Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, November 15, 1895, Page 5, Image 5
IS er Fremde -—--—....— « l : » « an non Robert Zahlt-anseh. « . —».......· «-—. (Fortsehung.) »Ich habe mich theoretisch damit be Isiistigti Man mnsr doch nicht blind d dumm durchs Leben gehen l« Sie machte eine noch weisere Miene zuvor—dann aber sahen die Beiden s nder an, und als er lachte, lachte mit und wurde roth. Nun trat der rosessor wieder zu ihnen heran und i chiug var, im Restaurationeraum des ndstellungsgebäuded zusammen zu iihstiicken, das Auge zu erhalen von m Ansturm der Farben. Die Drei i mten freudig zu—die Kleine hing M des Vaters Ann, und indem sie « «"«--ns ihm hinwegsiihren ließ, stir 47 sie Bohsen zu: »Ihr Freund ist s netti« Er niette, ohne zu antwor , im Stillen aber dachte er: I- rtnes Ding, wenn Du wiisztest, wo er - estern Abend war und was er mir te Morgen gesagt hat !" z-«Das Frühstttck war sehr vergnügt. « T paar Seitpsropsen flogen in die « st, und der Trintspruch klang: »Aus Irre heilige Kunst!» Der lustige - eg zwischen Buterwect und seiner achbarin dauerte fort-sie zankten ,s sub ver-trugen sich wieder zehnmal s; " s s einer Stunde, bis der Profes r sagte: »Martha, nun ist’d genug« ht gehen wir heim zur Mutter." F n nahm Abschied von ihnen, die »O· snnng, Eva noeh zu sehen, hielt ihn - it. Sein Freund aber gesellte sich den Scheidenden. »Um siins llhr · arte ich Dich zum Diner,« ries er - Bohsen zuriict. — Allein gelassen, schlenderte dieser sun langsam durch die Säle, bis er ssi der seinem Bilde gegeniiber stand. « war leerer geworden, die nahende .- ittagdstunde hatte die Menschen hin siseg getrieben. Nur wenige standen sid saßen noch umher mit miiden, ab «pannten Gesichtern —- sie konnten — t mehr genießen und machten sich « « nicht trennen. Bohsen lies; sich s einen Divan nieder-auch ihn .-- rkam seht die Ermattung nach der bdurchwachten Nacht und der Unruhe « iorgens, eine schöne, freundliche — igteit, in der die Geister des Wei . is und die befreunden-n Gestalten der ·« en sroh verlebtenStnndenihm hei e Worte in’d Lhr sliisterten. Er laß die Augen halb, sah durch den «leier der Wimpern zu der todt eihten Desdemona hinüber, und dem er sich freute an dem vunten wage der verschwinimenders Farben, i gis-enden Zauberwornden Namen: sp ·rach er leise var sich hin gleich einem « Æsuhr er empor. War eo wirt ich ein Zauberwart gewesen «.- Besaß er , ie Macht« Geister zu rufen, Geister, -. r geliebte Menschen? Die Stimme, e zu ihin gedrungen war, hatte nicht : klungen, als komme sie autt einer vderen Welt. Zart und sanft, aber warnt und lebendig hatte sie sein Ohr nispielt, und nun er sich wandte, sah ( die vor sich, die er gerufen. Im ahinen der Thür, bildiniifzig gefasit am Abend zuvor im Theater-, stand ie da, der Vater neben ihr. auf ihren i gestützt. Bohfen machte eine Be egung, ihr entgegen zu eilen, aber ihr iliik hieß ihn hieiben——aue der Ferne grüßte sie ihn mit den Augen, ruhig freundlich, ohne ein Neigen des fee. Dann kam fie näher heran spss it ihrem Vater, der blaß und gealtert chien, dessen Gesicht aber jetzt keine Unruhe und Sorge verrieth——-sie traten bar das Bild und betrachteten es schwei «geiid lange Zeit. »Wie wunderfchan das ists-« sagte Eva nach einem tiefen Athenizuge. tinioillkiirlich that Bohien ein paar Schritte auf sie zu —-« das Lob. das er eben gehört, hatte sein Glück erst voll - kommen gemacht. Wie gern hatte er ihr gedankt fiir ihr gütiges Wort! Aber ur seine Augen durften sprechen, und i ihnen sagte er ihr Alles, was er eint-sand, Freude und Dankbarkeit, Hingebung und Liebe. Doch indem er - estuintne Botschaft zu ihr hinüber "bte, bemerkte er zugleich, wie ihr Pater wieder unruhig ward unter den Blicken, die auch ihn getroffen hatten. erst schaute er hastig, kurz uBohsen , dann grub eine tiefe balte sich irdischen seine Augenbrauen ein, er fuhr mit der Hand itlier die Stirn, als wolle er dea Mißniuthe Zeichen fort Uischetn Aber es schwand nicht hinweg, ei blieb und vertiefte sich, die Augen schossen unruhige Olive, und nun plag lich ieß er die Tochter stehen, ing rasch ans Bohsen zu und iragtes . ae star ren Sie mich an's Haben Sie init mir gu reden? Wae wollen Sie von mir's-· Boysen erschrak und freute sich zu , leich, zu ihm sprechen zu dürfen. Be , n sich verdeugend sagte er: , « eihen Sie, wenn mein Betragen it ssend war. Aber ich bin der Maler dieses Bilde«, und Iremi ich Sie küh f betrachtet habe, ale eo Sitte ist, so « chah es wohl, weil ich Jhr Urtheil V - r ineine Arbeit in Ihren Zügen zu Tiefen suchte Die Spannung in Mr. Seelefielda ntlitz verschwand-»lib» sein Gesicht pielte ein Lächeln-das die harten i ini litttete und seltsam verschönte. Fkuni er en Male, mit diesem Lächeln sch wieder verschwindend, sprach aus - — n Aehnlichkeit mit der Tochter. die haben das Bild gemalt? Das «- - s Anderes. Entschuldigen Sie « ich bin ein wenia neroiio. Co macht mich toll, wenn die Leute mich .anstarren. Ader Sie hatten ja Grund dazu, ich kann das verstehen. Und wenn Ihnen etwas an meinem Urtheil liegt —ich bin kein Kenner, aber ich habe Jrnancherlei gesehen aus beiden Seiten »der Erde-sich finde Ihr Bild sehr schön. Wirklich —- wahrhaftig— sehr sehr schön!» s Er war wieder ganz ruhig geworden, das Beben war aus der rauhen, unge Tlenken Stimme verschwunden. Er be i trachtete das Bild von Neuem mit ge spannter Aufmerksamkeit und nickte ’ein paar Mal vor sich hin, wie er es - gestern tm Theater gethan. ; »Das ist viel schöner," sagte er sdann. »Gestern im Theater haben sie 3auch den ,Othello’ gespielt-das rückt : einem ja noch näher und faßt mehr die ; Nerven, aber das hier ist schonen-· ! Er schwieg einen Augenblick, dann ibegann er wieder: »Ein kluger Thor, Jdieser Othelloi Er hat den Säbel ggleich bereit, der allem Irrthuni ein Hände macht. Was würde wohl aus ihm Iwerden, wenn er heute lebte? Verhaf , tung, Prozeß, Verurtheilung, und dann i das Letzte, daß Haßlichstei Das nimmt Palle Poesie von solch’ einem Morde ihinweg.«· E Bohsen wußte nichts zu erwidern, Her schaute aus Eva und sah, wie neue tSorge um den Vater sich in ihren s Zügen spiegelte. Der wandte sich jetzt hastig zu ihm herum. Rennen Sie Lombroso?« fragte er. « »Leider nur wenig," lautete die Ant work. »Den müßten Sie lesen! Er hat ein Buch geschrieben —- ,Der Verbrecher’ heißt es. Das würde ich studiren, wenn ich Künstler wiire — man sieht darnach die Menschen und ihre Thaten i unter neuen Gesichtspunkten Ich bin tein Kenner-wie ich Ihnen schon sagte, aber ich meine, Künstler, Iurii sten und Acrzte sollten den Menschen, des Menschen Seele, das Tiefste, . Feinste, Verborgenste in ihm sorgsamer , studiren, als sie es thun.« ! Eva war zu ihm getreten, legte die skand aus seinen Arm, ganz wie im i heater am Abend zuvor und sliisterte sihni etwas zu. Er nickte und faste I,,Ganz recht, ich vergaß. Mein ind J mochte Sie kennen lernen, sie hat mich harrst auf Ihr Bild aufmerksam ge zmacht. Darf ich um Ihren Namen : bitten?« E»t1iichard BahsenM »Bohsen'.-" Wie ein Schlag hatte Eder Name ihn getroffen-er bebte zu E sammen und fiir einen Moment gewan Enen seine Augen jenen Blick starren E Entsetzens mit dem er iiber die Strasze hinweg in der Dunkelheit ein unbe Eskanntes Schreckniß gesucht hatte, in Ejener Stunde, als Bohsen ihn zum ersten Male gesehen. Dann machte er eine Anstrengung zu lächeln, aber es Ewar nur ein trampshastes Zucken der EMuskeln, ungleich der milden Heiter Eteit von vorhin. —- Bohsen, « mur E melte er noch einmal. »Und Richard-— ENichard Pausen-« E »s)iichard Bohsen. Dortunten rechts in der Ecke des Bildes steht mein EName « E Der Ausdruck des Schreckens wich langsam aus Mr. sSealsfields Zügen-— er blickte lange und ruhig auf Bdnsens Gesicht, und dieser sah, wie die Augen des fremden, seltsamen Mannes sich allmälig mit Thriinen fiiilten. Aber Eder mußte selbst das Ungewohnliche seines Benehntens empfinden-er trat auf Bohsen zu, gab ihm die Hand und sagte: »Sie sind verwundert, welchen kEindruck Ihr Naine auf mich macht-— Everzeihen Sie mein seltsames Betra E gen. Ich hatte einmal einen sehr lieben EFreund, der denselben Namen trug, Ewie Sie, Vortiatnen und Nachnamen EEs ist lange her, aber ich habe ihn Enicht vergessenI »Mein Vater hieß wie ich, nach Eihtit bin ich getauft Vielleicht ist er Ees, an den mein Name Sie erinnert. « « »Das glaube ich iaum Aber wir können es leicht feststellen — tvo lebte Ihr Vater-» Bdhsen nannte den Namen seines . eintathsortes, nnd indem er ihn aus prach, schien es ihm, als wenn von Neuem Niisztrauen und Sorge in den noch immer ihn musternden Augen des Fremden austauchten. Zugleich aber? schüttelte dieser den Kopf und sagte: »Ich lernte die Stadt nur dein Namen nach, mein Freund wohnte in Angs E burg. Und Ihr Vater-lebt er noch P» « »Er fiel bei Mars-lustent· —- das ist nun vierundzwanzig Jahre her. Ich habe ihn nicht gekannt, erst nach sei nem Tode tam ich zur Welt «8hre Mutter aber-haben Sie auch » keine Mutter mehr?« »Gott sei’s gedatiit, daß ich nicht nein zu sagen brauche aus Ihre Frage. Meine Mutter lebt «Das freut uiich——das ist schön Die Worte tanien langsam, träume risch heraus, und sinnend schaute der Fremde in die Ferne. Dann wandte er ich plötzlich wieder dem Bilde zu und rat »Ist Jlir Bild zu verkaufen·e" n seinem Gefühl sreudi en Er chreckens iiber diese Frage bli te Boy en zu Eva htniiber——auch in ihren Augen leuchtete die Freude, sie nickte und lächelte ihm zu hinter dem Niickeu des Vaters «Getuisz ist es zu veriaufen,« entgeg nete Bot-sein »Aber die Arbeit von Jahren steckt in dem Bilde, und so ist der Preis nicht niedrig .Dann erlebe ich doch wenigstens einmal wieder einen Tag, an dem ich frqu habe an meinem Gelde. Wir de prechen das Nähere ein anderes Mal, ch cause das Bild. Man findet so sel ten eins. das man immer uin lich haben inochie, an diesem adek ioerde ich mich nicht iiiiide schen. Wollen Sie inir die Freude machen, mich zu besuchen? Ge sellschaft freilich werden Sie bei uns nicht finden, ivir leben sehr still, ich ineide die Menschen im Allgeineinen.« »Und niariiin lieben Sie die Men schen nicht?" »Weil ich sie kenne." Die Watte klangen hart nnd rauh doch die saner Stimme der Tochter veruisihte ihieu Ton. Eva hielt Bay Heu die Hand entgegen und sagte: Waffen Zie aiich mich es Ihnen aud Isprechcin niie sehr ich mich freue, daß iPapa ilir Bild taufen will. Sie ihalien das Schreckliche schon zu malen s geioiisst «—— das tanii nur die Kunst, die IWirkliii leit ist so grausani.« i »Er-erben Zie kommen. « wieder holte seist1.«"ii. Zeitlosield seine Frage. « » sa, und mit Freuden, « sagte Bay sen ihm die band reichend. i »Ich iiicisi nicht einmal, ob ich Ighiieii meinen Namen bereits gesagt s habe: ich war so erstaunt, als ich den JJhren harte· Ich heiße Sealdfield, s und meine Wohnung-« i »Verzeiheii Sie, Mr. Sealssieltn ? Sie machen sich nunothige Miihe Ich kenne bereite ihren Namen und Ihre WohnungR »Sie leimen iiiirh?« Wieder das Aufzuckeii ded Mißtranens iu den Augen des Fremden, wieder das net vose Zusammenziehen der Stirnhaut. Vohseii aber achtete nicht daraus. Er sagte lachend: »Die Sache ist sehr einfach Ich wohne bei einem Freunde in der tiaiserstraße Ihnen gerade gegeiiiiber. Er zeigte Sie mir gestern iin Theater.« »Das ist freilich sehr einfach,« sagte Mk. Sealsfield »Da sind niir einan der ja schon nahe gewesen, ohne es zu wissen. Es geht manchmal soiin Leben. Verborgene Faden laufen hinüber und herüber, und zuweilen ist man von einem ganzen Netze umsponnen, ohne daß man ed nieiß." s Er schauderte zusammen, als über slaiise ihn ein plötzlicher Frost, und i sich zu seiner Tochter wendend, ergriff ; er wieder ihren Arm. »Komm, Eva, sivir wollen nach Hause fahren. Ein Bild niie dieses finden wir in der Aueftellung doch nicht mehr, wir wol len und den Eindruck nicht verderben. Sie aber, Herr Baysein werden Sie’s nicht nach Hause melden, daß Sie Ihren Othello verkauft haben? Viel leicht freut shre ssrau Mutter sich doch s iiber die Nachricht » I ,.Tausend Dant, Mr. Sealsfield, sur Ihre (siiite, Sie haben mich heute unbeschreiblich glücklich gemacht. Daß Sie aber auch meiner Mutter geden len, dae danke ich Ihnen noch ganz be sonderg. Mein Dasein ist so eng, so sest mit dem ihren verwachsen, daß eine Freude nur halb siir mich wäre, wenn meine Mutter sie nicht mit mir theilte. Noch in dieser Stunde erhält sie die erfreuliche Botschaft.« »Sie scheinen ein guter Sohn zu sein, wie meine Eva eine gute Tochter ist. Ja, sie ist gut, sehr gut.«« Er nicite ihr zu und wandte sich mit ihr isqu Gehen. Weben Sie wohl, Herr ) Boysen, wir sagen also Nilus Wieder i sehen’ als Nachbarn von Haue zu iHaueU Sie schritten hinweg, ein stummer, sreundl icher leschiedsgrusz slog von Eva zu Brausen hiniiber. Langsam solgte er ihnen nach, sah die beiden Gestalten so verschieden in ihrer Erscheinung, und doch so nahe verbunden durch Ber wandtschait und Liebe —- durch die bei nahe leeren Sile dahinschreiten und sandte wortlosen Dank ihnen nach. Dank ihnen Beiden, dem Vater, wie der Tochter-! Als sie aber das Gebäude verlassen hatten, trat er hinaus, er sragte dae nahegelegene Telegraphen amt nnd iandte die Freudenbotschaft an seine Mutter: »Sichere Aussicht, mein Bild an reichen Ameritauer zu vertausen. Biltorial Richard." Er hatte nach Hause gehen wollen, aber er kehrte doch noch einmal in die Auestellung zurück. Es war ihm, als müsse er auch seinem Bilde danken, diesem thieschops seines Geistes und seiner Hände-, das die Liebe so freund lich lohute, die er ihm geschenkt. Alt er den Saal betrat, erblickte er vor seiner Teedemona nur eine einzi e Gestalt. eine Dame. nicht allzu aroå in eine anmuthige Schattirnng von braunen Farben einfach und mit Ge schmack gekleidet. Er ging langsam naher, und erst ala er dicht neben ihr war, vernahm sie seinen Schritt· Sie wandte sich rasch ihm entgegen, er sah, wie heißes Rath in ihren Wangen aus leuchtete, und mit ledhaster Bewegung streckte sie ihm die Hand entgegen. »(siriis; Nott, Herr Bohseu." »Franlein «Sassi-—wahrhastig! Fast hiitte ich Sie nicht erkannt. Der lleiue Amor schaut sa heute aus wie andere Menschenkinder." »Da gibts nir zu verwundern. Aber das; auch Sie so nudschauem das will mir nicht in den zwpr Er muszte lachen. »Wie so?" fragte er. »Sie haben doch dao da gemalt?« »Das habe ich sieilich." »Ich nei«stels’d ja uichi, aber wie ich davor gestanden habe, ist mir-e gewor den, ich weiss nicht wie. Einen ganz unbandigen Respekt hab’ ich vor Ihnen gelriegt, und zugleich ist mir’0 gewe sen, alo wenn ich weinen müßte lind darum wundeie ich mich eben, daß Sie aussehen, wie ein gewöhnlicher Mensch.« Ihr Wesen war anders, als am ver gangeucn Abends-über ihrer sieckheit lag ein Hauch von sanfter Melancholie, das Geiva der Erkenntnis vielleicht ein Geschöpf zn sein, das in seine Welt nicht paßte. Mit der veränderten Tracht war eine ruhigere Art iiber sie gekommen, nur das heiße Feuer der Augen oerrieth, daß die Glnth im Innern wohl verborgen, aber nicht ge storben war. »Wie kommen Sie denn lsierher?." fragte Bohsen, dem ihre unverhohlene Bewunderung wohl that, während sie ihn doch mit einem Gefühl der Ver legenheit erfüllte. »Wie andere Leut’ auch. Aus die Fiiß’!« sagte sie lachend, mit einem Anslng ihrer alten Keckheit und im bayrischen Dialekt, der ihr besonders lieb schien. Aber gleich wurde sie wie der ernst. »Als Sie gestern fortgegan gen waren ohne Abschied, obwohl ich siir Sie ganz allein gesungen hatte, da bin ich sehr bog ans Sie gewesen« In meinem Zorn habe ich dann die Ande ren von Ihrem Bilde sprechen hören. lind heute habe ich gesehen, daß Sie Recht hatten, fortzugehen. Ich kann freilich nichta, womit ich Jhnen Freude machen konnte. Das weiß ich nim, wo ich das da gesehen habe." Sie wies mit den Augen auf das Bild, und auch er wandte seine Blicke dorthin, da er nicht gleich eine Antwort sand auf ihre Rede. Während er aber so halb abgewandt von ihr stand, siihlte er plötzlich seine Rechte von ihr ergrif fen, und ehe er es zu hindern vermochte, hatte sie die Hand an ihre Lippen ge zogen und einen Kuß darauf gedrückt« »Die Hand hat’s gemalt," rief sie fröhlich, »am- hab’ ich mir gleich vor g’setzt, wie ich das Bild g’schant hab’." »Sie sind-J »Jhnen gut bin ich, das ist Alles.« Sie lachte mit ihrer melodischen Stimme, und ihre Augen sunkelten. »Und Sie machen sich nix ans mir, das weiß ich auch. Aber darum können Sie doch heute einmal gnt zu mir sein« Wollen's?" »Was meinen Sie damit?" »Daß Sie mich ein wenig hierin den Sälen umher-führen sollen, weiter nichts-ich hör Izhre Stimme so gern.« »Wenn es Jlmen Spaß macht-J »Freilich macht es mir riesigen Spaß! Koman Sie her, seien Sie gar Er mochte ihr die Freude nicht ber derben, auch war es ihr fast gelungen, den tiblen Eindruck des bergangenen Abends zu verwischen. Sosgingen fiel nebeneinander zwischen den bunten! Reihen der Bilder dahin-wo etwas Bedenkendee zu schauen war, blieben sie stehen, nnd Baher erklärte es ihr mit dem geschulten Urtheil des Künst lers. Saffi schwatzte fröhlich dazwi schen, ost ein tlngeeh oft ein thörirhtes Wort, wie es gerade kam. Ein kleines Gemach bildete den Be schluß der Saalreihe——Handzeichnun gen waren hier ausgestellt, und selten verirrte sich ein Beincher daher. In der Ecke det- Zimmers aber stand auf zierlichem Postament eine Branzenixe unter Palmen und Lorbeer, ein Dir-an davor, ein behaglichee Manchem »Gehen’e her, da müssen mir ans-« ruhen," bat Safsi, und schon hatte sie i so hastig fich niedergeschr, daß die Paltnenwedel sie nickend begrüßten. Langsam folgte Bahsen ihrem Wunsch, i ein wenig zögernd —- eS war ihm, alt habe die Nire dort Leben bekommen, oder als sei eine Schwester von ihr ans feuchter Tiefe emporgesligen nnd lache f ihn an tnit gliihenden Angen.- Nieder- l gleitend aber fiel sein Blick wieder auf i den rothlenchtenden Ring an ihrerI Hand, nnd zugleich tauchten die Bilder und Empfindungen des lebten Abends neu belebt auf in seiner Seele. » Nun setzte er sich nieder an ihrer Seite unter dem grünen Blätterdach der Palmen, nnd indem er den Blick nicht verwandte von ihrer Hand, sagte er: »Wijsen Sie noch, daß ich Sie gestern mn etwas fragte? lim den Ring da mit den rothen Steinen. Sie wollten mir mehr davon erzählen, da kam Ihr Vater dazwischen." »Mein Vater!" Sie lachte ein wenig, ein leises Lachen in sich hinein, dann lauter und heller. ,,iinfinn ist’s, « rief fie. »Er ist ja gar nicht mein Vater-U »Nicht Ihr Vatert-« »Den« nicht daran! Freilich würd’ er den Kopf mir abreißen, wenn er wüßte, daß ichs Ihnen sage. Auch hat noch Keiner es von mir erfahren außer sthneth aber Sie möchte ichs nicht anliigen, . Herr Bohsein Zie» nicht!« ; «Nicht Ihr Vaters-» wiederholte er; sinnend, ohne den warmen Ton leiden- ’ schaftlicher Ii»"1ingebnng in ihren letzten Warten zu beachten. Sie aber legtei die Hand anf seinen Arm, nnd sich zu! ihtn hinnber beugend sagte fie: ,,Hochj and heilig liab" ich ed ihm versprechen miiffen, zu keinem Menschen davon zu reden, aber Ihnen fage ich’s doch. Was ich Ihnen sage, ist wahr-, Alles, jedes Wort, so wahr, als ich selbst ed weiß. Wenn sichr- einmal anders herausstellt, dann bin ich nicht schuld daran, dann bin ich selber angelogen. Aber daß er nicht mein Vater ist, das ist so gewiß, wie ich Ihnen shr Bild in alle Ewigkeit nicht nachmalen werde." »Aber wenn er nicht Ihr Vater ist, lver ist er denn?« .Niihrvater nennt mand ja wohl, einer, der tvield dafiir bekommt, daß er mich bei iich hat nnd ein wenig lernen läßt nnd sich fiir meinen Vater ans gibt. So ein getnietheter Vater-, wie die großen Damen vom Theater sich eine Theatermntter miethen. Ja, es gibt verschiedene Sorlen von Vätern nnd Miitterni Nur daß ich ihn mir nichLaeniiethet habe, daß ich icbon bei « i ihm bin, so lange tm utiernanpr von! mir weiß." i »Jmmer, Jhr ganzes Leben hin durch? lind Sie meinen doch-« i »Ich meinte nicht nur, ich weisH Aus bester Quelle, von ihm selbsH Ich kann-e Ihnen a bisserl näher er zählen, wenn Sie’s interessirt, danni brauche ich wenigstens nicht zu fürchten, daß Sie mir gleich wieder davonlau sen.« Sie dachte einen Augenblick nach, dann fuhr sie fort: »Ja, so lange ich denken kann, bin ich bei ihm gewesen-— bei ihm und seiner Fran.« »Bei seiner Frau? Die also nicht Jhre Mutter ist?" »Nein, Gott sei Dank! Ich nenne sie freilich noch heute so, weil er es will nnd aus alter Gewohnheit, wenn ich überhaupt mit ihr rede. Sie ist nämlich trank-da oben." Sie wies mit der Hand nach der Stirn undnickte bejahend ans Boysens sragenden Blick. »Gest·o"rt. von-nett, wie Sie’s nennen wollen-jawohl, das ist sie. Dabei hat sich’a in herausgestellt, daß ich nicht ihr Kind bin. Ich habe nicht ogt mit ihr reden dürfen, aber einmal ha e ich doch allerlei von ihr gehört, daß ich ich’a gemerkt habe, sie ist nicht meine wirkliche Matten-« l Ein Seufzer hob Saffig Brust, ein’ trauriger Nachhall unbefriedigter, längst begrabener Sehnsucht nach der sorgenden Liebe einer Mutter. Unwill lürlich legte Bohsen seine Hand auf die ihre. »Armes Kind,» sagte er leise und freundlich. « ,.Lassen Sie mir Ihre Hand ein’ wenig,» bat sie, »ich will sie auch nicht wieder küssen. Es war Ihnen unangenehm vorhin, das habe ich wohl gemerkt, nun thu’ ich’s nicht wieder.· Er lächelte und ließ ihr seine Hand, die sie ruhig in der ihren hielt, wäh rend sie nun weiter sprach. »Zuerst, als ich ganz klein war, da ist sie wohl noch gesund gewesen, nur immer still und traurig, das habe ich damals schon gemerkt. Meinen Sie nicht, daß Kin- ’ der überhaupt viel mehr bemerken, als; man glaubn-« J »Von mir mochte ich’s nicht bezauw » ten," sagte Baysetn der eigenen ind heit gedenkend. »Ich habe wenig beobachtet, immer nur vertraut und ge liebt." »Ja, Stel» sagte Saffi mit welcher Stimme. »Sie sind auch besser als ich nnd die anderen Menschen« Jch habe die Augen sriih schon aufgemacht Und habe gesehen, daß Mutter-ich will sie so nennen, wenn sie’s auch nicht ist-—Llngst gehabt hat vor Vater. Manchmal freilich auch er var ihr, wenn fie einmal Muth gefaßt und ge droht hat, etwas zu sagen, zu verrathen --was sie aber damit gemeint hat, das weiß ich heute noch nicht. Dann ist sie immer stiller und schwermiithiger ge worden und immer fremder und scheuer gegen mich, daß ich’s jeden Tag deut licher gefithlt habe, ich gehöre nicht zu ihr. lind schließlich, wie ich verständig und groß genug gewesen bin, da bin ich einmal zu dem Alten gegangen — bald nach meiner Einseguung war’s — und habe ihn gefragt, was mit Mutter sei. Er hat mirs gesagt, und ich weiß es heute auch, warum er es gethan hat. Ohne Grund sagt er nichts. Also: er sei so wenig mein Vater wie sie meine Mutter, nur siir meine Erziehung hät ten sie zu sorgen und wurden dafür bezahlt. Dann hat er mir’s erzählt-« ihre Stimme gewann einen dumpferen Klang, und in ihren Augen blitzte der Zorn von gestern —- ,,daß einer meine wirkliche Mutter umgebracht hat. limgebracht, elend ermordet, Herr Boysenl Kannen Sie sich denken, was man dabei fiihlt?" »Furchtbar muß es sein. Jch darf es nicht ausdenten, daß es meiner Mutter geschahe." »Ich hab’s ausdenken miifsen und ausfnhlen und habe mir’s hundertmal ausgemalt in der Nacht, bis es mich schiittelte vor Furcht Und Wuth. Zu weilen freilich-« Sie verstummte und blickte vor sich hin. »Was meinen Sie·.-" fragte Boh sen. »Er liigt so viel. Es ist sein größter Spaß, wenn er liigen kann. Da habe ich zuweilen gedacht, auch dasifterfuw den, und meine Mutter ist gar nicht ermordet, sie ist vielleicht noch am Leben« »Am Vebeufi Aber der Ring ist doch von ihr. nicht waler »Er sagte freilich, aber darum braucht’o noch lange nicht so zu sein. Den Ring hat er mir damals gegeben, als ich ihn zur Rede stellte, ich habe es Ihnen ja eben erzählt. Sehen Sie, manchmal frage ich mich, woher denn eigentlich das viele Geld kommt-es ift ein ganzer Hauer jedes Jahr-Was der Alte kriegt fiir meinen linterhalt und meine sogenannte Erziehung." Sie sagte die lehten Worte mit einem bitterem traurig klingenden Lachen-der Schmerz um ein verfehltes Leben tiinte darin. Theiluehmend schaute Bohsen aus das junge Geschöpf au seiner Seite, das heute des Mitleids Stimme in seinem Herzen erweckte. »Sorgt er nicht gut filrSieP" fragte er sanft. ,,O,h fa, ich bekomme satt zu esseni Auch allerlei gelernt habe ich, mehr als manche Andere. Aber das Uebrige, dies Haus, diese Umgebung —- machen Sie das einmal durch und bleiben ein anständiger Mensch! Aber das interes sirt Sie ja nicht. Von meiner Mutter wollte ich ja sprechen nnd von dem Geld." »Woher iommt es, wissen Sie das nicht-» »Mit der Post, alle Vierteljahr. Es find enaliiche Matten auf den Brieer -«.-·. ,——— und der Postskempet uonoom irr iagr, es komme von Verwandten meiner Mutter." »Und Sie glauben das? Könnte nicht Ihr Vater, Ihr wirklicher-—" »Von dem ist di« Red’ nimmer. Der Alte behauptet, er selber hab’s nie erfahren, wer es gewesen« »Aber jene Verwandten Ihrer Mut ter? Kennen Sie ihren Namen nicht?« Sassi lachte hell aus. »Ach, Du lieber Gott! So blau ist mein Alter nicht-er weiß gut genug, wenn er mir’s sagte, in der nächsten Nacht ginge ich ihm durch. Zu ihnen, zu denen ich gehöre, und ließe nicht nach, bfis ich wüßte, wie es um mich bestellt i t." Beide versanken in Schweigen-— Bohsen hörte, wie schnell ihr Athem kam und ging. »Das ist ein trauriges Schicksal-» sagte er leise. »So allein, ohne Halt in der Welt dazustehen, umgeben von Menschen, die man nicht achten und lieben kann. Dasist sehr bitter.« Sie sah ihn an mit großen, ver schleierten Augen, mit einem Blick, in dem ihre heiße, sehnsuchtsvolle Seele ossen vor ihm dalag. »Heut’ fühle ich’s nicht. Heute zum ersten Male nicht." Sie hatte eine Bewegung gemacht, als wollte sie wieder aus seine Hand sich niederbeugen, um sie zu küssen, aber sie hob den Kopf energisch empor. »Nein, nein, ich thu’s nicht, haben Sie keine Angs »Sie müssen mir noch erzählen," sagte er rasch. »Wer Augen sehen mehr-, als zwei, auch wenn sie so klug in die Weit schauen, wie die Ihren. Alles müssen Sie mir erzählen, viel leicht kann ich Ihnen dann einen guten Rath geben. Zuerst das Eine: Wo haben Sie bisher gelebt, wo sind Sie zur Welt gekommen?" ,,Ia, wenn ich das wüßtel Ich meine das sreudige Ereigniß, von dem Sie zuletzt gesprochen haben. Gelebt hab’ ich, so lange ich denken kann, in großen Stadien StZuerst in Berlin, dann in München, ien, auch einmal in Mailand und Paris. Der Alte sitzt nicht gern fest, und setzt, seit ich ange fangen habe, in diesen Lokalen zu singen, hat er ja die beste Gelegenheit, in der« Welt herunizuziehen Und in dem Punkt könnte ich seine Tochter sein, ich habe so etwas wie Zigeuner blut in meinen Adern, mir gesällt’s nun einmal, dieses bunte Leben. Immer wieder fort, immer twas Neues-damit man nicht auch v rriickt wird, wie die Alte zu Hausl" »Und von ihr istnichts zu erfahren?" »Da gibtis nix. Meist redet sie gar nicht, sitzt in ihrem Stuhl am Fenster und schweigt sich aus den lieben, lan ! gen Tag. Nur eins kommt immer wie sder in ihren Reden. Es ist manchmal, als lebte sie in einer anderen Welt, von der ich nichts weiß. Sie spricht von Menschen Und Straßen und Plätzen die es in keiner von den Städ ten gibt, die ich kenne. Da horche ich zuweilen und suche mir allerlei zusam menzudenken, aber der Alte fährt dazwi schen und jagt mich hinaus, oder wenn sie ihren redseligen Taghat, schließt er »sie ein in ihre stammen Einmal wiire Hsie fast darin verbrannt, weil sie die JLanipe umgeworsen hatte. Seitdem läßt er ihr wenigstens den Schlüssel, wenn wir fort sind. Ihr ist es sonst ;gleich, wo sie sitzt, sie redet nicht zu den Menschen, sie schwatzt nur mit sich selbit." »Aber die Namen, die sie nennt-ist Idaraus nichts zu schließen? Kennen »Sie keinen einzigen davon?" ? »Dort), doch. Sie wirft Alles durch einander, Altes und Neues. Bald Jkommt ein Name, den ich niemals ge ; hört habe, dann wieder ein ganz bekann ster, der täglich bei uns genannt wird. TJch bilde mir sogar ein, sie hat auch Ihren Namen schon einmal vorge bracht, aber das war, ehe ich Sie kannte, da habe ich nicht Acht gegeben. Jetzt werde ich schon auspassen. Zu weilen——aber das ist nur, wenn sie besonders niedergedrückt ist-redet sie viel von einem Frauenzimmer mit einem sonderbaren Namen. Valesia heißt sie, nnd es ist noch ein anderer dabei-drunten Sie einmal. Ja, ja— Valeska Maro. « »Das klingt italienisch.« »Das tl)nt’ö wohl. Aber dann kom rnen wieder so recht deutsche Namen dazwischen-Ihr guter Freund unter Anderem." »Buterweck?" »Das Karlchein jatvohl." »Das Karlchetn wie-Sie ihn nennen, hat Sie sehr lieb. Er hat mir’s erst heute Morgen gesagt-« »Ach ja, das arme Thier! Dem ist nun nicht zu helfen.« »Er hat sogar die Absicht, Sie zu heirathen. » Sie sah ihn an mit erstaunten Angen, lachte ein wenig und sagte dann : »Da,;u gehören zwei. Vor acht Tagen noch, wenn er mir damals damitgekom smen wäre, hiitt’ ich's vielleicht gethan. j Was thut man nicht Alles ans Lange :tveilel Aber jetzt geschielst’s nicht mehr." »Sie überlegen strh’ö wohl noch." »Nein, seht nicht mehr." Sie hatte stolz den Kopf zurückgeworsen nnd er widerte voll den Blick, den er aus sie gerichtet. Aber bald stillten sich ihre iAugen mit Thriinen, nnd leise sitgte . sie hinzu: - »Sie wissen ja auch, warum es nicht kgeschieht. Sie miissen das ja doch H siihlen.« i Er wußte nichts zu erwidern — ein tiefes, lastendes Schweigen entstand, man hörte das dumpfe Stampsen einer Why die den Kontoristen der