Sonntags - Blatt Beilage des ,,Anzeigev nnd Herold« zu Ro. Is, Jahrgang ts. IIijWiiisdlisijsäiausgem Grund Jsland, Nebraska, den 29. Mai 1896. , . zTIFJZWLU etc-n. « ZEnningyaufenH f- 1 Ue Im Cliimer (Fortseßung.) Unwillliirlich hatte Johanna, die ne ben Tante Thetla unter dem großen ) eihnachfbaume stand, die hände ge altet; dre Erinnerun an vergangene hre drang ihr zum Bergen. aber als I; e sich zur Seite wendete, die ausstei genden Thriinen zu trocknen, begegnete I hr Blick den aus sie gerichteten Augen Vetter Otto’s. Er war im Laus des Nachmittags angekommen, hatte sie noch nicht gesehen und grüßte mit leich tern Kopsneigern Sie dankte, und je nes seltsame, aus Scheu und Zutrauen gemischte Gefühl, das sie bei der ersten Begegnung gehabt hatte, erwachte auch jetzt wieder. Neben Otto stand Magelone nier haster als je in ihrem langen, anschmie genden, blaßgrünen Seidentleide. mit dem süßen Lächeln und den flimmern den Augen. »Ob Otto’ö Gegenwart ihr diese strahlende Schönheit gibt? —- Meri wiirdig, daß Großpapa nicht daraus gekommen ist, diese Beiden sür einander zu bestimmen." dachte Johanna Der Choral war zu Ende; der Frei herr wurde aus dem Nebenzimmer her eingerolltz die Uebrigen drängten nach, und bald ertönte der Jubel der Kleinen, und die Armen stammelten ihren schiichternen Dant, während Hil degard und hedwig von ihren reichen GereUIen neugierig mißgünstige Bli cke aus ein Maroauintiistchen warfen, das der Freiherr Johanna übergab. »Mach’ aus, Kind,« sagte er; sie ge horchte; ein altmodischer Schmuck don Rubinen und Brillanten blißte ihr von dem vergilbten Atlasgrunde entgegen. . »Deiner Großmutter Brautschmuct, deiner Mutter Erbtheil,« fügte der Freiherr hinzu. ’ Die Schwestern wechselten einen Blick der Entrüstung. Johanna tüßte des Großvaters Hand. »Ich danke dir —- das Doppelanden ten soll mir werth ein," sagte sie und schloß das Kästchen. Jn diesem Au bliri trat Otto zu ihr. — J »Endlich, liebe Johanna,« sagte er und reichte ihr die Hand. »Wie freue ich mich, Sie wiederzusehen.« ,.S i et« ries der Freiherr. »Junge, bist du nicht tlug? —- Deineö Vaters Schwesterstochter wird du genannt.'« »Gern, wenn ich dars . . . er laubst es, liebe. Johanna?« sagte tto, umarmte sie und gab ihr einen ver wandtschasttichen Kuß. Ergliihend machte sie sich von ihm los; er sah ihr mit einem triumphirenden Bilct in die Augen, der aber gleich wieder ver schwand. · »Aus gute Freundschast!« sagte er in ernstem Ton, und dann tamen die Kinder herbei und trennten sie. Dem Freiherrn wurde ein Tele ramm gebracht; mit sinsterer Miene berslog er den Inhalt. »Wie unangerrehmi« ries er, ·da mel det mir Walde-nah daß er dringender Geschäfte wegen erst Shlvester tommen tann. Gerade diesmal stbrt mich das sehr-" »Mtch freut’s,« in te Magelone leise zu Johanna. »Es i wenigstens eine algenfrist fiir mich. Die Verlobung s künftigen Familienhauptes kann natitrlich erst declarirt werden« wenn alle Angehörigen des hohen Geschlechts verfammeit sind.« . , Johanna fah sie topsschiittelnd an. »Es kommt nicht zu der Berlobung,« singte tie; «Otto giebt es nicht zu.« »Otto . . warum meinst du das?« fragte Magelonr. »Tai-Ist uns taum zusammen gesehm« - ,,Lange genug. mn zu ertennnen, wie er dir huldigt.« »Galanterie, Kind weiter nichts!« sagte Magelone. »Bedente doch: er hat Schulden, ich habe nichts, nnd wir sind Beide vernünftige Lente.« Mit diesen Worten flatterte sie da von, zu ihren Geschenken; ist nächsten Moment war Otto an ihrer Seite. »Dars ich dich zu Tisch siihreni« fragte er. Sie schüttelte den Kopf. »Das ist seht Johann Leopold’s Privelegiutn oder Ausgabe — wie glaubst du, daß er es ansieht« »Kannst du fragen?« rief Otto. »Er verfolgt dich ja mit wahren Othel loblicken!« , »Wie poetisch . . . ich sehe nur seine gewöhnlichen melancholischen Kalbsam gen,« sagte Magelone. »Er starrt mich an, aber ob er mich sieht, ist die Frage. Andere da egen sehen um so mehr . . . finden, da wir, daß heißt du und ich, mit einander totettiren . . . .« »Kotettiren!« fiel Otto ein. »Wie kannst du meine tiefe, ernste Empfin dung. . .« » still! rief Magelone. »Du kennst Großvapas Absichten; Johann Leo pold's Braut does der leichen nicht an hören . . . .du sollt Johanna den Hos machen.« »Meine Herrin beliebt zu scherzen," sagte Otto, indem er sich lächelnd ver beugte. »Durchaus nicht,« antwortete Ma gelone; »ich besehle vielmehr meinem Sclaven sein schönes Talent in dieser Weise nutzbar zu machen.« Er derbeugte sich wieder. »Dein Befehl habe ich zu gehorchen,« sagte er. Uebrigens wird mir das nicht schwer werden, Cousine Johanna hat sich auisallend embellirt.« Magelone sah mit schnellem Blick von ihm zu Johanna hinüber. »Du hast Recht; es ist etwas Farbe und Leben in das blasse Wesen gekom men,« gab sie zur Antwort, und in Gedanken fügte sie hinzu: «Ob er mich eisersiichtig machen will? —- Daz soll ihm-nicht gelingen.«« « Troß dieser Zuversicht tonnte sie sich einer unangenehmen Empfin dung nicht erwehren, als sie bald da raus an Johann Leopold’s Seite bei Tisch saß und beobachtete, mit welcher Beflissenheit Otto, der Johanna’s .Nachbar war, seine Ausgabe erfüllte, ,und wie Johanncks Augen leuchteten, während sie sich mit dem Vetter unter hielt. Hätte Magelone wenigstens Vergeltung üben können! Aber det gebens verschwendete sie Worte, Blicke sund Lächeln; Johann Leopold blieb . einsilbig wie immer. · Nach Tisch, im Wohnzimmer, lam Otto zu Magelone, als sie sich eben mit eTante « hella und den Cousinen an’s Kamin euer sehen wollte. · « l »Nicht dorthin,« bat er, ,,lomm’ an den Flügel ——— ich habe dich so lange snicht spielen hören.« r« s «Verlorene Liebesrniih, aah sie la chend zur Antwort, während sie ihm nach dem Hintergrunde des Zimmers sol te. »Du wirst mich nie überzeugen, da du dich für Musil interessirst. s-— hast wohl je gewußt, was ich spielte?« »Wenn ach et nicht wußte. war es deine Schuld,« sagte er. »Wie soll ich, wenn mich deine Schönheit bezaubern siir Anderes Sinn haben, holde Mer .Falfch, falsch! Mxen «bezauhern sja hauptsächlich durch ihr Singen,« siel sie neckiich ein, indem sie sich an den Flügel setite und einige Allorde an schlag. »Nun. mein cerr Musitenthu siast, was wollen Sie höre-ri« «Spiele nur: was, isi gieichgiltig.« »Diesen herhst hattest du Ia eine zPassion für Chopin . . weißt du das nicht mehr C— ertennst du deinen Lieb lin nicht mehrf« åie begann zip spielen. Otto saß neben ihr und wendete wenn sie das ge wohnte Zeichen gab, die Notenblätter um« So ost er sich dazu verheugie, Ziiihlte sie mit leisem Schauer seinen Athem iiber ihren Nacken Ireisen lind zuweilen flüsterte er, kaum hörbar ein scherzhastes Wort, aus dem es wie ver haltene Leidenchast hervorllang. »Oh er ebenso mit Johanna »ver lehrt?« fragte s sich selbst. »Unmög lich!« antwor ete ihre Eitelteit, und die Bereeuse, die sie eben spielte, nahm den Charatter eines Siegesmatsch an. Weniger harmonisch war die Stim mung der Gruppe am staminf Der Freiherr hatte sich aleich nach Tisch zu rückgezoqem die Brüder Wildenhayn nnd Johann Leopold standen, in ein .poiitischeö Gespräch vertiefi, fern ge I H nug, um nicht zu hören, was die Da men sprachen; so erleichterie denn hilf degard ihr bedrücktes Herz, indem sie dem Unwillen über Johannckz Stel lung in der Familie Worte gab. . Daß sich Großpapa der beitelarmen Waise annehmen mußte, verstand sich —- da sie ja leider gewissermaßen zut Verwandtschaft gehörte, von selbst: aber brauchte er sie wohl als eine Gleichberechtigte zu behandeln? Das war nicht «nur eine Beeinträchtigung der übrigen Familienglieder —- fiir Johanna selbst war es ein Unglück. Sie verlor dadurch den rechten Stand punkt, gewöhnie sich an die Ansprüche, die später nicht mehr erfiillt werden ionnten, und verscherzte sich durch hochmuth das Wohlwollen der Ver wandten, von denen sie nach Großva vas Tode abhängig wurde. » ch glaube nicht, daß sie das wird,« war Tante Thetla ein, deren bisherige sanfte Bertheidigungsversuche unge hört in hildegard’s Redeftrom ver tlungen waren. »Mein Bruder wird sicherlich siir Johanna orgen.« »Das glaube ich auch, rief Hedwig; »und ich wundere mich, hildegard, daß Du Dir das nicht selbst gesagt basi. Nachdem ihr Großpapa den kostbaren Schmuck gegeben . . . .« »Ja, der Schmuck!« fiel Oildegard ein. »Bei aller Vorliebe fiir das Mäd chen wirst Du doch zugeben müssen, lie be Tante, daß ihr Großmamas Braut schmuck nicht zukommt Sie iann ge radezu nichts damit anfangen, tann ihn nie gebrauchen. Jn die Gesell schast gehört sie einmal nicht. Selbst Großpapa würde sich vergeblich be mühen, die Komödiantentochter durch szusetzen.« -.. -«. yuoegaro ipraaz oen lehren Harz au siehtlith mit gehobener Stimme, denn eben tani ohanna, die in gewohnte-e Weise am s ophatisch den Kassee berei ;tete, mit der ersten Tasse sür Tante jThella herbei. Das Zittern ihrer Hand sverri th, daß sie die hämiichen Worte gehö hatte, und mit triumphirendem Blick sah ihr Hildegard nach, während sie an den Kaiseetifch zurückkehrte. Aber auch Johann Leopold hatte den Vorgang bemerkt und tam Johanna zu Hilsr. - »Liebe Magelone,« sagte er, an den « Flügel tretend — die Verceuse war eben Izu Ende und Otto sprach seine Bewun Iderung siir Spiel und Spielende aus — »liebe Magelone, du könntest heute einmal wieer Kasfeespenderin sein. Johanna hat sich bei den Vorbereitun ngn für die Bescheerung angestrengt; sie ;sieht zum Erbarmen blaß und müde aus." l Magelone war sogleich bereit. »Johann Leopold eisersüchtig«— das )isi reizend!« sagte sie zu sieh selbst, und laut fügte sie hinzu: »Wirllich, liebe Johanna, du siehst leidend aus. Sehe 5tzitich in die Sophaecke, ich besorge dein mt.« »Ich will mich lieber siill zurück ziehen,« antwortete Johanna, drückte ihr und Johann Leopold, dessen Absicht sie verstanden hatte, die hand und hufehte, wie sie giaubte, von den Uebri gen unbenterkt, aus dem Zimmer. Aber tim Gange lam ihr Otto nach. »Liebe Johanna,« sagte er, »hier ist ein kleiner Weihnachtzgruß, der nicht in den Freudenjubel paßte. Watte mit dem Ansehen, bis du in deinem Zim mer bist . . Aber ehe du gehst- möchte ich über dein Besinden beruhigt sein.« Bei diesen Wort-en sah er ihr mit dem Blick in die Augen, der sie immer in Verwirrung brachte. »Es ist nichts . . . morgen ist AS wieder gut!« stammelte sie, nahm ene ehaniseh ein Päckchen, das er ihr reichte, und eilte, während er inR Wohnzims mer zurückkehrte, die Treppe hinauf in ihr Gemach. Warum ihr wohl das herz so un gesiiim schlug? —- die zitternden Hände waren kaum im Stande, Licht anzu zünden5 aber als es geschehen war, und Johanna Otto’s Weihnachtsgeschenl enthüllte, sagte sie sich, daß es eine Ahnung gewesen, die ihr Herz bewegte. Ein lleines Medaillonportriit des Va ters — einem bekannten lebensgroßen Relies nachgebildet —- war es, was ihr Otto eingehändigt hatte. Sie stellte das Bildchen Unter die Lampe und saß davor, in Anschauen versunken. Was hiitte sie darum gegeben, Otto jetzt gleich aus vollem Herzen zu danken und mit ihm von m Verstorbenen sprechen zu können, en er gekannt und verehrt hattet Wie Otto der Erste ge wesen war, der ihr —- nachdem das alte Leben zusammengebrochen —- an der Schwelle des neuen Willkommen ge sagt, so war er auch der Einzige in Jo hanna’s jetziger Umgebung, der ihre Liiefbfe und Verehrung für den Vaterbe gr . Als sie ihn am folgenden Morgen im rühstiiclszimmer begrüßte, sagten ihm lick und Ton noch wärmet als ihre Worte, wel Freude er ihr durch sein kleines Ges enk bereitet hatte. »Ich wußte, daß es dir lieb sein würde,« gab er einfach zur Antwort, indem er sie zum Frühstückstische führ te, und obwohl hier nicht mehr von dem Bilde die Rede sein konnte, behielt ihre Hgterhaliung etwas herzlich Vertrau es. Hildegatd beobachtete die Beiden mit unwilligen Blicken; sie ließen sich nicht stören, und so hielt es die besorgte Schwester endlich für gerathen, Otto merklich zu machen, daß er seine Auf merksamkeiten an eine «-Unberechtigte verschwende. Die Frage des Freilyrrm ob der schöne Wintertag nicht zu einer Schlittensahrt benüszt werden solle, gab ihr Gelegenheit, ihren Streich zu füh ren »Ja, lieber Großpapa, eine Schlit tenfahrt wäre herrlich,« sagte sie. »Nu: möchte ich vorschlagen, daß wir einen Besuch damit verbanden. Meint Jhr nicht,« fuhr sie im Kreise herumhü ckend, fort, »daß es gut wäre, endlich einmal bei Klausenburg’s vorzuspre chen? Wenn die Kirche aus ist, tön nen uns die Schlitten abholen, dann sind wir zum zweiten Frühstück wieder hier.« »Werden wir Alle Platz haben?« fragte Hedwig »Ganz bequem,« antwortete Hilde gard. »Im kleinen Schlitten sitzt Ma gelone mit Johann Leopold und Eva ard fährt sie, und im großen Schlitten, den Karl tutschirt, fahren Tante Thet la, wir Beiden und Otto.« . »Ich werde meinen Platz an Johan na abtreten,« sagte Tante Thetla. Jo hanna wollte erklären, daß sie lieber zu Hause b eiben wiirde; Hildegard ließ ihr nich Zeit dazu. »Johanna zu Klausenburg’s? rief fie. »Das geht nicht — ich hätte we nigstens nicht den Muth, sie dort ein zuführen.« »Sei ruhig, das ist meine Sache!« fiel der Freiherr ein und seine Augen blitzten die Sprecherin an. »Neujahr geben wir un er herlömmliches Diner, dabei werde i meine Enkelin der Rach barschaft vorstellen, und ich gebe dir mein Wort, daß sie die Aufnahme fin den soll, die ich siir sie verlange. — Christian, in mein Zimmer.« Der Diener rollte den alten Herrn hinaus. Alle erhoben sich. Johann Leopold trat zu Johanna und begann ein gleichgiltiges Gespräch-«an das sie halb unbewußt einging. Hedwig flü sterte der finster Utnschauenden Schwester schadenfroh zu: »Das war ungeschicktt« —- Otto fragte feinen Schwager Karl, ob er hildegard solche Taltlosigieiten hingehen lasse? — wo rauf dieser stumm die Achseln zuckte, und Tante Thetla suchte der peinltchen Situation durch die Mahnung ein En dozu machen, daß es hohe Zeit-sei, sich zum Kirchgang zu rüsten. «Komrn’, wir gehen zusammenitl sagte Magelone, hing sich an Johan na's Arm und zog sie zur Thüre hi naus. »Ich bitte dich, mache nicht solch’ trauriges Gesicht,« fuhr sie fort. »Kümniere dich nicht um die hochmü thige Liefe; du weißt, wie lieb wir Anderen dich haben.'· Johanna drückte Magelonens Arm und ging stumm mit ihr die Treppe hi naus; erst an ihrer Thüre sagte sie:i »Du mußt heute ohne mich in-- die Kirche gehen; ich kann nicht andächtig fein, nach dem was geschehen ist.« - »O Johanna, wir sollen nicht nach tragen:--—sei gut, lomm’ mit,« bat Ma gelone; aber mit einem entschiedenen: »Ich tann nicht!««machte sich Johanna von ihr loslund trat in ihr Zimmer« x Sie scheute sich auszusprechen, daß es» weniger hildegard’s FeindseligteitI war, die sie bedrückte, als das Bewußt sein, in einen Gesellschaftstreis eintre ten zu müssen, in dem sie als unberech tigiiangesehen wurde. ! »Wenn ich fort könnte!« dachte sie,1 indem sie· ans Fenster trat und in die sonnt e Winterlandschaft hinaussah »Ja, Fort, fort, und wenn nur auf eine Stunde!'« rief sie aus, .hiillte sich in1 Mantel und Kapuze, eilte, von dem fröhlich bellenden Goldhund begleitet, durch den Pakt in’s Freie und schlug den Pfad ein, der oberhalb des Dorfes in den Wald führt. l Jn der frischen Winterlust wurde ihr ’ leichter zu Muthe. Jmmer rascher stieg sie aufwärts unter den verschneiten, von Sonnesunlen durchblihtem leise wehenden Wipseln, von denen der schimmernde Schneestan tnisternd aus sie nieder rieselte. Erst der Anblick des Försterhauses, dessen Fenster ihr in der Morgensonne entgegen funkelten,« mahnte sie an den Heimweg. Aber da sie einmal hier war, wollte sie sich nach Johann Leopold’s Schüp ling erlundigen. Von der bellenden Hundeschaar begrüßt und begleitet, ging sie der Thür zu, als dicht am Hau se ein Mtidchen in ärmlicher Kleidung, mit einem Tuche um Kopf und Schul tern, aus dem Dickicht hervor kam. Gebüclt huschte die schniöchtige Gestalt unter den Fenstern hin, öffnete leise die Hausthür und fchliipfte hinein. Johanna ging ihr nach. Das Mäd chen trat an die «« Kammerthiir der Wohnstube gegenüber-, und legte die Itleinc, von Frost geröthete Hand aus »die Klinke. » »Jakob!« sliifterte sie, indem sie vor-« sichtig zu öffnen versuchte. Aber in demselben Augenblick wurde die Wohn stube geöffnet und die Försterin im. schwarzen Kleide und weißbebänderterJ Daube, in der Hand das aufgeschla-J gene Gesangbuch in dem sie eben gelesen hatte, kam heraus. i »Christine!« rief sie halblaut mit; zornigem Ton und stürzte, ohne Jo-s hanna zu beachten, aus die Verhüllte: zu. ,,Christine, du unterstehst dich . . den Augenblick mach’, daß dir-fort-( kommst. Dabei suchte sie das Mädchen » svon der Thüre wegzudrängen, aber die , kleine Hand hielt die Klinge fest. f »Um Gottes Willen,« bat eine schüch- ( jterne Stimme, »nur ein Wort lassen »Sie mich dem Jakob fagen.« i »Nichts da!« fiel die Försterin ein; -,,du gehst, sage ich dir!« und sie erhob das Buch wie zum Schlage. » »Frau Försterin!« schrie Johanna aus, indem sie an die Beiden herantrat. I Sie wendeten sich um; aus der zurück-I gefallenen Kopshiille des Mädchens starrte ein junges, bleiches Gesicht mit großen, dunklen, verweinten Augen hervor, während die Heftigteit der Fär sterin schnell einer unterthänigen Höf lichkeit wich. »O gnädiges Fräulen!« rief sie und knixte, »nehmen Sie’s ja nicht übel! — Jch thue sonst keinem Kinde was zu Leide, aber die Christine ist eine unver schämte Creatur, die nicht aufhört, den Jakob zu molestiren.« »Ich ihn molestiren?« fiel das Mäd chen ein-, »Ich habe ja, seit das Un glück geschehen ist. nicht einmal zu ihm gedurst. Seien Sie barmherzi , lassen Sie mich Abschied von ihm neF I men. Jch gehe heute nach Oberroda . . Iaber ich kann nicht fo fort;« Sie brach ’in Thränen aus. »Frau Försterin, lassen Sie sich er »weichen,« bat Johanna; das arme jMädchen . . .« ! »O, gnädiges Fräulein, verschwen den Sie Jhr Mitleid nicht!« siel die Försterin hämisch ein. »Die Christine ist bei all’ ihrer Jugend ein schlechtes, durchtriebenes Geschöpf. Sie hat ein Kind gehabt und will den Jakob zwin gen, sie zu heirathen; er mag aber nichts mehr von ihr wissen.« »Der Jakob nichts mehr von. mir wissen? —- das ist nicht wahrt« rief Christine. »Er läßt nicht von mir, wie ich nicht von ihm lasse. Und wie lieb hat er das Kind gehabt . . und nun weiß er noch nicht einmal, daß es gi storben ist . . . das muß ich ihm sa gen . . .« Sie verhüllte das Gesicht und schluchzte laut. , - - »Wie können Sie bei dem Jammer -sv" hartherzig sein!« sagte Johanna. »Sib müssen das Mädchen mit dem Kranken sprechen lassen.«' - »Damit sie ihn vollends krank macht mit ihrem Lamento,« fiel die För stern ein. »Wenn ihn die Christine so lieb hat, wie sie immer behauptet, mag sie ihm doch das Gewinsel ersparen. Was soll’s denn auch? — es ist ja ein Glück, daß ihr unser Herrgott das Sündentind wieder abgenommen hat.« »Frau Försterin!« rief Johanna empört, und Christine die leichenblaß geworden war, zog das Tuch über den Kon und ging stumm zum Hause hi naus. »Gnädiges Fräulein, wenn Sie. wüßten! — Haben Sie doch die Gewo genheit, näherzu treten, lassen Sie sich wrzählenm bat die Försterin, die wieder ganz Lächeln und Unterthänigkeit war; aber Johanna machte sich von ihr los und ging Christine nach. Wie gejagt lief das Mädchen den Waldweg hinunter; plötzlich schienen sie die Kräfte zu verlassen, und sie muß te sich am nächsten Baume halten. Johanna eilte zu ihr »Wo sind Sie zu Haus? —- ich werde Sie hinsühren,« sagte sie freundlich » u Haus — nirgends!« anwortete das Mädchen mit irrem Blick. »Mein Bruder hat mir die Thüre gewiesen und zum Jakob soll ich nicht. —- Die Schwester sagt, ich wäre zu schlecht für den Jakob; mein Bruder meint, der Jakob wäre zu schlecht für mich —- du lieber Himmel! wenn wir Beide so sind, gehören wir ja»erst recht zu einan der.« Die tiefe Biterteit dieser Worte stand in solchem Widerspruch zu den kindlich weichen Zügen des Mädchens, daß Jo hanna’s Theilnahme immer größer wurde. Sie nahm ihren Arm und suchte die schmächtige, zitternde Gestalt zu stützen während sie langsam mit ihr abwärts ging. Nach einer Weile sagte Christine: »Sie sind so gut, gnädiges Fräu lein — der Herr Förster Krüger hat mir das ichon gesagt ., er ist viel besser gegen mich als seine Frau.« »Was hat die Försterin gegen Sie?« fragte Johanna. ,,Anfangs kann’ s nur gewesen sein, « daß ich arm bin und von geringem Stande,« antwortete das Mädchen. ,,MeinVater ist freilich nur Kuhhirt ge wesen, und der Jakob ist ein Pächter-s sohn. Aber trotzdem hat er mich hei rathen wollen, und wenrj das die An deren zugegeben hätten, s ände es heute anders mit mir.« »Wer sind die Anderen?« fragte Jo hanna wieder. »Am meisten hat die Färsterin dage gen gehabt,« antwortete Christine. »Sie hat sich hinter meinen Vormund und meinen Bruder gesteckt, und die ha ben mir verboten, mit dem Jalob zu gehen So haben wir heimlich zusam mentommen müssen, denn er hat nicht von mir lassen können und ich nicht von ihm . . . und da ist geschehen, was nicht hätte sein sollen.« (Fortseßung solgt.) — WOOO —-——— Die beiden Einladungen. Der berühmte englische Schriftsteller Warten Iar ein großer Renommist und prahlte gern mit seinen Bekanntschaften. So erzählte er eines Tages einem Freunde, dem diese kleine Schwäche be kannt war, er wäre aus den nächsten Tag beim Lord-Großkanzler zu Mittag eingeladen. »Ich ja auch, « verse etzte der Andere, »du werden wir uns also treffen. « »Ja, aber ich gehe nicht hin,« ver setzte Warren, »ich habe etwas Anderes vor.« »O, das thut mir leid, und der Lord Großkanzler wird es auch bedauern; ich werde Dich bei ihm entschuldigen.« »Jceiii, thue das lieber nicht, « sagte der so in d! e Enge getriebene Warten verlegen. »Warum nicht? Das muß man doch thun; gewiß werd’ ich es ihm sagen.« »Nun, da will ich aufrichtig gesteht-n, « ich habe gescherzt, der Lord-Großianzler hat mich ja gar nicht eingeladen.« »Mich ja auch nicht, ich habe auch nur gespaßt,« versetzte darauf dcrAndere.