aus der engeren Heimath herausgekom tljwefler Ilse. Roman von Tlorlssa Lohdr. ! « Fortsetzunad 12. Jlse lebte wie im Traume. Noch nie MU- fah sie plötzlich eine Welt vor ihr sich öffnen. Erst die großartige Al Pennatur als sie über den Brenner fuhren, dann das im Kranze seiner herrlichen Berge wie in einem blühenden Neste ruhende Bogen. I Wolf fühlte sich angegriffen und i Smachle für einige Tage Rast in dem; "»»reieht enthalten, als er am Morgen auf , . i F — feine ganze Farbenpracht entfaltete. sman sich denken kann. Selbst Wolf,« s der außer der Schweiz und der Riviera Idel so malerisch umschließen. Mit ei-k nahen Gries, wo der Wein eben in üp-: I pigster Fülle in dichten Trauben in den Rehengiirten hing und der heitere-Herbst Jn einem großen Holel wurden ei nige der besten Zimmer belegt, von de nen sich die berrlichfte Aus-ficht bot, die noch nichts lennen gelernt hatte, konnte sieh eines Ausrufes der Bewunderung m an sein Zimmer stoßenden Balton das Frühstück einnahm und das weite vom Talferbach, der Etsch und dem Eisal wie von einem Silberband durch zogene Thal zu seinen Füßen sich aug breiten sah, das dsie wildzactigen Häupter der Dolomiten, die in blauen Dunst gehüllte, sanft abiallende Men nem Gefühl desBeh.1geiie, das ihm bis her fremd gewesen, lehnte er sich m sei nen Stuhl lzurück nnd ließ den Rauchl sder Eigareite die Georg ihm gereichtj hatte. nuchdentlich in die Luft ziehen. l Ilse, wie immer sorgend um ihn be ; schöstigt, legte eine Decke über feines Füße, um Dann in S Zimmer zu gehen und mit Georg an dein Gepiiel zu ord ; nen. Wolfe Blick folgte ihrem stillen - Walten nicht ohne Rührung ,,Wie gut Du biill« sagte er, als sie zu ihm zurückkehrte, in einem warmen Tone, wie sie ihn nur selten von ihm hörte, und faßte mit leisem Druete ihre « Hand. »Sei überzeugt, daß ich es voll E anerlenne, was Du mir alles Liebes. s l l z - lhufi. Ja, wenn ich nicht wüßte, daß; ich Dich nicht mehr zu lange quälens « werde, könnte ich mir Voiwürfe machen, Dich an mich gefesselt zu haben.« ; Sie schüttelte mit leichtem Erröthens » den Kopf .i »Wie Du nur sprichstl'« entgegnete; i fie, ihre guten blauen Augen waren» rrn zu ihm aufgeschlagen »Dich zu J legen macht mich glücklich, ich ver ’ lange nichts Anderes und bin zufrieden, s wenn Du zufrieden bist-" »Und hättest docb so viel Grund mir zu zürnen! Du, das selbftloseste Ge schöpf der Erde, halt den allerschlimm i sten Egoi sten neben Dir, der, alle Zeit gewöhnt, an sich allein zu denlen, ofti » recht rücksichlgfog und unleidlich ist.« » E« «Krante sind stets wechsean in ihrer Stimmung I »Ja, Du hast immer Entschuldigung siir Alles, Jlse,« sagte er lächelnd »selbst für Deinen bösen Mann. Das aber ist’5 gerade, was mich Dir gegen- j iiber in's Unrecht setzt. Indessen, es ist s jichts daran zu ändernf »Daß Du so empfindes, « sagte sies ernst, »ist ja doch der beste Beweis da für, wie tvenizr Dir der eingefleischtei Egoist bist, als den Du Dich dir I stellst. « - »Doch, Doch, ich bine Durch Nntzirf und Gewohnheit! Wer l—.1nn iiber seinen - eigenen Schatten springen? Vielleicht-, wäre mir besser gewesen, der Ontet - hätte mich nicht als Universnlerben sei » nes Vermögens und seiner Güter aus- ; erzogen Die gute Mutter deren lEin-- i ziger ich war, liebte mich abgiittisch I Alles-, i und herrlich, alles Unangenehme, s oft »durch eigene Schuld iiber mich ,legte sie dem bdsen Willen Ande rer, einem unglücklichen Zufall zur Last. Z Statt mich zu strafen, mir mein Unrecht vor-zuhalten beklagte sie mich und be- i stärlte mich tn meinem Eigendünlel, der mit das Gefühl gab, über den gewöhn lichen Begriffen von Recht und Unrecht zu stehen. Dann starb sie, und der Onkel suchte die erschütterte Rinde-B- z seele von ihrem Leid abzuziehen, indemj er mich zum Genusse meiner Jugend; ansporntr. Und was ist das Ende von j Allem? Uebersiittigung Enttiiuschung und zuleßt Groll über das ganze Leben · THE so viel verspricht und so wenig »Du wirst anders denlen, wenn Du - erst wieder gesund bist. « »Was ich nie werden tann, wie Du la am Betten weißt. « i »Im Gegentheill De. Bat er hofte Spiel von dem Einflusz der mit en, stär senden Luft des Südene « Er wehrte mit einer ungeduldigen Bewegung der Hand Als wenn das Leben ihm so, wie es nun einmal war. g sehe wünschenswerth sein tönntel sie's denn überhaupt Leben, war ed . nicht nur ein Vegetieeni Daß Jtse das nicht riffl » Ach riff es nur zu utl Seit Unsere mit dee uttee war Mehletee n Au en efallen Sie empfand ei täglich aus stritt-Fette Schmerz, sie um ihm n I seinem rzen nichtsl hätte er sie sser beob et, ihm wäre der Z von Melan e, der sich in le tee eit um ihren einge raben tie, nicht entgan sbee e zeigte ihm geflissentlich tere Mienen, und er fing an, zu glauben, daß sie in ihrer Natur genug vom Engel habe, um auch mitdem Penigem das er ihr gab, zufrieden zu ein Zwei Tage darauf, an einem kühlen, aber heiterm Morgen, traten sie ihre Weiterreise an. « Gerade als sie die nach der Haupt sttsße führen-de Allee hinunterfuhren, begegneten sie dem von sder Bahn zu- l riicktehrenden Hotelroagem der neue s Gäste brachte. zwei Damen in grauen Reiseniänteln nnd blauen wehenden Schleiern. Weder Wolf noch Jlse ach teten der neuen Anlömmlingez dagegen hatten diese mit neugierigen Au en die ; Vorüberfahrenden gemustert. it ei- f nem unter-drückten Schrei fuhr die jün- ? gere der Damen von ihrem Sitze ern por. « »Wolf Baron Wolf von Wenze- J len!« kam es überrascht von ihren Lip- I ven »War er es wirtlich2« fragte Mrs. " Gralmm, die, mit ihrer Tochter von« Rioa kommend, im gleichen HoteL wie ’ Wolf, Wohnung bestellt hatte. " »Nein Zweifel, Mama!« . »Hast Du Dir feine Frau angesehen, E Mama?-« fragte Adeline nach einer Pause. »Diese simple bürgerliche Er scheinung! Und neben diesem Manne, dem die Bornehmheit auf der Stirn ge schrieben steht!« s »Ich habe nur den Baron gefehen,« H entgegnete die Mutter kühl, »und fand ! sishn sehr verändert nnd trank aus- I sehend!« Drr Wagen hielt; der Wirth mit sei- » ner stattlichen Ehehälstie stand vor der ; Thiir des Hotels, die neuen Gäste zu J begriißen. ; »Nicht wahr,'« bemerkte Adeline ganz ; beiläufig gegen die Wirthin, die sie und I die Mutter persönlich nach ihrem Zim- i mer geleitete, »das war der Baron von I Wenzelen - Gattersberg mit Gemahlin. i die gerade fortsuhren, als wir anla- »" men?«' i »Ganz recht! Kennen sdie Damen die s Herrschaften?«« »Ein wenig, aus Gesellschaften von Berlin her. Der Baron hat im Früh- ; ling bei einenrDuell eine schwere Wunde davongetragen, er ist noch im- ! mer! leidend.« « T »Das scheint so, die Herrschaften sind lanin von ihren Zimmern herunterge- , kommen. Und die Frau Baronin ist so ; besorgt urn ihren Gemahl, sie läßt ihn Z leinen Augenblick allein; wie uns deri, alte Diener erzählte, eine Seele vonf Frau.« ; »Warum blieben sie nicht länger F hier?« warf jetzt Mrs. Graham fragend ! ein. »Bitte-?- ist doch gerade ein be- ; riihmter Autort fiir Lungenleidende.« « »Der Diener sagte, der Arzt habe ein noch südlicheres Klima verordnet. Sie ; gehen von hier direct nach Korfu, wo sie den Winter iiber bleiben werden-« »Ach so,« sagte Adeline, »Korfu soll H ja herrlich sein.« »Das wohl," meinte die Wirthin,"— ,,doch schöner als hier wohl taum, selbst v was Das Klima betrifft; aber der Ba ron soll zugleich stärkensde Seelust ein- ; ckhmen, und die haben wir hier freilich - nicht« »Mama,« rief Adeline, als die Wir thin das Zimmer verlassen halte, »für z wie lange hast Du hier Wohnung be-— s stellt?« « »Für eine Woche vorläufig. Dochv warum fragst Du?«' , »Weil es mir hier gefällt und ich den . Wunsch hegt-, längere Zeit hier zu blei ben.« »Es gefällt Dir hier« obwohl Du« noch taum etwai- gesehen hast? Das ist , ja wunderlich! Jch denke, wir wollten « von hier nach Wien und dort die Win tersaison verleben?« »Aber, Mama, begreifst Du denn nicht, »daß sich jetzt Alles ändern muß? Jch möchte Wien ausgeben und dafür s eine Reise nach dem interessanten Korsu i in’s Auge safsen.« ! »Adeline!« schrie die Mutter auf. Z »Du willst nach Korsa, vielleicht gars diesem Baron nachreiseni Bedenle f doch!« »Alle-D Alles bedenke ich. Da der; Zufall es so fügt, darf ich mir nicht die i Gelegenheit entgehen lassen, ihn überi die Umstände aufzuklären, die mich zu i der unglücklichen Verlobung mit Axel - drängten.« i Um Mes. Grahain’s Lippen zuckte es spöttisch. »F »Und wohl auch iiber die, die Dich T zur Auflösung dieser Verlobung be- I stimmten? Ich gestehe, daß ich Dich, durchaus unbegreiflich finde. Indes-· sen —« « . »Du willigst ein-Z« unterbrach Ade- « line sie rasch· ’ »Wie iann ich Deinem Eigenfinn ge- - geniiber wohl ander-IT Auch hoffe ich; bestimmt, daß diese Wiederbeqegnung ; am ersten Dich von der thörichten Nei- i gung turiren wird, die Du sur deer durch seine Verwundung und abenteus I etliche Verheirathung Dir doppelt in teressant Gewordenen zu hegen Dir « einbtldeltz ja, schüttle nicht den Kopf, ich wiederhole es, Dir einbildest. Ber wöhnte Kinder müssen nun einmal ihren Willen haben. Und die Kur hat ja keine Gefahr-, da Baron Wolf nicht mehr frei ist« Adeline antwortete nicht; aber auf ihrem Gesichte lag ein siegesgewisser und übermüthiger Zug, als habe sie es( doch noch nicht aufgegeben, trotz Allem das Spiel noch zu gewinnen. Teoy Meint Jst heute denn noch dee Ehe bund etwas Unzerreißdates, das nicht zu trennen wäret Scheidung ist ja nichts Ungewdhnliches mehr-! Und wo aiibe es uniibetwindliche Dinderniile, wenn zwei Menschen sich lieben und den Willen und die Mittel haben, den gegensseitigen Besih sich zu ertänipseni Ja, wenn sie den Willen haben! Frei likh, gesund muß er erst werden, einen tranken Mann mag sie nicht; denn zur barmherzigen Samariterin fühlt sie keine Ader in sich Deshalb auch will sie in Gries noch so lange warten, bis es entschieden ist, ob er lehen, gesunden wird. Lebt er aber, so soll er siir sie leben. Dieses Ziel zu erreichen, koste es, was es wolle, das hat sie sich zuge sckiworen »in dieser Stunde! irr. E Jlse lehnte neben Wolf am Schissss « ransde des Llohddampsers, den sie in Brindisi Ibestiegen haben, als er in den Hafen des olivenreiehen Phiiaienlandes einsährt Es ist Nacht, aber ein stern llarer Himmel wölbi sich uber ihnen, und die Mondes-sichel, wagerechl, wiej sie die Alten aus dem Haupte Selenensg gebildet haben, schwebt goldig leuchtend, durchsichtig im klaren Aether· Ein Leuchtt surm wirst sein L :ht von s einer schwarzen Feisenmasse herab, eine i zweite erhebt sich ihr zur Seite aus dem i Meere. »Die Zwillingstlippem « bemerkt ein Deutscher, der neben dem Paare steht, z in dem er Landsleute erkannt hat. s ,Die weltberühmten Koryphäen der i Byzantiner, die allein dein Ansturme der Muselmijnner getrotzt haben, alsl ainz Griechenland ihrer Macht Verfal- - l n mar.« Wolf antwortete nicht; ihm ist jede! Berührung niit Fremden unangenehm » Der Andere Jedoch in sein-er Begeiste-z r.«-a beim Anblicke der sich ihm öffnen- « den T’«.deerwelt fährt in seiner Be reotsz nteit fort: ,,We:ch’ ein Zauber der Natur ver- . webt sich hier mit der Erinnerungtjv Hier landete Odhsseus, als AphroditeT ihn aus den stürmenden Meereswelleng gerettet hatte, hier trat er, ein Schiff- Z briichiger, unter die Ball spielen-den; Mädchen, hor die Fürstin Nausikaa, ; die Tochter des Königs Altinoos, diel schützend die Hand über ihn breitete Die ganzeHomerische Mythenpoesie ent- . faltet sich oor uns, hier werden wir sie » erst ganz verstehen lernen.« ; Die heranschießenden Barten mit ihren Teppich belegten Sitzen und ihren ! in allen Sprachen zum Einsteigen ein-— ; ladenden Führern unterbrechen dies Unterhaltung. Alles hastet, mit Ge pückstücken beladen, der niedergelassen-! . Schisssbriicke zu. Jlse lomnit erst wie- - der lzur Besinnung, als sie neben Wolf im leise schaukelnden Nachen sitzt, deri fast lautlos an shlummernden VillenT und Palästen vorüber dem Hasen zu gleitet. Wolf hat von Brindisi a H einen« Wagen an den Landungspla bestellt Jlse fühlt sich wie in einein Traume, als würden die Märchen aus ,,Tausend und Einer Nacht« um sie lebendig. Wie löstlich ist diese Nachtfahrt durch die sanft aufwärts führenden stillen Stra ßen bis zu der Spaniata, dem Haupt-» platz der Stadt Korer wo ihr Hotels liegt, in dem sie Wohnung genommen-« haben. Ein schlastrunlener Kellner empfängt sie vor der Thüre des palastartigeni Gebäudes und führt sie zu ihren mit aller europäischen Eleganz eingerichte ten Gemächern Wolf ist abgespannt; er laßt sich von E Georg sogleich entkleiden und geht zur1 Ruhe Jlse tritt noch einmal auf denlx Balton hinaus Unter ihr, rings um: den Hasen sich breitem-, liegt dies schlummernde Stadt; mit goldigem« Schein, anders wie in der Heimath,1 ruht der Mond auf dem leise bewegtenz Meere Ein würziger Dust von Myr- H then und Orangenblüthen zieht zu ihr; heraus Sie athmet beklommen, undZ doch füllt ein namenloses Gefühl der Seligkeit ihre Brust. So bewegt istE sie und so dankbar! Ach, hätte sie nur eine Menschenbrust, in die sie ausschiit- · ten tön-,nte was ihr Herz bis zum Her-i springen füllt. Aber sie ist allein miti ihrem überströmenden Gefühl —- Zur« Weihnachtszeit fliegt aus dem Phäa lenlande ein Brief in das Pfarrhaus zu Heriheim Die Familie sitzt bei der Lampe am warmen Ofen, draußen heult der Wind, und sdichte Schnee slocken llatschten an die gefrorenen Fen sterscheiben. Alle horchten dem Vorle en des Pastors wie einem Sang ausi einer andern Welt: i Dkk.k.--—s-.«-L.« L.« n!.c..L, Herz your versprochen, oen ctcoen va heim meine Reise zu beschreiben, und« nun sitze und sinne ich, und sage mir« daß alles Beschreiben unnütze MüheE wäre. Denn wer nicht mit den Auge-IT den Zauber dieser Farben-, »dieses Lich- I tes und Aethers geschaut hat, der kann ; es sich doch nicht vorstellen, so viel ich? darüber auch sagen möchte. Jehl schreibe diesen Brief aus der sonnenbess schienenen, weinumrantten Terrasses unseres Hotels, vor mir sdie Eöplanades mit ihren mächtigen PiniengruppenJ ihren Lorbeer- und Myrthenbiischen, den mit mächtigen Artaden geschmück ten Palästen ringsum, und dem Meere, das hinter den Gärten auftaucht, und» aus dem so stolz und finster die schwarze Felswand mit ihrem Kastell auf der Spitze emporsteigt. Fern schim- z mern röthliche Felsenduchtem Schlössers und Villen inmitten von Orangen- und - Lorbeer-hohem von- Olweiv bedeckten Hitgelm und gerade gegenüber, jenseits der Meerenge heben sich die majestätii schen Bergreihen des Festlandes mit ihren schneebedeckten Gipfel-I in schar sen Konturen vom klaren Wintethtms mel ab. -»x-- IU — »Doch was rede ich vom Winters Gibt es hier denn einen Winter? Kalte, regnerische Tage wohl zuweilen, steht aber die Sonne am Himmel, fo durch dringt sie auch Alles mit ihrer Wärme. Mein Gemahl erholt sich hier sichtlich. Bei klarem Wetter gehen oder fahren wir täglich hinaus in die herrliche Um gebung, nach den Klöstern und Kirchen, der Billa Reale, mit ihrem ausgedehn ten, auf einer Halbinsel in’s Meer sich erstreckenden Parte, in dem Palmen und Orangen, Bananen und Kassee bäume gedeihen. Der Arzt, dessen Adresse Doktor Bolzer uns gegeben hat und der meinen Gemahl hier behandelt, erklärte sich neulich sehr zufrieden mit den Fortschritten von dessen- Gesund heit. Die Lunge sei im Heilen be griffen, und das beweist nun auch der von Tag zu Tag mehr abnehmende .Husten. »Wir haben hier einige sehr ange nehme Leute getroffen, unter denen mir ein deutscher Archäologe, Professor Rie fenthal aus München, mit dem wir auf demselben Schiffe von Brindisi her fuh ren, besonders gut gefällt. Er ist ein sehr gelehrter Mann und dabei doch fo bescheiden und mittheilsam. Jch höre und lerne viel von ihm unsd bin ent zückt, wenn mein Gemahl sich dazu her beiläßt, mit ihm eine oder die andere der naheliegenden Sehenswiisrdigkeiten zu besichtigen. »Anfangs zog Wolf sich gänzlich von allem Verkehr im Hause zurück unsd mochte mit Niemansdem sprechen; seit dem er sich aber wohler fühlt, weicht schon die Menschenscheu von ihm, unsd wenn er erst wieder ganz im Vollge fiihl des Lebens sich befinden wird. tvird auch die Schwermatb und Ver-» bitterung von ihm weichen. So hoffej ich zu Gott! Wer könnte auch beim( Asskuick solcher Natur schwekmiithig i bleiben? Alles freut sich hier des- Le b:ns, des Sonrieirscheins, der Luft, der Siösfieih jedem geht das Herz dabei anf. Sollte das Alles auf meinen Ge mahl allein unwirksam bleiben? Manchmal ist er jetzt recht gut und lieb zu mir, aus Dankbarkeit für meine gute Pflege, wie er ftetiJ mir wiederholt Ach, begehre ich denn des Dankes? Jhn wieder gesund zu sehen, dass muß und wird mir Ersatz fin alle-J Andere ges: » währen, für Alles-! »Dort-) genug von mir. So gernej hörte ich, wie es allen Lieben im trau ten Deutschland geht. Von meiner Mutter und meinem Bruder erhalte ich I so sparsam Briefe, daß ich sehr wenig i von ihnen weiß. Doch theilte mir ’ Mama mit, daß Bruno zur Central turnanstalt nach Berlin lommandirt wäre, und daß sie deshalb auch für einige Wochen dorthin zu gehen gedenke. Jst sie schon fort? Andernfalls bitte ich Sie, verehrter Pastor, ihr meine Grüße zu bringen und ihr zu sagen, wie sehr ich Nachricht von ihr ersehne.« Schon in der Woche darauf beant- » wartete der Pastor Jlse’6 Brief: ; »Mein liebe-J, gutes Kindl« schrieb s er, »Du ahnst ng nicht, wie viel Freude s Du durch Deine Illittheilungen unsi Allen bereitet hist. Wir sorgten uns um Dich; denn Deine Mutter ist seit einigen Wochen in Berlin, und so konn ten wir nicht einmal bei ihr nach Dir fragen. Wie ant, das-, Du so froh und mit offenen Augen und offenem Herzen genießest, wag die schöne Reise Dir bie tet, BeneEIensswerihek Wie Viele seh nen sich ihr Leben lang in jene Welt, die dem Kinn-nen inson, der seinen Ho: mer in der Schule liest, werth und thener ist. Wie Wenigen aber wird es zu Theil, ihre Sehnsucht befriedigen zu können Wenn man so erzählen hört von jenen sonnigen Landen, von Jtass l lieng und Griechenlands Kunstschätzen, ’ dann hebt sich wohl auch einmal be klommen die Brust, und man sehnt sich, gleich Faust, hinaus aus dem Wust der . täglichen Arbeit, nach des Lebens gol denem Baum. Da heißt es aber dann, sich zu beschränken auch in seinen Wün schen, und das Glück da zu suchen, wo es doch allein im Grunde zu finden ist, in der Arbeit und treuen Pflichterfül lung an der von Gott uns zugewiesenen Stelle· Denn wahre Befriedigung er wächst schließlich doch nur aus dem Be wußtsein erfüllter Pflicht. Und dieses Bewußtsein-, meine liebe Jlse, hast Du Dir errungen, und dag wird Dir blei ben, wie sich Zukunft auch gestalten Möge. »Daß der Baron sich erholt, freut mich herzlich, und mit Dir glaube nnd hoffe ich, daß mit dem Körper auch seine Seele geneien werde. Männer, wie er, »die am lieberniafz des Guten leiden, das ihnen geworden ist, pflegen zuweilen einer schweren Prüfung zu bediirfen, ehe sie das richtige Gleichge wicht zu erringen vermögen. Und ge prüft ist er wahrlich genug. Mich sollte es wundern, wenn seine kaum gehoffte Genesung ihn nicht zu einem glückliche-ten und befriedigteren Men schen machte, als er je vorher im vollen Genuß seines Lebens und seiner Ge sundheit gewesen ist. Zu meiner Ueberraschung erfuhr ich neulich beim Grafen Weiden, daß die Verlobung des Assessors v. Wenzelen sich wieder gelöst haben soll. Die schöne Amerikanerin hat mit ihrer Mutter Berlin verlassen, swie man sagt, um nach Amerika zurückzukehren Der Assessor hat seine Festungsstrafe be reits abgebiißt, sda sie durch die Gnade Seiner Majestät bedeutend verkürzt wurde. - «Sein Schicksal hat allgemeine Theilnahme erregt, und man sagt, das; er sehr wohl angeschrieben bei seinen Voraeseteten let und Carriere rasch-— werde. Er soll sehr gefaßt und-durch aus nicht niedergedrückt wie man nach dem unerwarteten Rückgange seiner Verlobung gefürchtet hatte, aus der Festungsihaft zurückgekehrt sein. »Der vermeintliche große Reichthum der schö nen Amerikanerin wird übrigens sehr angezweifelt, so dafz auch nach dieser Seite hin der Assessor nichts eingebüßt hat. Jn Rusdnitz lernte ich auch eine junge Verwandte Deines Genuhls,i Fräulein Käthe Altweil, kennen, eine Künsstlerin von Fach, die sich im Schlosse zusm Besuche aufhält und dort die junge Komteß Helene malt. Sie hat in Berlin ein Bild ausgestellt, zu dem die schöne Miß Graham gesessen und das sie »Sirene« genannt hat. Dieses Bild soll großes Aufsehen er regt haben, so daß die jungenDamen von Welt jetzt danach angeln, von ihr gemalt zu werden. »Ich habe mich viel und interessant mit ihr unterhalten. Sie-ist ein klu ges, denkendes Mädchen, wenn auch fiir meinen Geschmack ein wenig zu selbst bewußt. Das Gespräch lenkte sich na türlich auch auf »den Baron und Dich, und da kannst Du Dir denken, daß ich Dein Loh nach Kräften sang. Sie machte ganz erstaunte Augen dazu, meinte aber dann, sie könne nicht glau ben, daß ein Wesen, wie Du, fiir den tollen Wolf passe. Ueberhaupt seien im Allgemeinen die Männer eine Frau, wie ich Dich ihr geschildert habe, nur in Ausnsahmesiillen werth. »Hast-en Sie so schlechte Erfahrungen gemacht, mein Fräuleins fragte ich da gegen. Sie erröthete, und das stand ihr gut. »Macht man nur Erfahrungen an sich selbst? Jch lerne -vom Leben, so weit es sich meiner Beobachtung er schließt —« »Und da haben Sie so viele unmitt dsige Männer kennen gelernt?« ,,Genug,« sagte sie entschieden, ,,um die Lust zu verlieren, in der Ehe allein das Gtiick des Weibes zu suchen. Jch habe mich daher ans eigene Füße ge stellt und fiihle mich wohl dabei.« »Weil Sie als Künstler-in Erfolg haben. Ich verstehe das, sage Jhnen aber trotzdem voraus, daß die Stunde kommen wird, wo Sie sich dennoch nach Liebe-, nach einer eigenen Häuslichieit sehnen.« »Sie lächelte ungläubig, brach alser das Gespräch ab, da die Kornteß zu nng ir.it. »Ich lud sie beim Abschied ein, mich in meinem Pfarrhanse zu besuchen, und sie versprach es auch. Wenn sie kommt, werde ich ihr etwas aus Dei nem Brieie vorlesen, nnd ich denke, sie wird sich freuen, wenn sie hört, das-, es dem Baron so viel besser geht« »Und nun, Gott mit Dir! Mögen diese Zeilen Dich so sroh und heiter an treffen, wie Du eg beim Schreiben Dei neg letzten Briefes warst, und die Ge nesung Deines Gemahls weiter fort schreiten.« Mit einem befriedigten Lächeln fal tete der Pastor den Brief zusammen: lss geht doch Alles besser, als ich vor .:kis·iesagt hatte, dachte er, nnd so Gott trill, findet die gute Jlse in dieser so seltsam geschlossenen Ehe doch norh das Glück, dasv keine Frau mehr verdient, als sie. ]5· Wolf befand sich in eigentlsiimlicher Gemütbgverfafsung Der Frühling war aus der lieblichen Jnsel eingezogen, eine Bliithensiille hatte sich iiber sie er gossen, die Sinne und Auge blendete. ileberall, selbst aus Ruinen, sprießte und bliibte eg in sarbiger Pracht; ein kliosenmeer lag iiber dem Garten der tisrsilanade gebreitet, bis zu den höch sten Spitzen der Bäume kletterten sie in btiitsendeni Geranle hinaus, trönten sie mit brintsarbia dustendem Schmuck In der Villa Reale stieg die Blüthe der Aloe in mächtigen Bogen empor, da leuchtete der Judasbaum in seinem dunklen Roth und an die schlanlen Stämme der Palme rankten sich blü hende Carieen hinaus. Orangen und Marthen sandten, von Meereshauch iiberstrichen, tviirzige Dijste in die Lust, die seltsam tlar nnd durchsichtig die fernen Berge des nur durch eine Meer enge getrennten Epirug so nahe rückte, daß man sie oft mit Händen greifen zu können meinte. Und wie die Erde. schmückte sich Abends auch der Himmel; da glühte der Abendschein, bis zum Zenith seine Strahlen werfend, weit in die Nacht hinsin, Meer und Land mit zauberhaftem Licht umwebend, wie es unser Norden nicht kennt. Daer der süße Gesang der Nachtigall, die hier sich nicht daran beschränkt, Abends ihre Weisen zu slöten, sondern auch am Tage, an stillen Orten ihr fchmelzendeg Lied ertönen läßt, das bewegte Leben und Treiben auf der Egplanade, der Zufluß von Fremden, die herbeiftrömis ten, auf sdern weltberühmten Eiland das nahende Osterfest mitzufeiem Leben, Freude, Schönheit iiberall, wer sollte solchen lockenden Mächten ge genüber sein Herz verschließen, zumal, wenn mit den sanften Lüften des Früh lings auch das Gefühl der Gesundheit, der Kraft in es einzuziehen beginnt? Wolf wurde sich von Tag zu Tag mehr bewußt, daß er kein Kranker mehr sei; der Huften hatte aufgehört, seine Wangen singen an, sich zu runden und lebhafter zu färben, sein Gang wurde elastischer, kraftvollen ,,Jch werde Sie bald als Genesenen entlassen tönnen«, meinte der dort an sässige Arzt, in dessen Kur er sich ge eben hatte, bei einem seiner letzten Be suche, als er Wolf und Jlse am Mor aen des Charfreitaatp auf der Terralse des Hotels beim Frühstück begåigta »Sie sehen prächti aus, Herr- ,ron. -. ich gratulire ausri tig." »Wenn man einem Menschen über haupt zum Leben gratuliren kann,« ent gegnete Wolf smsit süßsaurer Miene· »Joha« rief der Arzt, »so etwa-Z darf nian eigentlich hier in Korsu, in dieser Umgebung, unter solchem Him mel gar nicht aus-sprechen Satt-ite aium, Herr Baron, bei Gott, Sacktu ginm!« »Ja, wie lange dauert aber diese Pracht hier?« wiidersprach Wolf ,,Man erzählte mir, nach Mitte Mai schon würde es hier unerträglich, dann kommt der Sirocco mit seinem heißen Athem und macht die Luft dick und nebelig, Treibt die Menschen in die schützen-den Mauern der Häuser zurück, und wer da kann, entflieht der drücken den Gluth.« »Ja, ja, auch Korfu ist dem Wechsel unterworfen, Herr Baron, wie Alles in der Welt. Vorläufig kann man es dreist noch als lnula Instit-r bezeichnen, auf der man in Wahrheit iden Götter hauch der Seligkeit einathmet Genie ßeni Sie noch die schönen Tage hier, so lange es geht, und sehen Sie sich mit Ihrer— Frau Gemahlin das griechische Ostersest an. Als etwas ganz Eigen artiaeg kann ich Ihnen heut’ eine Fahrt nach dem hylläischen See und den Inseln empfehlen, wo man daran ist, die Kapellen zum Feste zu schmücken.« Damit war der kleine behäbige Dok tor auch schon fort, ehe Wolf noch eine Antwort ertheilen konnte. »Hast Du Lust zu derFahrt?« fragte er, ohne Jlse anzusehen. »Gem, wenn es Dir Vergnügen macht.« »Dann muß ich sofort einen Wagen bestellen. Zn lanae dürfen wir nicht zögern, denn Alles iiihrt heute; ich glaube, das ganze Hotel ist fast leer.« Jlse stützte den Fron in die Hand unsd blickte dem Forteikendem in Gie danken verloren, nach. »Wie lange wird"sZ nach dauern, nnd das Alles liegt wie esn Trunkn, ein kir zer schöner Trantn hinter mir?« aiixki ihr durch den Sinn. Wie weh ihr wieder Wolf-J Worte gethan hatten: »Wenn man einem Menschen überhaupt zum Leben aratnliren tann!« lssr dankte ihr nicht einxnal das Leben cis-»g sie mit ihrer Pflege ihm geholfen hatte sich wiederzugewinnen, dankte es ihr nicht, weil es thn an ihrer Seite nicht lieb geworden war. Ach, sie sagte es sich ja jeden Tan, sein Wohlwollen, seine Achtung, sa, die besaß sie, aber seine Liebe? Die sich zu erringen, schien ihr vom Geschick versagt zu sein. Wenn die Liebe erwecken soll, hier be stätigte sich diese allgemeine Regel nicht. Für sie war er Alles-, ihr Glück, ihre Sonne, und wie sie damals dem Kran ken ohne Besinnen ihre Tage hinge geben hatte, nur in dem Bemühen, fiir ihn zu sorgen, fiir ihn zu leben, so würde sie es auch heute noch dem Ge sunden thun. Aber der Gesunde be durfte ihrer nicht, der Gesunde sah in ihr nur eine Fessel, und eine Fessel durfte sie ihm nimmer werden! Wolf kehrte zurück, Jlsse zwang sich zu einem Lächeln, so schwer ihr auch um’5 Herz war. Hätte Wolf genauer auf sie geachtet, ihm wäre nicht entgan gen, wie die Ruhe und derFrieden aus diesem sanften Antlitz gewichen, wie es sich in dem Jahr des Beisammenseins gewandelt hatte. Er aber sah es nicht; ihm war sie immer die gleiche, freund lich lielteoolle Gefährtin, under glaubte, sich und ihr genug zu thun, wenn er sie tnit dem Elteinelt eiueLs Kavaliers be n:n:efte und sie mit der äußeren Zu voriourmeiixeit umgab, die ein Mann seiner lsjatkiu schuldig ist. Daß sie etwas entbehrte, das ahnte er taum, und hätte er es geahnt: konnte er ihr uuehr geben, als er zu geben hatte? ,,Profesfor Riesenthal wird uns be gleiten,« rief Wolf ihr schon von Wei tem entgegen. ,,««3eine Fiihrung wird uns sehr nützlich sein. Uebrigens habe ich nicht ohne Miihe den Wagen erhal ten« Die Hotelilfquipage ist schon von neuangelommenen Gästen mit Beschlag belegt worden, die denselben Ausflug wie wir beabsichtigen und bereits fort sind. Doch versprach der Wirth, so rasch als möglich ein anderes Gefährte herbeizuschaffen Bitte, mache Dich fertigt« Es war eine köstliche Fahrt, unver geßlsich fiir Jlse die letzte, die sie in äußerer friedlicher Gemeinschaft mit dem Gatten unternahm. Der Professor war heute sehr heiter gelaunt, ihn tnuthete Alles an wie ein Sang aus alter Zeit und sein Mund floß iiber in Dith1)ram«ben der Begeistes runa. Auf die Spaniata wandelte das Volk schon in sesttäglicher Stimmung, Grie chen und Albansesen in ihren Feierklei vern, Männer mit dunkeln verbrannten Gesichtern, in weißen faltsigen Ueber räcken tnit Gamaschen unsd Schnabel schuhen, Iden rothen Fez auf dem schwarzlockigen Haar, stolz einherschrei ten-d, sorglos und vornehm wie antile Helden, Frauen in prächtigen oldge stickten Gewändern, Ketten von ther nriinzen um sden Hals, Mieder und Schuhe roth mit Gold gestickt, um den Kopf ein feines gelbliches Schleierge webe, unter dem goldene Münzen auf die schmale gebräunte Stirn herabfie len. »Ach, Du schöne Insel, daß ich Dich so bald verlassen mußt« rief der Pro fessor, dessen Urlaub mit dem Beginn des neuen Semesterö erlosch« empha tifch. »Schon Sie nur dort! Jst es nicht als ob die antiien Cbisrr. hie