Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, January 17, 1896, Page 5, Image 5

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    -—)ie Iieiei gerne-In
II Oeorg Freiherrn von Ompteda
CZ. Fortsenungh
Lieutenant von Deyner hielt nun den
Augenblick für gekommen, um sich einen
Vortheil zu verschaffen, und sprach
scheinbar ganz gleichgiltig:
»Ich weiß, was sich machen ließe.
Criauben Sie mir, das Gerücht zu
verbreiten, daß ich als Schwieg-einher
, im Princisp angenommen bin, mir aber
gesagt worden ist, weil das gnädige
( riiulein zu jung sei, solle ich — spit
" ter wieder anfragen. Später —---— spä
ter — man braucht ja nicht zu sagen,
wann —"
« ,Cinen Augenblick zögerte Herr von
Gernovp, in der Absicht, erst tnit feiner
Frau Rücksprache zu nehmen. Da es
der Zufall jedoch wollte, das; er gerade
. den kleinen Oberst von Meerling fürch
terlich gähnen sah, so betam er einen
. solchen Schrecken. es möchten alle
s»;-. Pläne in 's Wasser fallen, daß er sofort
zusagte Worauf Deyner sich mit den
orien an die Arbeit machte:
«Pafsen Sie ’mal anf, Herr von
« rnovp, ich bin nämlich ein großar
Hiiser Manager tvie der Engländer
sagt Sie sollen 'mal sehen, toie das
fluischt!«
— Zänf Minuten später ging schon
Mk leise Erregung durch die Menge.
,. sk« dtvet hatte unter dem Siegel des
Geheimnisses mitgetheilt, dasz
- Futen-unt vqn Denner nnd Lisbeth
von Gernovv heimlich oerlobt seien und
man öffentlich nur noch nicht davon
- dürfe, weil in Anbetracht des
dlichen Alters des jungen Mäd
chens die Eltern einen Aufschub auf
»Um Zeit« verlangt hätten. Diesen
- schob fand man ganz reizend in
jeder Beziehung Es gab der ganzen
Sache etwas so Neugieriges, Versteck
ted, Röthselhaftes und reizte die Da
mi- angenehrn, in einer Angelegenheit
dister dem Vorhang zu stecken, die noch
immer tiesstes Geheimnis-, bedeutete.
Und dann sreute man sich im Stillen
, iiher idie Vernunft der Eltern, die, statt
das-of zu brennen, bei immerhin
W Töchtern · -- nun endlich eine un
ter die haube zu bringen« das Glück
ihres Kindes lieber sichern wollten, in
detn sie ihm Zeit gaben, sich erst noch
etwas mehr in der Welt unt-zusehen
und auch noch andere Herren kennen zu
lernen, unt einen Vergleich zu ziehen
ehe es sich auf ewig band
Doch die anderen herren hietten sich
« nun gerade von Lisbeth fern. Jeder
· J tatn zwar heran, um ein vaar Worte
zu sagen, die so viel hießen, als: »ich
weiß auch don der Geschichte. die Nie
nd wissen dars, und ich tviirde in
trten Glück wünschen, tvenn es nicht
- eben verboten wäre«, aber nachdem sie
das gesagt beziehungsweise nicht ge
. sagt, beachten sie sich davon Sie
meinten: mit so einer beimlicksen Braut
darf man nicht zu viel reden, sonst
sieht eg so aus, als wollte man der
Herr fein, nach dem sie sich eventuell
« noch umsehen soll, und dann kriegt
man’s mit dem versteckten Bräutigam
zu thun. Außerdem ist hier doch nichts
mehr zu wollen ——- wenden wir uns
also lieber anderen zu.
F» Das hatte den Vortheil, daß nim
n Lisbeth außer Gefecht-seiest ward und
das Angebot sich um eine oerringerie.
,- Das Ereigniß hatte den Anstoß ge
geben zu regerem Gedontenaustausch,
der nahezu zu eriterden gedroht. Nun
fühlte sich jeder im Besiy eines Beson
.·- denen, wenn er zum anderen ging und,
j sich scheu umsehenk-, sagen konnte:
i »Bisher Sie es eigentlich schon «
Und nun, wo er eine gewisse Folie
besaß, trat auch Lieutenant von Deo
net activ in Kraft. Zunächst wurden
junge und alte Leute getrennt. Der
Oberst Herr von Gernodp und zwei
ältere herren wurden in doo Innere
des Gutshauslei avaeschooem sie woll
ie oder sie wollten nicht, nnd mußten
et Glut spielen. Die «olte Kohl
its-items die dicke Frau Oberst von
. -«-Mrling, die ihren deren Gemahl um
einesovslänge überragt-n dann Frau
Muth Stickfuß und Frau von
cellisioto auf Aicho, die eine zwanzig
iiihrige Tochter mitgebracht als einzl
ed junges Mädchen, wurden zu einem
h si in den Solon gefest.
« tou von Gernopp hatte abgelehnt,
m sie als Wirthin sich um alle lum
rnern mußte.
Die jungen und jüngeren Leute
zMchen am Sisplotz an der Garten-—
Ht e versammelt Man bekam
stsmtz was gespielt werden sollte,
denn Lieutenasnt von Denner iand, ein
Gesellschaft-lobt lei das besie. Dabei
wurde gelacht und Ult gemacht, und
. vor allein behielt er die Leitung mehr
in der Hand: ej lonnte sich Niemand
s«1-:-««s»gelsnstveilt ableite in den Schmoll
toiskel begeben.
: Jemand schlug »Drittenabfchlagen"
l vor, doch das wurde alo »Du tindilch«
« shielehnt An Materialien befand sich
’ s im hause nur ein Ctoquet und ganz
hinten im Garten ein sogen-mutet
" zsclgerss sum Kegelspielen init einer
on einein Strick hängenden Kugel. Die
meisten entschieden sich filr Croquet,
das fand wieder nicht Dennero
«ekfall: »Beim Ceoquei entsteht im
mer Streitl Und wir wollen uns doch
» nicht zanten!« meinte er. Auch flir
das Kegelspiel war er nicht lehr, od
« l die Schwestern ohne Ausnahme
r itimrnten, denn sie spielten ej
p«
immer nnd hofften, sich dabei zeigen zu
kein-nen.
»Was haben Sie denn gegen die Ke
leif'« sragte Rittmeister Gras We
erbrant und strich sich den endlos lan
gen Schnurrbart. .
Deyner sagte: »Wir sind zu viele
dazu, einer tann immer nur spielen.
ng die anderen neunzehn langweilen
r .«
»Neunzehn? Neunzehn? Neunzehn?«.
hieß es von allen Seiten, und da es
- Niemand glauben wollte, zählte Lieute
! nant von Devner schnell ab: »Nittmei
ster Graf Wefterbrant, 1. Rittmeister
! von Pellbect. 2. Frau von Pellbect, Z.
! Fräulein von Gellistoro, 4. Dann
Warniy, 5. Dann Frau von Wünne,
J 6. Rittmeister von Wünne, 7· »Dann
l, 2, Z, 4, 5, 6 Lieuienant5, lit. Dann
l 7 Fräulein von Gernopp, 20.«
; Es waren aber bloß sechs, denn
pMarie, war abwesend, und so hatte
I Dehner recht. Darüber war das Ke
! gelspiel vergessen worden, nnd der
s Vorschlag, »Mimmerchen vermiethen«
zu spielen, fand sofort Anklang. Auf
dem großen Rasenolad vor dem Hause
standen mächtige Bäume. Die wur
den als Standpunkt der einzelnen fest
geseht Einer ward ausgeloost, der in
der Mitte zu stehen hatte und beim
Wechsel Einzelner von einem Baum
zum andern suchen mußte, den frei
; gewordenen Platz vor dem neuen Be
sitzer zu erreichen- Bis ihm das ge
lang, blieb er in der Mitte, und glückte
et ihm, so mußte der in die Mitte, dem
er zuvorgekommen
Das Loos fiel aus Fips, das eine
Radieschem das darüber sehr unglück
lich war, denn als nun das Spiel be
gann, wollte es ihr mit ihren kurzen
Beinchen durchaus nicht glücken, einen
der anderen abzufangen. lind als fie
darob weidlich ausgelacht ward, schien
sie dsn Thränen nahe. Deshalb opferte
sich Lieutenant von Deyner für sie
stellte sich ungeschickt und ließ sie einen
Baum vor ihm erreichen. Tisrönen
durften heute um’S Himmels-willen
nicht fließen.
neun war ne sehr gtuaiich.
Nittmeister Graf Weiterbrante
Baum stand neben dem der dicken
Alsda, und fo kam es, daß die beiden,
die am nächsten zu einander hatten
und sich etwas abseits von den Uebri
gen befanden, öfters die Plätze mit
einander tauschten. Dadurch lachten
sie zusammen und kamen in engeres
Gespräch Adda gab sich möglichste
Mühe, liebenswürdig zu fein, angeregt
zu thun und dem Nittmeister zu ge
fallen. Er fragte erstaunt: »Gnäoige5
Fräulein, wie kommt es nur eigentlich,
daß Sie sich gar nicht in Sebenbacb
gezeigt haben?«
»Die Eltern wollten immer nicht!«
antwortete sie, verschwieg aber wohl
weislich dabei, daß sie vor siinf Jah
ren schon einmal aus einem Easinoball
der Husaren erschienen war, als Herr
von Gernopp noch seine Töchter erster
Ehe ein paarrnal ausführte Damals
war sie jedoch ganz schlank und mager
gewesen und Graf Westerbrant noch
nicht im Regirnent, so daß keine Gefahr
des Erinnerns bestand.
Der Rittmeister betrachtete mit
wohlgefälligem Auge ihre rundliche
Gestalt, als fragte er sich: »wir ist es
möglich, daß solch ein Mädchen so im
Verborgenen eine halbe Stunde von
Sebenbach blüht, ohne daß ich etwas-Z
davon weiß?« Und er begann Jntes
resse an ihr zu nehmen. Er verließ sei
nen Baum nicht mehr, um mit einem
der Nachbarn den Plaß zu tauschen,
sondern treuzte die hände im Rücken,
legte sich an die Rinde und begann mit
der dicten Adda zu schwaßem zu
schwatzen, wie er es so gern that ohne
Zweck und Ziel, bloß so in’s Blaue
hinein.
»Ja, es ist sehr hübsch hier bei Ih
nen. Diese Stille aus dem Lande,
diese Ruhe und ein schöner großer
Garten, man möchte sastsagen Part.
Das ist ganz so das, wie ich es liebe
So habe ich's auch zu hause. Jch be
siße nämlich ein Gut in der Mark,
Altmart, genau so wie hier. Auch ein
hübscher, parkartiger Garten. Denn
wissen Sie, gnädigetl Fräulein, ewig
treibe ich’s ja doch nicht. Jch bin erst
dieses Jahr Rittmeister geworden und
bleibe am Ende noch ein paar Jahre
dabei, aber dann gehe ich. Und nicht
zu spät, daß ich nicht zu nahe an den
Major herankomme, denn Rittmeister
a. D. klingt doch noch hübscher. Da
hört man gleich den Eavalleristen her
aus. Ja, wenn ich verheirathei wäre,
dann wüßte ich, was ich thiite —-- ja,
dann ginge ich gleich ( aber wissen
Sie. sich so allein aus ein Gut setzen
— nee ——«
Er schwieg, wohtig sich in Zukunfts
triiumst wiegend. Arn liebsten hätte
Vldda ihm gleich gesagt, dass sie mitge
hen würde auf sein Gut, wenn er nur
wolle, denn ihr gefiel der große hüb
fche Ofsizier mit dem mächtigen tan
.gen blonden Schnurrbart. Aber das
ging doch nicht. Deshalb fragte sie
; nur, ein wenig langsam nach ihrer Art:
»He-den Sie denn keinen Ehrgeiz, Graf
Westerbrant?«
,,J wol Keine Spur! Aber nicht
die Jdeet« gab der Nittineister zurück
und lachte. Er meinte, fie fände das
unrecht, und es gefiele ihr nicht: »Das
begreifen Sie wohl nicht bei einem
Manne?«
»O doch!«
»Aber Sie finden es nicht guti Sie
wägen das nichts« Sein Ton hatte
M
sast ängstlich gellungen, under sah sie
ganz beforgt an, doch Adda lachte.
»Gerade! Jeh mag das sehr gern!
Jrh finde das sehr gut!«
»Sie finden, ein Mann brauche tei
nen Ehrgeiz zu haben?'«
Er wollte es gar nicht glauben, denn
in seiner bisherigen Dienstzeit hatte er
sich daran gewöhnt, die Frauen immer
als Sporn und Antrieb ihrer Männer
anzusehen, um ja bis zum lehten
Athemzuge weiter zu dienen und un
bedingt Excellenz zu werden« Und nun
entdeckte er plößlich ein junges Mäd
chen, das leinen Ehrgeiz zu verstehen
schien. -
Als Adda nun antwortete: »szu
Ehrgeiz? Das Leben ist doch ganz
schön so!" da war er außer sieh vor
Wonne, verließ seinen Baum in der
Freude seines herzens, ging auf die
dicke Adda zu, pflanzte sich vor ihr auf
und meinte freudig erstaunt, als habe
er einen glücklichenFund gethan: »Don
nerwetter, Sie sind mein Fall!«
Er wollte noch weiter reden, doch
allgemeines Geschrei und Gelächter
machte ihn daraus aufmerksam, daß
sein Baum während seiner turzen Ab
wesenheit besetzt war, nnd er nun in
die Mitte mußte· Das Nadieschen
Cläre hatte schon seit geraumer Zeit
rathlos dageftanden und einen Mit
spieler mit dem anderen.tauschen gese
hen, ohne daß es ihr gelungen wäre,
Jemand zavorzulommen. Die Bein
chen waren zu kurz. Nun war sie an
des Rittmeisters Platz gesprungen.
Lieutenant von Dehner war wü
thend. Er hatte längst Graf Westa
brant und die dicke Adda mit einander
sprechen und warm reden sehen, und
nun hatte der eine Zwilling ihm und
der eigenen Schwester alles verdorben.
Doch sie wären fowieso aus einander
getrieben worden, denn es war Zeit
zum Abendessen, und Marie war im
Auftrag der Mutter erschienen und
hatte gebeten zu kommen
" Das Spiel ward unterbrochen und
Alles strömte dem hause zu.
»Haben Sie die herrschaften pla
cirt, here von Gernopp?" fragte in
aller Eile Lieutenant von Dehner.
»Me, mein lieber Herr von Dehner,
das gerade nicht! Jst ja auch nicht
nöthig, denle ich!« antwortete freude
strahlend der alte Herr, der eben einen
»Grand mit Vieren« gewonnen hatte
und in der Freude darüber das Gliick
seiner sieben Töchter volllomrnen ver
gessen hatte.
Doch der junge Offizier ward böse:
»Erlauben Sie, Herr von Gernopp,
das ijt sogar fehr wichtig!«
lind sofort eilte er von einem zum
anderen, ihm zuflüsternd, wen er zu
führen habe, und jedesmal begann er:
»Frau von Gernopp läßt bitten »s«
Frau von Gernopp aber war doll
ständig verschwunden. Jn ihrer Auf
regung und Verlegenheit hatte sie sich
auf fünf Minuten in die Speiselam
mer gefliichtet tin der sich jedoch nicht
einmal auch nur noch eine Wurstschale
befand), um, wie sie entschuldigend zur
Frau von Meerling gesagt, »nach dem
Rechten zu sehen.«
Deyner hatte Alles vertheilt, so wie
er meinte,daß die Paare gut zusammen
paßten. und das Abendessen begann·
Er selbst saß neben List-etli, Graf
Westerbrant neben der dicken Adda.
Dein etwas ästhetisch und schwärme
risch angehauchten Lieutenant von
Warnitz war Stepbanie zugetbeilt,
aber es gelang den Beiden beim besten
Willen nicht, aneinander zu kommen.
Der junge Herr von Watnis ahnte
nichts von Stevhanies schöngeistigen
Interessen und sprach kramvsbast im
mer weiter von Dienst, Pferden, vorn
eben verflossenen »Kämrnerchen ver
mietben". Stephanie aber ward stei
fer nnd steifer.
Die Radicgchen dagegen unterhielten
sich königlich. Sie waren rings von
den Lierrtenants umgeben, nur war
ein ein bischen spöttischer Ton einge
rissen, so daß die Gefahr bestand,
Cliire und Fipö möchten nicht ernst ge
nommen werden. Doch Marie bildete
ein gewisses Gegengewicht Sie sprach
lebhaft mit Rittrneister von Männe,
ihrem Nachbar-, der sie jedoch nicht ge
führt hatte. Lieutenant heydrich war
sie zugetheilt, aber der tiimnrerte sich
nicht um sie, sondern scherzte mit den
Nadieschem Als er ein paar Gläser
getrunken hatte, die ihm, wie gewöhn
lich, die Zunge lösten, sragte er plöt
lich Fins, weil sie ihm sast noch win
ziger schien, als Claru «Gniidiges
Fräulein, wissen Sie denn» warum
Sie das Gras wachsen hören?«
Der Zwilling erblickte darin eine Ar
tigteit, denn er galt in der Familie
für die Witzigste, weil er gern aller
hand Schabernack trieb, plöslich die
Lampe ausblies, vor dein Sehen den
Stuhl wegzog und dergleichen. Er
erröihete ein ganz klein bischen und
fragte geschmeichelt: »Nun, warum
denn?«
Lieutenant Heydrich meinte trocken:
»Weil Sie nicht weit davon sind.«
Die ganze Ecke sing an zu lachen,
laut und schallend, so daß die älteren
Herrschaften oben am Tisch sich «
staunt umsaben nnd wissen wollten,
was geschehen war.
»Nicht sagen! Bitte, nicht sagen!«
eies Fips, glühend roth geworden. Ra
tiirlich reizte das erst recht die Neu
gierde, und einer trug den Scherz dem
anderen zu.
Auch Rittmeister von Pellbeck, ein
älterer, blatternnarbiger, etwas stiller
Mann rnit ganz ergrautern Kopfbaan
sp »- «-. Os-.
wollte ei wissen. Er wandte sich an
sei-ne Nachbarin, die häßliche Bertha,
die er belomrnen, obwohl er verheira
thet war, weil sie als aussichtslos ja
ganz aus dem Spiel blieb: »Weshalb
lachen die denn fo, gniidiges Fräu
lein?«
»Lieutenant hehdrich hat einen Witz
iiber meine arme Schwester gemachtt«
antwortete das junge Mädchen einfach
und mit leisem Vorwurf.
Der Rittmeifter fragte: »Ist das et
was so Schlimmes?«
»Ueber- törperliches Unglück sollte
man nie scherzen, finde ichl Der Be
treffende ist schlimm genug daran und
lann doch nichts dafür!«
Er blickte sie plötzlich theilnahmsvoll
TM- «Das ist hübsch gedacht! Wie kom
men Sie auf solche Gedanken?«
Sie sagte einfach und ohne Bitter
leit: »Ich weiß es durch mich selbs .«
Er verstand, aber er stellte sich aus
Artigleit nicht so: »Aber wieso denn?"
»Wenn man so häßlich ist wie ich!«
»Aber, gnädiges Fräulein!« Und
plöglich erklärte er in jähem Gedanken
gang mit einem Blick aus seine hübsche
lleine Frau schräg gegenüber: »Sehen
Sie ’mal, ich bin doch wahrhaftig lein
Adonis, nnd ich habe doch mein Glück
noch gemacht!«
Sie antwortete nicht, aber nach dem
Abendessen rief der Rittmeister seine
Frau heran, nahm sie beim Arm und
sagte zu ihr: »Alice, hole doch Fräulein
von Gernopp einmal mit Deinem Po
nywagen ab, wenn ich Dienst habe.
Jhr werdet sehr gut zu einander pas
sen! Sie ist sehr gut!«
Bald darauf wurde aufgebrochen,
zum großen Aerger des Grafen Westa
brnnt, der sich in die dicke Adda, die so
gut zu ihm paßte, ohne Ehrgeiz, nur
ländliche Ruhe liebend, gründlich ver
schaffen hatte. Er versicherte Herrn
und Frau von Gernvvd einmal iiber
das andere, er habe sich außerordent
lich gut unterhalten und werde zum
nächsten jun-« fix, wenn sie es gestat
teten, sich selbstverständlich wieder ein
finden. Zu Adda sagte er halblaut
beim Abschied: »Wenn nun der Ehr
geizlose doch einen Ehrgeiz hätte?«
Eine Antwort wartete er nicht ab,
doch sie blickte seinem langen, wehenden
Schnurrbart mit athmender Brust nach
und achtete laum auf die anderen, die
Gute Nacht sagten.
Die alte Kohlstein war mit Frau
von Gelliitow nnd Tochter schon früher
fortgefahren, weil sie die Nachtluft
nickt mehr vertragen konnte, und-all
mälig leerte sich das Haus-. Nur
Lientenant von Dehner blieb noch zu
rück. Er fuhr allein in seinem Dog
eart, und als heimlich Verlobter fand
es alle Welt nur natürlich, wenn er
noch ein paar Minuten verweilte.
»Ich habe Jhnen was Wichtiges zu
fagen.« sprach er zu Lisbeth und zog
sie, die mit den anderen den Davonfah
renden bis auf den Hof das Geleit ge
geben, in den Schatten des Thortve
ges-. Schnell nahm er sie bei der Hand
nnd fragte: »Sind wir nicht eigentlich
vertobt2«
»Im Stillen, fal« meinte sie etwas
verlegen, denn sie wußte nicht, wo hin
saus er wollte.
Und er küßte sie in aller Eile herz
haft auf die Backe, indem er murmelte:
»Na dann also.«
Lisbeth schrie nicht.
Dann nahm er im Hellen von den
anderen Abschied. Als er Frau von
Gernopv, die von allen ihren Anstren:
gungen sehr angegriffen war, die Hand
küßte, sagte sie gerührt, fast mütterlich:
»Sie sind ein lieber Mensch!«
Herr von Gernovp nahm ihn bei
seite und fragte: »Nun fagen Sie ’mai,
Herr von Deyner, haben Sie denn wag
qeniertt?«
»Und Sie?«
»Adda!« antwortete nur ftoiz oer
glückliche Vater.
Lieutenant von Dehner aber sprach:
»Bin ich nicht ein großartiger Mana:
geri«
»Ein Prachtterl!« tlang es zurück,
nnd der junge Offizier rollte von dan
nen.
Dann versammelte sich die Familie
im Salon, um noch die Nester zu essen,
aber nur Lisbeth und die dicke Adda
waren guter Laune. Sie fangen und
tiefen herum, zuvften den Vater bei
den Haaren und lachten ununterbro
chen. Herr von Gernovp freute sich
über die Ausgelasseiiheit der fonft fo
«ruhigen Adda, zog sie an'"5 Herz, tüszte
sie und sprach: »Meine liebe Dicke, Du
wirft uns noch alle glücklich machen!
Das war ein schöner Tag!«·
Stevhanie aber kämpfte die Nase:
»Ich habe mich riesig gemoppsi. Die
ser Herr von Warnitz ist ein Kameet!«
Damit ging sie zu Bett, gefolgt von
den Radieschem die noch von Lieute
nant Hevdrich’s Bemerkung verfchnupft
waren.
Als die anderen Schwestern folgten,
lag Frau von Gernovp in einem Fau
teuil und nahm fehr gerührt für die
Nacht Abfchied von ihren Kindern, in
dem sie elegisch sagte: »Wenn man die
Haushaltungsforgen nicht hätte, käme
man noch mehr zum Genus-N
Und wie sich die Thür hinter den
Töchtern geschlossen, meinte Herr von
Gernopp«boshast: »Weeßte, Gmilie,
wenn Du nicht wärst s— was sollte
dann aus der Wirthfchaft werden!«
Sie sah ihn böse an und antwortete,
während er sich in seine beliebte Rauch
wolte hüllte: »Ich bin abgearbeitet
heute Abend, sonst würde ich Dir ant
metent«
,——
Oben aber tm Zimmer, wo dte bet
den Jüngsten, Lizbeth und die hiißliche
Bertha, zusammen schliefen, tanzte die
heimliche Braut fröhlich herum, wäh
rend sie sich für die Nacht die Zöpfe
.".«ocht. Da näherte sich ihr Bertha ganz
bescheiden,"küßte sie innig und sagte
herzlich: »Nun kann ich Dir ja auch
Glück wünschen, Lissbeth!«
Und jene erwiderte ganz naiv, die
Häßliche anfchauend: »Nicht wahr, ich
bin alücllichl«
V.
Da dieser erste Tag sich so gut an
zulassen schien; wurden nun in Groß
Schmiemig die umfassendften Maßre
geln getroffen, sich in den Gesellschafts
ftrudel zu stürzen.
Zunächst hieß es, das Fuhrwerk in
Stand setzen. Um neun Personen zu
befördern, reichten weder Wagen noch
Pferde aus· Es gab nur einen Jagd
tvagen zu vier Personen und einen
alten Landauer, der gleichfalls vier
aufnehmen konnte, sowie zur Noth —
Herrn von Gernopp aus dem Bock. Das
aing aber nicht, denn bei Regen und
fchlechtem Wetter wären die Jnsassen
des Jagdwagens ganz durchweicht
worden und Herr von Gernopp nicht
minder.
»Aber auf dem Bock sitzen kannst Du
schon, August, wenn Du Deinen Re
genmantel anziehft!« meinte Frau von
Gernopp. Doch ihr Gatte war sehr
entrüstet über diesen Vorschlag.
»Einmal habe ich Anlage zu Rhea
matismus, der durch Naßwerden wohl
nicht geheilt werden dürfte, und dann
muß ich, dente ich, von der ganzen Fa
milie gerade am allermeiften geschont
werden. Denn wenn ich sterbe, ist’s
aus mit der ganzen Herrlichkeit, und
Jhr müßt fort von Groß-Schmiemig.
Es ist also Euer Interesse, daß ich
möglichst gesund bleibe!«
»Ich sterbe doch vor Dir! Sieben
Kinder groß ziehen, das regt aus und
ist kein Spaß!« antwortete elegisch
Frau von Gernopp, aber er lachte sie
aus wie immer, wenn sie angegriffen
und müde that.
Nun wurde die Wagenfrage vor der
Hand fallen gelassen, bis- am nächsten
dienftfreien Nachmittag Lieutenant
von Dehner mit seinem Dogcart er
schien. Er brachte seinen Rittmeister
mit, der sofort in den Salon zu den
Damen geführt ward. Herr von Ger
nopp behielt den jungen Offizier gleich
im Hofe, und sie gingen zusammen in
den Schuppen, um Landauer und
Jagdwagen zu befichtigen.
»Wie machen wir denn das mit dem
Fortionrmen?« fragte der alte Herr.
»Kaufen Sie doch einfach einen
Omnibus, Herr von Gernopp! Da
brauchen Sie bei den guten Wegen, die
wir haben, nur ein paar Pferde und
bringen gleich Alle mit fort auf ein
mal! Einen Omnibus zu zehn
Plätzen.« ,
»Wir lönnen doch nicht gleich alle
neun auf einmal Besuch machen, mein
liebster Herr von Dehner!«
»Warum denn nicht«-«
»Das geht doch nicht! Ich kann doch
nicht mit sieben Töchtern auf die Bülle
aebeni«
»O bitte, gerade, Herr von Gernopp.
Heutzutage kann man bloß Eindruck
aus die blasirten Menschen machen
durch Zahl. Erlauben Sie, wenn Sie
auf einem Balle mit sieben der gnädi
gen Fräuleins sind, so können Sie
nicht übersehen werden, Sie repräsen
tiren dann einsach eine Macht. Eine
Macht, mit der wohl oder übel zu rech
nen ist. Sieben Schwestern aus ein
mal können nicht todtgeschwiegen, kön
nen nicht übersehen werden, können
nicht schimmeln. Sie treten eben mit
einer Wucht auf, der das Schlachtfeld
unbestritten nehört « — «
Herr von Gernopp ließ sich überzeu
aen und beschloß, am nächsten Tage in
Sebenbach einen Ornnibus mit Den
ners Hilse zu tausen. Dann gingen sie
in den Salon.
Rittmeister Gras Westerbrant saß
neben der dicken Adda und Frau von
Gernovv, die sehr verlegen war, weil
durchaus kein Gespräch in Gang koni
men wollte. Adda war befangen, und
Lisbetli schniollte darüber, daß ihr der
Vater den heimlichen Bräutigam ent
führt. Die Radieschen aber hockten
lzusammen in einer Ecke und waren
nicht zu bewegen gewesen, näher zu
kommen. Aus Frau von Gernopps
leises Mahnen, sogar aus ihren halb
lauten Befehl hatten sie nur geantwor
tet: »Mama, wir stören ja doch nur«
GrasWesterbrant kommt doch nicht un
sertwegen!«
Die andern Schwestern wußten noch
nichts vom Besuch. Marie war mit der
häßlichen Bertha zu einer Kranken in’s
Dorf gegangen, unv Stephanie saß ir
gendwo aus einer versteckten Bank im
Garten, um zu lesen.
Als Herr von Gernopp und Dehner
eintraten, sagte der Rittmeisten »Ich
bin noch vor Sonntag wieder gekom
men, wie ich den Damen schon erklärt
habe, weil es wirklich zu nett war. Wir
haben heute Nachmittag keinen Dienst,
da hat mich mein Lieutenant überredet,
-mitzusahren.«
»War es wirklich nicht langweilig?«
sagte Frau von Gernopp, und Lieute
nant von Deyner bot seinen ehrlichen
Ton aus, machte ein treuherziges Ge
sicht, klemmte sich das Einglaö in’s
Auge und sprach überzeugt: «Sonst
würden wir es doch sagen!«
Frau von Gernopp begriss nicht
recht. meinte jedoch, ei müsse eine
Schmeichelei gewesen sein und antwor
tete deshalb: »Ja allerdings, das ist
richtig.«
Nach ein paar Redensarten wurde
ein« Spaziergang durch den Garten
vorgeschlagen· und dabei traf es sich,
daß Graf Weiterbrasnt mit der dicken
Adda vorausschrttt und die übrigen
folgten. Kaum waren sie jedoch ein
paar Schritte vom hause entfernt, so
wurde Frau von Pellbeck gemeldet, die
mit ihrem kleinen Ponywagen gekom
men war, um, wie ausgemacht, Bertha
abzuholen Deshalb blieben die El
tern mit ihr und den beiden Radiess
chen zurück, währen-d Adda mit dem
Rittmeister längst voraus war, und
Lisbeth mit ihrem heimlichen Bräu
tigam einfach die Flucht ergriffen hatte,
um endlich allein zu sein« -
Sobald sie teine Schritte mehr hör
ten, zog Deyner seine halbe Braut an
sich und tüßte sie herzhaft. Sie wollte
sich wehren, da es hell war, doch er
ließ sie nicht los. Aber roth ward sie
doch. »Das geht nicht! Geht nicht,
was sollen denn die Schwestern den
ten!«
Doch er redete ihr tausend Dinge
ein, daß sie doch verlobt wären, wenn
auch noch nicht öffentlich, und, daß sie
damit keine Sünde begingen. Es mußte
einmal so sein, es würde immer so ge
macht und schadete gar nichts. Als sie
es jedoch nicht recht glauben wollte,
setzte er ihr auseinander, wie es einfach
nur noch eine Frage von Stunden oder
höchstens Tagen sei, bis sich die dicke
Adda mit Gras Westerbrant verloben
würde. Jener habe ihm zugeredet,
heute hierher zu fahren, und er nicht
seinem Rittmeister. Unterwegs aus der
Fahrt nach Groß-Schmiemig hätte er
eigentlich von gar nichts anderem ge
sprochen, als nur von Adda.
»Nun wird er es ihr wohl schon ge
sagt habenl« meinte Dehner plötzlich,
und dabei wurden sie ganz nachdenk
lich und Lisbeth sagte, als ob sie für
die ältere Schwester zu wachen hätte:
»Wir dürfen sie nicht so lange allein
lassen. Wenn wir lieber ihnen nach
gingen?«
,,Haben Sie solche Angst?«
,Ja!«
»Was soll denn geschehen?«
»Ich weiß nicht! Es ist vielleicht
besser!«
»Warum besser?«
Da lachte sie etwas verlegen, denn
seit er sie am hellen lichten Tage ge
tüßt, wagte sie ihm nicht mehr recht in
die Augen zu sehen, und sie fragte ihn
mit gesenkter Stirne: »Ist es nicht un
recht, was wir thun?«
»Wie so denn?«
»Daß ich — ich —— wir —«
»Wir uns küssen?«
»Juk
Er zögerte eine Sekunde und meinte
darauf beruhigend: »Das ist immer
so!«
Und wie er sie nun haschen wollte,
entrann sie ihm und lief spornstreichs
den beiden anderen nach, sie zu suchen.
Er folgte lachend in langen Süßen
Frau von Pellbeck wurde von den
Eltern, von Bertha und den Rat-id
chen empfangen und sofort befragt, tvie
ihr und ihrem Herrn Gemahledenw der
Sonntag bekommen sei. Sie blieb
nicht lange, sondern erklärte, sofort
noch ein oder zwei Stunden spazieren
fahren zu wollen. Da sie nun zur
Einleitung begann: »Ich habe noch
einen Platz im Wagen —« so fuhren
die beiden Zwillinge sofort auf: »Ja
-- s- ja -— jawohl —«
Doch sie waren bitter enttäuschi, fals
Frau von Pellbeck erklärte, sie habe es
am vorigen Sonntag Bertha verspro
chen. Die Häßliche ging sofort hin
auf. um einen Hut auszusetzern Sie
traf im ersten Stock, wo die Schlaf
zimmer lagen, Marie auf dem Flur:
»Kommst Du denn- nicht herunter? Es
ist Besuch da, Marie!«
»Ich weiß, ich komme schon, ich will
nur fürg Abendessen sorgen, denn die
beiden Herren werden wohl bleiben!«
Und sie wog mit einer kleinen Hand
wage ein winziges, sparsames Stück
chen Vanille ab zur süßen Speise für
den Abend, denn die Vorrathsschränte
standen oben.
Als Bertha mit ihrem Hut zurück
kam, rückte ihn Marie noch einmal zu
recht, huschte schnell in ihre Kammer
und erschien mit einer rothen Schleife,
die sie der jüngeren Schwester um den
Hals band. Der Vater hatte sie sei
nem Liebling Marie heimlich mitge
bracht. als er das letzte Mal in Sehen
bach gewesen.
»Ach laß doch, Marie, wozu?«
wehr: «rtha ab.
»Du sollst nett aussehen, mein
Liebliner« meinte die ältere Schwester
trotz der Abwehr und iüszte sie herzlich.
Dann eilte die häßliche Bertha die
Treppe hinab und fuhr freudestrahlend
mit Frau von Pellbeck davon. Den
Eltern aber fiel plötzlich ein, das; ja die
beiden Offiziere mit den jungen Mäd
chen noch irgendwo im Garten steckten,
und Frau von Gernopv sagte etwas
erschrocken: »Das ist eigentlich höchst
unpassend! Was meinst Du, August?"
Er guckte die Achseln. Ueber eines
war er sich vollkommen klar, daß er
nämlich bei der Hihe nicht noch im
Garten herumlaufen wollte. »Wer
weiß, wo die jeht ’rumkrebsen!« ent
gegnete er gleichgiltig, und seine Ruhe
brachte Frau von Gernovp in Harnisch.
Entsetzung folgt.)
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