M um Diesitsädchew Humokeske von B. lW. Zell. »Nein, es ist nicht mehr zum Aushab ten mit diesem Mädchen!« Mit diesem « Stoßseufzer sank Frau Doktor Braune, ganz erregt und verärgert aus der Küche kommend, erschöpft aus einen Stuhl. »Hab’ nur Geduld Mama.« tröstete .Ella, die älteste Tochter. ,,Bald ist ja « die-Zeit überstanden und von dem neuen Mädchen verspreche ich mir, ihren Zeug nissen nach zu urtheilen, das Beste.« Frau Doktor richtete sich neubelebt em por. »Auch ich. Schon, daß es keine Berli nerin ist, beruhigt mich. Die Berliner Mädchen leisten jetzt wahrlich an Unver schämtheit Unglaubliches Jch kann den Tag nicht erwarten, an dem unser neues Mädchen anzieht und wir diese impertis nente Mamsell Minna los werde.«.« Nach Verlauf einer Woche war der so herbeigewünschte Tag erschienen und Minna zog ab; die Ersehnte freilich war vorläufig noch nicht da, sondern hatte durch eine fast unleserliche Karte mitge theilt, daß sie erst zwei Tage später zu ziehen könne, da die Reise einen Tag er forderte und sie vorher noch zu ihren Eltern aus’s Land fahren und sich dort verabschieden müsse. Als die beiden schwe ren Tage überstanden waren, erhob sich eine neue Kalamität: das Mädchen muß te vom Bahiihos abgeholt werden, denn wie sollte sie sich, wildfremd und uner fahren, in dem Höllentrubel eines welt städtischen Centralbahnhofs zurechtsin den? Herr Doktor mußte also das Kurs buch studiren und seine Hausehre machte sich aus, den weiten Weg zum Bahnhof einzutreten Nach drei Stunden kam sie zurück, matt, nervos, abgehetzt. Sie hatte vier Züge aus dem Osten abgewartet, sämmt liche weibliche Jnsassen der vierten Wa genklasse liebevoll gefragt, ob sie sich vielleicht bei Frau Doktor Braune als Mädchen für Alles vermiethet hätten immer dasselbe negative Resultat! »Aber jetzt in der Mittagszeit kom nien wieder zwei Züge, da mußt Du hin, Ella.« »Aber Mamal« »Weißt du vielleicht andern Rath? Soll das arme Ding gleich ibei ihrer An kunft Bauernsüngern in die Hunde sal len?« Dagegen ließ sich nichts sagen und gehorsam machte sich das Töchterlein aus den Weg, unt nach einigen Stunden in gleicher Verfassung und gleich resultat los, wie vorhin die Mutter, heimzukeh ren. Abends erschien wie gewöhnlich Ella’s Verlobter, um mit der Familie den Thee zu nehmen. »Das neue Mädchen noch nicht hier ?« fragte er verwundert, als er Mama in der Küchenschürze erblickte. »Nein, aber Du mußt gleich zur Bahn, lieber Ernst ——gerade jetzt kommen wie der Züg e.« ! Ella war wüthend und ihr BrautigamI sah nichts weniger als entzückt aus. Da es aber sein Grundsatz war, es mit der» Schwiegermania nie zu verderben, nahm! er schnellstens seinen Hut und ging. » Die Stunden verrinnen Ernst er scheint nicht. Ella sitzt im Erler nnds weint vor Aerger. Endlich, wenige MH nuten nach zehn, stürmt der Abgesandte die Treppen hinan-natürlich allein. ,,Keine Spur von einem Mädchen aus Gollub, Martia-, « berichtet er »Hab’ wie ein Detektiv herumgesragt——2llles vergebens Um Mitternacht soll aller dinæs noch ein Zug kommen « arl ist der Sohn des Hauses und seines Zeichens Primaner. Er ist em pört über die Zumuthuug, der neuen Riese wegen-bei ihin heißen alle Mäd chen Riese-seine Nachtruhe opfern zu sollen, aber Mama befiehlt und da ist nichts zu machen. Wüthend zieht er um halb Zwölf los, um gegen Zwei zurück zusehen-allein - Am nächsten Morgen ruht Frau Dot tor nach der zerstörten Nacht und allein Strapazen etwas länger als gewöhnlich. Da tönt draußen rasendes Klingeln, Frau Doktor fährt aus. Gleich darnach steckt Ella den Kopf zur Thitr herein: »Das neue Mädchen, Mania.« »Gott sei Dann-« Die Hausfrau hastet in die Kleider-s und stürmt in die Küche »Aber liebes Kind— wir haben sie seit drei Tagen er- T wa«rtet— »Hab’ ich Zug versäumt-und noch- ( mal Zug versäumt—aber alle Arbeit nachholen!« ! Frau Doktor betrachtet nun die neues Gehälsin näher. Eine kleine dralle, baue rische Gestalt mit zinnoberrothen Backen nnd strohgelbem Haar, bat-, festgeflochten, sich wie angefleht mn den Kopf legt. Der nzug buntscheckig, armselig und vor süudsluthlich, almobisch-—nein, nett und entsprechend sieht das neue Mädchen durchaus mcht auöl Dennoch ist ihre eatzsckt »So lieb’ ich es, « meint sie zu ihrer! Tochter, die ganz niedergeschlagen drein schaut bei dein Gedanken , welch einen Eindruck diese unkultivirte Zofe auf Fremde machen wird. »Fein wird sie schnell genug werden. Nun Dienstbuch uud Papiere«— wendet sie sich wieder; Izunt Mädchen. »Und wie heißen sie ei amtlich-ich konnte den Namen nicht ientziffern » »Pelagis Przybvcztz « Mutter und Tochter staunen sich sprach los an und machen garnicht erst den »Versuch, den Familiennamen ftiit feinen, deutschen Lippen unmöglichen Zisch- und Nießlauten auszusprechen Aber der Var nahnie —,,wir können Sie in keinem Fall Pelegia nennen,« entscheidet endlich Frau Doktor. »Ich werde Sie in Ma rie umtaufen. »Das Mädchen, das au genfcheinlich das klare Hochdeutich nur schwer versteht meint »Kascha« wart ihr lieber. »Gut denn, Kascha klingt wenigstens originell.« Ell-i aber findet »Kafcha« schauder haft und macht sich ein Vergnügen da raus, die neue Duenna den ganzen Vor inittag recht schwungvoll »Pelagia« zu benamsen. Karl spricht, als er Mittags aus der Schule kommt, einfach nur von ,,Rieken«, die er übrigens gräulich fin det und der Doktor erklärt bei der Heini kehr, es fiele ihm nicht ein, sich fortwäh rend an neuen Namen die Zunge zu zerbrechen, für ihn heiße das Mädchen Minna, wie das frühere. So hat denn Pelagia Przybycrcz vier Rusnainen, aus die sie übrigens fänimtlich hört. Sie ver steht nichts, weder die Zimmer zu reini ;gen. noch zu scheitern und zu pupen oder den Tisch ordentlich zu decken -voin Ko chen garnicht erst zu reden Nach Verlauf der ersten Woche ist Frau Doktor sehr niedergedrückt, ihre TTochter erschöpft von all’ der ungewohn ten Arbeit, nur der Hausherr hat seine gute Laune nicht verloren —tvas Wun der auch! Er selbst hat eben unter der Mädchenkalainität nicht zu leiden. Wenn er nur das Spotten lassen wollte, denkt seine geplagte Gattin, aber er läßt’s eben nicht. »Ja, liebes Kind, es ist wirklich et was Schönes um so ein unverdorbenes Geschöpfchen vom Lande,« witzelt er eben wieder »Man kann Dir wirklich gratu liren zu Deinem guten Griff-ich findet übrigens, daß diese Pelagia- Minna- Ka schasRieke sich schon außerordentlich in den acht Tagen kultivirt hat.« ; »Nicht wahrs« fragte Frau Doktor ;eisrig, absichtlich den Spott überhörend. MJn ihrer äußeren Erscheinung ist sie )ganz verwandelt, ich habe ihr allerdings viel abgelegtes Zeug schenken müssen« Dabei klingelt sie, damit Kascha den Kassee bringe. Sie erschien nicht,auch aus wiederholtes Glockenzeichen und geduldi ges Warten zwischen jedem derselben. Frau Doktor eilte endlich in die Küche Ivoiii Madchen keine Spur. Aber da, itvelch ein brenzlicher Geruch iin Vor slur—sie hastet zur Mädchenstube und reißt sie aus— richtig gefunden! i Hell lodert hier der Spiritus empor,i »Pelagia·Rieke« steht mit glühenden Wangen davor und wühlt mit der noch glühenden Brennscheere im strohgelben Haar, dies halb versengend, halb zu wuchtigeu Ringeln kräuselnd die ihr Schlönglein gleich über das erhitzte Gesicht fallen. Doktor Braune wollte sich todtlachen, als etwas später ein schlangenumringel tes, halb versengtes Meduseiihaupt sich zur Thür hereinneigt und fragt: Soll ich jetzt Kassee bringen?« s Am nächsten Tage aber lacht er nicht. LSiesta haltend, liegt er halb träumend zaus dem Ruhebett in seinem Zimmer. die Augen geschlossen oder auch sie dann und wann gedankenversoren durch sein ibehagliches kleines Reich schweifen las send. Plötzlich aber zuckt er zusammen und öffnet sie groß und weit. Ja, was ist denn dao——träuint er wirklich? Er springt auf und eilt zu dem Postament in der Nische, aus dem sein Stolz nnd täg liche Augentveide, die Venus von Milo, genau nach dem Original im Louvre,; wenn auch in verlleinertem Maßstabe ge formt, sich erhebt. Da er sühlt und hört und sieht, träumt er also nicht, sondern ist völlig wach—und völlige Wahrheit ist es, daß die Venus vor ihm ohne Kops ;dasteht! i Er läutet Sturm. Erschreckt eilen TFrau und Tochter herbei und schauen sprachlos aus die enthauptete Göttin, zu welcher er in schmerzlicher Erregung hin weist. »Mein Gott, wie konnte das gesche hen? Gehen böse Geister um in unserem Hause ! « ruft endlich Frau Doktor außer sich. Ella aber flüstert ahnungsvoll nur das eine Wort: »Pelagia«! Und nun erscheint auch die Holde und fragt unschuldsvoll: »Hm sich vielleicht Herr geklingelt?« »Ja, ja, jal« schreit ihr der Doktor entgegen: »Haben Sie etwa hier den Mord aus dein Gewissen, liebliche Min u-Rieke?« · Kascha versteht diese Ausdrucksmise war nicht, weiß aber genau, um was es Ich handelt und en egnet mit derselben harmlosen Mhl chlein »Gott ja, —-hab’ ich heut früh mit Be sen bischen on Puppe do ge stoßen wuppdich gleich Kopf ab! Aber schod’t doch nicht —alte, kopntte Puppe ohne Arme-is sich kein gtosz Unglück, wenn auch Kopf wintich « Einige Tage noch der Enthonptung der Venuis kommt die Herrin eines Mor gens in die Küche und findet sich über strömt von einein wundervollen Duft, mit der die Lust nnd alle Gegenstände unt sie her durchtkäntt schienen Sie steht verblüfft, Unheil ahnend, denn dies ei genartig berauschende Aronm kennt sie ;nnr zu gut-es ist lkissp til-me, das neue jParsiini das Ella neulich von ihrem; Verlobten als Vielliebchen empfangen.’ IIst e- möglich sollte die untultivikte; Kascha sich bereite so weit entwickelt ha- s den daß sie dies Odeur von Ella e Toi lettentisch entwendet und ungenirt ver braucht bat? - .,Gekanst hat sich Pelagia— drübens in Apteie sich gekauft, « tönt der Duenna j Stimme. »Fränlein riechen immer so; sein und da ich nehmen Fläschchen von Tisch und zeigen drüben in Antele undi blossagen Das! Und gleich ich krie gen.« — Abends siht Ella mit ihrer Handar ! beit im Wohnzimnier, den Verlobten er-1 wartend. Die Thürglvcke tönt draußen. s Sie erinnert sich plötzlich, daß es zu Pe Z lagia s Besonderheiten gehört, das An- Z zünden der Fluranipel regelmäßig zu verpas« en und da sie fürchtet, es könne auch heute der Fall sein, ergreift sie die Lampe und öffnet die Thür zum Bor fliir. Richtig, alles dunkel. Und in der Dunkelheit dort am Eingang, die ihrer Lampe Schein nun plöhlich durchdringt —aber nein, jetzt nicht mehr! Denn die YLampe liegt im nächsten Moment zer-l schmettert am Boden und mit lanteins Ausschrei stützt Ella ins Zimmer Hin-i rück Die Mutter erscheint. s »Um Gatteswillen was.ist denn ge- i schehen2——hier Alles im Dunkeln-ichs höre Dich schluchzenttE Die energische »Frau hat schon nach den Streichhölzernl ;,getastei ein Licht stammt ans s ,,Laß das Licht, Martia-ich schäme! mich zu Todes« »Aber so sprich doch-was ist Dir be gegnet?« »Ich kam dazu, als—als——Ernsi un ser Mädchen im Arm hielt und-tüßte.« »Unglaublich—-—Du fieberst.« Und nun erscheint der Genannte selbst, ganz verblüsft und verstört um sich bli ckend. »Ja, ich biit’ Euch um Alles in der Welt, was geht denn hier vor?« »Das möcht ich Sie fragen, mein Herr-TI« sragt die Doktorin mit vernich iendem Hohn »Mehr-li- »mein Herr-»F Ja, haben tvir denn Alle den Verstand verloren? Ich klingele draußen, höre Frauenkleider rauschen, mann öffnet, ich erkenne am lris hinric- -,Dttft daß Ella selbst es Ist und schließe sie in meine Arme-Da steht sie plötzlich drüben im Schein der Lam pe vor mir und ich erkenne entsetzt, daß ich Eure lächerliche Nimm-Riese mit ei nem Kuß begrüßt habe « . Am andern Tage inserirte Frau Dok tor Braune eines neuen Madchens we gen. Bedingung: »Keine Unschuld vom Lande« m«.———« Ein Lob in’s Völtetdiatium. Von Friedrich Dernburg Man hat in Frankfurt den Jahres tag des Frankfurter Friedens gefeiert. Wenn dieses tin de sieclc bei seinem demnächstigen Uebertriit in das Gen-ei sene sein Abgangszeugniß eriheilt be kommt, so wird manches darin zu lesen sein, worüber die Weltgeschichie ihten ohnehin schon start wankend gewordenen JKops schüttelt. Eine gute Nummer ist iian gesichert: »Im Friedenhalten gut.« Nein —- ,,sehr gui.« Daraus können wir alle stolz sein, wir Zeitgenossen Denn der Frieden bleibt nicht von selbst, er muß an einer dünnen Strippe immer festgehalten werden. Ein Augenblick des Leichtsinns und der Unausinertsamteit—-und weg ist er. Nicht nur das Kriegsühren ist heute ein Kunstwerk, auch das Friedenbewahren ist eins, in mancher Beziehung sogar ein größeres. Ein Krieg entscheidet sich in einein Fetdziig durch eine organisirte Macht. Am Friedenhalten arbeitet, noch mehr als die organisirte Diploinatie, die ge sammte Masse der betheiligten Natio nen. Jn dieses Lob kann man Deutsche und Franzosen gleichmäßig einschließen, ioenn sie sich auch ganz verschieden be noin en haben, —- ein jedes Volk nach seine angeborenen und eingelebten Arn Der Deutsche ist nach nnd nach nicht nur in der Politik, sondern namentlich auch iin Weltgeschäft der Nationen, die beides lange sür sich in Anspruch ge noininen hatten, ein sehr gestiechteter Tot-current geworden. Die Stiinine X der Nationen sagte ihni nach, daß hinter seiner harmloe naiven Miene ein unge mein großes Quantiim Verfchlagenheit stecke —- jg daß diese Naioetät im Gan zen iind Großen nur die Deckung sei, vinter der die Verschlagenheit mit iitn so größerer Kraft nnd Sicherheit arbei ten lönne. Von unserem früheren sprichwörtlichen Joealienins ist außer halb der schwarz weiß rothen Grenz Tpiahle nicht mehr viel die Rede. Jn sunfereni Verhalten gegen Frankreich in Idiefen fünfnndzivanzig Jahren lag je? Ebenfalls nichts, was diesen Ruf verän jdern kann. ; Der Verlauf des großen Krieges hatte die Franzosen in ihren besten wie in ihren schlimmsten Empfindungen ktödtlich verletzt; ein leidenschaftlicher Han flammte bei ihnen auf, nicht niir gegen Deutschland als politische Orga nifation, sondern gegen die Nation als solche, gegen jeden einzelnen Deutschen. Selbst der Anblick eines Deutschen, der Ton seiner Sprache war ihnen uner iräglich geworden; nur im Zwang än ßerster Nothwendigseit erschien ein zranzoie aus deutscheni Boden. Wir haben wie nach einer gemeinsamen Ver abredung gethan, als merkten wir von dem allen gar nichts. Wir fuhren sort nach Frankreich zu gehen, namentlich nach Paris und der Rinier-a, wie frü her. Bei der großen Ansstellng im Jahre 1889 sah ich die Umgebung des in Rai: neu liegenden Schlosses von St. Cloud von siiigeiiden und lärnienden Deutschen belebt, als gälte es einem Schüpensest in upolda Wir lasen die Romane der Franzosen weiter, übersetzten ihre Schauspiele. lansten ihre Waare, ahmten ihre Moden nach, als läge überhaupt gar nichts zwischen ung. Jede Gelegenheit, die sich zu bieten schien, mit einem großen Schritt adgeschnittene Verhältnisse in einzelnen kleinen Faden wieder anzu spinnen, haben wir wohl oder übel sorg sältig benutzt. Aus alles andere waren die Franzo sen gefaßt. Aus unseren Ueberniuth, unseren Haß, unsere Verachtung — aber sdaraus nicht. Zuerst empörte es sie, es fsteigerte ihren Zorn; dann erstaunten zsie über diese gleichmlithige, nun-schüt stertiche »Gutmüthigteii«; —- dann sin gen sie an, sich daran zu gewöhnen, und schließlich begannen sie, uns sogar hier und da nachzuahmen. Einzelne Fran zosen wagten sich wieder über denNhein Erstaunt berichteten sie nach Hause, oasz ihnen nichts Unangenehnies begegnet sei, im Gegentheil — daß man sie mit einem gewissen Vorzug behandelt habe. tDarin Samen ihre Maler, ihre Gelehrten Fund Künstler — zuerst verstohlen, dann jiniiner kouragirter und dichter; im ver siossenen Winter hatten wir gleichzeitig zwei oder drei sranzösische Theatertrup pen in Berlin. Und wir lächelten freundlich weiter. Manchmal machte ein Franzose, durch unser harmloses Auftreten verführt, uns den naiven Vorschlag, Elsaß-Loihriu gen zurückzugeben und dann gerührt einander in die Arme zu sinken. Aber auch dann lächelten wir «blog, wie wenn man einer schönen, liebenswürdigen Frau mit Bedauern« etwas abschlagen muß. »Es thut uns unermeßlich leid; sonst Alles, was Sie wollen,—aber das geht aus tausend Gründen nicht.« An guten und schönen Worten aber haben wir Frankreich gegenüber nichts gespalt. Darin waren wir groß- —un iibertrefflich waren wir. Die Franzo sen waren ja fein genug, einzusehen, daß es nur Worte waren, die absolut zu nichts verpflichteten, —- aber sie waren einmal den Kultus der »was sonstwie-« des schönen Klanges, der ritterlichen Aeußerlichieit und wie gegen ihren Wil len ging ein leiser Zug der Befriedigung über ihr verärgertes Gesicht. War es die deutsche Presse, die diesen Ton angeschlagen und ausgebildet hat, oder ist er ihr von dem Strom der alls gemeinen Meinung suggerirt worden? Es ist schwer, das auseinander zu wir ren —- aber auch unnbthig Genug, daß Presse und allgemeine Meinung sich in dieser Vollsdiplomatie vollständig deckten. Und auch unsere günstige Dis-leim tie ging den gleichen Weg. Am Anfang hielt es Fürst Bieniarcl für nöthig, noch hier und da den bekannten kalten Was serftrahl nach Paris zu dirigiren. Aber nach und nach ist unsere Diploinatie im mer höflicher, immer zuvorioinniender gegen Frankreich geworden· Sie ist die höflichste Diploniatie der Welt, sie bat immer eine lleine Gesälligleit be reit. Und selbst wenn sie hier und da einen kleinen Stoß zu versetzen hat, steckt die eiserne Faust sorgfältig ver packt in eine-n dicken Ueberzug von Baumwolle. Die deutsche Diplamatie, das dürfen wir ihr und uns heute ge stehen, hat musterhaft agirt. Meri tutirdigl Und es sind doch nicht lauter Tayllerands, die in ihr arbeiten. Aber »das Desstn ivar at. ä Eines ist dabei natürlich zu kurz ge ltil-innen- der humor, die satire tin Völkerlebeu das kranc parier, wie es »die Franzosen nennen — naisenilich bei uns. Was hat der alte Iris —- seiner-; zeit der typischste aller Deutschen —- da rin Alles geleistet! Seine Zunge war mindestens gegen seine Gegner io schars wie sein Schwert, und er that ihr nicht den mindesten Zwang an. Sein Wort von den drei Untetröckem mit denen er Krieg führe, das er in unzähligen bas Hhasten Wendungen variirie, hat in Ver sailles, in Schönbrunn und Moskau nicht minder verdrossen, als die Nach richten von den Niederlage-n ihrer Ar meen. Sicher ist ihm sei-i Wiy auch theuer zu stehen gekommen; aber sein grimmiger, niederdeutscher Humor hat ihn bei seinen Landsleuten erst so recht zur volksthiinilichen Persönlichkeit gemacht und den Volksgeist veranlaßt. ihn in zahllosen Legenden nachzudichtem Jn Frankreich ist der Napoleonlultus in der Literatur mit einein Mal wieder hoch gekommen; er iiiuß daher auch in dein allgemeinen Bewußtsein Widerhall gesunden haben. Hat Jemand jemals von einem Witz, von einer humoristi schen Anwandlung Napoleons gehört? Sein Pathos war großartig, stilvoll, poetisch Aber immer aus dem Kothurn —- das ermüdet aus die Länge, schmeckt nach der Mache, nach der Theaterschule Talmas. Die beiden Jtaliener —- Na poleon und der Papst-haben sich, als fie sich in Fontainehleau begegneten, richtig durchschaut, und in den Worten, die sie sich gegenseitig zuzischten-— coininediante, tragedinnte — auch richtig charakteri sirt· Aber an diesem Pathos berau ichen sich die Franzosen immer von Neuein, es scheint ihnen durch so viel Jahre der schrecklichsten Kriege nicht zu theuer bezahlt, dies blutgetriinite Pa thos. Man muß eben mit den Fraii zosen in ihrer Sprache zu sprechen wissen. Von allen Europäern versteht das ini Augenblick am besten-der deutsche Kasser. Die Franzosen haben zu ihm ein persönliches Verhältnis gefunden, und von allen Deutschen ist er vielleicht zur Zeit der am wenigsten Undeliebie in Frankreich. So ist er nicht nur durch seine äußere Stellung dazu berufen, an dem Gedenltag des Frankfurter Frie dens das Wort vor den beiden Natio nen zu führen. Fünfundzwanng Jahres Frieden mit Frankreichs Das ist in der That ein Tag, an dem man sagen muß: Siehe still und sei dankbar. Wer häiiedas. gedacht. Und wenn es nicht absolut geii wiß wäre, man würde heutzutage noch die Möglichkeit bezweifeln Die Franzosen im Jahre 1871 gesZ mahnten an die Spieler, die an derz Börse unglücklich spekulirt haben undi ein furchtbares Geschrei auffchiageihs weil sie angehalten werden, ihre Dissens engen zu bezahlen. Sie selbst natürlichs hätten ohne den mindesten Skrupel ih ren Gewinn —— das tinte Nheinuler — eingeftricheii. Auch nicht eine Stimme hätte sich dagegen erhoben. Da sie aber bekahlen mußten, wurden sie ethisch und moralisch, wie andere in gleicher’ Lage. Jch fürchte, daß auch das letztes Wort der Börsengefetzgedung des deut- ; schen Neichstags darauf hinauslaufiJ Ader unsere Bankiers sind verschwie-; geiie Leute, und nur ausnahmsweifes blamiren iie einen oder den anderen ih- » rer reichstiiglichen Ktienten durch einens kleinen Rechnungsauszug aus der Ver-; gangenheit. . I Der Spieler, der verloren hat, tröstet sich regelmäßig mit deni Wort: duel nächste Mal geht e besser An diesem Trost haben die Franzosen siinsiind s zwanzig Jahre gezehrt Man iniiß im l mer daran denken und nie davon spre- ! chen hatte sie Gambetta belehrt. Dieses Weisheit ihres großen Tribunen habend sie nur zur Halite befolgt; sie haben! stets daran gedacht und immer davonk gesprochen, vielleicht sogar mehr davon! gesprochen, als daran gedacht. Ders Würfelbecher stand immer aus demj Tisch, aus dem die eisernen Wursel sal-: len sollten. Ost genug wurde damit getlapver!; im entscheidenden Augen bltck wurde er aber itnnier wieder aus den Tisch gestellt. Das Spiel erschien doch nicht sicher genug, der Einsatz tvar zu hoch, und die Erfahrung hatte sie ge lehrt: wer verliert, bezahlt. Denn so sind zu allen Zeiten die lriegerischen Differenzen ini Vollerleben liquidirt worden« und nach aller Voraussicht wird ei- auch in Zuluttst so sein« Das einzig Richtige ist daher, keinen Krieg anzuian en. Zum "riegsühren ehdrenintmerztvei. Fast alle modernen Friege sind so ange sangen worden, daß beide Theile ihn wollten. Der Klügere Borsichtigere Mächtigen tann viel thun, den Krieg zu vermeiden Wer das in den leyten sünsundzwanzig Jahren gewesen ist — Franlreich oder Deutschland —- will ich nicht untersuchen. Aus verschiedenen Motiven sind fie schließlich zum gleichen Ergebnis gekommen. such im Voller lebeit ist es wie bei deni Einzelnen, daß alles daraus ankommt, sich gute Oe tvohnheiteit anzuerziehent Jahren wir also sort. . . . Mitteliilterliilier Adelshoihiiiiith. Aus Budapest, 8. Mai, schreibt man: Die Gemahlin des Ministerprtisidenten Baron Banssh ist während der Nile-int umssesttage an einer Halseniztindiing ,,erlranlt«. Dieses AnginosFieber bil det den ledhastest erörterten Gespräche stoss in der gesamiiiteii Hosgesellichcist und weit darüber hinaus. Denn alle Welt weiß, was die Ursache der Erkran tung, oder richtiger gesagt: der Krank nieldung gewesen ist. Kaltherzigstes Standdoruntheil und jene Grausamkeit, die aus den Höhen« der Gesellschaft ge rade bei den Damen leider so ost zu sin den ist, hoben die Gemahlin des Mini sterpräsidenten gezwungen, sich zurückzu ziehen. Baron Banfsy selbst gehört dem ältesten magharischen Adel an, aber sei ne Giittin lann sich keiner adeligen Ab lunft rühmen. Sie stammt von bürger lichen Eltern. So ehreniverth diese Ab stammung auch sein mag, das ist ein Verbrechen, sitr das in gewissen Kreisen und bei solennen Gelegenheiten keins-Isar don gegeben wird. Der Ministerpräsis dent steht schon kraft seines Unites bei den Milenniunissesten des Hoses stets in erster Reihe und seine Gemahlin hat da durch den Vortritt vor vielen Damen der Aristotraiir. Für den »Enipsang bei Hose«, der dieser Tage die Räume der Osener Burg mit dein höchsten Glanz ungarischer Adelsherrlichteit füllte, stand der ersten Frau des Staates manche lränlende Jgnoriruiig, manche abweisen de Miene in Aussicht, und to zog sie sich denn eine osfizielle Halsentzitiidung zit, ja man spricht davon, daß Frau Ba ronin Banssh vielleicht die hauptstadt oder wohl gar Ungarn sür längere Zeit zu verlassen gedenkt. Aehnlich ist der Standpunkt, aus dein der weibliche Hoch adel gegenüber der gleichsalls bürgerli chen Gemahlin des HandelsniinistersDr. Daniel steht, aber hier ist die Sache lan ge nicht so aussallend, wie bei der Frau des Ministerpräsidenten, umsomehr, als die Politik diesem Verhalten gegenüber der Baronin Baiissh nicht ganz sei-ne steht. Noch zittert in einein großen Thei le der ungarischen Astolratie der Jn griniin nach, von dein die Magnateiige sellfchast iiber die von der liberalen Var iei nach lan en Kampsen errungene Ci villehe ersüåt war. Die Partei des Gra sen Ierdinand Zichh, die einen stattlichen Theil des Gotha’scheii Almanachs dar stellt, ist im Reichstag und endlich sogar iiii Magniitenhaiiie unterlegen, aber aus dein spiegelnden Parlet der Cereinoniens säle sithli sie sicheren Boden unter den Füßen. Worüber heute ganz Budapest wache ist nicht die Rache des Löwen, sondern die des Skorpions, aber eine Rache ist es doch!-—Wie weit ist doch manchmal der Adel davon entsernt, wirt lich edel zu sein!« Benutzung der Erdwärmr. Eine wichtige Aufgabe für die Jn genieure der Zukunft wird darin be stehen, ein Bohrloch von etwa 2 bis 3 eng-l. Meilen tief in die Erde zu treiben, um die Jnnenwürme der Erdtugel aus zunutzen. Man behauptet, daß die Er reichung einer solchen Tiefe recht wohl mit den Maschinen und Methoden des »ioinmenden« Techniters möglich sei. 200 Grad Celfius warmes Wasser, das durch dertartige Tiefbohrung zu ge winnen wäre, würde nicht allein als HeizinitteL sondern auch als Kraft quelle vielseitig zu verwenden sein. Jmmer zur Verfügung stehendes bei-«l ßes Wasser würde natürlich wesentlich billiger sein als tünstlich erhitztes. Mit Herstellung des Bohrloches wären alle Unkosten zu Ende. Die Röhren wür den, wenn sie gut sind, unbegrenzt lange halten, und da die Vorräthe der Natur keine Erschöpfung befürchten lassen, müßte dies Verfahren die größ ten Vortheile bieten. Können wir durch genügend tiefe Bohrlöcher einen fortwährend fertigen heizapparat ber stellen, so wäre eine ernste Frage des Bikltserlebens in befriedigendster Weise ge ö t· Hartgefrsttetr Richter: »Sie geben also zu, Ihren Wohlthäter bestohlen zu haben- Schä tnen Sie sich nicht, einen Mann, der sich so warm Ihrer angenommen, der— —-« Angeklagten »F bitt’, err Richter, tverden’s net feutintentqlii t« Unter Ehesnännern. »Meine Frau hat sich vergangenen Sonntag in der Kirche io erkåltet, daß sie heute noch kein Wort sprechen Iann.« »Donnertvetter, in welcher Kirche war dass-« W-—-—...» VomRegenindteTrauir. - Dante: »Mein herr, ich bitte unt Ih ren Schut. Jener Zudringliche ver folgt mich fortwährend-« rr: »Bitte sehr! Wenn ich Ihnen er gefalle -«