TESUUUMgsVlMt des Anzeigcrsmd HEWIU H. Jahrgang. Grund Island Nebraska, Sonntag, den 12. April 1896 si« fes u« Der Abbe-Tonart ne heitere Polizei-Geschichte vou s. Ost-ne Maus-man I. » An einem Septembertage des hres 1810 tam der Abbe Coquet, arrer an der Kirche St. Nizier in U- nach der Frühmesse nach sei » bescheidenen Wohnung in der e Tentrale, um seinFriihsstiict ein « huren. Die alte Wirthschafte empfing ibn mit der Nachricht, bestände sich in seinem Studirzim FTiirechen wünsche .Als der alte Herr sein Studie s- mer betrat, stürzte eine junge, «-.. · nde Frau in eleganter Klei « ng auf ihn zu und rief: »Ontel ««uet, retten Sie ihn-er ist ver —. Abbe ertannte in der jungen s die Gattin seines Neffen - erre Lafolais. sp; »Wer ist verloren, liebe Senat-ie .- ei« fragte er erschreckt »Pierre, seen Refer Jch hoffe nicht, daß »Doch, doch,« versetzte Genevieve , luchzend. »Er ist verhaftet wor n, und man hat mir gesagt, dasz in Schlimmes bevorsteht.« »Mein Neffe verhaftet?« fragte r alte Herr erstaunt »Er, Der ·edliebendste, ruhigste Mensch ver .fl«et? Und weshalb?« « »Ich weiß nicht recht, « ertlärte die ge Frau, »um was es sich han « li. Der Kaiser hat von Paris aus - s erfiigungen erlassen, welche den al - n von Lnon und ihren Seidenwes - n schlichten sollen. Vierte, der « große Seidenfabrit verwaltet, ll nun diese Befehle des Kaisers ’cht zur Ausführung gebracht ha . n, die Arbeiter haben sich über ihn ’ s i’m Präietten Delobelle beschwert, « ndxschan seit einigen Tagen ist es « zu heftigen schriftlichen Auseinan setzungen zwischen Pierre und I. Priifetten getommen. Heute in , her Stunde haben Polizeibeamte stierre verhaftet; man hat eine " ««.·s- ussuchuna vorgenommen und sich - eines Theiles seiner Papiere bemäch Jch war auf der Priifetlnr, Clzu fragen ob mein Gatte nicht , »Ist entlassen würde, die Beamten oen mir indessen gesagt, die Sache ünde viel schlimmer, als ich nur vermuthen könnte. Jn meiner Angst bin ich nun zu Ihnen getommen ! tel Abbe, um Sie um Schutz und s istand zu bitten.«« - »r-«Verunige Dich nur« mein Hunds agte der würdige Geistliche, ,,selbst , verständlich sollst Du Schutz und Beistand bei mir finden. Aber ich ann Dir nicht verhehlen, daß nrich ie Sache etwas beängstigt. Es « muß sich um mehr handeln, als um -« einen Streit mit den Seidenwebern « »und um die Verletzung der kaiserli » -«n Befehle; man wiirde es sonst s s icht wagen, einen der angesehensten Leute von Ltyon zu verhaften. Lass, mich nur erst srühstiicken, dann will ich sofort zum Präsetten gehen und · selbst einmal nachseagen, was es - idt. Oel-' einstweilen nach Deiner ahnung, mein Kind, in einer Stunde hoffe ich Dir Antwort brin en zu können. Verzweisle nicht. ierre ist dein Bösewicht und Ver schwören er hat sich mit Politik nie s «besaßt, und deshalb musz entweder ein Preschen vorliegen oder ein Ge heimnisz vorhanden sein, über das ichs mir Austlärung verschaffen werde« » Genevieve tiiszte die Hand des al s -.tenherrn und entfernte sich weinend. , Der Abbe schlürfte stehend seine Tasse Chotolade und machte sich dann sosvrt aus den Weg nach der Präsettur. Er schien an die Trost tvorte, die er der Gattin des Neffen gesagt hatte, selbst nicht recht zu s« laubenz er touszte, dasz es eine Eil-innere Zeit site alle Leute sei, die enit den Behörden in Conslitt ta « M Nu vie-mf WndGalZ lKaiser rang en au m ip e puntte I seiner Macht;alle liest-en Entoz-W sp hatte er gedemiit gt und gezwun - en, ihn anzuerkenner u. den Papst , tte er sogar gesungen nach Franck s Tretch bringen lassen; mit der Tochter der sjneichischm Kaisers han- ek sich! vermählt, sein-e Brüder und Einwand-I ten hatte er zu Königen und Fürsten; gemacht, und das Reich Karks des; Großen schien durch Napoleon den Er-« sten wieder aufgerichtet zu sein. Bon, England aus wurde allerdings fort wahrend gegen den Kaiser confpirirt,I nicht nur auf diplomatischem Wege-T sondern auch durch Berschworene, dies ihm nach demLeben trachteten, und fast aller Behörden in Frankreich hatte sich eine gewisse fieberhafte Thätigteit be-Z mächtigt, die darauf ausging, Ver-« schwörungsen gegen das Leben des Kai-; sers zu entdecken unsd sich durch solchez Entdeckungen Anerkennung und Be-! lohnungen zu verschaffen i Pierre Lajolais war nach Nr festen; Ueberzeugung des Abbe in keiner Weisei an einer politischen Verschwörung be-k theiligt, verdächtigt konnte aber derj unschuldigsteMensch werden. wenn er« einflußreiche Feinde hatte, denen es ge-j lang, ihn zu verleurnden. i Der Präfekt empfing den alten Abbe augenblicklich, wenn auch mit einer ge-; wissen Zurückhaltung Der Geistliche11 bat um Aufklärung wegen der Ver-helfe tuna des Neffen-, und der Präsett ant-» wartete ihm ausführlich. »Ich konnte nicht anders haritdeln,'« erklärte er, »der Kaiser hat die streng-» sten Befehke erlassen, welche das Ver-l hältniß zwischen Fabrikanten-und Sei denwebern regeln sollen. Diese Befehle sind ein wenig zu Gunsten der Arbeiter und gegen die Fabrikanten gerichtet, trotzdem entsprechen sie der Billigkeit, Nothnxendigteit und der Weisheit unse-; res erhädrnen Monarchen. Hr. Lajo-. lais hat sich direkt geweigert, diese Bez fehle in feiner Fabrik ljur Ausführung zu dringen; ich herbe ihn in Güte er-« mahnt, sich zu fügen, darauf hat er einen Schriftwechsel mit mir begonnen-T der einen immer heftigeren Charakters angenzmmen hat. Or. Lajolais hat: sich erlaubt, nicht nur die Befehle Seiner Majestiit zu tritisiren, sondern sich auch in höchst absprechen-den ja das Staatsoberhaupt verletzender und de leidigender Weise iider diese Befehle zu äußern. Ich will Ihnen nicht verheh len, Herr Abbe, daß die Polizei mir schon seit längerer Zeit mitgetheilt- hat, daß Pierre Lajoiais zu den Unzufrie denen gehört, welche mit dem Auslande Verbindungen unterhalten. Jch mußte selbstverständlich unter allen Umstän den den Befehlen Seiner Majestiit Ach tung verschaffen, noch dazu gegenüber einem Menschen, der das herrschende System nicht anzuerkennen schean Die zFabritanten mußten sehen, dasz die Befehle des Kaisers aus«-geführt wer Hden, die Seidenweber mußten davon überzeugt werden, daß die Obrigkeit sie Ein ihren Rechten schütze. Jch habe des shalb Hen. Laiolais wegen Widerstands I egen die kaiserlichen Befehle gefangen sfetzen und in seiner Wohnung eine jhaussuchung vornehmen lassen. Das ZErgebnisz ist ein siir Sie recht betrü sbendeT Or. Lajolais steht, wie die Eausgesundenen Briese beweisen, seit länger als drei Jahren mit französi ischen Emigranten in Brieswechsel, das iheiszt mit den Berschwörern, die wach »dem Leben des Kaisers trachten und welche den Umsturz aller bestehenden iVerhältnisse und sdie Rückkehr der ’Bourbonen erstreben-« Abbe Coauet war erbleicht. »Un -miiglich!'« sagte er. »JG kann es nicht glauben, Herr PräsetL Mein- Nesse hat sich nie urn Politik gekümmert, er ist jung, verheirathet und lebt in der glücklichsten Ehe, schon um seiner Frau willen hätte er sich nicht in solche Ge fahr gestürzt.« «Ueberzeugen Sie sich selbst!« sagte der Präselt und hielt dem Abbe eine Anzahl Schriststiicte vor. »Hier sind Briese aus London von einem gewissen Querelle, welche deutlich beweisen, basz Lajoiais Beziehungen zu ben Euri ,granten hatte.« Der Abbe betrachtete die Briefe, und sein Gesicht heiterte sich einigermaßen aus. »Wenn es nichts weiter ist, als kbas, Herr Präsett,« sagte er, »dann ist ;mein Nesse wohl entschuldigt. Dieser Querelle ist ein naher Berwanbter von ihm und von mir, ein Vetter Lajolais’. Dieser Mann allerdings hält sich seit längerer Zeit in London aus« und man wird wohl einen Brieswechsel zwischen so nahen Verwandten nicht sür ver dächtig sinloen, wenn nicht in diesen Brieer aus eine Verschtoörung hinge deutet wird.« »Das ntcht,« sagte ber Präsett. »Die Briefe bezichen sich anscheinend nur auf Geschäftsangelegenheitenz es gibt aber einige dunkle Andeutungen darin, die sehr wohl als politische Verabre dungen und-Nachrichten aufgefaßt wer den können. Vielleicht würde man bei einein ruhigen Staatsbiirger den Ver dacht nicht hegen, bei einem Menschen abst- »der sich gegen die Gesetze nnd kai serlichen Verordnungen a-uflehnte, wie he. Lajolais, muß man sich auch einer politischen Berschwörung versehen. Jch habe daher den herrn in haft be halten und werde die ganze Angelegen heit an den Minister des Jnnern in Paris schicken. Mag man dort ent scheiden, was zu geschehen hat. Das ist Alles, was ich Ihnen mittheilen tann.« »Kann vich meinen Neffen sehen?« fragte der Abbe. »Kann ich nicht mit ihm sprechen, ihn fragen-. was ihn zu »dem thörichten Widerstand gegen die Befehle des Kaisers bewogen hat's« »Nein,« erklärte der Präfelt, »Ihr Nesse ist ein politisch Verdachtiger, und ich kann Jhnen iden Zutritt zu ihm nicht gestatten. Auch einen Briesrvechsel würde ich nicht iduldem es muß die Entscheidung des Ministers abgemattet werden, welche allerdings einige Wo chen auf sich warten lassen lann.« 2. Zwei Tage später verließ die Post lutsche Lnon, welche regelmäßig den Verkehr mit Paris vermittelte, und die auf den guten, von Napdleon angeleg ten Heenstraszen die Fahrt in drei Te - gen und drei Nächten zurücklegtr. Unter densPassagieren befand sich auch der Abbe Coquet, der die fiir sein Alter beschwerliche, und nach damali gen Begriffen weite Reise nicht scheute, nm in Paris zu Gunsten seines Neffen Schritte zu thun. Da die Sache dem Minister zur Entscheidung vorgelegt werden sollte, wollte der Abbe gleich zeitig mit den Alten, die sich aus seinen Neffen Lajolais bezogen, in Paris eintreffen, um den Minister von der Unschuld Lajvlais' zu überzeugen. Er hatte einen Bekannten im Mini sterium des Inneren, und auch der Mi nister des Inneren und der Polizei, Savary, der Nachfolger des berüchtig ten Fauche, war dem Abbe persönlich belannt· Es handelte sich nur daruni, ob sich der Minister der flüchtigen Be kanntschaft noch erinnern werde, welche weiter, als zwanzig Jahre zurück lag Damals, im Jahre 1790, war Savarn, der jetzige Polizeiminifter, in das Heer eingetreten und lag in Lyon in Garni son. Der Abbe und der junge Offizier waren mehrfach in gesellschaftlichen Verkehr miteinander gekommen und hatten manchen Abend zusammen ver plaudert. Der Abbe aber war das ge blieben, was er vor zwanzig Jahren gewesen, nämlich ein bescheidener Welt priefter, während Savary in den Feld ziigen Napoleon’s General und endlich Minister geworden war. Immerhin schienen die Aussichten, die Abbe Co quet fiir seinen Besuch hatte nicht un Igiinftige Er hoffte er würde es idnrchsetzem daß der Nesfe aus der Hast entl ssen und daß ihm Gelegen heit geboten würde, sich zu vertheidigen Iund von dem Verdacht zu reinigen, daß Irr ein Verschwörer gegen das Leben des Kaisers sei. Am dritten Morgen nahm man aus einer kleinen Station ein eiliges Früh istiirk ein, dann ging die Fahrt weiter bis Paris, wo man Nachmittags gegen zwei Uhr eintraf. Als der Abbe Coanet im Hause des Postgobäudes aus der Lyoner Post tutsche stieg, näherte sich ihm ein Herr, der ihm die Hand auf die Schulter legte und ihn leise fragte: »Habe ich die JEhre, den Herrn Abbe quuet aus Lhon zu sehen?« « »Der bin ich,«' sagte erstaunt der alte Herr-. »Mit wem habe ich die Ehre, zu sprechen, und womit kann ich dienen?« Der Fremde iiffnete seinen Rock ein wenig, so daß unter demselben die blau- weiß- rathe Seidenschärpe sichtbar Iwurde, die er um den Leib geknüpft trug. »Ich bin Agent der Sicherheitspoli sei.« erklärte er, »und verhaste Sie hiermit. su Miche« fragte entsetzt ver Geist I »Ja-« entgegnete der Wgenh «irn IAuftrage meines Chefs, des herrn v Sartines. « Der Abbe erbleichte. Der Nam »Sartines hatte einen schrecklichen-klang fiir alle Leute, welche mit der Polizeil in Verbindung kamen. Sardines galt fur«den geschicktesten Polizeibeamten,. den te die ftauzitsische Hauptstadt betet-I few-Das Spionen-System, das er ein-i geführt hatte, iitberstieg alle Begriffe und brachte den Pariser Polizeidiret-» tor gewissermaßen in den Ruf der All-« wissenheit und Unsehlbarteit. - »Und weshalb werde ich verhaftet?« fragte der Abbe. i »Es-ragen Sie Jhr Gewissen!« ent-z gegnete der Agent. »Ich hoffe, Sie werden mich nicht zwingen, Gewalt an-! zuwenden. Folgen Sie mir augen-; blicklich nach der Polizei, wo man met-I tere Verfügungen über Sie treffent wird.« Der Agent nahm das Gepäck des-F Abbe’s, rief einen Wagen herbei, und; dieser brachte Beide nach dem Hause," in dem der Polizeichef von Paris seine« Amtszimmer u. seine Wohnung hatte« » Jn einem Vorzimmer, in dem einet Anzahl von Polizeidienern wartete, wsurde der Abbe einen Augenblick un tergebracht; dann kam der Agent, deri ihn angemeldet hatte, zurück und for z derte den Abbe auf, ihm zu folgen. I ; »Mein Chef,« sag-te der Agent, »hat Hmir befohlen, Sie in seinem Arbeits-; ;zimmer einzuschließen Wollen Sie Thier herein treten und abwarten, wagt Jmit Ihnen geschehn wird. Jhr Gepack; bleibt draußen.« - 4 ’ Der Agent führte den Abbe in das; Arbeitszimmer Sardines', verschloß dann die Thür von Anßen, und der« alte Herr war allein in dem Gemacht-J in dem täglich das Geschick so vieler; hundert fchuldiger und unfehuldigerj Personen entschieden wurde, in dem: gewissermaßen alle geheimen Fäden der; Pariser Sicherheitspolizei zufanimew liefen. i Der Abbe hoffte, man« würde ihm bald mittheilen, weshalb er verhaftet fei, es verging indefz ziemlich viel Zeit,l ohne daß sich nur ein Laut in der Um gebung des Arbeitszimmers hören liefz l jder alte Herr hatte sich auf einem Ses-’ jsel in derNäshe der Thür niedergelassen Fund dachte itber die sonderbare Lage Jnach, in die er gerathen- war. Sekkie fVerhastung mußte mit der Angele Igenheit des verhafteten Neffen in Ver-· sbindung stehen. Anscheinend war der HAbbe der Behörde selbst verdächtig« ge worden, und sofort bei seinem Eintritt »in Paris hatte man sich feiner bemäch Jstigt. Die Geschwindigkeit und Sicher heit« mit der die Sicherheitspolizei ar ;oe11ere, ronnre oen uooe nicht in Ur Ystaunen setzen. Da er aus Lhon war quszte er genau, was dem Vorsitzenden des obersten Lyoner Gerichtshofes iHerrn Pupil de Myons, vor eitiigen sWochen passirt war. Der Gerichts IPräsident war mit Herrn Sartines befreunden und infolge einer Unterhal ttung hatte er mit dem Chef der Sicher Hheitspolizei gewettet, daß er sich uner Ilannt einige Tage lang in Paris auf jhalten wolle, ohne daf; die Aaenten ;Sardines’ im Stande sein würden, iihn zu entdecken. Z Der Präsident war dann nach Lhon Izurückgereist, hatte sich hier einige Wo Zchen aufgehalten und swar plötzlich — Inicht mit der Post, sondern mit einer fanderen Fahrgelegenheit —- deå Nachts fvon Lhon in einer Verlleidung aufge Ibrochem nach Paris geeilt, hier Mor Tgens gegen elf Uhr angekommen, und Tihatte in einem kleinen Gasthof-e Quar jtier genommen. Um zwölf Uhr erschien zbei ihm ein Agent der Polizei, der ihm Feine Einladung zum Mittagsmahl bei sSartines itberbrachte. Die Pariser Polizei hatte sofort von seiner Ankunft Nachricht erhalten und der Chef dersel Jben erließ sdie ironische Einladung, um kdem Lyoner Präsidenten zu zeigen, daß ’er seine Wette verloren habe. — Stunde auf Stunde derrann, es be gann zu dunkeln, ohne dasz Jemand «kam, der den Abbe über sein Schicksal Fund über die Gründe seiner Ver-haf jtung aufklärte. Ein anderer unange znehmer Gast aber fand sich ein, und ;«das war ein wüthender Hunger bei dem ’alten Herrn, der seit dem frühesten Morgen nichts genossen hatte. Anfangs thatten Schreck und Aufregung den Hunger verdrängt; jetzt nach langstiin digeni Fasten kam er aber um fo ener gischer wieder, und der alte Herr wußte nicht« was er beginnen sollte. Er wagte nicht, Lärm zu schlagen, weil er jeden Augenblick hoffte, Sartines oder einen seiner Beamten eintreten zu sehen Stunde auf Stunde verging indeß, die Nacht war längst hereingebrochen, ohne daß sich Jemand zeigte, oder auch nur in der Nähe des Arbeitszimmers hören ließ. Der verzweifelte Abbe hielt es end lich nicht mehr aus. Er sprang auf und begann mit den Fäusten an der Thiir des Arbeitszimmers zu trom-i meln. Nach einiger Zeit näherten sich Schritte und Jemand fragte, wer in dem Zimmer sei. Der Abbe erklärte, man habe ihn gefangen genommen Und hier eingeschlossen, unsd die Stimme draußen, die einesD"ieners, antwortete, Herr Sartines sei nicht zu Hause, aber seiner Gattin würde man Mittheilung machen. Nach einiger Zeit kam die Dame und drückte ihr höchstes Erstaunen darüber aus, daß sich ein Gefansgener in diesem wichtigen Zimmer befinde. Der Abbe llagte ihr seine Noth, und daß er fast vor Hunger sterbe; Frau v. Sartines erklärte ihm in«defz, sie könne ihm n"cht helfen, da sie die Schlüssel zum Ar beitszimmer nicht besitze. Sie bäte ihn, sich zu gedulden, da gegen Mitternacht ihr Gatte zurückkehre, der sich augen blicklich aus eintrHoffestlichkeit befinde. Sie fragte eindringlich den Abbe, wie er in das Arbeitszimmer des Gatteni gekommen sei, und schien sehr erstaunt über vdie Auskunft, dsiie sie erhielt. ( Sie kehrte endlich nach ihrem Zimz mer zurück und glaubte sich nach eini gem Nachdenken verpflichtet, ihren Gatten von der Hossestlichleit nach Hause holen zu lassen. Es schien ihr unglaublich, daß mit der Einwilligung ihres Gemahls ein Fremder in diesem Zimmer eingeschlossen worden sei, das so hochwichtige Geheimnisse und Pa-; pjere enthielt, in die nie ein unsberufH nes Menschenauge einen Einblick thuw durfte. . i Frau d. Sartines besafz noch die Vorsicht, das Zimmer durch Polizeibe amte, die sie rufen ließ, bewachen zu lassen. Sartines, der auf der Hofsestlichkeit Nachricht von den Vorgängen in sei nem Hause erhielt, zeigte sich sehr er schrockenund kehrte sofort nach Hause zurück. Der arme Abbe Coquet, deri darauf gewartet hatte, befreit zu wer-; den und endlich seinen nagenden Linn-J ger stillen zu können, sollte nun noch» schlimmerm Dingen entgegens·ehen. ! Gegen Mitternacht öffnete sich die Thür und an der Spitze einer Anzahl Polizisten drangSartines in das Zim mer ein. »Was thun Sie hi-er?« fragte er den Abbe sehr erregt. »Wie kommen Sie in dieses Zimmer?—Bemächtigt Euch dieses lljiannes,« rief er den Polizisten zu, »und verhaftet ihn. Das ist ein politisches Complott! Untersucht ihn sofort, ob er Papiere gestohlen hat·« Geübte Hände durchsuchten die Klei der des Abbe, aber fanden nichts. Der alte-Mann war sprachlos über die neue Ueberraschung, die ihm hier zu Theil wurde. »Ganz gleich,« sasgte Sartinses, »wenn er nichts gestohlen hat, dann hat er sich Kenntniß Von Dokumenten ver schafft, die nicht für ihn bestimmt wa ren. Wir werden morgen weiter sehen, was zu thun ist. Das Gewand des Geistlichen, das der Verbrecher trägt, ist wahrscheinlich auch gestohlen. Bringt ihn in eine Zelle und bewacht ihn« auf das Schärsfte. Jhr hafiet mir mit Euren Köpfen dafür, daß der Mann nicht entspringt. Wir werden Mittel und Wege zu finden wissen, daß er die Geheimnisse, die er hier erfuhr, nicht verräth.« Mehr todt wie lebendig wurde der unglückliche Abbe nach einer Zelle ab gefiihrt, wo er bald darauf in einen ohnmachtiihnlichen Schlaf verfiel. i 3. : Es war ein· trauriger Morgen fiir den alten Herrn, als er in seiner Zelle wieder erwachte. Er glaubte eine Zeit Ilang, daß er noch träume, und nur Jallmälig ward ihm die Wirklichkeit klar. Das Abenteuer, in »das er ber wictelt worden war, schien ihm rath selhafter werden zu wollen. Verhaftet von einem Beamten und in das Ar beitszimmer des Chefs der Sicherheits Polizei geführt, hatte er hier geduldig ausgeharrt, bis er vor Hunger nicht mehr aushielt; dann hatte man ihn wie einen Verbrecher behandelt, trotzdem er doch keines wegs freiwillig in das Ar beitszimmer hinein gegangen war. Aus feine Vertheidigung hatte Niemand ge .h«ort. er war auch viel zu bestürzt ge swesen, um sich vertheidigen zu können. Vergeblich grübelte der Abbe diesen Geheimnissen nach. Er fühlte sich so erschöpft vor Aufregung, Angst und Hunger, daß er kaum richtig zu den ken vermochte. Plötzlich rasselten die Schlüssel in der Zellen thür und herein trat Sar tines selbst, nur gefolgt von dem Ge fangenentvärter· Der Abbe hatte sich bei feinem Ein tritt erhoben und blickte jetzt erwar tungsvoll seinen Besucher an. »Wer sind Sie?« fragte Sartines«. »Ich bin der Abbe Coquet ausLyom Gestern hier in Paris angekommen, wurde ich beilm Verlassen der Post tutsche verhaftet.« »Wie heiß-en Sie?« fragte nochmals Sattines. ,,Abbe Coquet.« »Und was sind Sie?« ,,Psarrer an der Kirche St. Nizier in Lyon!« Darauf brach Sartines in ein un auslöfchliches Gelächter aus, und als er sich einigermaßen erholt hatte, konn te er nur noch die Worte hervor stoßen: ,,B«eruhigen Sie sich nur, es soll Jhnen volle Genugthuung werden!«" Dann lichte er auch-: Neue, daß ihm die Thränen über die Wangen liefen und verließ den unglücklichen Gefan genen. Waren die bisherige-n Vorfälle räth selhaft gewesen,.so war das Verhalten des Chefs der Pariser Sicherheits Polizei gegen über dem Gefangenen ein solches-, daß es in der That keine Erklärung dafür gab, und daß der Abbe sowohl für seinen, als fürIHrm Sartines’ Verstand ernstlich zu fürch ten begann. Wenige Minuten später brachte ein Diener dem Abbe ein Waschbecken und ebenso Handtuch Seife und Kamrn und forderte ihn auf, sich so gut es ginge von dem Staub und Schmutz ier elle zu reinigen. Dann bürstete ier ihm sorgfältig den langen, geistli lchen Rock ab und bat endlich den er staunten Abbe, ihm zu folgen. , Wenige Minuten daraus stand der sverbliisfte alte Herr im Speisezimmer der Sartines’schen Wohnung und fand sich gegenüber dem noch immer lachen den Chef der Polizei und dessen Gat tin. »Gestatte,« sagte Sartines feiner JGattim »daß ich Dir hier den Herrn Abbe Coquet aus Lyon vorstelle. Der iselbe ist bisher unfreiwillig unser Gast igewefen und wird jetzt hoffentlich frei stvilligunser Gast sein, da wir ihm Ge Hnugthuung schuldig sind. Da ich aber »dermuthe, daß der geistliche Herr einen Iaußerordentlichen Hunger haben wird, so wollen wir alle Aufklärungen ver schieben und sofort zu Tische gehen.« Mechanisch setzte sich Abbe Coquet am Frühstückstifche nieder, schlürfte etwas Bouillon, die ihn wieder belebte, trank ein Blas Wein und aß dann auch einige Stückchen Fleisch; der na gen-de Hunger verschwand, und die Lie benswiirdigkeit der Wirthin und die Aufmerksamkeit des Hausherrn, der den Gast selbst bediente, ließen ihn wie der Muth schöpfen und die erlittene Aufregung baldigst vergessen. Der gefürchtete Polizeichef fiillte noch einmal dieGläser und sagte so dann: »Mein hochwiirdiger Herr Ab be, Sie haben das Recht, Aufklärung zu fordern. Sie sollen Sie haben. Sie sollen dar-aus ersehen, daß auch die Pariser Polizei keineswegs vor ar gen Mißgriffen gesichert ist. Es wur de mir Vorgestetn in später Abend stunde die Mittheilung gemacht, daß in nächster Zeit ein Pamphlet voller Beleidigungen, Bosheiten und Ver dächtigungen gegen den Kaiser, seine Familie und die ganze Hofgesellschaft erscheinen würde. Dieses Pamphlet sollte unter großen Vorsichtsmaßre geln geheim oerbreitet werden, und es mußte mir außerordentlich viel daran liegen, in den Besitz eines Exemplars desselben zu gelangen, um Mittel zur Befolgung der Schuldigen zu erhal ten. Man hatte mir mitgetheilt, dasz das Paniphlet den TiteL«L’Abbe Co quet« —- der gefallsiichtige Abbe — führen werde. Jch berief einen inei ner tüchtigsten Beamten, der sich in diesem Falle allerdings leider nicht be währt hat, und dessen Bericht wir jetzt selbst hören werden« Der Hausherr tlingelte und befahl dem eintretenden Diener, den Agenten eintreten zu lassen. Der Agnt, dr der Abbe verhaftet hatte, erschien mit verlegenem Gesicht und der Chef befahl ihm: »Erzählen Sie, welch-en Auftrag