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About Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901 | View Entire Issue (May 8, 1896)
Femll etan KLWMinningyauscn Roman von Ctaire v. Gliimer ’ ErstesKapiteL Jn einem elegant ausgestatteten An kleideziinmer saß von Stoffen,Bändern und Spisen umgeben, ein junges Mäd Ihen am Fenster, nähte und murmelte rnit ernster Miene vor sich bin, während an dem Tot-lettentisch hinter ihr ein nffallend schönes Kind von fünf bis sechs Jahren auf einem Fußfchernel stand, allerlei bunte Bänder um Kon und Arm wickelte, endlich ein Stück blauen Atlas als Mantel umnahm und sieh mit Entzücken im Spiegel betrach Dete. «Liåbeth, was soll das!« rief plötz M eine scharfe Stimme, und eine schö ne blonde Frau deren Gesicht ein AUE drnck von Uebellaunigteit entftellie, trat Dischen der Portiere des Echkafzim MS hervor «Mama!« rief das Kind, sprang M der Fußdank herunter, verwickelte M in feine DraperZe und fiel. Mit einem Aufschrei stürzte die Mut ter herbei, aber schon war das junge Mädchen der Kleinen zu Hilfe gekom men und richtete sie auf. »Ich habe mir gar nicht weh gethan,« versicherte das Kind und fah die Mut ter mit großen, bittenden Augen an; sie aber erfaßte unwillig den Arm der Kleinen und riß ihr die Schleier ab. »Ganz zerdrückt die schönen neuen Bänder!« sagte sie in gereiztem Tone. «We1m Du Liäsbeth nicht besser beauf sichtigst, liebe Johanna, so muß das Kind bei Lina bleiben . . . Fort mit dir in die Gesindefiube, und daß du dich heute nicht mehr blicken läßt!« fiigte sie zu der Kleinen gewendet, bimux dann setzte sie sich an die Toikette and begann das schöne blonde Haar zu a:dnen. Liåbeth trat zu Johanna und faßte ihre-Hann »Verzeu)ung. Ocama," var Das funae Mädchen; »Lisbeth ist nicht schuld; ich bin unachtsam gewesen; ich über höete mir meine Rolle« »Wenn du die noch immer nicht kannst, so gib«s nur auf.« antwortete M junge Frau mit leichtem Achselzu den. »Entschließe dich dazu, dann geb’ ich sie der Dornbach. Bis morgen Abend lernt sie die paar Verse noch.« »Nein, laß sie mirs« rief das junge Mädchen »Ich habe sie eben ohne An Ioß hergesagt. Auch mein Costiim ist Whe fertig und ich wollte dich bit M o i « o« »Nun?« fragte die junge Frau, als Johanna stockte. . »Wirk) heute in-’s Theater gehen zu «lassen,« antwortete sie, otme aufzu blicken. »Schon wieder-? Tu warst erst vxir ein paar Tagen dort," sagte die Mut »Ja . . . aber ich möchte so gern Papa als »Egrnont« sehen und . . . « Johanna stockte wieder und wurde roth. »Und dich als »Kl«circhen«, hatte sie diplomatisch hinzufügen wollen. Sie Mie. daß ihr, wenn sie dies sagte, die ersehnte Erlaubniß gegeben wurde — sber die angeborene Geradheit sieate — , M Spiel der Stiefmutter war ihr an tipathifch, sie verschluckte den Nachfatz. Mit dem feinen Instinkt des Künst lers errieth die junge Frau, was in der Stiestochter voraing. »Du thust besser-, deine Rolle weiter zu studieren,« sagte sie, indem sie sich erhob. »Auch mußt du noch mein Spi Inlleid mit neuen Schleifen garnirenz morgen hast du im Hause Allerlei ze-! Hanf »Der Papa! der Papa!« rief Lis Äetlz die sich ans Fenster zurückgewan - und hinausgesehen hatte. ,,Eben « Matt er über die Straße.« . Mit diesen Werten wollte die Kleine . vksstsåtarräeilem die Mutter hielt sie zu t· I-«.- s« - - .-.-- — »Hier geblieben!" befahl sie. »Du darfst Papa jetzt nicht stören; wir müs sen gleich in’s Theater . . . Meinen « t, Johanna, mein Blase-, meine ndschuhe, schnell! schnell! und in dem sie mit süßschmachtendem Aus Mck »Freudvoll und leidvoll« zu sin sey benann, nahm sie der Stieftochter Ue verlangten Gegenstände aus den Händen nnd verließ das- Zimmer. Johanna feste sich wieder an die Ar ieit. Jetzt hörte sie des Vaters- Schritt im Voezimmer, hörte seine krank-volle « Stirn-etc Wie Viele durfte dies herr klche Organ heute Abend wieder ent " Mein erfchiitteem begeistetn —-— nur sie Mk seine begeistektste Zuhöreeink seen stiegen ihr ins Auge und Mysteeh ihr unbewußt, auf die fleißi su Hände nieder-. - , »He-mer« erzähle mir wagt« bat Lis I M, die neben der Schwester am Fen-4 stand. »O dn weinftP fiigieM sie, umfebeniz ängstlich hinzu« fehlt diri« ...ichts, mein Lieblings« anwortete Johanna, indem sie sich rasch die Au »gen trocknete. »Was soll ich dir erzäh «len?. Von AschenbriideL oder don Schneewiiichen im Beran« »Nein, nichts von bösen Stiesmiiis tern!« rief die Kleine, und mit großen, verwunderten Augen fuhr sie fort: »Deni’ nur, Lina behauptet. Mama wäre eine Stiefmutter . . . so dumm! · . . Meine schöne, liebe Mama . . · Aber Friedrich hat Lina gesagt, es wäre nicht wahr . . . Ja, und dann . . . er ist eben so dumm wie Lina, bat er ge sagt. du wärest nicht meine Schwester, wärest nur ein angenommenes Kind . . du sollst meine Schwester sein . . ich will es!" Sie stamnsie mit dem Fäßchen; Jo hanna zog sie in ihre Arme. »Sei ruhig, Liebling. das bin ich anch,« sagte sie nnd streichelte den Lo ckentopf der Kleinen. »Aber warum bist du nicht immer bei mir gewesen ?" suhr Lisbeth ungestüm zfori. »Alle Schwestern, die ich kenne, «sind immer zusammen.« »Ich war in Pension, weit von bit-M antwortete Johanna. »Papa gab mich dahin, als meine arme. liebe Mutter ge storben war und er nicht wußte, was er mit mir anfangen sollte. Er ist da mals Von einem Ort zum anderen ne zzogen . . . und dann bat er deine Ma Ema gebeirathet . . . und dann bist du igeboren nnd er ist immer beriibmter ac worden Jch glaube, mich hatie er bei nahe vergessen . . .« Die alte Linn, Lisbe e« HEF- ehemalige .Wiirierin, tratein s »Friiulein, ein Herr fragt noch Jn -nen,« sagte fie, indem sie Johanna eine Visitentarte überreichte. j Doktor Ludwig Weiner« stand-: ais tdem Blättchen Mit einem Jubelge schrei sprang Johanna auf. J »Onkel, lieber Onkel!« rief sie, aus ider Thiir eilend. Aber statt des- erwar zteten alten Herrn trat ihr ikn Borgo-· E mer ein junger Mann entgegen Z «Joi,ianna!« rief er mit beweqier Stimme und wollte sie umarmen; sie Zentzog sich ihm und fchiitjeite ihm nur Idie Hand. Er lachte halb spottisch,ha1b Toerlegen Z »Du bist's!" sagte sie und auch ihre ’ Stimme zitterte; »ich glaubte, dein Va ;ter wäre da . . . bitte, tonm« herein.« Sie führte ihn in den Saan hinü ;ber. Linn, die mit Lisbeth an der Hand saus der Schwelle des Ankleidezimmerg Ystehen geblieben wor, sah ihr verwun Lvert nach. Wie konnte Franck« Jo Zbanno zu einem Menschen du sagen, der j in boyrischer vape und schädigemzilz Jhuie Visit machte? Ihm selbst sein« als er den Salon be ;irai, der Conttast zwischen seinem Neu sszern und dieser Umgebung zum Be wußtsein Während er sich in dem wei jten, reichgeschmiicktem von den letzten kSirahlen der Septembersonne durch leuchieten Raume wisset-, wurde alle spöttischen Ausdruck verdrängt, der I Johanna so wohl bei-rinnt war-. j »Das.ist jetzt deine Hei-nach« snnte er: ,.nnn fange ich an zu verstehen, bis jetzt konnte ich’s nicht. . Und du selbst «. . . bist du ebenso verändert wie der JRahmen deines Lebensj-« ; Er war mit ihr an die ossene Bal Tconthiir getreten und sal) sie durch dringend nn. Ernst und Undesangen wie ehemals blickten die großen grauen IAikgen des jungen Mädchens zu ihm ou . »Was konntest du nicht verstehen?« fragte sie. »Daß du im Stande warst, uns zu verlassen nnd hierher zu gehen . . . in dies Haus . . .« »Das Haus meines Baterå!« fiel Psie ihm in's Wort und ihre Augen ’slarnmten auf. .Lasz dir erzählen, wie es zugin ,·' fuhr sie nach einer Pause sanfter ori, »dann wirst du Alles be greism.« Sie traten auf den Balken nnd stütz Iien sich aus-das Geländer-. Der kleine, schottine Garten, in den sie niedersahen, E das goldene Abendlichn das Alles über strömie, Me in Beiden dieselbe Erin inet-ung; aber nur Johanna sprach es ons , m«ssth,» ists « o ; »Weißt du noch," fragte fie, .,wie wir xden letzten Abend vor deiner Abreise in J Lindenbad an Eurem Gartenzaun stan ;den und in die untergehende Sonne sahn-Z —- Das sind noch nicht ganz zwei Jahre und wie viel haben wir seit dem erlebt, du bist in London und Pa ris heimisch geworden.« »Hei-UND geworden!« fiel er its-« Wort; »mitt, Johanns-, keinen Angesi blick. Geatbeitet habe ich in London und Paris; Tag und Nacht smdim weder rechts noch links gesehen, dem-. ich hatte nur ein Verlange-m ein Stre ben: sobald wie möglich als tächiiger Arzt in die Heimath zurückzukehren. Ein tüchtig-r Arzt soll ich geworden sein —- abet die -«math ist verödet . . die Mutter todt, hier.« »Die gute Muttet!« flüsterie Jo harrt-a und ihre Augen füllten sich rnii Thränen. Er sah es nicht« »Was ich zu hause gewesen, du hät Ltesr nicht gehen dürfen,« fuhr er fort; Zuber mein Vater ist nachgerade ein al "ter, schwacher Mann, und die Mutter war schon durch Krankheit niederge drückt, sonst hätte sie ihr Versprechen besser gehalten« « -«,,Meinsi du das Versprechen, das sie Imeiner sterbenden Mutter gegeben?'.« fragt Johanna; —- «daz hat sie gehal ten.« »Sie hat dich fortgelassen in dies Haus zu dieser Siiefmuiters« rief Lud wig, und feine Lippn zuckten wie immer, z wenn er seine Hestigkeit nur mühsam in Eise-brauten hielt. »Sie mußte mich lassen; ich wollte Hfort; mein Vater verlangte mich wie zder zu haben." »So wonach-— net ruowr ein. »Er hatte sich doch, seit deine letter Zstarlx nicht mehr unt dich geiümmerU lMein Elternbanz war deine heimath, ! bei uns hast du deine Fest- nnd Freien jzeiten ver-lebt; n uns bist du gekom men,alz du die ensionoerlieszest . . . Jung gehörst da, uns allein! —- Dein ZVater bat seinen Ruhm, seinen Luxus, z die Frau, um die sich deine Mutter todt Egegrämt . . .'« j »Ludwia!« fiel ihm Johanna dor jwutisvoll in’5 Wort. Er wurde roth. »Es ist die Wahrheit und du bist alt zgenng, sie zu tennen«« sagte er quillend !»Du kennst sie auch. aber dich dazu be zkennen — um Alles nicht! Cornödie, ;Liiae, Heuchelei iiberall — in diesem HFalle freilich beißPs Pfeiäi.« ? Er wars sich in den nächsten Stuhl jnnd iab mit zusammengezogenen ZVrauen vor sich nieder. «F)art nnd Unaerecht wie immer!« rief Johanna mit bebener Stimme. »Wieimn1er?« wiederholte er; »be sinne dich, sriiber vertrauest du meinem zUrtbeiL sahest mit meinen Augen, Fainaft willig mit, wohin ich dich ;iiihrte.« i »Möglich,« sagte Johanna; »aber Eseitdem babe ich allein leben und geben Zaelerni. Es war Zeit dazu . . ich bin Flein Kind nicht« ? Sie hatte Recht; Ludwig besann sich, Edaß sie beinahe zwanzig Jahre alt sei-n Jrnußta obwohl sie taunr wie sechszelzn Zausialz so unfertig waren die bochanfi xgeschossene Gestalt und das blasse Ge Zsicht, das gewöhnlich wie traumverloren Eunter einer Ueberlaft brauner Flechten fhervorsab. »Gut, lassen wir das Vergangene ab zgethan sein.« antwortete er mit unbe gwußter Bitterkeit »Aber fragen, was Zdich so plötzlich von uns los eriisen hat, jldari ich r«ol)l. Du wolltest ja erzäh - en.« - i Johanna zog einen Stuhl herbei und Zsetzte sich ihm gegenüber. s »Wenn ich’s nur recht zu schildern zwiißte — dich nur überzeugen könnte, H dasz es eine innere Nothwendigteit Jwar," sagte sie. »Noch der Amszerung Fdie du Vorhin tbatest, scheinst du zu Hglaubem ich hätte mich durch Eitelkeit, jVergniigungssncht. Freude am Glanz Zbestinnnen lasten. Deine Schweine jmachte mir denselben Vorwues.« « »Es-Iß doch, was geht uns Mathilde 1san . . . rzäble!« fiel Ludwig unge j baldig ein. l Johanna gehorchte; der berriiche ZTom der sie so lange beeinflußt hatte. zübte noch immer seine Wirkung. s »Im Herbst warst du sortgegangen,« Zsing sie an; »der Winter versioß in der kgerviihnlichen stillen Weise, der Som i mer brachte den gewöhnlichen Schwarm Idon Badegästen. Plstzlich hieß es, 1mein Vater würde in Weimar gasjiren. EEine bestenndete Familie nahm mich ;enit zur ersten Vorstellung. Als wir «anlamen. war’s zu spät, mn Papa noch soor der Vorstellung zu begriißen, und jso saß ich in bebender Erwartung, ihn gendlich nach beinahe acht Jahren wie xderzusebem in einein Lager-winket . « J »Na-i Jahre-Hin zärtlicher Vatrr!« Zwatff Ludwig ein; fee achtete, nicht da krau . , »Aber es war nicht mein Baker-, den ich sah.« fuhr sie in steigender Erregmm ;fmi, ,,es war hamlet Ich hatt-e ge glaubt, die Dichtung zu iemien, doch Welche Höhen und Tiefen erschloß mir diese Darstellung Das war kein HSviel —- das wars wirtiiches Leben, 4Leiden. Zweifeln und Verzweifeln. Jch sfaß im Fieber Und nach der Vorstel ;lun,q eilte ich zu ihm. Was ich ihm ge - sagt habe, weiß ich nicht, aber mein zit Hiernder Enthusiasmus erfreute und keühkie ihn. Ich durfte bei ibm bleiben; erst nur für die Zeit seines Gastfpieieä dann fiir immer Er fuhr mii mir nach Haimvenbaty mich von den Pfiegeeliem quriick zu verlanget-, und sie fanden es ;berechiigi, natürlich.« Z »Ja, das schrieb auch die Mutter,« sagte Ludwig. »Es war einer der letz Eien Briefe, die ich von ihr erhielt; gteich ·nachhee kam ver Krankheiiianfaw dem sie erlag.« i »Ich hatte keine Ihm-me wie krank sie wen-, fonst wäre ich nicht von ihr ge , . gnngen,« slüsiette das junge Mäd n Er antwortete nicht; sein Gesichts nugdtnct während er in die Ferne bi nansstak te, wurde immer sinsterer. Nach einer Weile sagte Johanna: »Dir-mais schrieb ich dir, warum hast du nicht geantwortet Z« »Ich konnte nicht,« erwiderte er. »Aus aller Betrübnis über den Tod meiner Mutter tlang es mit aus dei nem Briefe wie ein Ausathmen entge gew« »Das war es auch,« sagte Johanna; »ich bin nicht umsonst des qroßen kKitnstlers Kind Die Kunstossenbarum gen die er mir gibt, sind mir Lebens Elustz ich habe sie vermißt ersehnt, noch ehe ich ne tannte." j Der Rausch bat also vorgebalten ?'· kfragte Ludwig mit seinem bitteren Lä schein. «-.. .Rauich!« wiederholte fie: maafi es so nennen, aber es ist Besseres, Edieres Definiren kann ich es nicht doch feine Wirkung auf mich ifi die selbe geblieben oder hat sich womöglich noch gesteigert Alles, was in mir knnilar nnd gebunden ist wird hell und ;frei, während ich des Vater poeiifche Gefialtungen in mich aufnehme. .« »Jahanna,« schrie Ludwig auf, »du willst doch nicht —- nein, du kanan nicht Jznr Bühne aeben!« F »Wenn ich s könnlek« rief sie mit leuchtenden Augen; »wenn« ich’s tönnteP Z »Du darfst nichi!« fiel er hefiia ein znnd faßte ihre Hände »Befinne dich-— kder Mann kann sich auf der Bühne wie Jiiberall behaupten, iioliren; die Frau Inicht. . Sie verliert fich selbst, er ; niedrigi sich selbst. »Das brauchst fie nichts« rief Jo banna und preßie die Hände zusammen jdie sie ihm ungeiiiitn entzogen hatte »Die Beaeifierung, die den Mann hält nnd träai, kann auch das Weib iiber alles Häßlichr. Kleiniiche. Gemeine er jbeben. ceit länger als einem Jahre hin ich hier nnd habe die Augen offen Taehalicn ach krab- aeieben, was Alle herandriirai nnd schleicht and kriecht-— eielhaftes Gewürm —- aber meinem tVater ist re nie zn nahe gekommen, nie! ZEr ifi nicht nur groß in seine Kunst, er -« ist ein großer, ganzer Mensch, wie nur der Künstler sein iann.« Ludwig erblaßte. «Johanna, ist das dein Ernfi2« fragte er; iannfi du wirklich nur im Künstler den ganzen Menschen feheni — Bedenke, was du iaasi « Aber sie konnte nichts bedenken. »Ja, ja. es iii mein Musik« rief sie mit gliihenden Wangen in leidenschaft lichem Tone. Sie war wie verwandelt »Dann habe ich nichts weiter zu fa en,« antwortete Ludwig, indem er ich ers-»ob. Jetzt erfi kam Johanna zum Be wußtsein, was sie gethan hatte. »O, aeh’ nicht forts« rief tie, sprang auf nnd vertrat ihm den Wen. »Ich ilaife dich io nicht gehen· du haft mich falsch verstanden: ich meinte nur . Kind ich dich falsch verstehen!« iaaie Lndivia mit erewnnaener Ruhe. »Ich ivnnle mich täuschen. s- ianae wir aeirenni waren; nun wir uns aeaen iiber stehen sei-e ich dir wieder ins Herz wie ehemals « Nein du siehst nicht klar . . . Du verstehst mich nicht . . . Du bist verletzt «Beruhige dich!« fiel ihr Ludwig ins Wort indem er sie wieder zn ihrem Sessel führte. »Komm, ietze dich und höre mich an. Warum sollte ich verletzt fein? Wir Alle veriörpern uns unser Ideal menschlicher Schönheit und Miit de. .auch ich habe das gethan, soll ich dir faan wie?« - Sie nieste nur. Es war etwas Frem des in feinem Wesen, das sie dräng stigts «Mein Jdeol,« fing er an, indem ei sich ihr wieder gegenüber setzte, »ein( Frau natürlich, war ein einfaches, hei -teres Wesen, das mit hellem Blick ins Leben fah; das wenig Ansprüch upi Evas zzmq man-z rqu sizlpvm Besies zu leisten; das sich iiir Alles Gute- Schöne. Große intreistrte, abei auch fiir das Arme und Häßliche Ver ständniß und Theilnahme hatiez das keine Aufgabe des täglichen Lebens au ßer Acht ließ. aber auch deni Geringen durch sein Hinzutreten eine Art Weihe verlieb, und wie von einer reineren At mosphäre umflossen, überall Helle unt Harmonie um sich verbreitete.'· »Deine Mutter,« sagte Johanna, als er schwieg. »Meine Mitiier," wiederholte er mii einem mild aufleuchtenden Lächeln, das in diesem häßlichen Bulldoggengesichi einen seltsamen Eindruck machte. Und eben so seltsam war der Blick den er auf Johanna richtete: weich und durchdrin gend, bittend und drohend zugleich. ,Meine Mutter-F sagte er noch ein mal. »Ja, und dann noch Eine, die ihr ähnlich war; von der ich glaubte jahre und jahrelang, daß sie ganz ihr Eben bild werden müßte. —- EI tote Täu schung, —- nichts mehr davonk« , Ergishend sah Johanna-vor sieh nie der. Dass er sie meinte, war nicht zu verkennen. Aber konnte dar Liebe sein? —- unrnilglieht So schnell, so grundlos gibt man nicht aus, was rnan liebt. Was hatte sie denn gethan? — gtn Vaterhaus verlassen, um in ihr aterhaus zu gehen. Und das unbe dachte Wort, das sie eben gesa ts — wenn er sie liebte, hätte er gefühin daß es nur in Uebereilung gesprochen war. Zorn und Troß befugten jede weitere Regung, und nach turzer Pause gab sie, ohne auszusehn, in taltem Ton zur Antwort: »Es ist nicht Allen gegeben. sich zu bescheiden, wie deine Mutter that.'« »Sieh bescheident« ries Ludwig; sie war eine glückliche Frau.« »Meinst hat« fragte Johanna, in dern sie den Blick zu ihm erhob. »Sollte sie nicht mehr erwartet und ersehnt ha ben, als das Zusammenleben mit einem braven, aber durch seine Berufspflich ten völlig abgebrauchten Manns — oder glaubst du, daß Zimmervermies then an Badegiiste siir die seine Natur deiner Mutter die nechte Ausgabe wart ——oder tonnten ihr zwei thörichte Mäd chen, wie deine Schwester und ich, siir die lastende Einsamkeit des langen Winters Entschädigung bieten?" »Und doch war sie befriedigt durch dies Leben,«' sagte Ludwig. »Ein so innerliche Natur wie sie, ist das immer. wo sie liebt und einen Pslichtentreiö "aus-füllt.« Johanna schüttelte den Kopf. »Es ist bequem, das anzunehmen,« antwortete sie; »doch laß dir einen Ausspruch deiner Mutter wiederholen, der »s— so kindisch ich noch war — tie fen Eindruck aus mich gemacht bat. Mama war schon sehr trank; deine Mutter saß an ihrem Lager, ich mit Hei-nein Buche am Fenster. Mama mochte zdon ihrer Vergangenheit erzählt haben; J ich hatte nicht daraus aeachtet, doch nun Zhörte ich sie sagen: ,,Gute Lauise, so be smitleidest du mia t« Aber deine Mut jter trocknete ihre Thriinen und sagte jin dem Herzenstone, den man nie ver jaiszk »Nein, Agner so beneide ich dichl its-Z ist traurig, aut- dem Paradiese ver strieben zu werden, aber noch trauriger« eeh nie gekannt zu halten« Ludtvia sah finster inUS Weite. »Es gibt verschiedene Paradiese,« sagte er dann, »und man findet sie aus verschiedenen Wegen. Meine Mutter —- daoon bin ich überzeugt —- hat das ihrige später noch gesunden. Aber du hast Recht,« fiiate er hinzu, »für Alle ist es nicht —- dn würdest es schwerlich in dieser Richtung sinden.'« »Ich würde es nie in dieser Richtung suchen« anwortete sie mit dem tlaren Bewußtsein ihm wehe zu thun; ed war ihr schecht dabei zu Muth, aber sie konnte nicht anders Ludwia stand aus: sein Gesicht war wieder blaß und starr qetnorden. »Wir miissen Abschied nehmen« jiaate er; »ich werde von ein paar Uni zveriitiiissreunden erwartet.« i »Wartet sebe ich dich moraen2 wann Zwillst du kommen ?« fragte Johanna s»Nati-irtich bin ich den gan;en Tag siir Jdich zu Hause·« « »Ich fahre schon früh mit dem ersten Zuge gen Norden,'« anwortete er. »Das darfst du nicht!« ries Johanna »Bist-gen Abend mußt du hier sein. Es ist Papcks Geburtstag, den mußt du rnit uns seiern.'« »Unmöglich —- ich kann meine Ab reise nicht ver«schieben," antwortete er; »und selbst -wenn ich es tönnte, wag sollte ich in Eurer Gesellschaft? —- Steh bin —- weißt du noch, wie oft mein gu ter Vater das aesaat hat —— ein treuer« bissiger. häßlicher Hund· Unter vier Augen läsz man sieh-den alten Spielh ineraden gefallen, in den Salon gehört er nicht-« Johanna faßte seine Hand. »Ich lasse dich nicht fort, bist du der sprichst, morgen Abend zu iommen,« sagte sie. »Wir haben eine kleine Auf führnngx ich mache meinen ersten dra matischen Versuch . . . dazu mußt du doch tommen.« ,,Nein,liebeJobanna,Komödie spielen sei-en tann ich dich nicht,« erwiderte er in ruhigem Tone,aber mit verrätherisch zuckenden Lippen. »Und abgesehen davon muß ich wirklich abreisen, muß 'ark die Arbeit. Ich tpmtne eben von ei ner fechöwöchentlichen Gebirg-staut durch die Schweiz und Tirol, nun heißt es fleißig sein« »Aber ich weiß ja noch kein Ster benstvott von deinen Erlebnissen, dei nen Plänen, weiß nicht, wo dich meine Gedanken künftig zu suchen habeni" rief Johanna. »Ich schreibe dir,« fiel er ikir ins Wort. ,,Lebe wohl, versuche, freund lich an mich zu denken.'« Er schüttelte ihr die hand und ging. »Ein treuer, bissiger, basiicher Handl« wiederholte Johanna, waher die Thüt hinter ihm zufiel und ein Schritt im Vorzimmer verlier-m d h nch nieg er ihr heiß zum her-est und in's Auge. sie sont ank· den nächsten Stuhl nnd brach in Ihr-einen aus. ,.. ski — Zweiter neunten Das Fest war zu Ende. Die lehtensf Gäste verließen das Vorzimrner, eilten die Treppe hinunter, und als sie schau dernd in die lalte Herbstnacht hinaus traten, verwandelten sich die Ausdrücke dankbaren Ent iickens über den «einzi gen, wundervo en Abend«, mit denen sie sich eben von den Wirthen verabschie det hatten, in allerlei tadelnde Bemer langen. »Wahnsinniger Luxus!'« —- Es ist mehr als tböricht, es ist geschmacklos, wenn es der Künstler dem Bist-sen manne gleich zu thun sucht.« —- »Um-S eborgt, Kinder, darauf versteht sich rau Helene.« — »Ja, und Toilette zu machen versteht sie auch; wie schön sah— sie aus in der blaßblauen Seide mit dem kostbaren Spitzeniiberwurs.« — »Und das Perlencollier, die herrlichen Ohraehiinae, woher sie die wohl haben mag?«—--»Honny soit qui mal h pense,«" meine Gnädiae, ein Liebesaeschenl ih res Mannes, der damals noch der Mann einer Anderen.« —- »Famose Cigarren führt der Roderich, und der Romane, Kinder. der Johanniskr ger!« —— »Waren auch nöthig, um das Festspiel hinunter zu spiilen.« —- »Um des Himmels willen still« Hosriithchen Leuchtenberg hat das Opus verbro chen.« — Das Opus ging noch, aber die Darstellung einer Dilettantentomiis die zu regaliren.« —«— Jlnd das große, blasse. ungeschickte Mädchen war Ro derichs Tochter? Unbegreiflich dasz sie so gar lein Talent hat.« —— ,.Roderich sab aus« als ob er aetreuziat werden sollte, als sie so hölzern dastand und ihr Pensum ableierte.« ——— »Um so mehr ihat sich Frau Helene gefreut; sie war ilaurn im Stande, ihren Triumph zu äverberaen Tie Stiestochter ist ihr ein Dorn im Auge.« s So klang es die Strasie entlang von sunaen und alten, männlichen und ;weiblichen Lippen. und der Nordost zbrausie darüber hin wie in zornigek « Verachtung. Johanna war schon, während die Eltern die letzten Vlbschicdkgriisze em spfingen, in das Schlaszimmer geschli Echem wo Lisbeths Lager neben dem der Mutter stand. Geräuschlos trat sie heran und beugte sich iiber dag rosige, vom matten Licht der Nachtlampe be zschienene Gesichichen, das mit geschlosse inen Wimpern dalag. Aber plötzlich ’schlangeu sich weiche Arme um ihren Hals-. zogen sie nieder und die blauen Kinderaugen lachten sie an. »Liebling, habe ich dich getveeltim fragte Johanna. »O nein, ich habe noch nicht geschla - sen,« sagte die Kleine. »Ich tann nicht Ischtakenz du sonst bei mir bleibe-» wir wollen uns was erzählen." ,,Herz, du mußt schlafen." sagte die Schwester, indem sie sich· loszumachen isuchte ; die Kleine klammerte sich fest. »Nein, nein, hier bleiben sollst du« ich fürchte mich so allein!«ries sie in eigen lsinnigem Tone, und mehr als dieser ITon bestimmten Johanna die glühen äden Wangen und leuchtenden Augen Ideg Kindes-, ian den Willen zu thun. s »Gut, ich will bleiben, wenn du ver "sprichst, ganz still zu lief-ein« sagte sie, ;tetzte sich an das Kopfende des Bett fchens und legte in aewohnter Weise den kArm unter Liesbeths blondes Köpfchen. E »So, nun tst’g aut!« sagte das Kind. »Aber vorhin, als ich noch so viel lachen Fund sprechen hörte, hätte ich beinahe ge ;toeint. Ach Hannn wasz nicht wun Ider-, wunderschön heute Abend?« ; »Ja, Liedern qbek mach- ietzt die JAugen zu. Vielleicht tannst du davon xträumen . . .« i »Das brauche ich nicht!« fiel ihr die ;Kleine in s Wori; »ich weiß Alles ganz igenau. Wie schön war es als ich mein IBerschen beklagte und Papa den Kranz gab und alle in die Hände llaiichten Hund Bravo riefen . . ach, ich wollte, sich wiire groß und iiinnte wie Marna sieben Abend Komödie ipielenk i Sie hatte sich aufgerichtet; Johanna jzog sie in die Kissen zurück. ! »Rnl)ig bleiben!" mahnte sie. »Ja, ja, ich bin ganz stillt« rief Lis beth. »Sag n ir doch, " fuhr sie mit weitgeöiineten Augen fort, »warurn jliat für dich Niemand Bravo gerufen und in die Hände getlailcht?«' »Wal)richeinlich habe ich B nicht so gut gemacht wie du,« antwortete Jo hanna und die Scham, die sie kaum in sich niedergeiärnpft hatte, stieg ihr glühend in's Gesicht- ,,Nein, ganz elend, ganz erbärmlich war es,« fuhr sie mit bei-endet Stimme fort. »Die Kehle war mir wie zugeschniirt, die Glie der waren Jchwer wie Blei; alle die Au en. die m ch ansahen bohrien in mich sineirk . . ach. Lisbeth ich werde nie Komödie spielen können-« Sie legte den Kopf mit auf das Kil zsen der Schwester nnd Lisbeth drilrtie idas heiße Gesichtchen an ihre Wan e. »Du wirst es gewiß noch lernen,« liit iterte sie, »Papa sa t, du wärest sehr klug ... und e rgutdiiidu . . . und ich habe dich o lied. Die Worte tarnen in imtner längeren i