur ostasiatischen Frage.« Wir haben bereits bei seiner früheren Veröf fentlichung des Verfassers bemerkt, daß eine warme Theilnahme an der Ent wicklung Japan’s wo er Ziun schon seit sechs Jahren »den Reis des Landes ißt«, Löntholm die Feder fiiihrt und daß diese Empfindung ihn in eine polerni sche Richtung treibt, die bei der Beur thesilung seiner Ansichten in Betracht ge zogen werden muß. Die Schrift Lön-» holms theilt diese Subjektivität übri-? gens mit fast allen neuern Veröffent lichungen, denen darum zu thun ist, die Forderungen, die Japan in seinen Ver trags-Verhandlungen msit den Mächten ausfstellt, zu fördern oder zu hemmen; die Objektivität Karl Rathgens, dessen Buch ,,Jsapan’s Volkswirthschaft und Staatshaushalt« grundlegend bleiben wird, ist seit-dem nicht wieder erreicht worden. Æer die ausgesprochene Par teistellung, die Löwholm verficht, thut der Beachtung, die seine Sachkenntniß ali- juristifcher Beratber und Lehrer der Japaner sowohl wie seine mit persön lichen Beobachtungen und Erfahrungen durchwebte Darstellung verdient, keinen Abbruch, und es ist ihm in seinem klei nen Werkchen in der That gelungen, eine Lücke auszufüllen und ein kurzes aber klares Gesainmtbild der japani schen Lebensverbältnisse zu entwersen. Nach seiner kurzen geschichtlichen Ein führung und ein-er Kennzeichnung der Civilisationsstuse des heutigen Japans führt der Verfasser uns Idas politische, gefellschaftliche sund gewenbliche Leben des Landes in einzean Aufsätzen vor, in denen er die staatliche Verfassung, Heer und Marine, die Finanzen, Han del und Industrie, Schifffahrt, Eis-en bahnen, Post und Teiegraphen, Land wirthschaft, Verwaltung, die Polizei, Gesundlxitspfleige Rechtspflege, Ge fängnisse-, Erziehungswesen und Presse in knappen Zügen charakterisirt. Wir geben einzelne Abschnitte daraus wie der. Die wirthschaftliche Gefahr, die uns in Ostaisien droht, beurtheilt der Ver fasser foigewdermafzem »Wenn un ser-m Handel überhaupt eine Gefahr von den Ostasiaten droht, so kommt sie nicht so sehr von den 40 Mill. Japa nern als von den 400 Million-en Chi wesen. Der Chinese hat alle Anlagen s zu einem erfolgreichen Kaufmann unsd ist fchon jetzt im ganzen Osten, auch in Japan, der gefährlichste Konkurrent - des Europäers Wenn China sich die - materiellen Errungenschaften der ento - päischen Völker zu eigen macht, so ist die komnverzielle Vorherrfchaft der Chin sen auf den Märkten Ostasiens nur noch eine Frage der Zeit. Der japani sche Kaufmannsstand ist noch erst in der Entwickelung begriffen, und hat . noch nicht entfernt die gleiche Bedeutung für »das nationale Leben wie etwa der deutsche oder englische »Merchant«. Der ,,Akindo« — Händler — nahm von altersber in Japan eine sehr niedrige Stellung ein; er stand noch unter dem Bauern und »dem Handwerker, und der Samurai behandelte ihn mit der tief sten Verachtung. Ein Stand, dessen erstes Ziel Gelderwerb ist, shat in einem Feusdalstaat keinen Platz. Selbst ge genwärtig Isind die Spuren seiner frühem Stellsung noch nicht ganz ver wischt. sDie Arbeitslöhne sind in Ja ’pan niedrig, aber doch nsicht so niedrig, als man in Europa gewöhnlich glaubt. So beträgt jetzt in Tokio der tägliche Loh-n eines Handarbeiters 33 Sen (1 Sen jetzt gleich 2 Pfennigen), ein-es Zie gelarbeiters 55—60 Sen, eines Zim mermanns 50—55 Sen, eines Mau rers 65——70 Sen, ein-es Miattenmachers 50 Sen u. s. w. Die Löhne im Lan-de sinid freilich nicht unerheblich geringer. Sehr schlecht bezahlt sind noch die Ar beiter in den Spin·nereien, nämlich 25 Sen für männliche, 15 Sen für weib liche Arbeiter. Die Befürchtung »wel che man in Europa hegt, daß Japan mit seinen Ibilligen Arbeitskräften Eu ropa in der industriellen Entwicklung den Rang ablaufen werde, ist nicht be gründet. Abgesehen davon, daß der Unterschied gar nicht mehr so groß ist, hat man dabei außer Acht gelassen, daß der japniische Arbeiter wenig-er Ta gewerk leistet und nicht so ausdauernd ist, als sein seuropäsischer oder vielmehr nordeuropäischer Genosse, und daß er zwar für manche Industrien hervor ragend, für andere aber weniger brauch bar ist. Es wird sich deshalb auch zu Nutz und Frommen beider Theile eine Arbeitstheilung anbahnen. Was der Japaner besser liefern kann, werden wir von ihm, und was wir besser liefern können, swird er Von suns kaufen. Unsd je tüchtiger der japanische Arbeiter wird, je mehr er durch den Welt-verkehr moderne Bedürfnisse kennen lernt, desto höher werden sein-e Ansprüche steigen. Die billige Kuli-Arbeit wird aufhören, da die Leut-e mit dem Anwachsen der Industrie eine bessere »und lohnendere Beschäftigung finden werden. Ein schlimmer Fehl-er des japanischen Handwerkers der »Gegen-wart ist feine grundsätzliche Unpünsltlichkeit Er will durchaus nicht anerkennen, daß er verpflichtet ist, die bestellt-e Arbeit auch wirklich an dem vereinbarten Zeitpunkt abzuliefern Er verspricht bei der Uebernahme der Bestellung aus Höflich teit alles, was man von ihm berlan-gt, aber er ist dann sehr erstaunt, wenn man die Erfüllung des Versprochsenien fordert. Die Fremden finden sich phi losophisch in das Un»abwen-sd7bare, denn wird man -nervös, so macht man die Sache dadurch nur noch schlimmer Einer meiner Bekannten setzte eine Strafe von F) Sen auf jeden Tag Ver spätung, ist aber, als er dann wirklich M Sen abzog in den Ruf eines »Wa rui hito«, schlechten Menschen, gekom men, fiir den Niemand mehr arbeiten will.« Besonders interessant ist gerade im gegenwärtigen Augenblick, wo ja auch Deutschland mit »dem Anschluß des Hansdelsvertrags auf seine eigene Ge richtsbarteit, wenn vielleicht auch unt-er gewissen Vorbehalten, verzichtet hat, die Darstellung der japanischen Rechts pflege. Da heißt es: »Die japanische Civilprozeßordnung wurde so genau der deutschen nachgebildet, daß man sie beinahe eine Uebersetzung nennen könn te. Man darf thatsächliich ohne Ueber treibung sag-en, daß gegenwärtig aius der lansgen Jnseltette von Riutiiu bis hinauf zur Grenze von Kamtschatka deutsches Civilprozeßrecht gilt. Eine jwunlderbare Erscheinung in der Welt Igeschichtet Es spricht sehr für iden hohen Werth dieses in Deutschland jetzt so start angefochten-en Gesetzwerkes, daß es bei einem Antipodenvsolke unter ganz verschiedenen Lebensverhältnissen so schnell Wurzel fassen und sich so lebenskräftig entwickeln konnte. Die gleichen Bahnen geht das vom Rostocker Prof. Dr. Rößler abgesaßte japanische Handelsgesetzbuch. Auch dieses ist sei nem System nach deutsch, wenn es auch manche englische und franszösische Ele mente in sich ausgenommen hat. Eben so ist der neue Entwurf des Civilgesetz buchs dem deutschen System viel näher getreten Die engere Conumission be steht aus drei juristisch hervorragenden Gelehrten, nämlich sden Professoren N. Hozrimi. Tomii.und Ume. Besonders der allgemeine Theil und das Forder ungsrecht lehnen sich eng an den zweiter Entwurf des deutschen Gesetzbuchs an Mit der Einführung des bürgerlichen Gesetzbuchs »und des revidirten Stras gesetzbuchs ldas jetzt von einem beson deren Ausschuß umgearbeitet wind, is das große, von der japanischen Re gierung unternommsene Gesetzgebungs wert in der Hauptsache vollendet. Wi· ich schon in meiner früheren Arbeit übe«l Japan erwähnt halbe, können die mo« dernen Gesetze Japans im allgemeiner als genügende Unterlage siir eine gut Rechtsprechung betrachtet wenden. Ju stiz rund Verwaltung send völlig voi einander getrennt. Die Verfassunq und Organisation der Gerichte ist ge regelt in dem nach deutschem Muster ausgearbeitet-en Gerichtsversassusngsge setz. Darnach gibt es lAmtsgerichte, Landgerichte, Oberlandesgerichte und das Reichsgericht in Totio. Die Zahl der Amtsgerichte beträgt 299, der Landgerichte 48, »der Oberlawdesgerich te 7. Die Amtsgserichte sind mit Ein zelrichtsern besetzt, die übrigen Gerichte sind Kollegialgexichte Die Zuständig keit in Civilsachen zeigt fast gar keinen Unterschied vom deutschen Gesetz, nrit sder einzigen Ausnahme, daß gegen die in der Berufuwgsisnstanz erlassenen, nach deutschem Rechte unanfechtbar-en Entscheidungen der Landgerichte nach japanischen Recht noch Revision an das Oberlasnsdesgericht zulässig ist. Die Zahl der Richter am Reichsgericht be trägt 81, san den Obevlandesigserichten 106, an den Landgerichten 472 und an den Amtsgerichten 676. Die Zahl der Rechtsantwälte im ganzen Lande be trägt 1410, ein-e niedrige Zahl, die sich alber hinlänglich daraus erklärt, daß die Bauern Japans noch nicht von der Prozeßsucht der europäsischen Lan«db-e völlerung ergriffen sind. Jch fürchte fast, daß die Gegner Japans daraus ein Argument gegen die Civilis.ati«ons fähigkeit der Japaner herleiten werden. Die Anstellung der Richter erfolgt auf Lebenszeit, sie beziehe-n ein sestes Ge halt nud können nur usnter gewissen ge setzlichen Voraussetzung-en " abgesetzt werden. sDie Versetzung dagegen ist schon zulässig, wenn irgendwo im Lande eine Stellung gleicher Art frei ist, als-o thatsächlich unbeschränkt Das Min destgehalt des Richters ist 480 Yen (un gefähr 2000 M.,) unsd das Gehalt des Reichssgerichtsprässidenten 6000 Yen (25,000 M.). Ein-e Richterstellusnsg be kleiden kann rnur, wer die vorn Staate vorgeschrieben-en zwei Prüfungen be standen hat. Zwischen der ersten und zweiten Prüfung müssen mindestens drei Jahre inneliegen. An die Stelle der ersten Staatspriifung kann die Ab gangspriifung der Universität tret-en. Daß der japanische Richter als genü gen-d befähigt zur richtigen Anwendung der modern-en Gesetze angesehen werden muß, habe ich schon »in einer früheren Schrift über Japan ausführlich darge legt. · Wie die Rechtspflege sind auch vie meisten iibrigen Staatseinrichtungen Japans dem deutschen Vorthilide nach gebildet oder doch in ihrer Gestaltung stark von ishim beinflußt worden. Das erstreckt-sich bis auf die Polizei hinab, deren vortreffliche Organisation dem fremd-en Besuch-er Japans sofort i-n’s Auge fällt. Auch sie ist das Wer ein-es Deutschen, des Berliner Polizeishaupt mansns v. Höhn. Zum Schluß ein lustiges Beispiel dafür, mit welch mu sterhafter Gewissenhaftigkeit der japa nische Schutzmann ziu Werke geht. Dr. Löniholm schreibt: ,,Vor Jahren bestand die deutsche Colonie in Tokio aus fast sechszig meist akedemisch gebildete-n Mit gliedern, die in dem geistvollen damali gen deutschen Gesandten Dr. -v. Holle ben ihre natürliche Spitze san-den. Zsu dieser Zeit herrschte ein frisches, fast ftudentifches Leb-en in der Colonise, und die Stunden, in denen sich die Deut schen trennten, warens oft bedenklich spät. Ein-er von ihnen pflegt-e regel mäßig allein zu Fuß nach Hause zu gehen, und dieser Fuß war oft recht schwankend. Er kam aber immer glück lich heim. Eines Abends mochte er doch zu viel desGutsen getihanhaben unsd schlief unterwegs unter den Matussubäurnen der Shogunfeste ein. Ein Polizist famd den Schläfer, hob ihn auf, setzte ishn be hutsam in eine Kuruma und fsuhr ishn in seine Wohnung, die der Schlaftrusnksene glücklicherweise noch anzugeben ver mochte. Dort lieferte er den inzwischen fest eingeschlsummerten Fremdling an den Koch des Hauses gegen Empfang schein ab. Dieser merkwürdige Schein hatte, wie später festgestellt wurde, etwa folgenden Wortlaut: »Hier-mit betenne ich, Sanjiro Matsuoksa, daß heute früh 4 Uhr 15 Minuten mein Danna (Herr), der Deutsche A. B» von dem Polizei mansn Jiro Ohta in triunkienem Zu stande, aber sonst wohlbethalten an mich richtig abgeliefert und von mir in Em pfang genommen worden ist. Totio. im 22. Jahre Meiji, am 10. Tage des erst-en Monats. Sanjiro Matsuoka.« (Stempel.) Erinnert das nicht an die schönen Zeiten des deutschen Studen tenlebenst Kein Heidelberger Nacht wächter hätte besorgter sum den Musen sohn der Neckarstadt sei-n können als dies-er brav-e Polizeimann ldes fernen » Ostens sum den Fremdling, der die Ge bräuche Altheidelberg’s in die Stadt » der Shogune zu Vserpflansen sich so er ; folgskeich bestrebt hatte. und da wirft ; msan dem Japaner Fremden-baß vori« -———-—-—— o - · ——--—-—»———— —- Man schätzt, daß zur Zeit etwa . 18,000,000 Stimmgeber im Lan-de le-. - ben, davon werden aber höchstens 75 Prozent stimmen. Bei der letzten Prä ; sisdentenwahl wurden 12,110,636 - Stimmen abgegeben.