Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, June 05, 1896, Sonntags-Blatt., Image 11

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    .Ja, ja," erwiderte er, ohne sich auch
nur einen Augenblick zu besinnen. »Du
hast mich bezwungen, Alles, was Du
forderst, soll geschehen. Gebiete über
mich, Du holdei Wesen, Dein bin mit
Leib und Seele!«
Jutta gab keine Antwort. Was
hätte sie auch sagen sollen? Daß sie;
ihm nunmehr glaube, daß dieser Glau· t
be ein seliges Empfinden in ihrem her
zen wachgerufen, und daß dieses herz
längst sein eigen wäre, hätte er nicht so
rauh und ungeftiim darum geworben?!
Nein, vor diesem Verrathe an sich selbst
wollte sie sich hüten. Kein Wort kam
über ihre Lippen. Schweigend folgte
sie ihm aus dein Gemache, das bisher
ihr Gefängniß gewesen, und erst dann,
ais sie an seiner Seite einen hohen
Saal betrat, kam ein Laut über ihre
Lippen. Und es war ein freudiger
Laut, ein Ausruf der angenehmsten
Ueberraschung, denn die Männer, die
in jenem Saale versammelt waren,
kannte sie Alle. O, wie jubelte sie ihnen
entgegen, wie entzückt begrüßte sie die
Freunde ihres Vaters. f
Der Herzog aber behandelte diz Her
ren förmlich als Gefandte des Königs
und erklärte kurz und bündig« dasz er
Jutta ihnen nicht ausliefere, sondern
die edie Jungfrau selbst nach Schwein
furt zurückzubringen gedenke. s-—
Und so geschah es auch. Markgraf
Otto hatte das nicht erwartet. Er
machte große Augen und ein sehr fröh
liches Gesicht, als der Herzog vor ihm
erschien und, die Tochter dem Vater
über-gebend um Verzeihung bat für
seine rasche That.
»Ich gewähre Alles, was Jhr wollt,"
erwiderte Herr Otto, »doch nicht be
dingungslos. »Ihr miißt betennen,
dasz Alles, was ich in Würzburg beim
Baniett u Euch gesprochen, wahr und
richtig i . Oder wollt Jhr jetzt, wo
Jhr Euch, von Liebe verblendet, sogar
in die Gewalt eines Mannes begeben
habt, den Ihr getränlt, noch leugnen,
daß und die Liebe mancher Tborheit
fähig macht? Und wollt Jhr Euch stir
der noch vermessen, ein Weib zur Liebe
zu zwingen2«
Nein, das wollte der herzog nicht.
Er tniete vielmehr vor Jutta nieder
und bat herzinniglich um Erwiderung
feiner Gefühle. Da lachte der Mart
graf, und da er wohl merkte, auch Int
ta sei dem Herzog nicht abgeneigt, so
legte er die Hände des schönen Paares
in einander.
»Hier habt Jhr Euch und mögs
glücklich sein,« sprach er dabei. »Wir
aber wollen fortan sagen. dasz nicht nur
Noth, sondern auch Liebe Eisen bricht
und zurn Beweise dessen die Kette sorg
sam aufbewahren, die eines Liebenden
Schwert auf einen Streich zerhieb!"
Die hochzeit Bretislaw’s mit Jutta
fand einige Wochen später in Olrniitz
mit großem Gedränge statt, und to en
dete die romantische Liebesgeschichte
Bretiölaw’s und Jutta’s doch noch am
Altare.
Die lahme Martha
Von A. Fromm
Das gehört zu meinen frühesten Er
innerungen, daß ich an einernSonntage
in unserem Garten saß, während un
sere Mühle tlapperte und die Vögel
sangen, daß ich durch den Stateten
zaun zusah, wie die Kinder auf der
iese jenseits des Weges herumspran
en, und daß ich meine Wärterin frag
te: ;,Christine, warum bin ich eigentlich
lahm?«
»Das hat der liebe Gott so eingerich
tet, Marthchen,« gab die Alte zur Ant
wort. —- Eine ei entliche Antwort war
es nicht, das wu te ich wohl, aber ich
fragte nicht mehr, wen sollte ich wohl
fragen? Meine Mutter war gleich
nach meiner Geburt gestorben, mein
Vater hatte tagüber in der Mühle und
auf den Feldern zu thun und mein
Bruder Karl war, wenn auch etwas
älter als ich, doch zu jung, als daß ich
eine Aufllärun von ihm hätte erwar
ten lörrnen. A r für mich selber habe
ich oft nachgegrübelt: warum mußte
ich, die ich sonst gesund und start war,
diese vertrüvpelten Füße haben, auf de
nen ich als kleines Kind gar nicht und
später nur mit Mühe an Krücken gehen
konnte.
Jch war scheu von Natur, und mein
Gebrechen, das mich von anderen Kin
dern fern hielt, machte mich noch
scheuer. Jn die Schule schickte mich
mein Vater nicht; er wollte, wie er sag
te, nicht sehen, daß sein Kind von an
deren zurückgeseßt oder gar verspottet
wurde. Der arme Mann schämte sich
meiner.
So lam es, daß der erste Mensch,
der von außen her in mein Leben trat,
ein Brudersohn meines Vaters war,
der aus einem andern Ort in unsere
Stadt lam, wo er ein lleines stödti
sches Amt erhalten hatte. Er hatte
hier nur noch einen Verwandten von
smiitterltcher Seite, einen galligen, gei
»zigen alten Onkel, und so brachte er
iviele seiner freien Stunden bei uns zu.
ZEr kam zu mir wie ein frischer hauch
»aus einer Welt voll Farbenglanz und
fSonnenscheim er brachte Leben und
HIrohsrnn in unser stilles Haus« er lehrte
Imich lachen und mich meines Lebens
,freuen. Er war der Erste, der mich mit
imitleidigen Blicken betrachtete, der nie
fmit einem Wort auf mein Gebrechen
sanspielte. Er sprach gern mit mir,
ydenn ich war eine aufmerksame Zirhör
jerinz was er sagte, nahm ich in mei
jnem Herzen auf. Er blieb oft bei mir,
iwenn der Vater und Karl ausgingen.
»Mit Dir plaudert es sich am besten,
Martha," pflegte er zu sagen, »Du hast
etwas wunderbar Behagliches.«
Wie manchen Sonntagnachmittag
lim Sommer haben wir in der Laube
;gesessen, von der aus man den Weg
fübersah, aus dem die Spaziergänger
dem Walde zu zogen. Und wie thöricht
babe ich geträumt, wenn er fortgegan
gen war. Heute tann ich diese Thor
heit taum bereisen; aber, lieber Him
mel, ich war damals jung, ganz uner
fahren in Welt und Leben, und ich
hatte ein so warmes Herz in der Brust,
Iwie es nur jemals eine gehabt, die auf
zwei gesunden Füßen einhergtng
Um diese Zeit starb mein Vater. Jch
habe ihn betrauert, aber bis in mein in
nerstes Leben ging mir dieser Verlust
nicht. Er hatte mir mehr Mitleid als;
I Liebe gegeben, es fehlte an einem starten i
fBand zwischen uns. s« An unserm Le-!
lben änderte dieser Todessall wenig.j
liiarl nahm sich beständig der Mühles
"und der Landwirthschast an, die altes
iChristine waltete weiter im Hause, iso;
sich selber es nicht lonnte, und —-- was;
. die Hauptsache war —- der Vetter Hans
kiam in diesem Sommer noch viel regel
EMäßiger als sonst zu uns.
E »Weißt Du auch Martha.« sagte(
EKarl eines Tages lachend zu mir, »wa
Irum Hans, wenn er bei uns im Garteni
Tsitzt, mitunter plötzlich ausspringt und!
Esartlöust?«
! Jch schüttelte den Kopf; bemerkt!
jhatte ich es wohl, aber rnir nichts Be-;
sonderes dabei gedacht. I
i »Gib einmal acht,« suhr Karl fort,
»es geschieht jedesmal, wenn die hüb-«
fche Anna Leisten vorübergeht. Das
ist seine Flamme. Die Beiden sind
luntereinander einig; aber der alte
lholsn ihr Onkel und Vormund, bei dem
sie wohnt, will nichts davon wissen,
weil sie beide, Hans wie die tleine An
na, arm wie Kirchenmäuse sind.'«
Ich kann nicht beschreiben, was in
mir vorging, als ich ihn so reden hörte.
Da erst wurde mir klar, was alles ich
geträumt, gehosst geglaubt hatte. So
Ibald ich konnte, schlich ich in mein Zim
zmerchen, und da habe ich meinen
Schmerz und meine Thorheit ausge
;tobt und immer wieder voll Zorn,
sJarnrner und Verzweiflung gerufen:
»Warum bin ich lahm!« Als ob rnich
kdas allein von Anna Kersten unter
! schied. H :
E Nun, ich mußte mich wohl fassen,
kund als Hans das nächste Mal zu uns
Ham, war ich so ruhig, dasz ich thunx
Itonnte, was ich mir vorgenommen hat-i
i te, ich redete ihn aus seine Neigung und’
sein Verhältniß zu Anna an. So wie
ich das erste Mal darüber gesprochen(
hatte, war es, als hiitte ich alle Schleu-;
sen bei ihm geöffnet. Es sprudeltei
Alles bei ihm heraus, wie sehr er Annai
liebte, wie engelgut und holdselig sie!
war, und wie unglücklich sie Beide wa- J
ren, da ihr Vormund von einer Ver-!
heirathung zwischen ihnen durchaus?
ni ts wissen wollte. »Aber wir lassen
ni t von einander, das haben wir uns»
lgeschworen,« schloß er. »Jch·«bin soi
For-, daß ich mich Die gegenüoek aus-i
i prechen tann Martha,« sagte er. !
Einmal lam er ganz besonders ver-.
stimmt an. »Es ist zum Verzweifelnt"z
rief er auf meine Frage, was ihn quäl-;
te »Gerade jth ift eine Stelle bei der;
ftiidtifchen Sparkasse frei, und man hats
mir angedeutet, daß ich Aussicht hätte, »
sie zu erhalten,
Auf das Gehalt hin dürften wir wohl
dein-ihm Aber was hilft es? Mik!
fehlt das Geld zu der Kaution, die ich
stellen müßte« i
«Wiirde Dein Onkel nicht bereit fein,
Dir das Geld zu geben, wenn Du sag- i
t«eft, um was es sich fiir Dich hande?
fragte ich.
»Der?« Er lachte bitter, »der ver
gräbt fein Geld lieber, ehe er mir einen
Pfennig gibt. Nein, nie. Für mein
Harmeg fiifzes Lieb und mich giebt es
einmal tein Glück-« Die hellen Thra
nen traten ihm in die Augen.
Jch grübelte die ganze Nacht hin
durch und am folgenden Tag, bis ich
meinen Plan fertig hatte. Jch erzählte
meinem Bruder, was bang mir von
jener Anstellung und der erforderlichen
Kaution gesagt hatte. »Ich will ihm
helfen,« feste ich hinzu, »aber ich lann
eö nicht ohne Dich. Er soll das Geld
von mir haben, mein mütterliches Erb
theil reicht gerade aus. Aber er darf
es niemals erfahren, daß es von mir
kommt, hörst Du wohl? So wie ich
merke, daß er eine Ahnung davon hat,
springe ich dort in den Mühlgraben!«
Karl sah mich an, als zweifelte er an
meinem Verstande. »Wie ist das anzu
fangen ?« fragte er.
»Ich habe es mir überlegt. Sage
ihm, der alte Schreiber« —— das war
der geizige Onkel-— »habe sich ent
schlossen, ihm das Geld zu schenken;
aber er stelle die eine unerläßliche Be
dingung, daß Hans niemals gegen ir
gend Jemand, ihn selber nicht ausge
schlossen, die leiseste Anspielung darauf
machte. Er fürchtete sonst, von seinen
übrigen Verwandten mit Bittgesuchen
überlaufen zu werden. So mußt Du
es machen, hörst Du?«
Karl sah mich mit einem Gemisch
von Verwunderung und Rührung an.
»Martha,« sagte er und strich mir mit
der Hand über die Haufe —— die erste
Liebkosung von seiner Seite, deren ich
mich erinnere —- »ich glaube, Du bist
viel besser als wir Alle, nnd ich glau
be ——«
»Du hast gar nichts zu glauben, als
daß ich Hansens Jammermiene satt
habe,« sagte ich kurz. Jch wußte, ich
hätte den Gedanken nicht ertragen, daß
Hans sich mir gegenüber verpflichtet
fühlte, ich wollte ihn nicht durch Dant
barteit an mich fesseln
; Karl that, was ich von ihm wollte,
»und Hans nahm die Freundschaft mit
großem Jubel, aber ohne fonderliche
Verwunderung auf. Wenn ein wirk
Jliches Wunder geschehen wäre, um ihm
Izu seinem erfehnten Glück zu verhelfen,
ifo hätte-er das nur in der Ordnung ge
funden. Der Einzige, der sich wun
derte, war vielleicht der Onkel Schrei
ber, der sich bis zu feinem bald darauf
ersolgenden Tode von feinem Neffen
;mit ganz besonderer Hochachtung be
handelt fah
Nun führte Hans mir glückstrahlend
feine Braut zu. Und ich muß sagen:
der Ausdruck ,,holdfelig« paßte ganz
und gar auf sie. Aber ich fah auf den
erften Blick, daß ich nichts hatte, was
sie anziehen konnte, daß wir einander
Hfremd und fern bleiben würden. Und
ffo gefchah es auch. Nach der Hochzeit,
bei der ich nicht anwesend war. da fie;
noch in der Trauerzeit um meinen Va
ter siel, besuchte mich das Ehepaar noch
einmal. dann blieb es fort. Die Ge
burt eines Sohnes zeigte Hans mir
später schriftlich an, und ich, die ich
überhaupt kaum unfer Haus und feine
nächste Umgebung verließ, betrat feine
Wohnung niemals.
Es wurde immer einsamer um mich.
Auch mein Bruder verließ mich. Er hei
rathete die Tochter eines Mühlenbe
sitzers im westlichen Deutschland und
blieb dort, da sein Schwiegervater die
Leitung des Gefchiists in feine Hände
legte. So blieb ich allein in dem alten
Hause mit einem tüchtigen Wertführer
und einer zuverläfsigen Magd, welche
an die Stelle der mittlerweile verstor
,benen Christine getreten war. Aber
i
ich war nicht so einsam, daß nicht hin
zund wider ein Gerücht den Weg zu mir
Hand. So hörte ich daß Hans und feine
1hübsche Frau weit über ihre Verhält
Fnisse hinaus verfchwenderifch lebten.
TES geht kaum mit rechten Dingen zu,
fDingenzu hieß es. »Es kann einchfift
!
hieß es. »Es kann ein fchlimmes Cndej
»nehmen« Jch hielt solche Reden für
»Uebertreibungen und dachte mir nicht
Jviel dabei.
s Aber eines Abends im Herbst er
Ifchien Hans bei mir, aufsallend blaß,
erregt und verlegen. »Du wunderft
lDich über meinen Besuch, wie?« fragte
.er.
»Ich sreue mich, daß Du noch an
mich denkst, « gab ich zur Antwort,
;,,aber fehlt Dir etwas?«
; »Etn)as, viel, AllesX sagte er mit ei
lnem kurzen, rauhen Lachen. Er ging
lein paar Mal bin und her, dann blieb
ler vor mir stehen »Wir sind immer
gute Freunde gewesen« nicht wahr,
lMarthM Und wenn ich so lange nicht
zu Dir gekommen bin, so lag das wahr
hastig nicht an mir.«
; »Halte Dich nicht mit Entschuldig
»ungen auf,« unterbrach ich ihn. »Ich
habe Dir deswegen leinen Augenblick
jgeziirntN
» »Nun wohl. So komme ich zu Dir,
wie der Freund zum Freunde. Mar
tha, willst Du mir helfen? So wie
Du mich hier siehst, bin ich ein ruinir
ter Mensch. «
; Jch starrte ihn sassungglos an: »Wie
ist das inöglich?«
»Wie ist das möglich,« rief er heftig,
»wenn man eine hübsche Frau hat, der
man nichts verweigern kann, nnd da
bei ein Gehalt, das allenfalls fiir das
Notbwendigste ausreicht! Um es kurz
szu fassen: ich habe mich an der Kasse
vergriffen, und wenn ich den Mangel
nicht vor der nahe bevorstehenden Re
vision decke, bin ich verloren.« Er um
tlammerte meine Rechte mit seinen
beiden banden »Hils mir, Martha!
Jch habe Dich ja immer lieb gehabt,
viel mehr als Du denkst. hundertmal
habe ich es mir gesagt: Du wärft die
rechte Frau für mich gewesen, Du al
lein. Und ich hätte Dich geheirathet,
gewiß, aber warum mußtest Du lahm
ein!«
Das war die Frage, die ich oft in
Kummer, Zorn und fchmerzlicher Em
pörung gethan hatte. Jetzt erregte sie
nichts in mir, als Widerwillen gegen
den Menschen, der mir so lieb gewesen
war. Jch machte meine Hand los und
fragte kurz: »Wie viel brauchst Du?«
Er nannte die Summe mit dem Zu
satz, daß er sie,"wenn möglich, am
folgenden Tage haben möchte.
»Das ist unmöglich« sagte ich.
»Mein Geld steckt in unserem Geschäft«
an denk mein Bruder noch Antheil hats
Jch tann eine fo große Stimme nichti
herausziehen, ohne ihn vorher ,zu be-t
nachrichtigen; und es wäre nicht zu;
billigen, daß ich es thäte.« ;
»Aber Du hast ja noch Dein mütter
liches Erbtheil,« rief er, »darüber steht
Dir doch die freie Verfügung zu.«
»Ich habe es nicht mehr,« entgegnete
ich stockend. 4
»Das liigst Duft schrie er auf, Du
willst es mir nur nicht geben«
»Nun, denn,« sagte ich, »wenn Du
es wissen willst, das Geld wurde zu
Deiner Kaution verwendet. Dein
Onkel hat niemals etwas davon ge
wußt « l
»Du? Du?« rief er. »Und ich;
habe den alten Schreiber hundertmal(
wegen seiner Thorheit verwünscht. Das
Geld hat ja den Grund zu meinem Un
glück gelegt. Hätte ich es nicht gehabt,
so hätte ich die Stelle nicht bekommen
und die Kasse niemals angreifen tön
nen.«
Mir ekelt vor dem Menschen, der Al
les antlagte, nur nicht sich. »Du siehst
nun, daß ich Dir nicht helfen tann,«
sagte ich kurz.
» »Ist das Dein letztes Wort, Mar
!tha?« fragte er.
i »Mein allerletztes,« antwortete ich
Hund wendete mich von ihm ab Er
’murn1elte etwas und ging.
Die ganze Nacht und den folgenden
Tag hindurch hatte ich nur einen Ge
danken: Was wird geschehen?
Der zweite Morgen schon brachte
mir die Antwort: Hans war entflohen,
sein Vergehen war zu Tage gekommen.
Jch war froh, denn ich hatte Schlim
meres gefürchtet: daß er seinem Leben
ein Ende machen würde Aber die Be
suche der guten Bekannten, die mir alle
ein theilnehmendes oder austlörendes
Wort sagen zu müssen glaubten, wur
den mir lästig, ich ordnete an, daß Nie
mand zu mir gelassen werden sollte.
Dennoch tam nach einigen Tagen
mein Dienstmädchen mit der Meldung,
es wäre ein Herr da, der sich nicht ab
weisen ließe. »Der Hausherr des
Herrn Krafft,« setzte sie hinzu.
Jch ließ ihn eintreten, und der
Mann brachte sein Anliegen vor. Die
Frau und das Kind des Entflohenen
waren inr Hause zurückgeblieben, die
Gläubiger kamen von allen Seiten; er,
der Wirth, hatte eine bedeutende For
derung fiir rückständige Miethe, jetzt
gerade hätte er Gelegenheit, die Woh
nung anderweitig zu vermiethen, und
die Frau weigert sich hartnäckig, sie zu
verlassen. »Sie sagt nichts, sie geht
nur nicht,« schloß er seinen wortreichen
Bericht. »Da wende ich mich in meiner
Verlegenheit an Sie, Fräulein; Sie
sind ja die einzige Angehörige, die die
Leute hier am Orte haben.«
Jch versprach ihm, mich für die Sa
che zu interessiren, nur um ihn schnell zu
entfernen. Was ich thun wollte, stand
schon bei mir fest. Jch wollte um jeden
Preis die Erinnerung an das, was
.mein ohnehin trübes Leben verbittert
jhatte, los werden« Jene Frau mußte
Ifort von hier« solle es mich auch einiges
kosten. Jch mußte mir Ruhe vor Allem
ertaufen, was mit jenem Menschen zu
sammenhing.
Jch fuhr in die Stadt, in der ich seit
Jahren nicht gewesen war; aber ich
dachte nicht daran, wie seltsam das
war. Jch wiederholte mir nur, was ich
zu dem hübschen, leichtsinnigen Ge
lschöpf sagen wollte, das immerhin ei
nen Theil der Schuld an der Schande
;trug, die über unsern ehrlichen Namen
gekommen war.
Jch trat in das Haus-, und man wies
mich hinaus in ihre Wohnung. Die
Thür zum Vorsaal war angelehnt;
wie ich hinein und durch die kahlen
Zimmer ging, hörte ich in dem einen
eine scheltende weibliche Stimme, of
senbar die der Hauswirthim
»Nun wissen Sie, was Sie zu thun
haben. Jch bin nicht so geduldig, wie
mein Mann, ich werde mein Hausrecht
zu brauchen wissen.« ,
»O, aber ich kann doch nicht, »ich
weiß doch nicht wohin,« sagte eine an
dere Stimme in hilflosem Klageton.
Die Wirthin mochte das Geräusch
meiner Krücken gehört haben, sie steckte
den Kopf zur Thüre hinaus. "
»Ich bin die Kousine der Frau
-
PKrasst,« sagte ich. »Gehen Sie nur
ihinunten ich werde Alles ordnen.«
! Die Frau ging an mir vorüber, und
ich trat ein. Jn der äußersten Ecke des
kleinen Zimmers saß, scheu in sich zu
sammengeschmiegt, Anna Krafst, mei
nes Vetters Frau. Jhre großen brau
nen Augen sahen in hoffnungslosem
Entsetzen zu mir hin; ihre.Arme hiel
ten einen kleinen etwa dreijährigen
Knaben umklammert, nicht als wollte
sie ihn schützen, sondern als müßte sie
sich an ihm halten. Bei ihrem Anblick
vergaß ich meine eingelernte Rede bis
auf das letzte Wort.
;,Anna,« sagte ich, »ich habe von
dem Unglück gehört, das über Dich ge
kommen ist. Und ich wollte Dich fra
Jgent willst Du zu mir ziehen, bis Du
sein besseres Heim siir Dich und Dein
sKind gesunden hast?«
I Sie sah mich mit einem wirren Blick
»an, als verstände sie mich nicht. Dann
legte sie den Kopf an meine Brust und
weinte.
Wir drei, sie, ihr Kleiner und ich,
fuhren zu mir nach Hause, wo ich sie zu
nächst zur Ruhe brachte. Sie war so
elend, daß sie am folgen-den Morgen
nicht ausstehen konnte, sondern viele
Tage krank und bis zum Aeußersten er
schöpft dalag. Das hatte sein Gutes.
"Es war die Veranlassung, daß das
Kind sich schneller an mich anschloß, als
zes sonst wohl geschehen wäre, und daß
seine Aussprache zwischen uns erst statt
sfinden konnte, als wir aneinander ge
wöhnt waren und uns verstanden. Sie
erzählte mir Alles sreimüthig, ohne
ihren Mann anzuklagen. Jch sah es,
sie war zu unerfahren, zu vertrauens
voll und wer konnte es solcher Jugend
und Schönheit verdenken! —" zu sehr
geneigt, das Leben leicht zu nehmen
und gedankenlos zu genießen. Dann
lam, ganz unvorbereitet fiir sie, die
Flucht ihres Mannes, die entsetzliche
Ungewißheit, bis ihr llar wurde, daßj
und warum er sie verlassen hatte, ihre
vollständige Rath- und Hilflosigteii.
»Und dann kamst Du, Martha,« schloß
sie und zog meine Hände an ihre Lip
pen, wie ich mich auch dagegen wehrte.
Ist sk L
i Wir Drei sind zusammen geblieben.
Von ihrem Mann iam einmal unter
meiner Adresse ein Brief an sie. Kla
gen über das Unglück, das ihn auch dort
verfolge, fehr fadenfcheiniges Be
dauern, daß er nicht im Stande war,
sie und das Kind zu sich zu rufen, nicht
eine Frage nach ihrem Ergehen, keine
Adresse unter der sie hätte an ihn
schreiben können. Nicht lange darnach
erfuhren wir, daß er gestorben war.
Sie weinte eine Zeit lang ftill, als sie
es hörte, dann sagte sie zu mir: »Es ift
besser für das Kind, so wie es ist. Bef
ser, daß ich ihm sagen kann, daß sein
Vater todt ist, als daß ich ihm ver
schweigen müßte, wie er an ihm gefünk
digt hat. Aber nun haben wir Beide
nur noch Dich auf der Welt, Martha!«
und ihre Kindexaugen sahen mich bang
und doch voll vertrauender Liebe an.
Als ob ich es mir besser hätte wün
schen können!
Ehe ich schließe, will ich noch erzäh
len, was mein kleiner Ernst — er ist
jetzt neun Jahre alt und ein lieber ge
scheiter Junge —,unlängft zu mir sag
te: »Tante Martha,« fragte er: »wa
rum bist Du eigentlich lahm?« Und wie
ich ihn betroffen ansah, da ich aus sei
nem Munde die Frage hörte, die mich
vordem so oft gequält hatte, feßte er
hinzu: »Ich glaube ich weiß es; damit
alle Leute, welche wissen, wie gut Duj
bift, um Deinetwillen Mitleid mit an
deren Lahmen haben.«
Das ist eine tindliche Antwort. Aber
mich hat sie glucklich gemacht, und ichi
werde mein Leben lang nach keiner an
deren suchen.
-,- A-. —,- ,
Weibliche Miniizipacbkamte
l
I
I Das im County Smith im Prohibi
tionsstaat Kansas gelegene Städtchen
Gaylord kann sich ,,riihmen« das ein
zige Gemeinwesen im Lande zu sein,
iwelches durchweg von Frauen regiert
wird· Sämmtliche lokalen Aemter da
selbst befinden sich in Händen von
Frauen. An der Spitze der städtischen
Verwaltung steht Frau Antoinette L.
Hastell die zur demokratischen Partei
hält und kürzlich mit einer beträcht
lichen Mehrheit fiir einen zweiten Ter
min als Bürgermeisterin gewählt wor
den ist. Die Frau Bürgermeisterin ist
sin Ohio geboren. Sie besuchte in Mi
chigan die Schule und bald nachdem sie
die Hochschule absolvirt hatte, verhei
rathete sie sich und siedelte mit ihrem
Gatten, einem Bankier und bedeuten
den Landbesitzer, nach Gaylord über.
Der Ehe sind zwei Knaben entsprossen,
die im Alter von 17, resp. 14 Jahren
stehen. Als Stadt-Clerii fungirt
Fräulein FlorenceHeadlerx Sie ist
im County Mitchell in Kansas ge
boren und tam als 4-jähriges Mädchen
mit ihren Eltern nach Gahlord wo sie«
bis zu ihrem vierzehnten Jahre die ös
fentliche Schule besuchte. Siebzehn
Jahre alt trat sie in die Druckerei ihres
Vaters ein und redigirte bis zu ihrem
Amtsantritt den ,,Gaylord Hetald«.
Sie steht im 20. Lebensjahre und ist
von der Mahorin für einen neuen Ter
min als Stadt-Glut ernannt. Poli
zeirichterin ist die 45-jährige Frau
Mary L. Foote. Sie wurde 1851 in
Hennepin in Jllinois geboren und kam
vor sieben Jahren nach Gaylord. Bei
der Wahl stand ihr Gatte ihr als Op
Ponent gegenüber, derselbe wurde mit
großer Stimmenmehrheit geschlagen,
was er als Einer, der Spaß versteht,
gutmüthig hinnahm. Von den Mit
gliedern des Stadtrathes, sämmtlich
Frauen, ist nichts Besonderes zu er
wähnen. Eine Stadträthin, Frau
Emma A. Mitchell ist aus Indiana
polis gebürtig Gespannt darf man
darau sein, wie lange das Weiberregi
ment in Gaylord dauern wird.
—--. ...-—«-.-...-» » —.——.
Ein Roman ans dem Leben.
Jn New Yorter Blättern wird fol
gender Roman aus dem Leben erzählt.
Die Wittwe Edward F. Metcalf, ge
borene Clapham und Mayor Stier
man aus Jowa liebten sich treu und
wahr. Metcals spielte in dem Roman
den Jntriguanten, wofür er zur Strafe
auch sterben mußte, um seiner Frau
Gelegenheit zu geben, Wittwe zu wer
den und ihren getreuen Liebhaber doch
auch zu heirathen. — Henry D. Clav
ham war Anfangs der vierziger Jahre
ein New Yorter Kaufmann und hatte
eine bildhübsche Tochter, sowie zwei
sClerks, Namens Edward S. Met
scals und Sherman. Wie sich das ge
Jhört, verliebten sich die beiden Clerls in
Edas Töchterlein ihres Chefs. Sher
man war der Glückliche, dem das Mäd
chen ihre Gunst zuwendete, und Neid
und Eifersucht machten Metcalf zum
Jntriguanten. Da der alte Clapham
reich genug war, so gab er sein Geschäft
Jauf und die beiden Clerts verloren ihre
sStellungen Sherman ging nach dem
sWesten, und eines Tages erhielt FrL
tClapham einen Brief, in dem er ihr den
Abschied gab. Aus Aerger hierüber
heirathete sie Metcalf. Clapham hatte
einem Freunde vor ungefähr 28 Jah
ren s25,000 auf eine Hypothek auf ein
Stück Land in« Jowa geliehen. Das
Land schien werthlos zu sein, und als
Clapham starb, fand man unter seinen
Papieren die ungelöschte Hypothek, um
die sich aber Niemand belümmerte. Vor
einem Jahre nun starb Metcalf, und
seine Wittwe war nicht wenig über
rascht, als sie ein Condolenzschreiben
von Sherman erhielt, das sie jedoch»
in Erinnerung an die vermeintliche Un
treue des Schreibers, nicht beantwor
tete. Während sie die Papier ihres ver
storbenen Mannes durchsuchte, fand sie
die ungelöschte Hypothek auf das Land
in Jowa und übergab sie einem Advo
taten zum Collettiren. Der Advotat
verlangte weiter Dotumente, und sie
suchte unter den Papieren weiter. Sie
war nicht wenig überascht, als sie da
runter eine Anzahl Briefe Sherman’s
an sie selbst sand, die Metcalf wohl un
terschtagen haben mag. Sie schrieb
nun an Sherman, der indessen Mayor
eines Städtchens in Jowa und wohl
habend g worden war, und theilte ihm
mit was e entdeckt hatte. Sberman,
zder ebenfalls Wittwer war, antwortete,
Ieine lebhafte Correspondenz entwickelte
zsich und heute ist die Wittwe, gebotene
IClapham, die Frau Bürgermeisterin
des Sädtchens in Iowa
iAus dem Literatur-Gramm
Examinator: »Warum läßt eigentlich
Goethe am Schlusse seines Faust das
Gretchen sterben Z«
Candidat : »Da haben Sie wahrhaftig
Recht, Herr Professor, es ist rein über
slüssig.«
-————.O.—-—————
Berechtigter Wunsch
Kellnerim »Sie wünschen?«
Zerr: »Einen Kuß.«
. ellnerin : »Dazu bin ich nicht da.«
Herr: »Gewiß- Sie sind ja hierMund
schenk. « .
Voraussetzung
Stammgast: Sagen Sie, Jean, werde
ich diesen fetten Schweinsbraten auch
verdauen könnend
Kellner: Weiß wirklich nicht, übrigens
Zeit werden gnä’ Herr dazu haben; denn
er wird Ihnen mindestens acht Tage im
Magen liegen.
« »s- OOO
Von-!
Lieutenant von A. (aus Besuch bei
einem Freunde eine Gipsbüste betrach
tend) : Aeh, äh —- rvie sagten doch Ka
inerad, habe Namen nicht verstanden
.Lieutenant von V.: Apollo von Bewe
dere —·«
Lieutenant von A : Aeh — richtig, von
Belvedere —- schneidige Familie, die Bel
vedere«s —— kenn’ ich !