Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, March 06, 1896, Page 5, Image 5
Sommer Ilse. Its-san von clarisla Vol-da c-- Fortsetungq »Um Gotteswillen.,« schrie Adellne auf, »Du wirst ein Gesangener semi« «Erschreckt Dich das so? Oder glaubst Du, das würde so Ungeahnsdet vorüber geben«-! Nein, bei uns ins Preußen darf man- nicht ungestraft zur i Pistole greifen, wie bei Euch im· freien ! Amerika. Und ich deute, selbst Du; meintest, daß ich eine Strafe verdient! habe." ? Adeline ging aus den Scherz nicht ein; sie zeigte im Gegentheil eine so müde, abgesponnie Miene, daß Axel sehr bald schon wieder ausbrach. »Du siehst sehr angegriffen aus, Adel-ine: es wäre wohl das Beste, Du legiest Dich bald nieder.« Sie widersprach nicht, und auch Mes. Gralyam lud heute nicht wie sonst zum längeren Verweilen ein. So Faan er denn seinen Hut und empfahl Ich. Kaum halte et die Zimtnerthiir hin ter sich geschlossen, als die Blicke von Mutter und Tochter sich bedentunasboll trafen. »Nun," brach Adeline zuerst aus, «da hast Du nuns Deine gute Partie. Soll ich wirklich nach Porto Allegre ge hen, mich dort vergraben in die Ein samkeit als Frau eines simplen deut schen (!onsfnlö?« Mrs. Graham sclfiittelte ver-weisend den Kopf »Du übertreibst, Adeline. Nun ja, ich gestehe, Axel ist nicht mehr die gute Partie, siir die ich ihn hielt, und die Frau eines Conssuls in Vrasilien zu werden« scheint mir auch nicht gerade derloclend. Indessen, ich fürchte ich fürchte, aus Dir spricht etwas ganz Anderes, Kind, als der Abscheu vor Port-) Allegre.«' »Und das wäre?« »Du bist cholirt iiber die Nachricht von der Verheirathung Baron Woli’s!« »Ich leugne es nicht« »So haft Du wirklich im Geheimen wohl gar noch mit der Hoffnung Dich getragen, im Falle der Genesung des Bat-Ins ihn Dir wiederzugewinnen? Adeline antwortete nicht, sondern tnitterte das Taschentuch, das sie in der Hand hielt, zornig zufammen ,,Ruhig, Kind, tuhig,« mahnte die Mutter und legte die Rechte besänfti gend auf die Schulter der Tochter. »Nu: keine Entfchtiisse in der Ueberei Jung fassen. Watte ab, noch reichen unsere Mittel fiit einige Zeit, bis da hin wird sich Alles finden. Nur reif-. lich überlegen, ehe man handelt. Diese Weisheit mußt Du noch lernen.« S. Wieder fass- Jlfe im Psarrhause zu Hertheirn in dem schlichten Studier stiibchen des treuen Seelsorgerit, jetzt nicht mehr Jlfe von Bellin, sondern die Freisrau von Wenzelen Pastor Sens farth hatte in Gattersberg nachdem die ftondesamtlicheTrauung vollzogen war, den Segen über das junge Paar ge sprochen, nicht mit leichtem Herzen; denn des Bräutigams bleiches, verfal lenes Aussehen, sein apathisches Ver; halten während der ganzen Ceremonie hatten ihn mit Sorge erfüllt. Es war keine fröhliche Hochzeit ge wesen, nur Mutter und Bruder Jlse’z und Doktor Batzer waren die einzigen Zeugen Jlse dachte jetzt, als sie mit gesenkter Stirn vor dem Paftor saß, an diesen Hochzeitstag und mit welch' wenig freundlichem Blicke Wolf die im mo dernsten Geschmacte ausgeführte Tois leite ihrer Mutter betrachtet hatte, die wie gewöhnlich ausfallend nnd überla den gewesen wor. »Deine Mutter scheint vergessen zu haben, dafz sie zu einem Kroaten ge kommen ist,« hatte er sich nicht enthal » ten tönnen, gegen Jlse zu bemerken i »Geseß Gatterssbeeg ist jetzt nicht der -Ort.,« Toiletten bewundern zu lassen." Frau- ron Bellin, die diese Aeußes rung gehört hatte, war verlth gewesen« »Der Herr Schwiegersohn ist aber durchaus nicht galant,« hatte sie sich bei Jlse und dem Pastor betlagt. »Es ist immer eine Artigteit fiir den Haus herrn, wenn sei-ne Gäste sich für ihn schmücken, und nun gar bei der Hochzeit der eigenen Tochter.« Bedenken Sie die Umstände, gnä dige Frau,« war des Pastors beschwich tigende Antwort gewesen. »Von einem Kranken kann man billiger Weise teine Galanterie erwarten und Baron Wen zelen ist itberdenr ein in jeder Bezie husng verwöhnter Maner Auch Bruno hatte trotz seines son stigen cheoaleresten Wesens bei deser Gelegenheit wenig Takt Wiesen. Bei « dem kleinen Frühstück, das aus den « Trauungsatt gefolgt war, hatte er zu i sehr dem Champagner zugesan nnd in dieser Laune sich mehr ge lassen, ate- unier den obwaltenden Vet hältnissen angebracht war. Jlse sah ihre Familie mit dem peinlichen Ge fühle scheiden, daß sie ihrem Gatten sehr unsympathisch sei, obwohl er sich augenscheinlich bemühte, nach dem er sten Ausfall seiner Gereiztheit durch «·«""«»-«-·»-aui höflich und verbindlich zu bleiben. Heute nun war sie in Derthetm, um — bschied zu nehmen« Abs ied file eine lange, nicht absusehende t. Denn Doctor Balger, der ein e'Arzt. von dem Wolf nach wie vor behandeln; ragen wollt-, hanc Auskuthan im Sud Its den end des Derbstet und Win ters r den Leiden-den als unumgiing lich nothwendig erklärt. Anfangs hatte Wolf durchaus nicht daraus eingehen wollen. »Wozu mein Leben verlängern? Jch habe den Muth, zu sterben.« »Wenn es sich blos um’s Sterben handelte, Herr Baron; hier aber steht die Frage so, ob Sie einen Winter voll unausgesehter Leiden und Beschwerden durchleben, oder sich die Erleichterung des Ein-athmens einer wärmeren Luft gewähren wollen. Es hieße geradezu elbstrnord, wenn Sie meinen Rath nicht befolgen, und diesen Schein darf ein eben verbeiratheter Mann doch nicht auf sich laden, ohne seiner und der Reputation seiner Frau erheblichen Schaden zuzufügen.« Das hatte gewirkt und Wolf sich, wenn auch mit Widerwillen, zur Nach giebigleit entschlossen. Uns-d nun stand die Abreise in den allernächsten Tagen schon bevor. Jn Gattersberg war Al les geriistei, denn draußen fingen schon herbstliche Winde an zu wehen; die Gebirgsnebel deckten alle Morgen schon die Gipfel der Berge zu, wogten in dichten Massen durch die Thaler hin, bis ensdlichsdie Sonne hoch genug stieg nnid die Kraft gewann, mit ihrem Lichte sie zu durchdringen Jlse war mit dem Pastor allein, der ihre Hand in der seinen hielt und sie warm nnd ermuthigend drückte. »Mir Geduld! Wenn erst die Ge sundheit wieder neu belebend in Deincs Gatten Herz einzieht, wird auch seine Stimmung anders werden« »Das gebe Gott,« entgegnete Lilien mit ihren guten, treuherzigen Augen traurig zu ihm ausbliciend. »Ach, ich ; bitte täglich darum, daß es mir gelin ;gen möge, nicht allein den Körper, nein. auch die Seele meines Wolf wie ; der gesund zu pflegen. Denn auch an I der Seele ist er trank. Er grollt un aufhörlich mit dem Schicksal, das ge rade ihn sich ausersehen, alle Bitternisse zu ertragen, das ihn so vereinfanit in die Welt gestellt hat« »Ur in Ia nicht mehr vereinsami, seitdem er Dich zur Seite hat," meinte »der Pastor tröstend, »und wird das sehr bald schon empfinden, wenn Jhr Euch nur erst besser mit einander ein ; geiebt habt und das Gefühl wachsender ; Gesundheit in ihm lebendig wird. Jch Zhoffe das Beste, liebe Jlse, und das F mußt Du auch.« ; Ueber ihre sanften Züge flog es wie kein Strahl des Glückes. s »Wie lieb und gut Sie immer zu i mir sind, lieber Herr Passtor. Nie gehe » ich ohne Trost und Erhebung ans Ih » rein Hause. Wie viele Kämpfe habe ich hier schon ausgetämpft in diesem trau J ten Stübchen, und wie viel Segen ist ; mir in ihm schon geworden! Ja, ich will s hoffen und nicht müde werden in Ge sduld und Liebe.« Der Pastor lächelte. »Ja, die Liebe, das ist die größte J unter ihnen, wie der Apostel sagt. Und wer, liebe Jlse, sollte mit Dir längere Zeit leben können und Dich nicht lieben J lernen, wenn er sein Herz auch noch so zsehr verschließt und künstlich hart zu machen sucht? Dein Gatte verehrt und ; achtet Dich —- fonst hätte er Dich nicht szurn Weibe begehrt -—-— und Achtung und Verehrung sind die Grundpfeiler, aus denen die Liebe sich aufbaut. Jetzt aber komm mit mir,'« fügte er, sich er hebend, hinzu, ,,zu Frau und Kindern, die Dich inr Wohnzimmet mit dem Frühstück erwarten.« Jlse folgte schweigend seiner Aus sorderung. Beim Vorbeigehen fiel ihr Blick unwillkürlich in den Spiegel, und sie erschrak ein wenig vor dein ihr selbst fremd erscheinenden Ausdruck ihres Ge sichte-L Noch nie war es ihr so zum Bewußtsein gekommen, wie in diesem Itlugenblich daß sie nicht mehr dieselbe war, wie früher. Jhre äußere Erschei nung zwar hatte sich nur wenig verän dert. Ebenso schlicht und einfach. wie ehedem Jlse von Bellin, trug sich auch die Freisrau von Wenzelem ein graues Kleid —— Wolf liebte diese Farbe, weil er sie in ihr zuerst gesehen hatte — ein runder Strohhut aus dein glatt ge scheitelten Haar, so war sie früher ge gangen, so ging sie auch heute. Aber innerlich war sie eine Andere geworden. Der Friede, das stilleGenügen, mit dem sie sich selbst in die oft wenig erquicklis chen Verhältnisse im hause der Mutter gefunden hatte, war von ihr gewichen. Eine Unruhe erfüllte sie, die hellem mend auf ihr Gemsiith wirkte, Wünsche waren in ihr lebendig geworden, ein hoffen, ein Sehnen, »das sie früher nicht gekannt. Sie hatte geglaubt, sich daran genügen lassen zu können, für den geliebten Mann zu sorgen, thn zu pflegen wie einen theuren Kranken, »des sen Genesung schon allein den besten Lohn für alle Mühen und Opfer ge währt; jetzt aber wußte sie·. sdasz sie das nicht befriedigen konnte, daß ein heißes Verlangen in ihr aufgestiegen war, auch die Liebe des Genesenden zu ge winnen, der rnit ihr durch die heiligsten Bande vers-milden war. - « »s : Wut-o- akr va- je genuguu Ums i war immer aufmerksam, immer freund iich gegen ste; asber noch sprach er von dem Tode als von etwas Ersehntent, noch war er im Gemiiih zerfallen mit sich und der Welt, unld trotz aller Ar-"" iigfeit des Cavalierö, die er ihr be wies, hatte sie noch nie einen wärmen den Strahl in seinem Auge aufleuchten sehen, noch nie einen Klang in seiner Stimme gehöri, der ihr ein zärtliches Empfinsden verrathen hätte. Ein leiser Seufzer hob bei diesen Gedanken ihre Brust Gieich aber schalt sie sich selbst - — i jwegen solcher Schw. he. Hatte sie ein iNecht zu beklagen Inn-d zu vermissen, was er ihr zu geben ja nie verspro chen? . »Jlst« Jlfe!« Wieder begrüßten sie, wie damals, als sie nach« Wolfe Werk-ung, Rath und Trost suchend, zu dem trauten Pa storenhause gewandelt war, die jubeln den Stimmen sder beiden Mädchen, wie der wurde sie umhalst und geküßt, und die Pastorin suchte mit milden Worten dem Uebetmaß der Zärtlichkeit der Kin der zu wehren. Man bestimmte Jlse, von Gattergs berg zu erzählen. Es solle ja dort so herrlich sein, habe der Papa gesagt, meinte Gebell-, ein so altes, interessan tes Schloß. Ach, sie liebe alte Schlös ser sso sehr und brenne daraus, so nach Herzenslust einmal sich in einem solchen tummeln zu dürfen. »Und nicht wahr, Jlse,« schloß sie, »wenn Du von der Reise zurückkehrst, darf ich Dich auch einmal besuchen, und Du zeigst mir Alles!« Jlse nickte mit leichtem Erröthen. War sie denn wirklich so Herrin in Gattersberg, daß sie Jemand dorthin einladen konnte? Wolf hatte ihr, so sehr sie es gewünscht, noch nicht das Aner bieten gemacht, ihre alten Freunde bei sich zu empfangen, im Gegentheil aus ihre leise Anspielung abwehrend ge antwortet daß er vorläufig sich am xooihlsten fern von allem Verkehr fühle und sich gerade deshalb so sehr nach Gatten-dem aesehnt habe, um allein nnd unbrhellint zu sein. »Ur-o wohin gebt die Reise?« fragte die Pastorin. »Ist der Ort schon be stimmt?« Jlse oerneinte das. Noch immer wäre ihr Gatte nicht zum Entschluß gelommenz jedenfalls ginge er nicht nach der Riniera oder Egypten, wo es jetzt von Fremden wimmelte, sondern an irgend einen einsamen Ort. Noch schwanke die Wahl zwischen Sizilien und Korfu. »Du Beneidenswerthe!« rief die Keine Meta. »Korsu! Wie interessant! Gibt es denn da auch noch Räuber? Ach, wenn ler dort angefallen würdet, das müßte doch himmlisch sein. Das Lösegeld zu zahlen, würde dem Baron ja nicht schwer fallen, so daß es Euch nicht an’s Leben gehen tann.« Der Pastor verwies dem Töchterchen sein einfältiges Geschwätz. «Jn Korsu ist es so civilisirt wie hier bei uns,« belehrte er. »Da wohnt der Baron mit Jlse in einem eleganten Hotel nnd athmet die weiche, schsne Lust des meerumtränzten Eilandes. Weiteres verlangt er nicht, und gefahr volle Touren in das Innere sder Insel, die übrigens durch die Engländer, die sie eine-Zeit lang besassen mit den schönsten Straßen versehen sein soll, wird er sicher in seinem Zustande nicht unternehman Zne harre ihren nuricher in oem dem Pfarrhause gegenüber liegenden Hotel aussvannen lassen. Die anderen Besuche bei der Familie des Doctors und ihrer Mutter wollte sie zu Fuß machen. Vom Hause der Mutter sollte der Wagen sie dann abholen. Frau Doktor Batzen bei der sie zu erst vorsprach, behandelte »die junge Fran, die sich nach ihrer Verheirathung zum ersten Mal bei sihr sehen ließ, in sehr gezwungener Weise, als »die hoch iiber ihr stehende vornehme Dame, lnixte vor ihr wie dir einer Fremden und kam über die üblichen Redensarten nicht hinaus-. Da Jlse, selbst noch be sangen, den richtigen Ton gleichfalls nicht zu finden vermochte, waren beide Theile froh, als sie sich zum Abschiede die Hände schütteln konnten. Frau v. Bellin fand Jlse noch in ei nem hochrothen, mit crchesarbenen Spitzen besetzteii,3lltorgenrocle, aus der Chaiselongue liegend, mit der Lectiire eines Eitomans beschäftigt. »Ei!« rief sie, sich halb aufrichtend, mit spöttisch verzogenem Munde der eintretenden Tochter entgegen, ,,lonnnt die Frau Baronin wirklich einmal in meine niedere Hütte? Nun, den Taa muß man ja roth anstreichen. Ja; dachte schon, Du hättest uns ganz ver gessen; denn auch Bruno hat ja nichtg von Euch gehört. Aber es ist gut, dass Du gekommen bist. Jch habe Dir mancherlei zu sagen. Setze Dich zu mir, Liebe, ———-· so —- und klingle, daß das Mädchen Dir ein Frühstück be reite.« ,,Danle, Mama, danie. Jch habe schon beim Pastor gefrilhstticlt. Bitte« lass Dich durch mich nicht stören, Du weißt, meine Zeit ist sehr gemessen, und ich bin hier, um Dir Lebewohl zu sa gen.« »Also wirklich? GehN schon so bald fort? Na, wohl belomm’s· Jch bin froh, daß ich nicht mit Euch zu reisen brauche. Unid Du dazu mit dem tran len Mann! Na, Jlse, daß Du das ge than hast! Anfangs freilich hielt ich, wie alle Anderen anch, Deine Heirath siir ein Glück. Du- bist nicht hübsch, nicht reich, was konntest Du sttr An sprüche machen? Und der Baron von Wenzelem der reiche Erbe und Grund besitzer, ja, das ließ sich hören, swenn er auch ein kranker Man-n wart Hat doch solche Liebesgeschichte am Krankenbette immer etwas Romantisches, und wenn ich auch nicht recht begriff, wie es eigentlich möglich war, daß ein ver wöhnter Weltmansn sich in Dich verlie ben konnte, so sagte ich mir doch: Die Liebe ist blind und der Geschmack ver schieden. Aber nun, sida ich so Manches erfahren und Euch Beide zusammen ge sehen habe, nun weiß ich sa, daß diese Romantit Einbilsduna gewesen ist. Der Baron liebt Dich ja gar nicht, hinter seiner Heirath stecken ja ganz andere Gründe« »Ich bitte Dich, Mamsa, laß das,'« bat Jlse, die jedes Wort lder Mutter wie eine-n Stich in’s Herz empfand »Ueboigens irrst Du Dich, wenn Du glaubst, Wolf habe mir bei seiner Wer bung von Liebe gesprochen. Ein so lranler Mann, der fest davon- überzeugt ist, daß er nicht besser wird —" »Und warum heirathete er Dich denn?« . A »Um die Pflegerin nicht zu verlieren, an die er sich gewöhnt hat, die ihm lieb geworden ist.« »Unsinn, Kind, Unsinn! Pflegerin nen und die vorzüglichsten erhält man überall für sein gutes Geld, und eine so zartbesaitete Seele, die an Gewohn heiten hängt, wird der frühere Garbe Osficier wohl kaum haben. Nein, da spielen ganz andere Interessen hinein. Bruno erzählte mir, was man in »der Residenz spricht. Ein Rachealt gegen den Vetter, weiter nichts, ist seine Hei rath. Er gönnst ihm und seiner Zu künftigen die Erbschaft nicht, und um sie dem Vetter mit einem Schein des Rechtes entziehen zu können, nahm er eiligst eine Frau, die erste, beste, die ihm gerade in den Wea tam.« Jlse war ganz bleich geworden, sie starrte ihre Mutter mit weit geöffneten Augen an. Jshr war, als hätte Je-» mand Plötzlich alles Licht in ihrer Seele ausgelbscht, ein bitteres Weh zog ihr die Brust zusammen. Wenn die Mutter recht hätte, wenn sie Wolf wirk lich nur die erste beste gewesen, die er als Mittel zum Zweck benutzen wollte, um Rache zu nehmen! Das wäre gar zu häßlich, gar nicht auszudenleM Wie sollte sie den Mut-h und die Kraft be halten, ihrer schweren Aufgabe zu ge niigent Frau von Bellin beobachtete nicht ohne Befriedigung die Wirkung ihrer Worte. »Siehst Du nun ein« daß ich Grund hatte, mit Dir fo zu sprechen-, wie ich gesprochen habe?« fuhr sie nach einer kurzen Pause fort. »Du hast wahrlich nicht Ursache zu gar zu großer Dant barleit unsd Selbstaufopserung Deinem Gatten gegenüber, und noch weniger zur Zuriicksetzung Deiner Familie, wie Du es in letzter Zeit, aus Rücksicht für gen Kranken, wie Du schriebst, beliebt ast.« Jlse saß noch immer starr und re gungslos auf ihrem Platze. Sie fand kein Wort der Erwiderun-g. Endlich erhob sie sich Und trat an’s Fenster. »Aber mein Him-mel,« rief die Mut ter nun verdrießlich, »gar so tragisch brauchst Du sdie Sache doch auch nicht zu nehmen! Aus alle Fälle hast Du Aussicht, eine sehr wohlsituirte Wittwe zu werden, und das ist sicher nicht zu verachten. Freilich, wer weiß, ob der Baron Dir in seinem Testamente nicht die Hände bindet. Bei solchem erreg baren, nur seinen Impulsen folgen-den Menschen« wie dem Baron, muß man auf Alles gefaßt sein. Deiner Klug heit wird es überlassen bleiben, Derar tiges zu verhindern. Nur kein allzu großes Zartgesiihl, teine Schonung, die dieser Mann nicht verdieni.« ,,Mama!« Jlse wandte sich jetzt nach ihrer Mut ter mit einem Gesicht um, in dem sich so merkliche Seelenqual malte, daß diese süt einen Moment verstummte. ,,Kein Wort weiter-, Mama, es ist genug, übergenug!« Frau von Bellin setzte eine etwas be leidigte Miene aus, spielte mit den Quasten ihres Morgenrockes und ver-· hielt sich eine Weile wirklich still. Aber sie hatte noch Etwas auf dem Herzen, zu dem alles Vorhergehende nur sdie Einleitung gewesen war. Als Jlse da ·l)er Miene machte, auszubrechen, hielt iie sie mit einer raschen Handbetvegung zurück. »Nicht so, Du wirst doch nicht im Groll von mir scheiden? Weh’ thun ioollt’ ich Dir nicht, nur Dich aufmerk sam machen auf sdie Verhältnisse, wie sie nun einmal sind. Auch habe ich noch eine Bitte an Dich, die Du mir jetzt gewiß nicht abschlagen wirst. Einen kleinen Nutzen dürfen wir doch auch ans Deiner opfervollen Ehe zie hen. Du weißt, wie klein ldie Zulage ist, die ich Brutto geben kann. Der arm-e Junge leidet darunter, unt so Iinehr, da er, wie alle -Ossiciere, einige I Schulden hat, die durchaus getilgt wer 1Den müssen. Da könntest Du nnn kgriinsdlich aus«-helfen Die Baronin v. jWenzelen braucht, wie es auch kommen ; möge, das kleine Capital, das Dir vom Vater ausgesetzt, nicht nicht-. Zeige sDich einmal als lieben-de, als nodle lSchwester Und schenke es ihm.« Sie hatte im Eifer der Rede nicht gesehen, wie Jlse’s Gesicht immer schmerzlicher sich verzog ,,Verz«eihe, Maina,« entgegnete sie nun mit leisem Beben in der Stimme, »wenn ich Dir gerade jetzt die Bitte ab schlagen muß. Unter anderen Verhält nissen hätte ich ja gern Bruno geholfen, aber nach dem, was Du mir eben ge sagt w« Mach dem, was ich Dir eben ge sagt?« wiederholte Frau v. Bellin und schaute ihre Tochter ganz verstänsdniß los an. »Kann ich mich nicht von allen eige nen Mitteln entblößen. Denn sollte das Schlimmste eintreten, was Gott verhüten möge, und Wolf doch noch sei nem Leiden erliegen, dann wirst Du begreifen, daß ich sdie Erbschaft, die msir unter solchen Voraussehungen gemacht niemals antreten wit-rde. Zum ---—— —-(» s«-«s.— («.. .— Werlzeug der Rache lasse ich mich nicht bewutzeni« Frau d. Bellin- sah noch immer ganz bewußt auf ihre Tochter hin. Hatte sie sich tdoch gerade deii entgegengesetzten Erfolg von ihren Mittheilungen ver sprochen, daß Jlse sich nun bestimmen lassen würde, ohne viel Bedenken ihre Situation zumNutzen der Familie aus zuniitzenl Aiber sie war ja nicht wie an dere Menschen, die Ilse, närrisch war sie, ganz närrisch! »Ich iweiß nicht, was ich von Dir denken soll,« stieß Frau V. Bellin end lich ärgerlich hervor. »Alle-J habe ich erwartet, nur nicht das! Meine erste Bitte, die ich an die reiche Tochter richte, mir abzuschlagenl Und aus fol chen Gründen! Natürlich ist das nur ein Vorwandx denn so geradezu ver rückt kannst Du ja doch nicht handeln. Aber fiir Deine Familie hast Du nie etwas übrig gehabt, nie! Da opferst Du einer sixen Jsdee ganz ohne Weite res die Zukunft und das Glück Deines einzigen Bruders« »Nicht so, Mama, nicht fo!« wehrte Jlse ernst ab. »Ich werde für Bruno thun, so viel ich vermag» Lasse er mir das Berzeichniß seiner Schulden zu sendem wenn die Summe nichi zu hoch ist, werd-e ich sie tilgen, da ich in sden letzten Jahren einige Ersparnisse ge macht habe. Aber von sdem Capital trenne ich mich nicht, das ist mein fester Entschluß.« Frau v. Bellin kannte ihre Tochter zu genau, um niichi zu wissen, daß nach dieser entschiedenen Erklärung nichts Weiteres zu erwarten wäre. So ließ sie sich denn an dem Erreichbaren genü gen, aber ihre Miene blieb verdrossen u d »der Abschied zwischen Mutter und Tochter war ungemein kiihl. Gebeugt, wie unter einer schweren Last, verließ Jslse das heimathliche Haus. Jm Gar ten, ehe sie das Gitterthor öffnete, blieb sie einen Moment stehen. Es überfiel sie wie ein Schwindel, sie mußte sich auf eine der dort stehenden Bänle niederlassen. Dann, den Kopf in die Hände beugend, brach sie in ein heftiges, unaufhaltsames Schluchzen aus. Ach, so bittere Thränen wie diese, hatte sie ja noch nie geweint! Es war ihr, als lösten sich mit ihnen alle Hoff nung, alles Vertrauen, alle Liebe aus ihrem Herzen. Lange dauerte es, ehe sie die Fassung fand, sich aufzurichten, ihren Weg fortzusetzen Vor »ein Gitterthor draußen harrte Bereits der Wagen. Ein Diener in der reichen Li dree der Wenzelen stand am Schlage und half ihr beim Ein-steigen Sie be ; merkte es kaum· Ganz mechanisch ließ i sie sich in die Kissen sinken und gab das Zeichen zum Absashren. Erst als der Wagen um eine Waldecke bog, die ihr in wenigen Stcunden schon die Villa der Mutter Verbergen mußte, wandte sie noch ein-mal den Blick zurück und nickte ihr ein letztes Lebewohl zu. Hi s Wolf saß vor seinem Sichreibtischr. Er benutzte Jlse’«g Abwesenheit, um seine Papierie durchzusehen, zu verbren nen, was nach seinem Tode nicht in funsberufene Hände gelangen sollte. lAuch einige Briefe Adelinens befanden ; sich darunter, Aufforderungen, nach der JEisbahn zu kommen, Einlasdunsgen in "ihr Haus, alle kurz und nichtssagend; Haber er hatte sie -doch damals im Rau ssche seiner Leidenschaft als heilige Re sliauiens betrachtet, die großen steilen TSchriftziige, ach, wie so oft an seine jLippen gedrückt. Sein Auge folgt ’einen Moment der züngelniden Flam ’ me, sdie jetzt nach der Photographie hin leckte, sdie er einst von ihr erbettelt unt lange auf dem Herzen getragen unt eben auch der Vernichtung preisgegeben hatte. Da zuckte plötzlich seine Hand: diese-Z schöne Bild, ob auch in so un oolliorninener Form, zerstören, war das nicht Vandalis-mus? Mit raschem Griffe hatte er das kleine Blatt ergriffen und verfentte sei-« snen Blick in diese reizvollen Züge, dir lsein Herz so bethört hatten, daß ei Ilange Zeit ihren Verlust nicht glaubtt liiberwinden zu können. Unsd wie hatii er sie verloren? Während er am Kran l ten- nnd Leidensdette des Onskels saß shatte man sich ihr Herz, ihr Jawon sheimlich zu erschleichen gewußt. Nein sdiese Augen konnten nicht so liigen, sie shatten ihm Liebe versprochen ——— unt Idorki, nnd doch! Was wäre aus seinem Leben gewor ven, wie anders, wie herrlich hätte es sich gestaltet, wenns ihm diese Enttäu schung erspart geblieben, wenn er sie die er heißer geliebt, wie je ein Weil auf Erden, deren Bild schon sein Herz aufs Neue heftig klopfen ließ, als sein Weib hier in sein Schloß hätte einfüh ren dürfen! Glücklich, überglücklich - wäre er geworden, alle Wonnen des Le ;bens hätte er in ihren Armen genossen« ;unid nun? Jn Zorn und Verzweiflung hatte er iden« glücklicheren Nebenbuhler vor feine Waffe gefordert, und das Schicksal hatte gegen ihn entschieden· Ein Siecher war er jetzt, der es noch wie einen Lichtstrahl von oben begrüßte daß er in seiner Pslegerin ein mitfüh« lendes Herz an feine Seite hatte fes seln dürfen, die ihn zugleich von »der peinigenden Perspettive erlöfte, lachensde Erben iiber seine Leiche hinweg in Gat iersberg einziehen zu wissen. Welch' armseliger Abschluß eines rei chen, so viel versprechenden Lebens! «.-’l:ciseufzend ftiitzte er den Kopf in J die Hand. Dankbar, von gian ern Her Heu dankbar war er Jlfe, da sie ihm as Opfer, eines todttranten Mann-es lWeib zu werden, so freudig, so liebevoll ;«Zirachi hatte. Er erkannte alle ihre A Verdienste um ihn an, ihre Se « » teit, ihre Hingabe und Liebe zu i m, ja, Liebe, Liebe, die er nie würde J erwidern vermögen! Das himmel Jst mende, beseligensde Gefühl, das ihn is Adelinens Nähe erfüllte, idas ba zagensde Verlangen nach einem a est Begehren stilleniden Glück, das lag xs verftorben in ihm für immer. Js« Nähe blieb ihm lieb und angenehm aber sie war ihm doch immer nichts mehr als die Pslegerin, darüber hinaus kam sein Empfinden nicht. Er machte sich selbst Vorwürfe darüber, um zu letzt den einzigen Trost stets darin zu finden. daß dieses eigenartige Verhält niß ja nicht von Dauer sein konnte und mit seinem Tode einen auch für Jlse be- J friedigenden Abschluß finden mußte! ?- —t Aber wenn er doch nicht sterben, wenn — er wirklich, wie der Arzt versicherte, wieder gesund werden sollte? Aber nein, Thorheit, so etwas nur zu den ken! Eine zerstörte Lunge ließ sich nicht heilen, wenn man ihm in mitleidiger Fürsorge auch das Gegentheil ver sicherte; er wußte es besser, er fühlte es, daß er sterben müsse — hätte er sonst diese Ehe geschlossen? Georg klopfte an die Thiir des Ein samen und meldete die Ankunft des Jsustizrathes Hebdreich, seines Rechts beistandes, aus der nahen Residenz an. ,,Nur herein,« sagte Wolf und steckte die Photographie Adelinens, die er noch in der Hand hielt, hastig in die Seiten tasche seines Rockes. . Ein kleines, joviales Männchen, die Brille auf der breiten, etwas aufge stülpten Nase, trat, den Hut in der Hand, ein Artenstück unter dem Arm, mit devotem Gruße herein. Wolf hatte ihn zu dieser Stunde bestellt, um noch« die letzten Anordnungen vor dem An iritt seiner Reise zu treffen, von der er nimmer wiederzutehren gedachte. ,,Alle5 in Ordnung, in bester Ord nung, Herr Baron,« begrüßte der Ju itizrath den ihm einige Schritte entge aentretenden Hausherrn ,,Nur noch die Unterschrift, nnd Jhr letzter Wille ist unanfechtbar festgesetzt, so sdaß Oder schlaueste Anwalt kein Tüpfelchen da ran zu ändern vermag. Indessen, mein Wort darauf, Herr Baron, wenn ich Sie so ansehe, mit dem Feuer iin den Augen, obwohl die Wangen noch ein wenig schmal und bleich sind, sage ich mir, das ist alles unnützes Thun. Sie kehren gesund, vielleicht gar mit der Aussicht auf einen Erben zurück, nnd das ganze Testament wird in den Ofen geworfen« «,,Lassen Sie das, alter Freund,« winkte Wolf, ungeduldig sich auf einen Lehnstuhl sinken lassend. »Sie möch ten mich in Jhrer liebenswürdigen Weise über das Dunkel »der kommenden Tage hinwegtäuschen Jch aber »weiß am besten, wie es mit mir steht. Also zur Sache!« Als Jlse von ihrer Ausfahrt zurück kehrte, waren die beiden Herren nockj immer im Cabinet des Barons bei den Arbeit. Sie athmete auf, als sie das hörte. Alio noch einige Minuten mehr, ehe sie ihm wieder entgegentreteir mußte, ihm, sder ihr so Bitteres ange than, unid dem sie sich doch vor denr Altar angelobt hatte, bis der Tod sie trenne. Der Tod, der vielleicht trotz aller Sorgfalt und Pflege doch schon vor der Thür wartete. Bei der fast zweistündigen Fahrt durch Thäler und über Höhen, zum Theil im herrlichsten, in die Farben pracht des Herbstes gekleideten Ruchen walde, war ihre aufgeregte Seele all mälig zur Ruhe gekommen. Sie mußte ja, dessen war sie sich klar bewußt, dass Werk der Barmherzigkeit, das sie frei willig übernommen hatte, zu Ende süh ren, ob ihr auch das Herz dabei breche. Er, der Kranke, sollte und durfte ja nicht erfahren, was in ihr vorging, was in ihr ldurch die grausame Mittheilunw der Mutter zerstört war. Gut zu ina chen, was er in der Uebereilung »der Leidenschaft als Kranker gethan hatte, das fiel ihr zu, die zu rasch, zu unbe dacht ihrem Herzen gefolgt war, ohne vorher zu prüfen. »Sie hatte zu büßen, sie allein. Was ishr im Falle vin Wolf’s Tode zu thun oblag, »daß sie niemals eine, wahre Rechte schädi gende Erbschaft antreten würde, sdas war ihr klar, zweifellos klar. Aber wenn er genas, worum sie Gott täglich iii heißem Gebete anslehte, wenn er ge nas, und es wäre ihr nicht get-ungen, seine Liebe, sein Herz sich zu gewinnenR Was dann? Seine Uebereilung aus nutzen, sihn wider seinen Willen fesseln für’s Leben — niemals! Dann mußte sie das schwerste, Idas letzte Opfer thin bringen und ihm idie Freiheit wieder geben. Dieser hochherzige Entschluß stand fest in ihrer Seele und das gab ihr idie verlorene Fassung wieder. Es« war ein eigentshümliches Leuchten in ihren Augen, eine eigene Erregtheit in ihren Zügen, die ihr etwas Verklärte-Z fast Ueberirdisches gab, als sie in’s. Speifezimmer trat, wo Wolf mit »dem Justizrath und Doctor Balzer, der sich zur Verabschiedung eingefunden hatte, ihrer bereits harrte. Mit der gewohnten Galanterie trat Wolf sihr entgegen unsd küßte ihr Idie Hand, ihr sdann sden Arm bietend, um sie zu Tische zu führen. Auch er be merkte Jlfe’s Erregtheit, ohne jedoch · eine Frage zu thun. Der Abschied voir »der heimath, die Aussicht auf eine so, interessante, ldev bisher in engen Ver hältnissen Leben-den iso ungewöhnliche Reise erklärten ihm Alles. ,,Ein allerliebstes Weibchen, diese ehertkalige Diakonissin,« meinte der Ju ftizrqth als er mit dem Ante Den - . D ——- s»«- « s « l -. .».;,.« . « .-· -.. . « - «