Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, May 29, 1896, Sonntags-Blatt., Image 8

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    «
Sein Jüngsies.
Humoreske non B. Waisen-.
Der Schassner drängte zum Einstei
gen. Nur noch ein Kuß ein Hände
druck, dann saß die junge Reisende, ein
frisches, blühendes Geschöpf von etwa
siebzehn Jahren, im Coupe. ,,Gieb
hübsch aus Deine Sachen acht!« er
mahnte noch die Frau Mama. »Und
saus Dein Herz!« ergänzte deren ju
gendliche Begleiterin voll Schelmerei.
Die Yngeredete nickte lachend durchVs
geöffnete Fenster; dann wurde sie von
dem Train entführt.
Als sie sich umwandte, begegnete ihr
Blick den lustig blinenden Augen eines
jungen Mannes« welcher augenschein
lich über ihre Schulter hinweg die
Draußenstehenden gemustert und die
soeben laut gewordenen Ermahnungen
mit vernommen hatte. Eine jähe Blut
welle schoß iiber Toni’s Züge, und un
williürlch senkte sie die Lider. Als sie,
über sich ärgerlich, dieselben endlich
wieder hob, gewahrte sie den Urheber
ihrer plötzlichen Verwirrung in der ge
genüberliegenden Coupeabtheilung, wo
er sich den Launen eines kleinen, mun
teren Mädchens, welches ein älterer
Herr aus seinen Knieen schaukelte, gut
rnüthig überließ.
Die Einfälle der leinen waren
höchst ergögscher Natur, aber auch die
Art und Weise, mit der der junge
Mann denselben Rechnung trug, hatte
etwas so Herzersrischendes, daß
sämmtliche Fahrgenossen, in deren Ge
sichtskreise das Pärchen sich befand, von
dessen Frohrnuth angezogen wurden.
So auch Toni.
erner und immer blickte sie ver
stohlen zu der Gruppe hin. Dabei
schien der Fremde ihr jeht so bekannt.
Sie hatte diese oder ähnliche Züge schon
einmal gesehen. Aber wann und wo?
Es wurde ihr die Zeit nicht lang. Sta
iion und Station wechselte; aufs
Neue hielt der Train. Einige an’s Ziel
glaugte Reisende steuerten der Thür
s Durchgangswagens zu. Plötzlich
blieb einer derselben vor dem fidelen
Gesellschafter des vorerwähnten kleinen
Mädchens stehen, und rief mit einer
Bierbaßstimme unter dem Zeichen
freudigsien Erstaunens:
»Mensch, bist Du’s wirklich?« ·
Der Angeredtete schien gleichfalls
sehr erfreut ob dieser unvermutheten
Begegnung, aber ehe er Etwas erwi
dern konnte, sprach schon der Andere
wieder auf ihn ein:
»Wie gehksi Wie steht’s? Dein
Züngsier übrigens famoåi Wahre
achsalven hervor-gelockt Jch gratulireL
Bist ein Wetterierll Na, morgen sehen
wir uns ja. Freue mich riesig. Grüße
Alle! Frau Sabine wird Dich schwer
vermissen.«
Damit schüttelte er dem Freunde
derb die Hand und verließ, die Melodie
eines Liedes fummend, worüber der
Zurückbleibende herzlich lachte, das
Coupe.
Von dem Wortschwall des soeben
Ausgestiegenen hatte Toni nur den
Satz sos recht erfaßt: »Dein Jüngstes
übrigens samos!«
Wieder blickte sie verstohlen zu dem
Fremden hin. Seltsam — es sah der
selbe gar nicht aus-, als ob er schon ver
heirathet sein und Kinder haben könn
te! aber sie begriff nun dessen Vorliebe
und feines Verständniß siir die kleine
Welt. »Unzweiselhaft ein Musterehe
mann und Vater,« dachte Toni. Jhr
Interesse siir denselben wuchs. Am
liebsten hätte sie in das harmlogheitere
Kinderspiel, das wieder ausgenommen
wurde, sich mit eingemischt, aber eine
· gewisse Scheu hielt sie davon zurück.
—- — Nun war auch Toni’s Reise
ziel erreicht. Sie überblickte beim Ein
sahren des Zuges in den Bahnhos mit
dem Ausdruck der Erwartung deVPep
ran.
Im nächsten Augenblicke ließ sie ihr
Tüchlein wehen und, Alles um sich ver
gessend, rief sie den Namen "»Martha«
in das Publikum hinein.
»Ma:tha!« setundirte da zu ihrem
maßlosen Erstaunen höchst vergnügt
der stillbelobte Muster-Ehemann und
Vater, indem er seinen grauen Filz dei
selben Dame entgegenschwenkte, welcher «
das Wehen ihres Tüchlein galt. Jrn
nächsten Augenblick lag sie im Arme der
Freundin. Aber auch der junge Frem
de wurde von dieser aus das Stür
mischste begrüßt « «
«Rei.zend jähriger-II scholl es er
freut, »daß Ihr so hübsch zusammen
kommt! « Ihr kennt Euch noch gar
nicht? Na, das ist lustig! —- hier also;
Bruder Kurt, Papachen’s Stolz« —
damit war Tsni der bekannte Zug ins
feinem Gesicht erklärt —- «bier meines
der-entstde Tont Salbe-m Ast-i
W der M Korah in der Pen-j
«D stinme Dulk ;
« Mich? —- Ra, Kinder, tot-with
« J
O, das wird eine sidele Hochzeit wer
den, so ganz nach meinem Sinnl«
Die junge Prophetin hatte Recht
Es ging bei ihrer Hochzeit, zu welcher
auch Paul Held, Kurt’s Studienge
nasse, eingetroffen war, sehr lustig her.
-Papa Zolling Martha’s Vater, war
heglückt daß nun sein Herzenswunsch,
die Tochter mit dem Sohne» des Ju-«
sgendsreundes als ein Paar zu sehen,
Isich erfüllt, und hielt darauf, daß der
EHumor bei diesem Fest das Scepter
ischwang Auch Toni hätte unter dieses
Tgern sich rückhaltlos gebeugt, wenn nur
Eins nicht gewesen wäre, das schwer
aus ihrem Herzen lag. Und dieses Et
was hatte Kurt herausbeschworen, den
man zu ihrem Herrn erkor· Sein Froh
muth, seine Lebeswiirdigteit bestrickte
sie; die schönen, glänzenden, braunen
Augen des Besagten sprachen von un
endlicher Heizensgüte — —- es mußte
wonnig sein, in sie so recht vertrauens
voll hineinschauen zu können. Allein,
das war’s ja eben —- — sie traute dem
Besitzer dieser Augen nicht! Er war
unzweifelhaft ein ausgeseimter heuch
1er, ein Komödiant Was sie zu die
sem Urtheilsspruch gebracht? Einsach
der Umstand, daß der Trauring bei
ihm fehlte.
« Sie hätte sich gern eingeredet. daß er
aus einer triftigen Ursache ihn vielleicht
momentan nicht tragen könne. wenn
Papa Zolling’s Worte nicht gewesen
wären. — So aber hatte sie diesen
deutlich zu dem bekannten Inhaber der
Bierbaßstiinme sagen hören: »Wenn
nur der Kurt nun auch bald Hochzeit
halten möchte! Wissen Sie nichts
Näheres? Ob er denn eine Flamme
hat?« »Woh! taum, trotz aller Gunst,
die e beim schönen Geschlecht genießt!«
war ie Erwiderung gewesen. Toni
glaubte ihrin Ohren kaum zu trauen.
»O der absckkuliche Lügner!" hatte
sie in sich hinein gemutrt. »Er steckt mit
dem Freunde unter einer Decke. Gram
lirte ihm sogar noch im Coupe zu sei
nem Jüngsten. Die Menschen sind
doch gar zu schlecht!«
Icun sann ne sorr uno Vorr, aus wec
chem Grunde wohl der Sohn des Hau
ses seine Verheirathung vor seinen An
gehörigen verheimlichte· War seine
Gattin ihm nicht ebenbürtig? Wie
dauerte sie das biedere Elternpaar, das
man so schändlich hintetging. Und
auch die Freundin, die gestern noch so
stolz auf ihren Bruder war. Wenn
sie nur ahnte, wie falsch und hinterliitig
er gehandelt hatte! Empörknd gerade
zu! Den Schein zu wahren und die
Rolle des Garcon zu spielen. das ver
stand er prächtig, der Abscheuliche. Und
je liebenswürdiger und herzlicher ihr
gegenüber er im Laus des Tages wur
de, desto heftiger grollte es in ihr. Oft
mußte sie müsam nach Athem ringen,
und in den Augen quoll es heiß empor
vor innerem Weh.
Sie hatte sich in solchen Momenten
mehrmals vorgenommen den gewissen
lofen Gatten und Vater, wie sie ihn jetzt
im Stillen nannte, nach den Seinigen
daheim zu fragen, war aber nicht fähig,
diese Bosheit auszuführen. Ein Strahl
aus seinem Augenpaar genügte, ihren
Vorsatz umzustürzew Und obgleich sie
allmählich überhaupt vermied, ihn an
zusehen, wollte die besagte Frage doch
snicht iiher ihre Lippen.
F Ein Widerstreit der mannigfachsten
TEmpfindungen durchtobte ihr Herz.
Sie hatte ein unbezwingliches Verlan
gen, einen Augenblick allein zu fein,
und zog sich leise aus dem Menschen
fchwarm im lichtdutchftrömten Saal
auf einen kleinen Balton des Mel-enge
machs zurück.
Unzählige Sterne flimmerten am
Horizont. und der bleiche Mond um
spann mit feinem Zauberlicht die schla
fende Natur. Toni wurde ganz sonder
bar zu Muth. ;
»Habe ich denn heimweh?« fragte fie
sich. Da wurde sie von einer weichen
hand berührt; an ihrer Seite ftand
die junge Braut.
»Gefällt es Dir denn auch? Und
aniüsirst Du Dich?« klang deren Frag.
»O, fehr!«
· »Wirilich? ·- Aber, Schatz, Du haft
ja Thränen in den Augen?'«
",,Ach bewahre!« Die Sprecher-in
lächelte gezwungen.
»Na höre, mir machft Du keine Flau
fen vor! Beichte gefälligst, was Dich
fo rührfelig gestimmt. Mondschein
phantasieens —- Ra warte, ich werde
Deinem Ritter gleich den Text verlefen,
daß er Dir ein Stelldichein mit jenem
blassen Gesellen dort ermöglicht hat!
Bitte« —- — und fchaltbaft bot sie Toni
ihren Arm. »Du willst nicht? Gut!
So mag Kurt sehen, wie er zu seinem
Engel kommt, der ihm davongeflogen
ist. iimlich — Engel —- dni ist feine
Oe ung fiir Dich fett geftern
Abend-«
Die Sprecherin ,mndte sich zum
Wärst-sie tm es Ha fast wva
its-r Louis- Lipm »Dein Drum
—«q——ichspauewqu
l- .:I
nicht sagen —- gerade heute nicht! —
allem —- — sie schwieg und rang nach
Uthenn
Aus Marthaäs Zügen schwand der
Frohmuth. »Aber ich bitte Dich was
ist mit Kurt?"
»Er —- —— o, es ist abscheulich! Jhr
thut mir ase furchtbar leid —- -— Du
wirst’i Ia hoffentlich überwinden, aber(
Deine guten Eltern! —- cie diirsenis
überhaupt noch nicht erfahren. Ver-!
sprich mir, daß Du es heute wenigstens;
noch ihnen verschweigst!"
»Aber was denn nur in aller Welt?«’
Und mechanisch legte Martha ihre Rech
te in die dar-gebotene Hand der Freun- «
din. »Dein Bruder« — und ToniW
Stimme dämpste sich zum-Flüstertone;
—- »nahm hinter Eur Rücken eine
Frau, und ist auchs on Familien
vater.« "
Nun war das Schreckliche gesagt.
Eine Sekunde starrte Martha ver-l
ständnißlos die Sprecherin an, dann?
brach sie in ein schallendes Gelächter
aus »
»Das ist kostbar! —- Ftutt, u n se r’
Kurt der keinen Cotillonotden zu ver
schweigen pflegt, heimlich Gotte und;
Familienvater! Toni, einen größeren
Spaß, als mit dieser Reuigleit hättest
Du mir heut nicht mehr bereiten tön
nen.«
»Es ist die bittere Wahrheit!« ent
gegnete die Angeredete verletzt.
»Aber Schatz, wer band Dir denn
das Märchen aus?«
Und wieder lachte sie so ausgelassen,
daß ihr die hell-n Thränen über die
Wangen liefen. Man mußte diesen
erneuten Ausbruch der Heiterkeit im
Saal vernommen haben, denn noch be
vor die Andere Etwas erwiedern
konnte wurde es lebendig um die bei
den Mädchen und verschiedene Stim
men sra arg-en zu gleicher Zeit, was diese
Lachsal zu bedeuten hätten.
Zu jenen Neugierigen zählte auch
der Hochzeitsvater. Er hielt ein volles
Glas in seiner Rechten und näherte sich
schmunzelnd dem Balton.
»Papa,'« ries Martha übermäthig,
»bitte. trinle doch aus die Gesundheit
Deiner Schwiegertochter!«
Toni stand entsetzt.
»Schwiegertochter?« echoie der An
geredete vergnügt·
»Ja, oenn ta- geoe sent qtettnn war-,
daß Dein Sohn Kurt, um Dich mit ei
net fertigen Thatsache zu übertaschen,
es mir voraus gethan hat« und sich in’s
Ehejoch begeben hat«
Man lachte amüsiri. »Du bist Und
bleibst ein Kobold, Mädel,« meinte!
Papa Zolling.
Jetzt blickte Matiha plötzlich ernst.
»Eigentlich sollte Dir das Ungeheuer
liche noch verborgen.-bl"eiben,« sagte sie
fei.ettich. »Aber ich denke, gerade im
Glück vergießt das Menschenherz am
leichtesten vie Unbill, welche es erfuhr.
Und so bitte ich Dich, verzeihe Kutt den«
ernsten Schritt, den er in aller Heim-;
lichleit gethan.« » !
Aller Augen schauten aus die Spre
cherin. Man wußte nicht« ob jetzt hier
Ernst, ob Scherz am Platze sei. s
Auch Papa Zolling war im Zweifel.
»Donner und Dorn-is Was soll dass
beißen?« rief er endlich. « s
Martha seufzte. Kein Muskel ihres ·
Gesichts verrietb Etwas von der Be
lustigung, die sie empfand.
»Kurt hätte sich verbeiratbet meinst
Du? Hinter unserm Rücken? Da
schlag’ doch eine Bombe drein! Wo ist
der Uebelthiiter?«
« »Hier!·' erscholl es lachend aus dern
Hintergrunde des Gemachs. Und am
Arme seines Studiensreundes erschien
der Sünder vor den Augen seines Rich
ters. «
»Warum hast Du uns das ange
than ?« donnertCHm dieser zu. »Er
biirnrtiche handlungsweise, die ich Dir
nie vergeben kann! Wann nat-Inst Du
eine Frau, und wo?' ,
»Ich eine Franks-»Aber glaube doch
den Unsinn ni , Papa! Und ein Blick
auf das inzwis leer-gewordene Glas
des Lehteren schien zu besagen: »Mein
Alter that M Guten schon zu viel.«
Toni, aus welche Niemand dachte,
bebte angesichts des stechen Lügner-s in
Fachsendem Unwillen an allen Glie
ern.
»Ich will Klarheit in der Sache ha
ben,« polterte indeß der Hausherr.
»Auf der Stellestw
Jetzt wurde auch Kuri erregt. »Aber
ich versichere Dir, sie ist ersunden,« gab
er bestimmt zurück.
»Da werde ein Anderer daraus
klug!« leuchte Papa Zollina, indem et
seht die Tochtevschars in’5 Auge nahm.
»W?an der Geschichte Wahrheit, oder
n «
«Toni behauptet ei,« erklärte Mar
tha ruhig.
»Ton» —- räulein Unit« scholl
es im Eber-. nd ehe sich die Vesagte
von der Wirst-IV die sie beten Ren
- -- ; deklam, xerhalen
" - settxvatet ibre
- stach teindringlich
- s
auf sie ein: «,·Bitte, sagen Sie mir offen
und ehrlich Alle-, was sie von der Sache
wissen, Fräulein Toni«
Diese drückte theilnahmsvoll des
Sprechen-s Rechte
»Ich bin nicht in der Lage, nähere
Auskunft geben zu tönnen,« ran es
sich mühsam iiber ihre Lippen. »Bei-r
held dagegen —- —«
»Jch?" mischte dieser erstaunt sich
ein. »Aber Verehrtefte —- —
Ein« flammender Blick aus Toni s
Augen traf sein Antlit. »Ich weiß be
ftimmt,« erklärte sie mit einem Frei
muth, über den sie felbst sich wunderte,
ff»daß Sie genau von Allem unterrichtet
sind«
»Das ist mir unverständlich, « tlang
die Bierbaßstimmr.
»Auch dann noch, wenn ich Sie an
das gestrige Zusammentreffen mit Ih
rem Freunde im Eisenbahncoupe er
innere?'«
»Auch dann nacht« war die Ant
wori.
Tvni war außer sich vor Zorn. Jest
Poch der letzte Trumps. —- Es mußte
em.
. Die Spannung der Versammlung
wuchs.
.,Sprachen Sie nicht deutlich,« —
fragte sie scharf — »den Namen: Frau
Sabine. aus? und gratulirten Sie
Herrn Zolling nicht fogar zu seinem
Jüngsten?«
Ein allgemeines «Ah« detUeberrasch
ung ließ sich hören. herr held schien
einen Augenblick verdutzt, dann zog er
eine höchst poisirliche Grimasse und ent
gegnete: »Ja, das that ich allerdings.«
hierauf räusperte er sich, und mit ei
nem verfiändnißinnigen Blick auf sei
nen Freund, der sch vor Lachen wand,
intonirte er mit irsftigem Baß:
»O Sabine mit der Miene
Eines Drachen nahst Du mir,
Weil ich nimmer hier im Zimmer
Die Gardinen respektir·"
Toni erkannte dieselbe Melodie,
welche er geftern beim Verlassen des
Coupes gesummt.
»Die Beschwerde, schwarz wie Erde
«Seh’n sie nach drei Tagen aus-.
Jst mir schnuppe, theure Puppe;
Mache gar Nichts mir daraus-!
—- —— Unverdrossen hab’ beschlossen
Jch vielmehr, nun bald zksrei’n;
Doch nur solche Maid, Jhr Molche,
Die sich hübsch läßt räuchern ein.«
Ein donnernder Applaus belohnte
den Sänger. Dieser verneigte sich to
misch-wiirdevoll nach allen Seiten und
zerrte dann den, ihm nur mit Wider
streben folgenden Freund herbei. »DQ
soeben gehörte Stoßseufzer eines mob
lirten Junggesellen ist« — ließ er mit
Stentorstimme hören-»Kurt3olling’k
jüngster lyrischer Erguß stir- unsere
Kkubzeitung zu welchem ich ihm gestern
gratulirt.«
Die Wirkung, welche diese Worte im
Verein mit dem voraufgegangenen Ge
sange hervorgebracht, ist unbeschreib
lich
Das schallende Gelächter der Ver
sammelten gellte Toni in den Ohren
gleich dem Posaunenklang des Weltge
richts. Aerger und Scham raubten
ihr sast die Besinungz der Boden unter
ihren Füßen schien zu wanlen. Sie
klammerte sich sterbmsmüde an die Ba
lustrade des Baltons und schloß die
Au en. Thräne um Thräne stahl un
ter r dunklen Wimper sich hervor.
Mit einem Male wurde es still
ringsum; lein Laut mehr war zu
hören. Wie wrchl das that —- — o wie
unsagbar wohl! Sie wagte, dir-Tiber
aufzuschlagen, taumelte aber im näch
sten Augenhtick vor Kurt, der da im
zeigen Monslicht vor ihr stand, zu
Sein starker Arm umfing die beben
de Gestalt.s
»Fasspng Fräulein Toni!« bat er
sonst. »Wer wird solch tleinen Irr
thum gleich so tragisch nehmen«-«
Sie erschauerte unter dem Wortlaut
seiner Stimme unds richtete sich mit
laller ihr noch zu Gebote stehenden
Kraft empor. «Verzeihung!« stam-»
melte sie kaum vernehmbat »
Nackte ihr beide hände hin. Sie
legte wie im Traum die ihrigen hinein ;
und jähe Gluth schoß über ihr Gesicht
An meine Verzeihung lniipfe ich?
eine Bedingung, Fräulein Tonik« klang
ei weich von seinen Lippen. Sie blickteä
scheu zu ihm empor
»Daß Du mein Frauchen wirst, " er- ;
gänzte et resolut. Mit weitgeiissneten
Augen« in denen sich strahlendei Glücks
und Ueberraschunl piegelte. sah sies
jeit voll in sein zesipchi. Von ihreni
Lippen drang kein Lautts doch jubelnd
schloß et sie an’i
Selbst, wenn u Tal-at und Ci
guten abhold wärst —- nur Dich, nur
»Rauche, so viel Du magst, Gelieb-!
iet!« war die Antwort.
Er hob sie wie ein Kind empor
Zietoriok
Nur ein Kuß.
An der Universität Upsala befand sich
ein junger, stiller Student, der mit Ei
ser der Wissenscha oblag, aber nicht die
Mittel besaß, sich ihr ungestört widmen
zu tbnnen. Trohdem gab er den Ent
schluß, sich eine wissenschaftliche Laufbahn
u ebnen, nicht aus und erwarb sich durch
schriftliche Arbeiten und Privatunterricht
seinen dürftigen Unterhalt, sich mit der
Hoffnung einer besseren Zukunft tröstend.
Wiewohl er wenig Umgang pflegte,
wurde er doch wegen seines trefflichen
Charakters wie guten Herzens von Al
len, die ihn tat-ten, geschätzt nnd geliebt.
Eines Tages stand er mit Kollegen aus
dem Markte, wo er ein Stündchen zur
Ekhohlung verbrachte, als die Aufmerk
samkeit der Studenten durch ein junges,
hochelegant gekleidetes, außergetvbhnlich
schdnes Mädchen gefesselt wurde, das an
der Seite einer älteren Dame an ihnen
vorüberging. Es war die Tochter des
Gouverneurs von Upland mit ihrer
Mutter. Die Studenten sahen dem anmu
thig jungen Mädchen boll Bewunderung
nach und als sie aus Hörweite gekommen
war, rief einer: »Wahrhastig, es wäre
eine Million werth, einen Kuß von die
sem Munde zu bekommen!« Der Held
unserer Erzählung sann ein «Weilchen
nach und sagte dann wie von plötzlicher
Eingebung ergriffen: »Ich glaube, ich
könnte einen belomnien.« »Was, bist Du
wahnsinnig?« riefen die Anderen.
Kennst Du sie?« »Durchaus nicht;
aber dennoch glaube ich, daß sie mich
läßt« wenn ich sie darum bitte.« »Was-—
hier aus dein Markte und vor uns Al
len P« ,,Illlerdings!« »Aussreien Stü
cken«-« »Ganz gewiß; glaubt Jhr denn,
ich würde unverschämt sein und sie zwin
gen wollen?« »Nun, wenn Du das
wahr machst, gebe ich Dir 1000 Thaler l«
ries Einer. »Ich auch! Jch auchl sagten
Andere. Durch Handschlag verbslichteten
sich die reichen und ehrenhaften jungen
Leute, ihr Wort zu halten. Entschlossen
ging der hübsche, junge Mann der Da
me nach und sagte fest: »Mein Fräulein,
mein Schicksal liegt- in Ihrer Handl«
Sie stand still und sah ihn erstaunt an.
Er theilte ihr Namen, Lebensstellung,
sein Streben, seine Aussichten mit und
erzählte treuherzig Wort sür Wort Al
les, was zwischen ihm und feinen Kame
raden verabredet worden. Sie hörte ihn
ausnterksam an und sagte, als er zu
Ende gekommen und sich nochmals ehrer
bietig neigte, erröthend, doch sreundlich:
»Nun, wenn ein geringer Dienst so viel
Gutes stiften kann, so wäre es sündhaft
von mir, Ihnen denselben zu verwei
gern.« Dann küßte sie den jungen Mann
und ging weiter. Am anderen Tage wur
de der Verwegene zum Gouverneur be
fohlen· Er wollte den jungen Menschen
sehen, der es gewagt hatte, seine Toch
ter auf öffentlichem Markte um einen
Kuß zu bitten und, was noch viel schlim
mer, ihn zu erhalten. Mit gerunzelter
Stirne empfing und musterte er ihn von
oben bis unten, ließ sich aber doch schließ
lich in eine Unterredung mit ihm ein,
welche eine volle Stunde währte und ei
nen so günstigen Eindruck aus ihn mach7
te, daß er den Jüngling bat, während
seiner Studienzeit bei ihm Mittag zu
essen. Frei von Mangel betrieb jetzt un
ser junger Freund seine Studien in einer
Weise, die ihn bald zum angesehensten
Zbgling der Universität machte, und
kaum war seit jenem ersten Kuß ein
Jahr verflossen, als er die Erlaubniß
erhielt, der Tochter des Gouverneurs
einen zweiten zu geben und sie als Braut
zu umarmen. Er wurde später einer der
Gelehrten, durch die der schwedische Na
me ini Auslande zu hoher Bedeutung ge
langte. Seine Werte werden so lange
dauern,wie eine Naturwissenschaft giebt.
,
--..-.-..»-.. , m , ,—. . -....
Lampenfleber
Jn einer Plauderei »Aus der Theater
weli«, die das Wiener Fremdenblntt ver
dfsentlichi, lesen wir über dass Lampen
fieder: Der alte Beet von· der Wiener
Hosoperlonnte Zeit seines Lebens die
Angst nicht nnterdrücken,so ost? er die
Bühne betrat. Als iiinger Sänger hat
te er zu wenig Vertrauen zu sich selbst»
und als alter, ruhmgekrznter fürchtete
er, er länie uni den erworbenen Künst
lerruhni. Arn Tage feines Auftretens
war er für die besten Freunde nicht zu
spreche-net nieste sein Organ durch lein
lautes Wort ermüden. Sich in sein ein
saiim Zimmer einschließend, nahin er
die Madlzeiien allein, und erst wenn
der Abend glücklich überwunden war,
lebte er den Seinen. Andere Sänger,
nnd namentlich Sängeriisieiy pflegen
ani; Tage ihres Auftretens seist gar nicht
u essen und halten erst nach der Bor
stellunh etwii uni Mitternacht, die erste
kräftigende Mahl it. Nin ängstlichen
sind in dieser Vez ling die Tenorisleiu
sie ersaufen sich in der Regel ihren Rubin
ain theuerften Manchegdiuieii sich-wenn
sie des Abends gu fingen haben, tage
Jllber nicht einen Zug frischer Lust und
nuch wenn sie vi geschlossenen W- en
Luni Theater Wen, verhalten sie Ich
.4
den Mund ängstlich mit dem Taschen
tuch, damit ja niir kein rauhei Lüftchen
eindringe. Den Gegensatz zu der Ilen st
lichkeit der Tenare bildet die Sorglosk
teit der meisten Bassisten. Ihnen scha
det einmal gar nichts, sie fürchten nicht
Wetter, noch Nebel, noch Kälte.« Ein
Schnupfen, das Schreckgespenst der Te
nore, ihnen ist er fast willkommen; er
macht die Tiefe wohl etwas rauher, aber
um so profiinder. Ein berühmter italie
nischer Baßbnffo tbat einmal den Aus
spruch: »Ich beneide meine deutschen Kol
legen iini nicht-« als um ihren
Schmipr !« Die Wisse sagen auch höchst
selten ab; vertrauen zu sehr der Grund
gewalt ihres Register-. Ost kam der alte
Draxler direct von der Jagd in das
Ofternhano iim zii singen· Aus
dem· offenen Jagdivagen stieg er bei
der Bühnenpforte aus, gab beim Portier
Gewehr und Jagdtasche ad, rind einige
Minuten später stand er aiif der Bühne
und sang den Kaipan Auch Scaria er
scheint in der Uterliefcrung der Stin
ger als der Typus sorgloser Sicherheit.
Bis 27 Udr saß er oft im Cafehaiis,
mit der interessantesten Tarockpartie be
schäftigt; und kam der Ansager, ihn zii
mahnen: »Herr v. Scaria, es ist be
reits höchste Zeit«. so ließ er sie da
durch nicht hindern, wenn immer S nur
möglich war, ein begonnenes »Nadl« zii
vollenden. Er kani aber doch immer zu
rechter Zeit. Wenn er die erste Arie des
Leporello ,,Keine Riilf bei Tag und
Nacht« in einem langen, bis zum Fuß
inöchel reichenden Mantel sang, den er
ängstlich geschlossen hielt, so wußten sei
ne Freiinde, daß er noch nicht Zeit ge
funden hatte, die zugehörigen Pantalonä
und das Wams anzuziehein Die Regi
sterarie sang er dann in der Regel schon
in den vorgeschriebenen Pantalons, doch
erst während Don Juans Beriiihrun s
scene mit Zerline fand er Zeit, sein iso
stiim ganz zu vollenden.
i Etwas vom Haarwitchs.
Die meiften Frauen werden lanm da
rüber nachgedacht haben, wie viele haare
ihre Köpfchen bedecken müssen, um einen
reichlichen haarwuchs darzuftelleit. Den
sorgfältigen Beobachtungen und Experi
menten eines fleißigen Statistikers ver
danken wir folgende Auflltirungen über
diefen interessanten Gegenstand. 20 Haa
re von gewöhnlicher Starle decken im
Durchschnitt den Raum eines Quadrat
centimeterc, allein die Farbe der Haare
ändert diefes Durchfchnittgmaß ganz bei «
deutend. Während die blanke Schönhei- «-"
täglich ungefähr 140,000 Haare zu käm- «
men und zu dürften hat, muß fich die "
braunhaarige Schöne mit ungefähr 120,- :
000, die schwarzhaarige Schöne mit
100,000 und die rothhaarige gar nur
mit etwa 88.000 Haaren begnügen. Die
wenigsten Damen dürften fich dessen
la«m bewußt fein, daß sie 65 bis 80
Kilometer Haare auf dem Kopfe tragen;
ja, die Lichtfarben dürften fogar 110
Kilometer Goldfäden täglich in zierliche
Frifuren zu verarbeiten haben.
WH
Triftiger Grund.
A.: »Was fehe ich, Sie auch hier in
Amerika· Was veranlaßte Sie zu die
fem Klimawechfel?«
B.: »Ein PrinniwechfeW
—..»... ........ ......
Ein sicheres Heilmittel.
Er: »Ach, ich bin fo fchläfrig und z
tann m « e Augen tat-m aufhalten und
habe da i noch fo viel zu arbeiten!«
Sie: »Warte, ich werde Dir die Rech
nung meiner Kleidermacherin zeigen, ich
wette, daß Du die Augen weit aufma
chen wirft-«
E r k l ä r l i ch.
Fel. A.: «Glaubst Du an die neueste
medizinische Entdeckung, dass Küssen un
gesuud sein soll ?« ’
Fel. B.: »Gewiß, das ist vollständig
richtig, neulich küßte Akthur meine Col-«
legin Las-ra, und da war ich eine ganze
HWoche krank-«
» -... .. -..
Ersatz.
A.: »Wie kommt es nur, daß Sie,
sonst ein so nüchterner und taktischer
Mann, so fleißig das Ballet suchen?«
B. (sehr dicker Herr): »Das kommt
daher: meine Beine hab’ ich schon lange —
Jahre nimmer gesehen und da schau' ich »
mir eben gern hübsche andere an!« «
·Secbsth«ewußt.«
Vater der Braut: »Wissen Sie denn
and-, ob meine Tochter Sie gern hat,
here Lieutenant?«
Sen-erbet- »Waeum sollte die mich
gerade nicht gern haben Z«
Pünttlich.
·Richter: »Warum haben Sie den
Ziegel, den Sie is der Hand hielten,
anstatt ihn aus das Geråst zu legen, «
fenz Passanten ans den Kops sallen lass T s« ·
en « ,
Mauren »F bitt', es bat send sechse
Tschlackm Uin sechse is Feierabend.«