Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, April 26, 1896, Page 3, Image 3

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    « » « Die blaue Brille
,«son We missen-.
»- T««i »Aber Ineine beste Ladn harnils
· Ihm-ich kann sie nicht ausstehenP l
; ; »Aber Denkt-. mein lieber Junge»
- - welcher Unsinn! Sie ist eines derj
. en Mädchen in der Welt und wies
, . chaffen siir Dicht Jch versiche«
s te Dich, Du wirft sie lieben, wenn;
Du sie näher kennen leenst.« !
»Das ist's ja gerade. Ich kanns
" sie ja gar nicht näher lennen lernen,;
« Myiady. Jch glaube wirklich, dass
·. ist noch keinem Menschen gegliiett.
Und sie scheint auch nicht den leise-«
sten Wunsch zu haben, Jemand len
neu zu lernen.«
s, »Komm. komm. dem-m Dich
» möchte sie näher kennen lernen." ;
«Witilichf Warum macht sie;
L » dann nicht wenigstens den Versuch
dazu? Wochenlang habe ich mir
die größte Miihe um sie gegebenJ
Bade Alles und Jedes ihretwegen?
vernachlässigt —«
»Nein, Henry, das hast Da nicht
etham Sicherlich hast Du nicht
iß Mai-gan, unsere Gouvernante.
um ihretwillen vernachlässith
»Oh, bei Gott« was das betrifft«
- « Mylady, so würde ich viel lie
» E bei Miß Morgan, die Gouvernante,
; «- Mitka I-«
» noch wissen iassen." T
JWW Trag der mächtigen diauen
stille und —«
»Nun gut! Diese blauen Brillen
giiser sind sehr häßlich, und ich ge
auch zu, daß es besser wäre, wenn
sie ein bischen mehr Haare hätte als
diese paar dünnen, sardlosen Strich
Iien. die unter ihrer schwarzen hau
de hervorfehem Aber dafür weiß
e so reizend zu plaudern und stellt
.o kluge Fragen und ist so lieblicht
tin Wesen und —- und dieses andere!
Mädchen, dein Sie niich bestimmen,!
Lady harniltom hat nicht ein Wort(
fiir einen bund übrig. Es scheinH
man kann ihr Interesse oder ihre(
Neugier gar nicht erregen. ;
scheint, dasi sie nichts zu wissenj
braucht, es scheint, sie bat nicht ais-(
ihiz irgend Jemandes Meinenini
Tiber irgend etwas in der Welt zu
hören.« I
Der junge Mann hatte sich in1
förmlichen Eifer geredet. und seinej
sitt-schen blauen Augen liesteten sich»
ast bittend auf sein Gegenüber.
.Morgen also willst Du uns ver
lassenti« wandte sich Ladii heim-il
tvn, das Thema wieder tindernd,
an den jungen Mann.
- »Ja! Sie wissen, ich in"uß.'«
Biber Du ioinnist bald zurück?«.
»Ich hoffe! Jch werde den Tag
»An right! Doch da höre ich die
Dinergloclr. Jch inuß gehen und
Toilette machen.« ;
Dieses Gespräch fand ini Drei-:
wingrooni eines etwas altniodischen
hauses in einein der Städt-and
Counties statt. Ladn hamilton,
eine nicht mehr junge« aber nochi
hüssche Frau, war eine nahe Freien-I
din von Henry Toren-an's- Mutterj
gewesen, und da hean jetzt allein
in sder Welt stand —- sein Vater uJ
seine Mutter waren beide todt —
hatte sie ihn »in die band genom
men«uiid sich seit einiger Zeit in den«
Kopf gesetzt, ihn zu verheirathen.l
Sie dachte wirtlich, in Miß Julias
Yernish eine sehr passende Partie(
fett ihn gesunden zu haben, da siej
etn sehr hübsches Mädchen, sehr ver-z
mögend und auch elternios war.
Doch ging denen wie wir gesehen,
nicht so eifrig aus dieses Projekt ein«
wie inari erwartet hatte. Er wart
selbst vermögend nnd hätte es beiI
Wettern vorgezogen, eine Liebesheist
tuth zu schließen. Er hatte fiii ei-(
nen modernen jungen Mann rechti
romantische Ansichten iiber Liede u.
«Ehe. Wie schön. dachte er, sich in
ein armes Mädchen zu verlieben u.
H wieder von ihr lieben zu lassen,
Glauben, daß er arm sei! Erit»
nach vollzogener Trauung würde er«
Ihr sagen, daß ssie sich getäuscht, undt
Wild-sich fürs Leben glücklich niasl
Mit solch-u Idee-tm im appff
war ei natäelich nicht leicht, zu Ju-(
Ua Beknish Neigung zu fasset-. Und
noch etwas stand dem im Wege.
Lady amilton hatte eine Gouver
niante "e ihre drei Mädchen. Die
Teäbe war, wie wir schon hörten,
seht gescheidt, legt liebenswürdig
emd —- häßlich. ine große dunne
case-be bedeckte den Kopf. nur ein
Mr Suan sandfaebenen Haa:
m leisten unter derselben hervor.
Eine Weise blaue Weise beschat
tete ihre Au en need verbarg vie
hekben fast « nzlisp doch behauptete
e, ohne dieselde nicht sehen zu tön
eken. ein-W angeborene Ritter
lichkeits satte ihn seit dem ersten III
Igeuvnck svek vers-namhaft veranlaßt,
fka außekomumche Wen-sammt
zu erweisen. Er fühlte tiefes Mit
leid fiir ihre Lage, jiir ihr unscheinba
fres Aeußere. Die Mehrzahl der Gä
ite des gastfreien Landhaufes iibersah
;«sie fast völlig, sdie Männer waren zu
iin uuk so hinsich, wie «- nothwendig
sway die Frauen nahmen kaum Notiz
Von ihr. Ihre Zöglinge beteten sie an,
rund dies war mit ein Grund zu der
ihohen Meinung, die Lord uni- Lady
Ihamilton von ihr hegten. henrh ge
jielen ihre gefunden Ansichten in allen
Dinge-n und ihre Unterhaltung amti
sirte ihn. Bei allen den heiteren Auf
zsiihrungem den lebenden Bildern und
)Eharaden, welche die langen Winter
iabensde ausfülltem erwies sie sich un
jschätzbar. Keiner mußte wie sie, ei
Hnen Raum sfiir seinen darzustellenden
iZwecl herzurichten, keiner wie sie, jede
IPerson siir die augenblickliche Ausflu
ilung ihrer Rolle zurechtzuftußem Du
Henrh meistens der Leiter dieser künst
lerischen Arrangements, waren sie viel
Ian einander angewiesen unid lamen
Imerkiviirdig gut mit einander aus.
»Daß Ereigniß dieses guten Einverneh
mens war ein Zischetn unli- Flüstern
in der Damentvelt: über die Verschie
jdenheit männlichen Geschmacks und
iiber die unglaubliche Thatsache, daß
kein hübscher-, eleganter, junger Mann
sein atmsetigeg Geschöpf, das eine
blaue Brille trüge und doch eigentlich
nur ein Dienstbote tei, anderen hieb
fchen, eieganten, jungen Damen, kurz.
Seines-gleichem vor-zöge.
.Jch fahre morgen nach LondoM
lMisi Morgan,« sagte henih am
Abend feiner Untetredung mit Lady
Hamiltom Er war ziemlich feiih in
den Salon heruntergelommen und fand
Miß Morgan dort noch allein.- Er
freute sich darüber, ed war ihm lieb,
daß er dem Mädchen ungestört ein
freundliches Lebewohl sagen konnte.
» »Es thut mir leid, dnfz Sie fort
jgehen!« sagte Mifz Morgan in ihrer
offenen Weise. Wir werden Sie sehr
vermissen.« Einer der wenigen Vor
theile eines unscheinbaren· eine blaue
Brille tragenden Mädchens ifi, dass sie
sich so freundschaftlich und ofsen im
Verkehr mit jungen Männern geben
!darf. Sie können nicht glauben, daß
isolche Madchen den Versuch machen,
imit ihnen sei «flirten.«
i Werden Sie mich vermissen2«
Ifragte henrh conwah leise und rnitl,
Ieigner Betonung. l
«Ja," erwiderte sie in derselben
sreimiithigen Weise wie vorher. «Jch
werde Sie sehr vermissen. Aber Siel
lehren bald zuriich wie Ladts hanrilton
Lheute bemerktes«
E »Ich hoffe- seht bsld!«
I »Ich hoffe ed auch. « Ihre Stirne-tei
tlang siifz und leise. Der Klang dieser
iStimnIe erweckte, wie schon oft zuvor
seine uneriliirlich- sonderbare Neugier
Hund Erregung in ihm.
s »Wissen Sie, daß mich Ihre:
sStimme manchmal förmlich ver-i
!ivirrti« bemertte er nach einer Weile
»Mir ist oft, als wenn ich dieselbe schon
yvorher gehört, ja, ichfiihle es manch
mal wie eine Gewißheit dafz wir uns
fchon einmal im Leben begegnet sind!««t
»Wenn wir uns schon einmal im
Leben begegnet wären,« sagte sie lang
ifatn-——mnn wußte nicht, ob der Ton, in
dem fie sprach, lalt oder traurig llang
—«so ist ei nicht wahrscheinlich, daß
iSie meinen Anblick so schnell vergessen
Fbaben würdenl«
i Augenscheinlich spielte sie auf ihr
haar ihre Daube, auf die große blaue;
Brille an. Fast wünschte er, er hätte
geschwiegen; dennoch trieb ihn ein
Funbestimmies Gefühl, fortzufahrem
i Enden Sie vielleicht eine Schwe
ster mit einer Stimme, der Jhreni
lsehr ähnlichs«
! »Und mit einem Gesicht, dem mei
fncn sehr uniihnlich2« fragte fie fastk
schaltbafi zurück
»Das sagte ich nicht und meinte es
auch nichts« rief er fast ärgerlich.
»Gleichviel, was Sie meinten, Sie
fmeinlen nichts Unfreundliche5, das
sweiiz ich. Aber Sie legten mir soeben
seine Frage vor. Nein, Mr. Conwah,I
lieh habe teine Schwester, ich hatte nie
eine, ich bin wie Melchisedech——ich habe
Iteinen Verwandten in der weiten
Weltt«
»Auch ich nicht!'« rief er. In diesem
Augenblick trat Lady Hamilton in s
stimmu
»Nun Jbr Beide seid hier«-» sagte
sie. »Das ift mir lieb, ich fürchtete,
meine Giifie warten gelassen zu haben.
Daß ich Eiech Beide allein ließ, hatte«
auch leine Gefahr, nicht wer-bri« schloß
Hsie lachen-id. —
! Die anne, kleine Gouveknantri WIT
Jsanze haus schien ihr fes henry Cou
Lsmfs Fortgang verfasses M öde»
Äms det vielen Massen, die es bevöksj
kiwten mä es eine-m Thubeyschlaq Ihm
Jiich machten. Warum Ida-m Venry suml
l
zweiten Male ihren Leben-we kreuzen
Wnl Ja, zum zweiten sale, old
gleich ihm nichts von ihr, als eine
dmile Erinnerung geblieben« daß et
eiarsi eine Stimme gelhörh die der ihren
ähnlich! Nicht die» leiseste Erinnerungs
an spie persönliche Erscheinung! »Wie
bald vergaß er mithi« sprach sie zu sich
selbst. Sie hätte glücklich-dari«vber sein
sollen, daß die blaue Brille, Cviel
schwarze Laube unlp die gelben Haut-(
striishnen keinen tieferen Eindruck auf4i
ihn gern-acht- Aber unverständig« wie
Idiese Art Mädchen nun einmal ist«
wider-sprach ein gewisses, traurig-wes
hes Gefühl in ihrem Versen dieser
Pslirhi, sich darüber zu freuen, und
ihre Gednsnrrn schrien immer wieders
zu den Worten zurück: »Wie bald hat«
er mich vergessen!«
Ju, sie war ilstm zuvor begegnen
während eines längeren Besuches aufs
einein anderen Lander wo sie auchI
Gouvernante war. Bald hatte sie diese(
Siellsung verlassen müssen, wie-der crus
gesioßrn in die hartherzige Welt, mit
denn elenden Gefühl, von Neuem einen
Lebensunterhalt suchen zu müssen.
Und nun war henry Comvay uner
wartet wieder in ihren Lebens-weg ge
treten, und in ishr Vers wur eine hoff
nungslose Liebe zu ihm eingezogen,
sie wußie es, daß nun auch hier
e tes Bleibens nicht länger war. —
Ungiiickliche5, hoffnungsloses Miso-?
chen, was hat es Gutes, daß Du Dichy
in einen reichen, eleganten, jun-gen!
Mann verlietIsL da Du doch arm bist
unid eine blaue Brille irägsiil Und in«
wenigen Tagen woure er wiederum-;
men? Rein, sie konnte es nicht mehr
ertragen, sie war fest entschlossen, der
Qual ein Ende zu machen. Sie liebte
ihre Zöglinge, sie liebte ihre gütigen
Freunde Lord und Last-n hamiltom
urta dennoch fiZhlte sie, daß ihr ferne
res Bbeiben unmöglich sei. Sie mußte
fort aus dem lieben Hause, wo man so
gut zu ihr gewesen, wo seine liebe
Stimme freundliche, gütige Worte zu
ihr gesprochen seine schönen blauen
Mung voll Mitleid und Sympathie
auf ihr geweilt. fort und sich ein neues
heim suchen, um ihr traurig-einsames
Leben weiter zu stiften; sie war aus
gestoszen aus »den Reihen der Glück
lichen, der Reichen!
Nur Flucht blieb übrig, und Dies
muß-te geschehen. bevor henry zurück
kam. Würde er Be vermissen, wenn er
wiederkehrte und sie nicht san-di Wie
lange wiirde er sich ihrer erinnern?
Nicht länger, sicherlich, als er dies
friiher gethan. »Um so besser.« sagte
sie, »für mich und ihn! Warum sollte
er sich ihrer erinnern? Wirklich, wa
rum?« So vernünftelte sie mit ihrem
Schmerz, untd wir Alle wissen aus Er
fahrung: wie bereit Liebe und Schmerz
sind, aus weise Vernunftsgriinde zu
hören. wie philosophisch sie sich zu einer
besseren Ueberzeugung bekehren lassen,
und wie friedlich sie unter dem besänf
tigerrden Einfluß einer Predigt wer
den«
Drii Tage später swaren Ladh Ha
milton und die Gouvernante ihrer
Kinder Abends allein im Salon zu
riick geblieben. Friibzeitigm als sonst,
hatten sich die weiblichen Gäste in ihre
eigenen Raume zurückgezogem wäh
rentd Mylord sich mit den Herren in’S
Rauchzimmer begeben.
»Miß Morgan,« sagte Lady Damit
ton plötzlich, «wenn Sie mir verspre
chen, zu schweigen, will ich Jhnen eine
vertrauliche Mittheilung machen. Jrh
habe JuliTVernish bewogen. wieder
zutomment Sie tornmt in einigen
Tagen. Wir werden uns mit unseren
eigenen Räumen einfchriinlen müssen,
das Haus hat fast den äußersten Grad
seiner Elastizitiit erreicht, und die
Drummands werden auch noch erwar
tet. Aber ich muß Julia Vernish ha
ben, um dem Paar nach einmal Gele
genheit zu geben«
»Dein Paar noch einmal Gelegen
heit zu geben? Mylady, welchem
Pani«
»Oh, verstehen Sie mich wirtlich
nichts«
»Nein, Myladnl Ich fürchte, ich
bin sehr schindet von Begriff s«
»Nun, ich will Henn- verheirathet
und splide wissen! Jch glaube nichi,
daß ein Mann es zu etwas Ort-ent
lichem bringt, so lange ee tin-verhei
rathei ist. «
»Ja!« murmelte Miß Morgan, ei-?
qentlich nur, um Wie UnterhaltunT
fortzufuhken.
»Nun gut! Sie wissen: junges
Männer von heutzutage fragen nachl
Nichts, als Geld oder hübsche-m Aus
lehml Die meisten ziehen Geld vor
und fragen nach nichts sonst, aber
Denky ifi von bessere-n Schlage, er be
anspmchl ein- hiibschei Muße-z ich
weiß. zugleich mii Geld vielleicht, aber
immechith er hält auf Erstens. Nun.
hier hat n- AUM ein Wehes, well-ler
zoigenes Mädchen, mehr Gelt-, als ec
braucht. und er braucht nur die hand
darnach auszustrecken. —- Sie ist nicht
sehr klug, darin stimme ich ganz mit
Ihnen überein« —- Miß Morgan
hatte nicht mit einem Wort ihrer Mei
nung über die intellektuellen Fähigkei
ten Julia Vernish’s Ausdruck gegeben
— »aber ich glaube auch nicht, daß
junge Londoner Männer Geist für nö
thig bei einer »Frau halten«
»Vielleicht —- nein,« brachte Miß
Motgan hervor.
»Nein, sie wünschen ihn nicht, sie
verabscheue-n ihn sogar bei ihr. Sie
finden, daß Geist lehr amiisani bei
einem Mädchens ist, das ihnen das
Schfckfal als Tischnarhbarin bei einem
Diner Fuweist, aber sie betrachten ihn
als gänzlich deplacirt bei einer verhei
ratheten, bei ihrer eigenen Frau. Auch
Henry würde nie Neigung für eine
Frau von Geist, ich meine als fiir seine
tiinftige Frau, empfin:den.«
»O nein,« murmelte die Gouver
nante wieder, ,,warurn sollte eri«
»Richtig! Julia Vernifh ist sogar
sehr dumm, Das weiß ich. Und ich
würde sie nicht zur lebenslännlichen
Gefährtin wählen. Aber Das ist etwas
Anderes Jeh bin kein Mann!«
; WAber Myladn,« sagte Miß Mor
gan etwas ironisch, »Sie sind eine recht
kluge Frau und sehr unterrichtet unsd
sso weiter, und — wenn Sie es mir
nicht iibel nehmen — dennoch find Sie
und Lord Hainilton ein wahrhafis
iideales Paar!'« E
Mylady lachte gut geformt »Ja,x
Liebste! Ader Das ist ja gerade, weil
nrein lieber Mann so dumm ist. Ader,
Henry! »Das ist etwas Anderes. Er
isi über-reich an Jdee'n und eigenen An
Isichien und braucht nicht mit irgend
welchen seiner Frau geplagt zu wer
den! Wenn Sie heirathen, Miß Mor-.
gan —« -
»O, wenn ich heirathe!« :
»Ja! Wenn- Sie heirathen, müssen:
Sie einen gutmüthigen, sehr dummen
Mann nehmen« Ich muß Jhnen einen
ganz besonders dummen Mann aus
Isuchen!«
»Oh, Mylady, Sie werden keine
große Mühe damit haben, sie sind so
häufig — es sind ihrer wie Sand am
«Meer!« Und Mis; Morgen machte ei
nen tapferen Versuch, geiswoll nnd
sarkasrisch zu sein.
»Nun, Miß Momam müssen Sie
mir helfen, Hean und Julia zusam
men— zu bringen! —- Ader was ist
Ihm-M«
Denn Miß Morgan war in einen
Strwn von Thränen ausgebrochen
.Mylady, ich laan Ihnen dabei nicht
helfen!« schluchzie sie. »Ich kann
Nichts thun, als Ihnen zu danken —
nnd immer dankbar zu sein und Sie
immer zu lieben nnd die lieben Mäd
chen und auch leord, ich liebe ihn sehr
—wenn Sie es mir nicht iibel nehmen,
und ich weiß. Sie thun es nicht«-denn
er ist immer so gut und freundlich zu
mir gewesen!«
«Guter Gott, Miß Morgam wor
iiber regen Sie ssich aus? Natürlich
lieben Sie tin-Alle, denn wir Alle lie
ben Sie!«
»Aber ich muß fortgehen, ich muß
Sie für immer verlassen, für immer
—- immer —- ich muß schon morgen
1.sort —-!«
»Miß Morgan! Uns verlassen?
Für immer verlassen? Was auf Erden
haben wir Ihnen gethan ?«
»Nichts! Oh, nichts, was nicht gut
unsd edel gewesen wäre, aber ich muß
Sie trotzdem verlassen! Jch muß, ich
muß! Und Sie dürfen mich nicht fra
gen, war-um, ich flehe Sie an! -—— Nur
—-· denken Sie immer nur Gutes von
mir und lassen Sie mich gehen!« ’
Ladh Hamilton war trotz mancher!
kleinen Sonderbarieiten eine hinfüh
lige Frau. Sie schloß das arme«
schluchzende Mädchen mütterlich in
ihre Arme und beruhigte und tröstete
sie. Sie hatte wohl bemerkt, wie rit-(
terlich aufmerksam und liebenswürdig
Hean Consivay zu der Gouvernante
gewesen. Es Itviire wahrlich besser,
dachte sie im Unmuth, während sie
noch die leise srhlsiichgensde Mifz Mor
gan liebioste und streichelte, wenn die
Männer diese armen Geschöpfe in
Frieden ließen! Und ssre lam allmälig
zu der Ueberzeu«gung, daß es wirklich
besser wäre, Mis; Morgan wäre so
lange abwesend, bis Henry mit Miß
Vernish verheirathet sei. Dann woll
te sie sich die Erzieherin zurückholem
»Ich will Sie nicht mit Fragen
quälen, Liebste,« sprach Oste, als sich
thisz Motgan·s Erregtheit ein wenig
;gelegt. »Sie werden iiir ihr Thun
rsicher Griinide haben. Aber Sie mits
sen mir Jhre Adresse geben, ich bin
Ihre aufrichtige Freundin. und Sie
müssen wieder oinmen, vielleicht bald.
Hier ist immer ein Hei-m für Sie.«
So schieden hie zur Nacht. Latdh
Hamtlion suchte ihren Gatten auf und
schüttete chm ihr Herz wus. Mich er
L.
bedauerte lebhaft, daß die Gouver
nante sie Verlassen wollte, so lebhaft,
daß er in seinem Bedauern iitber das
eben Vernommene völlig vergaß, s einer
Gattin mitzutheilen, daß Henry soch
für diesen Abend ein wenig spät in
Hamilton Castle angemeldet Doch
da Henty als eine Art häusliches
Mitglied sein bestimmtes Logirzim
mer im Schloß hatte, hielt er seine
Vergeßlichteit ohne große Bedeutung
Es war spät, als Henry Conway
meilton Castle erreichte Er bemühte
sich, keinerlei Unruhe im Hause durch
sein spätes Kommen heroovzurusfem
darum wollte er frch so unbemerkt wie
möglich direkt in sein Zimmer zurück
ziehen. Dennoch stvar er erfreut, noch
Licht im Ranchtabinet seines Wirthe-E
zu bemerken, iund er befancd sich ganz in
der Stimmung für eine gute Cigarre
und ein ruhiges Gespräch, das ihn »von
gewissen eigenen Gedanken, »die ihn
seit einiger Zeit fast in Bann hielten,
befreien möchte.
Der Lord toar hoch erfreut, ihn so
schnell zurück zu sehen.
Es war äußerst gemiithlich im
New-m und Gläser uno Cogarrentiste
bald herbeigeholt. , · — «
»Weißt Du, daß wir bald Miß
Morgan verlieren werden, Henry?«
bemerkte Mylorld nach einer längeren
Pause. Ihr bisheriges Gespräch hat
te eine Weile andere Dinge berührt.
i henrtfs Gedanken hatten szur sel
lben Zeit bei der kleinen Gouvernante
geweilt. Er fühlte wie er unter der
Wirkung von Lord Hamilton s Wor
ten errötchete Ein langer Zug aus
seiner Cigarre gab ihm Zeit, sich genug
zu fassen nnd mit einer Art höflicher
Gleichgiltigleit zu bemerken: »Das-s
thut mir leid! Warum geht sie?"
»Ich weiß nicht. ’s ist eine ducmme
Geschichte! Sie war die rechte Hand
meiner Frau in und außer dein
Hause.«
»Und weiß Mylaidy nicht warum
sie geht?«
»Nein! Sie ist sich wenigstens nicht
klar darüber. Das Mädchen bat sich
irgend etnvas in den Kopf gesetzt. «
»Man-n will sie gehen T« i
JMorgen schon glaube ich. Jch hat
te das Mädchen immer gern, obgleich
ich sagen muß: es war so etwas Ge- .
heimnißvolles um sie. Wie schade,
daß tsie nicht hübsch ist, und daß Este
eine so schreckliche Hart-be unsd Brille
trägt! Meine Frau meint,« fügte er la
chend hinU, »sie wiire zu gut, um von
Männern im Allgemeinen gewürdigt
zu werden, wir fragten nur nach Ko
tetten und Glänzenden —- aber, unter
uns, Hei-im wäre es nicht ein wenig
hart, vvn einer Frau mit einer blauen
Brille ges-tschi zu werden?«
»Ich glaube Ia Ader es wäre des
ser für uns-, wenn wir nicht so viel auf
Schönheit und äußerliche Vorzüge gä-!
ben. Im Grunde sehe ich eigentlich
nicht ein, warum ein Mann nicht auch
eine Frau mit einer blauen Brille lie
ben ·lollte!« l
»Gewiß. Jch-wiinschte, irgend esin
hochdenkender Mann faßte eine Nei-J
gung zu Miß Morgan untd machte sie
trotz blauer Brille Und dem Uebrigen
zu lseiner Frau! Doch gute Nacht jetzt!
Du magst noch bleiben, wenn Du in
der Laune dazu bist. Nlur vergiß
nicht, das Licht zu löschen.«
»Ich bewohne smein altes Quartier,
dente ich?«
»Ja, natürlich, ich halte es- für sicher(
— ich war sden ganzen Tag abwesend.
Doch — was wollte ich sagen? Wie
weit bist Du mit der Kleinen, he? Dul
beitinrst einen weiblichen Ptbönixt Er
ist allein, der aradische Vogel!'« ci
tirte er.
»Zum Teufel mit dem arabischen
Vogel!« murmelte Henry.
; Weißt das: Du willst das Madchen
Jiiber Bord werfen?«fprach LordHarnil
store.
; »Mein Bester, ich habe das Mädchen
nie gefragi, ob sie mich will, folglich
lann ich sie auch nicht über Bord wer
’jen. Sie macht sich nichts aus mir,
noch aus was Anderem, ausgenommen,
hübsche Kleider zu tragen und schön
auszusehen.«
»Ich fürchte, meine Frau hat sich
sehr engagirt in der Sache.«
i »Aber ich hoffe doch, daß man mir
erlaubt, meinen eigenen Weg zu
gehen!«
»Recht, recht! Wir leben in einem
freien Lande. Gute Nachtl«
Tausend wirre Gedanken durchkreuz
len Henry’s Hirn, als er mißmuthig
zurückblieb. Sein Herz war staun
gepeitschi. Er konnte das interesselose,
stumme Geschöpf nicht heirathen, um
sein Leben damit zuzubeingen, passende
Gesprächsthemaia für sie auszusuchen
vder durch den Gedanken gemacteri zu
werden, daß sie Jeden zu Tode lang
weile, der das Unglück hatte, ihr Tisch
nachbae während eines Dinetz zu sein.
Und Miß Moeganl Warum mochte
sie fort wollen? Der Gedanke machte
ihn sonderbar traurig. Guter Gott,
konnte er in sie verliebt sein? O nein!
Das war ja nicht möglich! Er hätte
sich lächerlich gemacht! Ach,waruin war
eines Mannes Liebe abhängig von sol
chen Aeußrrlichteitenl ,,Miinner sind
Esel!« schloß er seine Betrachtungen.
Mit diesem heilsamen Ergebniß seines
Nachdenken-s erhob er sich, um mit
recht elendenr Gefühl zu Bett zu gehen.
Das alte Haus war ganz durchzogen
von Gängen, von unerwartet auftau
chenden Wendeltreppen, die hier herab,
dort hinauf führten, Thüren, welche
den Blick nicht auf Zimmer-, sondern
auf andere Gänge boten, kleineThurm
fenfter an sonderbaren Stellen, wo in
einer Mondnacht das Antlitz desMon
des plötzlich mit fast körperlich gewor
dener Neugier das Gesicht traf. Henry
stieg vorsichtig weiter die Stufen
hinauf. Er passirte drei Thüren, hinter
welchen sogar noch flüsternde Stimmen
hörbar waren-—er fühlte instinktiv, es
ginge im Hause etwas vor, das auf
frühes Aufstehen hinweise, auf Men
schen, die fortgingen, um nicht wieder
zuiehren —- an die arme kleine Mis
Morgan dachte er, die aus einem ge
heimnißvollen Grunde fort wollte,
hinaus in die kalte, die herzlose Welt.
Er hätte gewünscht, sie noch einmal
zu sehen, und fragte sich doch: zu wel
chem Zwecke? Und er beschloß, sich nicht
als größerer Thor zu benehrnen, als
ihn Gott nnd Natur geschaffen hatten.
Mit diesen Gedanken erreichte er
sein Zimmer. Geräuschlos hatte er die
Schwelle überschritten-als er gewahr
wurde, daß der Raum schon bewohnt
war.
Ja. Da saß ein weibliches Wesen
im Negligee vor dem Toilettentifchchen.
Augenscheinlich hatte sie ihre Frisur
zur Nacht geordnet, denn vieles-, gol
diges Haar floß überNacken undtSchub
tern, oh, solch’ göttliches, goldenes
Haar, nicht lang, doch voll und lockig.
Die Erscheinung hielt den Kopf ge
senkt, das Gesicht schmerzvoll in den
Händen vergraben, so daß sie den lei
Lsen Eintritt unseres Helden nicht be
merkte.
Beschämt zog dieser sich zuriick und·
wollte eben die Thür hinter sich schlie
ßen, als ihm einfiel: wo sollte er nun
eigentlich sein Haupt für die Nacht
niederlegen? Dieser Raum war zwei
fellos sein ehemalige-J Zimmer —- ge
wiß, da waren ja die kleinen Wand
regale mit seinen Büchern. War es
nicht am oerniinftigften, der jetzigen
Inhaberin seine Verlegenheit zu er
klären, sie zu fragen, ob sie nicht wisse,
wohin sein Quartier verlegt? Die
junge Dame war genügend angekleidet,
um den ganzen Londoner Gemeinde
rath zu empfangen. .
So, den Thürgriff in der Hand,
drehend, begann er: »Ich bitte um
IVerzeihung ich habe mich· geirrt!«
i Bei dem Ton feiner Stimme sprang
die Dame von ihrem Sitz auf uno
wandte sich um.
. Große, bezauberndeAugen, die, wie er
spicht umhin konnte, zu bemerken, in
sThränen schwammen, blickten ihm mit
ifast entsetztem Ausdruck an.
»Me. Conway!« schrie ste.
War das nicht die süße Stimme
Miß Morgan’s? Aber wo waren die
Haarsträhnen und die blaue Brille?
iGuter Gott, dort lagen sie! Dort auf
xdem Toilettentisch, sieh: da liegt die
Hande, da die blaue Brille!
» »Oh! Gehen Sie!« schluchzte sie
leise, das Antlitz von Neuem in den
Händen Verbergend.
Er ergriff dieselben und zog sie mit
fanfter Gewalt ivon ihrem Gesicht fort:
»Warum sweinen Sie?« fragte er in
leisem, ernsten Ton. ,,W·ar dies eine
Maskerade? Und warum trugen Sie
diese ——?« Er deutete auf den Tisch.
»Oh bitte, fragen Sie mich nicht und
Westin
.--.-- - —
»Nicht Hervor Die vexcytenx Us,
ich fühlte, dasz ich Sie kannte, Sie
sind das jun-ge Mädchen, das ich in
Oberst Latnrence’s Haus fand unk
das dort so plötzlich verschwand.«
Miß Morgan konnte sich nicht eines
kleinen Ausluges weiblicher Bitterkeit
erwehren. als sie der so schnell Von
ihm vergessenen Stunden in Oberst
Lawrence’s Haus gedachte, und daß
man sie um seinetwillen dort vertrie
ben, da Mrs. Lawrence, Von eisersiich
tiger Natur, sie wegen ihrer «Koket
terien« mit Mr. Conway beleidigt
hatte. Jn diesem Augenulick vernahm
man irn Gange leise flüsternde Stim
men: Misz Mokgan drän te ihn sanft
zur Thiir hinaus, und er stieß fast mit
Lord Hamilton zusammen. Ihm aus
dem Fuße folgte Mylady, die ihm
schon von Weitem zuriest »Oh, Henrm
lieber Junge, weiche Bergesgichckeits
Doch es ist nicht meine Schuld, mein
Wann sagte kein Wort, dasz Du ge
kommen, als jetzt eben; das Haus ist
so über-füllt, und ich brachte Mike