Vor Diim Aus den Erinneruugen eines deutschen Ofsiziers. Bin sitheuu Caedte Es war zu Anfang des Jahres 1871. Mitten in Frankreich standen die deut schen Heere, mit Sieg unsd Ruhm hat ten sie das Land durchzogen, gefangen lag »das soanzötsvsche heer im deutschen Lande, gefangen der Frankenkaisez und der deutsche Waffenruhm Hang über Land und Meer! Nur noch in einzelnen Provinzen wogte der Was fenkamps; ganz besonders war es der Süden Frankreichs der zum letzten Male. was er noch an Kraft besaß, jetzt zusammengeroer hatte, um im erbit terten Kampfe, im Kampf bis aufs Messer-, doch noch etwas von dem alten Ruhme zu retten! Bot Dijon, dem zweiten Paris, Hand zu dieser Zeit, Ende Januar, eine deutsche Brigade dem itatienischen beiden Garibaldi gegenüber, der es unternommen hatte, dein Frankenvolke feine hülse anzubieten, und der hier vor Dijon ein den Deutschen an Zahl vier-such überlegenez, aber zusammen gelaufenes heer um sich geschaart hielt. —- Man wollte diesem frei-willig zuge sogenen ausländischen sheros die deut sche Tatze zeigen troh seiner Uebermacht, und ihn in engsier Umavmung festhal teiå in zdem selbst gewälnten Gefang . ni e. ( Es warder Abend des 21. Januar! —- Bom frühen Morgen schon hatte der Kampf gewiithetl Erbittert waren die beiden Gegner aufeinander gestoßen, und das Schlacht-seid war bedeckt mit Todten und Verwundetm Leichte Schneeflocken hatte der Himmel hernie-« hergesandt auf »die Stätte des Leides und der Schmerzen," die Wunden zu kühlen und die Todten einzubetten. Endlich war der Abend hereingebro-" chen und hatte dem Kampfe ein Ende gemacht. Auf dem Schlachtfelde selbst, kaum eine Stunde von den Mauern der Stadt entfernt, biswatirte die deutsche Scham-, während der Gegner ssich in der Stadt verschanzt shivlt Gegen Abend hatte der Schneefall nachgelassen, die volleMondscheibe war an dem düsteren Himmelsgewölbe emporgestiegen und beleuchtete weithin Odas weiße Leichen tuch, das der Himmel seinen gefallenen Söhnen gespendet hatte. Endlich war der letzte Schuß verhallt, endlich war Ruhe —- entsehensvolle Stille ringsum, rund die Truppen zogen «sich zur gemein samen Nachtruhe zusammen. Zu der deutschen Brigarde gehörten zwei Batterien ein-es Pommerischen Regiments, bei welchen zwei Freunde als Offiziere standen, ldie sich auf der Rriegssschule treue Kamerad- und Waffenbriiderschaft gelobt hatten. Beide hatt-en als junge Offiziere den Krieg mitgemacht, und der Zufall hatte es gefügt, daß die Batterien, welchen sie angehörten der.Brigade zum Zuge ge gen Dijon zugewiesen wurden. Heute waren die Batterien vereinzelt im Ge-1 fecht-e gegen den Gegner verwendet wor- . den, denn während die eine im Süden die große Hauptstraße den deutschen» Truppen deckte, war die andere Bat-; terie seitwärts im Gelände aus-f einer; An«höhe, näher zur Stadt heran, wälz read des heftigen Angrifer thätig ge wesen — So tam es, daß die erste Bat terie früher in’s Biwal einriickte, um nach dem heißen Tage die fiir Mensch und Thier nothwendig-e Nachtruhe zu halten. War tddch morgen ein neuer Kampf zu erwarten, man wollte dem Gegner hier auf dem Schlachtfelde wie der enstgegesntreten —- Doch Mancher fehlte, der am Mor en noch in Jugend lraft und Jungenämuth in’s Gefecht gezogen war; jsa Viele —- Viele — fehltenl —- Gelichtet waren die Reihen der Mannschaften, der Unteroffiziere, der Osffi-ziere; Viele lagen unter der weißen Schneedecke gebettet, gefallen im Kampfe für das Vaterland! Nur langsam fügten sich tdie Glieder der ein zeln-en Truppen zusammen. Nun end lich kam auch die zweite Batterie auf der Straße herangezogen, um Seite an Seite mit der Schwester-Damen die Nachtruhe zu halten. —- Gespenstisch iangsam kam in dem Mondlichte der Zug der Geschiihe näher und näher — neit bebender Scheu erwartet von einem Offizier der ersten Batterie — von Georg —, welcher,kvor seinen Geschü hen stehend, den Antonius-enden entge gM’sch- H »Wie langsam, wie langsam sie her ankommen,« sprach er vor sich hin, »es dauert Eine Ewigkeit!« Man sah Ihm an, wie ihn die Erns unsg, die Ungewißheit quälte! »Ich halte es nicht mghk aus, ich muß ihnen entgegent« tief er und lief in der Richtung der Straße vor. Athemloi sam et zu den Ankömm 1W, und rief dem Fishterdej ersten Geschüdes ist »We) isi Lieutenant Gersdorf?" »Lieutenant von Gersdorf,« sagte der Unteroffizier, ,,ist gefallen! Gerade als wir abfuhren, traf ihn eine Kugel ( Dort oben auf dem Hügel, da liegt er!«f »Todt!« schrie Georg und hob die hände zum himmel, »todt, Wem-r Werner todt!« —- Ein tiefes Stöhnen entrawg sich seiner Brust, er lehnte sich in stummer, verzweHlunxgsvoller Qual an einen Baustanrin der Straße. — Vorbei an ihm zog die lange Reihe der Geschütze und Wagen dem Lager zu Vor der Mitte der aufgefahrenen Geschütze saß auf einem umgestiirzten Eimer der Hauptmann und Führer der ersten Beitterir. Er hatte sich fest in sei nen Mantel gehüllt, und hielt sich zwi schen Wachen und Träumen, um jeden Zeit fertig zu sein zum Aufbaich'gegen « einen Ueberfall oder jedwede Tücke des Feindes. Während er so vor sich hin ftarrte, fiel plödlich der Schatten eines Mannes in das Monlicht vor ihm; er blickte auf und sah vor sich Geopg,den . jüngsten Offizier seiner Batterie. Ens staunt sah er in das verstörte Gesichth seines Lieutmants, schnell erhckb er sich und trat auf ihn zu· s »Was giebt s, was ist geschehean fragte et dringend »Nichts, was die Batterie angeht,« erwiderte Georg, bemüht, seine Erre gung nicht in seiner Stimmer zu ver- I rathen, »ich habe nur eine Bitte, einei ! l Bitte für mich« »Was ist Jhnen mir?" :Jch wollte um einige Stunden Ur-: taub bitten. » ,,,Urlaub Unlauh?« wiederholte derx hauptmann in höchstem Erstaunen.; »jeßt, hier auf dem Schlachtfelde, Ur-; lauh?« I »Mir für einige Stunden, für zwei Z bis drei Stunden!" . Und weshalb? Was haben Sie vor? —- Jch hin ganz erstaunt, wass» kann Sie bestimmen -——« ; Geng trat näher an ihn heran und sagte mit behendet Stimme: »Sie haben wohl schon gehört, Herr Hauptmann, daß Lieutenant Gersdorf! gefallen ist —- dort drichen aus detnj Weinber gshiige sk« l «,gAh« riefge der Hauptmann ,Siej sind Freunde, man nannte sie ja im mer: die UnzertrennlichenL Und nuni — wollen Sie? —- Gehen Sie den Ge- ; danken aus, den Ihr jugendliches heißes Blut erzeugte, ein Ding der Un- j möglichleit, Sie wollen dorthin —- wol-T len zu ihm?« s »,Ja « sagte Georg bestimmt, ich muß— ? »Unmöglich,« unterbrach ihn der! hauptxnann und legte voll MitgesiihH die band auf die Schulter des jungeren Kameraden. »Unmdglich, lassen Sie( ihm dort seine Ruhe, er ist gefallen irnj Kampfe, gefallen für das Vaterland, ; was könnten Sie ihm jetzt dort nützen ?« E »Wenn er noch nicht todt wäres« rief , Georg Massen Sie rnich gehen, habeni Sie Mitleid Jch fühle, ich weiß nie! mehr im Leben werde ich froh werdens wenn ich jeßt nicht dorthin tann, wenns ich ihn nicht noch einmal s-rhe!« i Bewegt fah ihm der Hauptmann in s; Gesicht und ickgkk »Es geht nicht! Jchg weiß, was Sie fühlen, wie Siei die Freundschaft, die Liebe zu dem Ka- i meraden bewegt und treibt; ja, lassen ZSie es mich Jhnen aussprechen, Sie stehen hoch m meinen Augen« Sie selbst wissen, wie ich Sie achte und schätze, oft « genug hahe ich es Jhnen gezeigt! " Georg, ja daß ich Sie liebe wie einen jjingeten Bruder, und ich flehe zum-. gnädigen Geschick, daß einst mein Kna be, der jetzt sdes Vaters zu hause ent behrt. Jhnen gleichen möge in fester Sinnesart und in männlichem Stolze, doch dies Ihnen zu gewähren, steht nicht in meiner hand! Nicht mir, nicht Jhnen gehört Jhr Leben, wir-schulden es dem Könige, dem Vaterlande, dem wir uns zugeschrooren haben! —- Nicht leichtsinniger Weise dürfen wir es auf das Spiel seyen, wir müssen es ansspas ten für den Kampf, für die Entschei dung!—— —Der Gang aber zu jener Höhe. die jeßt m den händen des Feindes ist, hieße hrLeden nnniih ruhmlos opfern onlichem Interesse! Ja, in der Schlacht mdgen wir den Tod finden, wenn wir ihn selbst in das Herz des Feindes tragen! Jeder Mann zählt km Felde dopwlt, unid ein kühnes her, wie Sie es hosißem ist tausend wert ! — Rein, Georg, ich sann diese Verantwor tung nicht aus mich nehm-en, stehen Sie ah zu bitten!« Ein dumpfe-: Klingelaut drang ausj des Brust des Lieutenants, er sah bilfe- , suchend m dke Augen seines Vorgefey-E f ten. »Ich habe mir das Alles schon selbst; gesagt, aber unvsonst. Ruh-los treibti mich mein Sinn im Lager wart-sey ich? finde keinen Frieden mein Leben bang,5 wenn ich ihn nicht noch einmal seh-U Auf der Krisgäschule haben wir unsj trene Waffenbrüxdetschaft gesehm-seen I jetzt ist an mir, sie einzulöfen er etwas-z tet wich, passen Sie mich gehen! Jch »komme wieder, in zwei Stunden bin ich: »zuriick!« - i »Oder nie!'· » »Wie soll ich Ihren Sinn erweichen,« Irief verzweifelt Georg. «Lassen Sie Fsich an Jhren Sohn erinnern, ihm wün-« ifche ich, daß er ein-it einen Freund sin Iden möge, der zu ihm halte in Freud kund Leid, in Schmerz und Tod, der ihn aussuche, wenn er unter Todten, noch lebend, sich nach einem freundlichen Blick sehnt! — Jch weiß, läge ich dort drüben. zum Tode getroffen, Werner fwäre gekommen durch Tod und »durch ) Gefahr!« . ; »Sie machen mir das Herz weich, Sie kverftehen zu sbittenl — So gehen Sie! EJch will die Verantwortung auf mich nehmen! Jch hoffe, Sie wer-den zurück-; stehrem der Ewige wish Sie beschützen! »Ich glaube noek an Wunder. und Iderj kalte Gott lebt noch! Gehen Sie, GeorgJ Haber seien Sie vorsichtig! Gott mit» Jthnen und kommen Sie zurückl« E Er zog-den Offizier in herzlich-r Erq Iregung zu sich heran und-küßte ihn auf "die1Stirn » Dankbar drückte ihm Georg die Hand, dann verschwand er schnell hinter den Gefchiitzem Hier rief er nach fei .nem Burschen Der tom herbei und hörte mit Erstaunen den Befehl seines Herrn, von dem Mantel die blanten Knopfe abzutrennen Verwirrt sah er ihn an, als habe er ihn nicht verstanden. »Du sollst die Knöpfe adschneiden,«« wiederholte Georg. »Die Knopfe?« ( »Ja. beeile Dich! Sie könnten mich verrathen hei dem hellen Mondlicht!« »Den iLieutenant wollen fort? Jetzt in der Nacht?« « »Ja. Du hast swohl sehst-L Linne nant Gersdorf ist gefa en, dort oben liegt erl« Milch, Herr Lieutenant, ich habe es getht, aber er ist todt und den Hiigel haben die Franzosen; OHerr Lieutenant, gehen Sie nicht, es niiyt ihm ja doch nichts!« »Still! Jch maß! Jch will selbst sehen, ob er todt ist! Bin ich in zwei Stunden nicht zurück, dann bin ich auch gefallen. und dann, Heinrich, bist Du mein Erhe, Du weißt, ich stehe allein! Viel ift es nicht, aber Alles, was der Koffer enthält, ist Dein! Du hast mir treu gedient und weer Du dann heim tehrst auf das Bauerngut Deines Va ters unld Du führst Deine Braut als Frau in die Wirthschaft, dann packe den Koffer aus und erinnere Dich dabei an Deinen Lieutenant im Kriege! Hier nimm,« er riß ein Blatt aus seiner Brieftafche und schrie-h einige Worte daraus, »mein Testament, damit es Dir Niemand streitig macht-—nun, so nimm doch!" Er steckte ihm den Zettel gewaltsam in die Hand. Der treue Bursche zit terte vor Erregung am ganzen Körper, noch hatte er keinen der blanien Kniipfe abgelöst. Jeyt hat er: »Nehmen Sie mich mit, Herr Lim tenant. Zwei vermögen doppelt so viel als Einer, nehmen Sie mich mitl« »Nein! —- Jch habe Niemand aus der Welt, ich kann schon abtommenl Auch würde Dir der hauptmann keinen Ur laub geben, das darf er nicht! —- Wie tin-geschickt Du Dich heute anstellst, gieb hier das Messer!« »Ach, Herr Lieutenant,« flehte Hein rich »Schweig! Jch will!« rief Georg. Kerzengserade stand der Bursche vor seinem herrnz seine zittern-den Finger lösten in Eile die hlanten Knöpfe von dem Mantel und er reichte diesen dem Ossfizier dar. Georg zog ihn an, setzte die Feldnriitze auf, steckte den Revolver in die Tasche und schnallte den Säbel fester um die Hüften. Dann gab er Heinrich die band und sagte: »Leb’ wohl! Vielleicht komme ich wieder, aber nicht ohne ihn! Watte nicht auf mich. lege Di hin und schlafe!« Dann schritt er e« ig davon Schaurig war den Weg! Der helle Mondschein hatte sich voll auf den blen denden Schnee gelegt; von der weißen Unterlage hob sich das weite Schlucht feld grauenhaft nnd entietlich ab. Wie in einer Laterna magiea storrten ihm die fett so stillen und doch so beredt zeu genden Opfer des Schlachtfeldeö entge gen. Uebereiniander und durcheinander lagen die vielen Leiche-n rings um ihn her, in jeglicher Stellung, wie sie der Tod getroffen hatt-e! Hier hob ein Leichnam noch jetzt die starren Hände zum Himmel, dort kniete ein Dritter nnd hielt noch in den Händen das abge fchossene Gewehr dicht vor dem Gesicht. Zerbrochene Fuhr-werte, Räder-. Pferde körper, Alles lag im wirren Durchein ander über das Feld zerstreut; mberi Alles lag still und regungslos auf und in der weißen Schnee-decke, Und der Mond hielt treue Leichenwacht bei den gefallen-en Söhnen der beiden in ge genseitigem Haß entbrannten Völker schalten Schnell war Geoeg über das Feld ge schritten; jetzt sah er die Vorpoften der eigenen Truppen vor sich, gab Losung und Feldgeschkei und trat nun aus dein äußersten Kreise der eigenen Bedeckung heraus Er stand am Fuße des Wein betghiigels, ·der sein Ziel war, und sah drüben am jenseitigen Abhange die Ba jonette der französischen Posten irn Mondscheine dlihem Hier stand er einige Minuten still und athrnete tief auf; die Erwartung ließ sein Herz so stürmisch schiagen, als wolle es die Brust zersprengen, aber mit gswaltsamerEnergiedriickte er das wal lende Blut zurück; er mußte und wollt-. ruhig und besonnen sein. Mit schar fem Auge til-erblickte er den Hügel, um die Stellung zu erforschen, wo die Bat-« terie im Kampfe gestanden hatte Deut lich hatten sich die Räderspuren der Ge schiihe in der Schneedecke erhalten, und er zählte diese Spuren. . »Zwischen diesen Geleisen muß er; liegen wenn ich ihn finde, was der Himniel geben möge!« sprach er vor sichs hin; dann sah er noch einmal scharf zu den französischen Posten diniibet« wickelte den Mantel fest um sich, tin-d den Obertörper auf die Hände nieder bengend, schickte er sich an, still und ge räuschlos den Hiigel hinauszutlimmemj Mühsam war es, die Hände erstarr ten ihm in dem losen Schnee und asus dem hartgesrotenen Erdboden, ost glitt er zurück aus der steilen, glatten Bahn, aber er ttallte seine Fingerniigel in den harten Erdboden, um sich Halt und Stütze zu geben· — Auch galt es, die feindlichen Posten im Auge zu behalten, si spähenden Feindesauge zu entdecken. —s Doch der eine Wunsch, in dieser Stunde das hdchste was sein Herz erfüllte, dort- ; hin zu kommen, wo er den Freund zu? finden hoffte, hätte ihn zu Allein, aucht zum scheinbar Unmöglichen befähigt, ———« und so hatte er denn triechend denj Gipfel des Hügels erreicht. — Wiederum sah er sich lebend in derJ Umgebung von stillen, starren Kamera- ’ den, todten Artilleristen, die bei ihren Geschützen — treu ihrem Schrvure — gefallen waren. Näher und näher kam er der Stelle, iwo sein Freund liegen mußte. Seine Brust teuchte vor inne jrer Erregunsg, er sah, er vernahm, er ysiihlte Alles, was um ihn herum war — diese ganze grauenvolle Todtenstille — srnit doppelter Sinnesschärfe· Er stützte idie Arme auf den Erdboden und hob sden Oberlörper höher empor, um eine Hoeitere Umfchau zu halten, ließ doch; das Mondlicht Alles um ihn deutlich! i genug erkennen. »Da liegt er!« Jeyt war er heran, er berührte mit den händen die Füße des Körpers sei nes Freudes, die ihm zugewandt lag-en. Nun tonnte er sein Antlitz sehen. Aus , dem Rücken lag Wrrner. das Gesicht nach oben gekehrt, mit unbeweglichen Augen aufwärts in das Mondlicht Tftarrend Da bemerkte Georg, wie die Brust des Wunden leise athmete, hastig lehnte er sich über ihn, der die Hände fest auf eine Schußtvunde in der Seite gepreßt hielt. —- Er legte seine heißel Wange an das Gesicht des.Freundes.i um es zu erwärmen, da hörte er ihn leise utid mit Anstrengung sagen: »Georg? — Dankt Jch wußte, Du würdest kommen, ich wartete auf Dich —- nun sterben!« ,,Nein'«, rief leise Georg, »Du darfst, Du sollst nicht! Jch trage Dich von hier, Du wirst gerettet, Du darfst nicht sterben, Werner!« ,,Georg«, flüsterte der Verwundete, »ich habe Abschied genommen von der Wett! Vater, Mutter —- Schwester! —- Dort oben dem Mond und den Ster nen habe ich’s gesagt, die sehen aus sie herab, wie auf mich! — Nur Dich, Georg, Dich wollte ich noch einmal fehen, Dir noch ein-mal dansien stir Dei ne Treue! Weißt Du noch, aus der Kriegsschule —- nun bist Du da; im mer wenn ich Dich brauchte, warst Du da! —- Leb wohl, Georgi« «Rein, nein«, rief dieser außer sich, »ich lasse Dich nicht, ich ringe Dich dem Tode ab!« Gewaltsam nahm er die Hände des Freundes von ver verletzten Seite und legte sie sest um seinen Nacken; er selbst schloß seine Arme um den Verwunde ten, und mit übermenschlicher Kraft suchte er rückwärts denselben Weg zu rückzngleiten mit der Last in den Ar men. Und es gelang. Langsam, um den Wunden möglichst zu schonen, der be sinnungslos an seinem halse hing, war» er zutückgsewichen bis zum Fuße dess hiigels, und nun stand er wieder in der schilt-enden Kette der eigenen Borpostem s-— hier machte er einen kurzen Halt, und seste sich, behutsam seine Last tra- . send, auf einen Stein der Straße, um auszuruhen, dann erhob er sich wieder und schritt etli davon, um dem Vet tvnndeten so s nell als möglich hülfe im Lager zu schaffen. Er bog jetzt von der Straße ab, quer über das Schlacht selo aus die lagernde Trupp-e zu. Plötz lich fühlte er, wie sich Werner regte, er« hörte ihn leise seufzen. »Hast Du große Schmerzen? Soll ich etwas still stehet-V »Nein, nein,« sliisterte der Ver-wun dete, »wir ist wohl. O, sieh dort«, er streckte sich an der Gestalt des Freundes empor, »der Vater, die Mutter, sie win .len,sie wehen mit denSchleiern! Schwe ster, singe es noch einmal, ich hatte einen Kameraden — Georg, Georg!« Ein tieses Ausstöhnen, dann sanl er an der Gestalt des Freundes leblos zu-« s-ammen. — Ein gewaltiger Schmerz erfaßte Georg. Jn namenlosem Weh stand er still und hielt rathlos den Kör per des Freundes in seinen Armen. Sein Blick starrte zum Himmel, zum Mondlicht empor. s ,,Todt! Nichts bleibt mir aus der. )Welt! —- Was ich liebe, wird mir ge-· Inommem Eins-am bin ich, wieder E alleint« ) Er löste den leblosen Körper sanft svon seinem Halse, legte ihn auf dieI IScheaveae und druckte dem Freunde Hdie Augenlider zu. ; Dann nahm er den Körper wieder inj seine Arme und trug sihn zum Lager; hinüber « Mit Ungeduld wurde et dort erwar tet Der hauptmann wie der treue Heinrich hatten oftmals ihre Blicke iiberl die mondbeschienene Fläche des Feldes sanoeifen lassen voller Unruhe »und Eos wartung Nun trat der Ersehnte end-; slich in den Gesichtskreis des haupt manns, der ihm freudig entgegenkam. ; »Da sind Sie, Georg! Geloht sei ?Gott, und heil und unverse rt«i« ; »Ja ja, « sagte Georg ster, »was isollte mir auch schaden! Doch hier — ier lebte noch als ich ihn fand; ich hoffte Zihn zu retten, lurz vor dem Lager starb er!« »Wie sriedvoll wie glücklich er aus Isieht, " fiel ihm der hauptmann in die Rxade »Leicht muß sein Tod gewesen sein So war Jhr Weg nicht umsonst, ;und das Andenken an diesen Tag wird Ihnen hoch stehe-Il« Georg sah auf den Todten und sagte leise: »Wald kommt der Morgen, ich will ihn begraben. Wer weiß, wie lange uns der Feind noch Ruhe gönnt!« «3uerst ruhen Sie ausf« mahnte der Hauptmann. »Ich fühle nichts!« erwiderte Georg mit wehem Ton in seiner Stimme »Nichts habe ich gethan. Was ich that,; war umsonst. Lassen Sie es mich nun zu Ende führen, ihm die letzte Ruhe-I stätte bereiten-« ! Er wandte sich und ging mit seiner Last den Geschützen zu. Freudig lami ihm heinrich entgegen; doch Georgl wintte ihm, ruhig zu sein, und legte den Todten neben sich zur Erde ,,,Schnell schaffe zwei Spaten und Haan von den Geschützen wir wollen1 ihn .degraben, der Tag ist nicht mehrj ern « Eilig lief Heinrich, das Befohlene zul holen, und tam zurück. 1 »Nun komm! Dort an der Straße zwischen den drei Bäumen wollen wir] ihn begraben« den Platz findet man im mer wiedert« Still machten sie sich an die schwere Arbeit. Endlich war die Grube fertig, das Grab bereit. »Geh’ zurück, Heinrich, das Uebrige besorge ich.« Der Bursche ging langsam zum La Georg kniete vor dem Todten nieder. Behutsams nahm er ihn dann in die Arme, stieg mit ihm in das Grab und Elegte ihn sanft auf den Boden nieder. Dann schwang er sich hinauf und deckte ihn vorsichtig mit der aufgefchaufolten Erde zu. — Der Morgen war unterdessen herauf getom.men, und als er Abschied nahm von dem Grabe, hörte er schon einzelne Gewehrfchiisse herüberfchallen, die Kom mandorufe zum Fertigmachen, zum Aufhruch in die Schlacht, und er eilte dem Lager zu! Wieder wogte der erbitterte Kampf auf der Schlachtfeldebene. hin und her schwantte das Glück. heiß wurde auf beiden Seiten um -die Krone des Sieges gerungen! Verzweier mehrten sich die französischen Bataillone, sie wollten die Stadt nicht den händen des verhaßt-n, überall siegreichen Feindes überlassen. Aber zähe hielten die Deut sche-n fest, was sie hatten. Schritt um Schritt drangen sie unswiderftehlich vor, unbekümmert darum, wie der Tod die kleine Zahl der Kämpfer immer mehr und mehr lichtete. Seite an Seite mit dem Bataillon gingen die Batterien vor, unaufhörlich rollten die Geschütz donner, tönte der hurrahruf der stür-· menden Schnar, zurück zwang sie die franziisischen Truppen, und als die Sonne sich dem Untergang neigte, war Diion genommen, in den Händen der Deutschen slag die-Stadt, und in eiligem Marsche flohen die auseinanderge fprengten hausen des italienischen-Füh rers in die sichere but der nahen Berg siädte von Burgund. Vor den Mauern lder Spdt sammel ten sich die siegreichen Truppem um, wenn Alles beisammen, was übrig und lebend geblieben war. den Einzug in die besiegte Stadt zu halten. Während der - Kommandeur wegen der Uebergabe der Stadt unterbandelte, benutzten die Truppen die Zeit, soweit es anging. um ihre Berwundeten und Todten zu sam mein. An dem Grabhii el zwischen den drei Bäumen an der åttaße standen vor einer frisch ausgeworfenen Grube die drei einzig übrig gebliebenen Offiziete der beiden Batterien, unter ihnen det hauptinann Sie hatte-n die hean ab genommen und schauten hinab aus den Kameraden, den sie soeben dort hinein ebettet hatten zur Seite seines Freun s. hinter ihn-en stand Heinrich unsd drehte in seinen Händen ein eilig aus Baumstämmen mitStricken zusammen gebundenes Kreuz; er hielt die Augen nieder-geschlagen stand still und « re gungslos und blickte aus seinen todten herrn hinab, den er dort unten hatte mit hineinlegen helfen zur lehren Ruhe. s Jeßt sprach der Hauptmann: »Ja, der Krieg verschlingt die Be ssten; mit dem Ehrenzeichen, das sie sich Inn heißen Kampfe für das Vaterland erworben, auf der Brust, das Lorbeer skeig in den Händen schweben sie iekt Ivereint den seligen Gefild-en zu. Voll Bewunderung, voll Stolz, daß sie zu suns gehörten, blicken wir ihnen nach sund preisen sie glücklich Jn der Blüthe sder Jugend, in der Vollsten Kraft, un getrübt den Sinn von Sorgen und Mühen des Leidens, vereint in treuester, in innigster Freundschaft bis in den Tod und über den Tod hinaus, erfüllte sich ihr Geschick! Jm Kampfe fiir das Vaterland starben sic, die ehrende sWunde auf der Brust! Schön war ihr Leben, schön ihre htiiderliche Freund schaft, ehrenvoll ihr Streben, doch am sschönstem am ehrenvollsten war ihr sTod, ihr Tod auf dem Schlachtfelde! Wer weiß, was uns das Geschick noch bringt, doch was es auch sei, schöner als sie löniien wir nicht enden! Ja, das höchste ist, für das Vaterland zu ster ben.« «A·menl« sagten leise die beiden an deren Offiziere, dann griffen sie eilig zu den Geräthschasten und füllten vdie Grube! Ein hügel umschloß jetzt die entseelten Hüllen. Nun war das Grab gethiirmt und der hauptmann sagte zu Heinrich: »Wir gehen zu den Batterien, befe stige das Kreuz auf dem Erdhaufen, unser lehtes Liebes-seitdem bis ein wür s sdiger Denkstein, den das Vaterland sei snen Heldensöhnen spenden wird, an seine Stelle tritt!" s Mit zitternder Hand errichtete Hei-n rich das Kreuz auf dem Etdhausen, sdann sah er mit verstdrtem Blicke auf sden Grabhügel vor seinen Füßen nieder sPlötzlich schluchzte er laut auf mit aus gedreiteten Armen wars er sich iisber das sGrab, umfaßte es, und barg sein Ge s·siclit in der lockeren Erde s Da tönten helle Trompetenfanfarenl JDie siegreichen Truppen reihten sich aus sder Straße zum Einzuge in die gede smiithigte Stadt. hastig erhob sich sheinrich und eilte zur Truppe zurück. sStolz und mächtig erklang der Mitv riaruf, der deutsche Siegestlangl Von s den Bergen hallte er wieder; er rief den Todten das letzte Lebewohl zu und er rief die Lebenden, theilzunehmen an der Freude des Sieges, an dem Ruhme des Vaterlandesl — Energischet Bescheid. Als der später berühmt gewordene Naturforscher Hartmann in Jena stu dirte, ging er eines Tages init mehr eren Anderen nach Weimar, woselbst gerade am hofe ein glänzendes Fest ten waren im Part beisammen, und hart-nann, der sich vor den übrigen Studenten durch Schiinheit, saubere Kleider und eine elegante haltung aus zeichnete, zog die Aufmerksamkeit der Großherzogin Amalie desondeks auf sich. Mit einem Male tritt ein Kain nrerdiener zu ihm. —- ,,Jl)re tiintgliche hoheit,« redet er ihn an, »lassen Sie durch mich fragen, ob Sie von Fami lie find?« —- ,,Allerdinigs,« antwortete hartknann kurz. —- ,,Und wohnt-« — »Aus Gotha.« — Kaum hatte der Kammerdiener die erhaltene Austunft der Fürstin überbracht, als sie Hart mann zu sich winkte. —- Nach einigen verbindlichen Redensarten sagte sie: »Aber mir ist teine adelige Familie Jhres Namens in Gotha belannt.« — ,,Bon Adel bin ich auch nicht,« versetzte hartrnanm allerdings aber von Fami lie, wie Jhre lönigliche Dobeit mich ba ben fragen lassen, denn wir sind zu Hause unser fünfzehn Geschwister, und das ist gewiß Familie genug.«