Ver Fremde-. Roman von Robert gohtraustiy l Gertsetnngh Euer finster ver thni sich vennenoe, botn Regen des Tages durchweichte Pfad, den Bohsen verfolgte, schien in die noch größere Dunkelheit der an sei nem Ende einuorsteigeiiden Bauwand unmittelbar hiniiber zu leiten. Jhr i strebte er entgegen, als er jedoch das Ende seines Weges erreicht hatte, er kannte er, daß eiit anderer, breiterer zur Rechten uitd zur Linien aiii Rande des Waldes entlang sich hiu ag. Hier war die Einsamkeit, die er skuchte Er konnte denken in dieser stillen Orde, - er sei allein aitf der Welt, allein niit dein Winde, der hier draitsien iii den Kronen der Baume lauter iiud mach tlger seine Herrscherftininie erhob. Ein letztes, gebrochenes Licht fiel von der Stadt noch hierher, und wo es den Rand des Waldes traf, da hoben sich die Stittnme der Bäume wie graue, senkrechte Streifen von der Finsterniß ab, die, einem schwarzen Abgrund gleich, hinter ihnen sich aitfthat. Nach oben ltisten sie sich in ein dunkles, be · vegtes Gitterwerl, und höher noch stie gen seltsame Wollengebilde gleich fin iteren, von schniugigetn Schnee geträn « ten Bergen empor. Zu dieser diifteren, keinsanien Stätte hinatis trug Boysen « das Gefühl seiner jungen Liebe, die wuchs nnd erstartte in der Erinnerung an die vergangenen Stunden und die auch über die Finsternis und Einsam leit hier draußen einen lichten Schim mer zu breiten schien. Das dunkle Bild uin ihn her ward ihm hell und freundlich, denn aus den schwarzen Tie fen unter den Bäumen tneinte er Evas Bild hervorfchiveben und ihn lächelnd grüßen zu sehen. Träumend, sinnend, --« Hoffnungen aufbauetid ging er hin und wider, wohl eine Stunde lang. Jetzt erst fiihlte er, daß das Blut langsamer floß, und zugleich lain die Empfindung der Müdigkeit iiber ihn nach alt' der Unruhe des Abends und der Nacht. ' Er wandte sich zur Heitntehr und ( « bog in den schntaleren Weg zwischen C den Bauziiunen ein, den er gekommen war. Langfaui schlenderte er ihn hinun ter, dein Lichte der Stadt, den wieder aufblinenden Laternen entgegen, aber er ivar noch iticht weit gegangen, als er -, pldhlich stehen blieb. Es war ihm ge « wesen, als glanze von linls ein Stern, ein schnell voriibergleitender Lichtstrahl ihm in'sAuge, die Wand durchbrechend, ie sich hier dicht ait seiner Seite erhob. « sch wandte er fich ziiriitt und, sorg Wii an den Fugen des Hohes entlang spähend, begegnete sein Blick aufs Neue dein hellen Eil-hinnen Er drang » durch einen Spalt in der Wand hin durch, und Bohfen vermochte dinch die sen seinen Ursprung zu erlennen. In eineiit der zum Abbruch bestimmten Häuser war ein Fenster erhellt, ein einziges, ttiedrigee, ileinee Fenster iiii Erdenschoß und aus seinen triiben Scheiben fiel der itiatte Schein in die Nacht· Seltsam — in diese-n Hause « Licht unt diese Stundei Das Gebäude s war fast schon voiu Erdboden verschwun dne-Beinen kannte das sehen, indem er auf die andere Seite des Weges iniibertrat —— nur das Erdgeschosz war halten und zertriiiituierte, iinfvriiiige este der Wände ini oberen Stockwerk Neben ihnen hatten ein paar schlanke « Oelen der Zerstaiung getraut nnd wie sen gleich schwarzen, riesigen Fingern « --»«iach oben. War es nitiglirli, daß diee « n Einsturz drohende Haus noch be « ohnt war, oder bot es nur einen Zu . uchtsort fiir lichtscheueslsiefiudeh das den Triiinuiern sich zusatiitiienfandP Bohsen stand und schaute, aber er kutschte nichts zu erkennen, als dies » ne erhellte Fenster, das einem ckziintner des Gebäudes angehören «e. Vielleicht konnte er mehr ent wenn er zurückging und von dem e ain Walde ans die Giebelfeite Hauses erfuiihte, an der vielleicht « ein zweites Fenster desselben s mers lag. »Was geht·sntich ant-« melte er, aber doch ging· er die knigen Schritte zuriiit und suchte in · Psalm-and die sich an feneiu ande ege entlang zog, eine Oeffnung, ihm den Einblick gestattete. Doch n Bemühen war vergeblich, die intea waren hier so dicht gesiigt, dasz Lichtstrahl seinen Weg zu ihtn . Lächelnd iibersich selbst und seine gierde gab Bohsen die Untersuchung und schickte sich von Neuem zum »weg an, als ein Geräusch-—- nicht , aber dettttich zu unterscheiden von -- Rauschen des Windes-—an seiii - chlug. Es klang wie das Auf ieäen und Oeffnen einer Thur, und bis zur Ecke der Holzwand vor ziend, von wo er den Weg zur t iiberblicten konnte, fah er, dasi " schwarze Gestalt von lints her den betreten hatte, iiud daß eine zweite » in dieseniAugeubtick folgte. tsiegen Helle der Stadt tontite er die bei » Figuren deutlich, wenn auch nur «- schwiititneiiden liinriffen eilen und seht drang das tttieriiusch von ""T’"«"·in zuni zweiten Male zu ihm her. ; .— hur, die er in der Dunkelheit ktn niertt, iitusite sich dort in der El wand befinden, fiir jene beiden ionen mußte das Licht in dein ein ,««"T; u Haufe gebrannt haben. Erharte « " « «,, wie die Thiir verschlossen und ssltissel abgezogen ward. ; -— en empfand teine Lust zu einer ! Sien, vielleicht feindlichen Be-» « ais an diesem Ort und unt die e - . als er tedoai lab. lieb die Bet- . - »sp. - i 4 den-es waren mannltche Gestalten, das erkannte er jetzt auch-sich der Stadt entgegen bewegten, beschloß er, sich durch sie am Heimweg nicht hin dern zu lassen und ihnen langsam zu folgen. Der feuchte Boden sog den Ton ieiner Schritte aus, er konnte den Männern nachgehen, ohne von ihnen gehört zu werden« Sie aber hatten es noch weniger eilig als er—gemiichlich, zuweilen stehen bleibend, gingen iie borwitrto, im eifrigen, aber sehr leisen Gespräch. So kam Bohsen ihnen wider Willen näher, als er beabsichtigte, und als er so die Umrisse ihrer Gestalten deutlicher zu unterscheiden vermochte, kam ihm plohlich das Gefühl, alstenne er die beiden Männer da vor ihm, ohne sich doch Rechenschaft geben zu können, wer-es sei. Sie hatten jetzt daa Ende des Weges, den Beginn der erleuchteten Straße erreicht, und als sie tn den Lichtlreis der ersten Laterne gelangt waren, blieben sie noch einmal stehen, der größere von ihnen wandte sich nach der Seite, von wo Bohsen lam, der nur noch etwa zehn Schritte von ihnen entfernt war, und als der Schein des Lichtes auf das ihm zugekehrte Gesicht siel, erkannte er mit einer Empfindung zwischen Ueberraschung und Schrecken, wer dort vor ihtn stand: der Diener seines Freundes, der ihn so sehr an den Knaben aus seiner Heitnath gemahnte. Was hatte sich der Bursche umhergus treiben mitten in der Nacht? Was be deutete diese Zusammentunst an jenem seltsamen Ort, in dent verfallenen Hause? Das itrstinttive Mißtrauen, das Vohsen gegen den Menschen gehegt, gewann Gestalt, nnd gern hätte er wei ter beobachtet, was jener trieb. Aber auch der Diener mußte ihn erkannt haben—das zeigte sein Gesicht, das den gewohnten Ausdruck höflichster Glittte annahm-jetzt blieb nichts, als ossen an den Beiden vorüber zu gehen, und die Personlichleit des Zweiten festzustellen Sie waren hell beleuch tet, und obwohl der Kieinere sich durch den Schatten des Dieners zu declen suchte, erlannte Bohsen doch miteinent verstnrlten Gefühl des Mißtrauens, dasz es der Alte war, den er in der Dunstatniosphiire des Kase Chantant gesehen, der Mann mit dem ungewis sen, unbestimmbaren Blick, der Vater Sassis. Der Diener zeigte keine Spur von Ueberraschung, zog den Hut bar Boh sen, als dieser nahe an den Beiden voriiber ging, nnd machte ihm ehrer bietig Platz. Dann sagte der Alte »Jch will zurückgehen, am Walde ent lang, es ist naher stir triich.«· »Das ist freilich w:.in«," gab der Diener zur Antwort »Eure Nacht also.« »Gute Nacht' Bohsen hörte die Worte, die schein bar absichtlich lant und deutlich gespro chen wurden, indem r-. sietter ging, i lohne nach einmal zunickzublieken — Igleich darauf vernahm er die Schritte »des Diener-e hinter sich, die mit den kleinen Takt hielten. Er war entschlos - sen, den Menschen zur Rede zu stellen, und überlegte sich die Fragen, die er an ihn richten wallte-»zugleich aber sagte er sich, daß der Schlaue Zeit gehabt, ein Lügengewcbe zusammenzusptnnetn und daß er wenig erfahren werde Als sie nahe beim Hause waren, be schleunigte der Diener seinen Schritt und ichliipfte mit den Worten: »Darf ich die Thiir fiir Herrn Bohsen aff nen'.-" in die GartenpfartQ Schweigend ließ dieser ihn gewah ren, ließ ihn das Haus öffnen und schließen, ließ ihn Licht machen und ihm hinanfleuchten in fein Zimmer. Erst als der Raum erhellt war, brach sBansen das Schweigen nnd sagte-: s »Ich möchte Sie noch nm Einige-d fra ( geil-« Keine Spur von ilederraschung—die stumme Verbeugung, die er schon kannte, war die einzige Antwort. «Waren Sie beurlaubt, daß Sie das Haus verließen?« »Leider muß ich gestehen, daß ed ni t der Fall war. Ich hatte keine sEr aubniß, auszugehen, und wlirde sderrn Baysen dankbar sein, wenn Sie ?margen——ader eigentlich ift es wohl I schon heute-—ein freundliches Wort siir mich bei Herrn Vuterweck einlegen wollten« »Um das zu thun, miißte irh zunächst zden Zweck Ihrer nächtlichen Exiursian T kennen. Wer war der Mensch, mit dern ; ich Sie zusammen saht-· ; «Sein Name ist GlohstedL « l »Was ist er, nnd wie kommen Sie san ihn?" ; »Da Herr Bonien ein Freund mei snes Herrn sind, darf ich wohl sagen, Tauf welche Weise ich die Bekanntschaft Themacht habe. Es ist der Vater einer Sängerin, die hier in einer Konzert halie auftritn ed soll eine ausgezeich nete Künstlerin sein« jedenfalls interes sirt Herr Buterweck sich sehr fiir ihre Lei ftungen. « Buhlen harte die versteckte Ironie in den lehten Worten, aber auf dem Ge sichte des Mannes-« der in höflicher Haltung var ihm stand, uerrieth sich wieder nicht die leiseste Spur davon. Auch der Tan, in dem der Diener ieht weiter sprach, war derselbe gleich mäßi e, gedampfte, das Resultat einer Schu nng und Selbstbeherrfchnng, die den Regungen der Seele nicht gestat ten, in den Worten wiederzuklingem »ide« Buterweck hat mich ein paar Ma mit Blumen ader anderen kleinen Anfnteriiamkeitem in denen er seiner Berehrnn Ausdruck gab, zn ihr Iahe sandt. N emake aber habe ich sie e kt ers-licht bekam-nein immer he mir l Ni- no» Wurm-mean- . ,·""II" ""’ vIvvvvvf Il· 1 r.—.— mir die Antwort mitgegeben, wenn solche nöthig war.« »Er hat von dem Alten gehört," dachte Boysen, indem er den Blick von dem glatten Gesicht ihm gegenüber nicht verwandte, »daß wir in dem Tingeltangel waren. Er hat fich’e recht hübsch zurecht gelegt, der Schurle i» Der Zorn wallte in ihm auf. daß er von diesem Burschen sich sollte über tiilpeln lassen, daß er ihm Zeit ge geben, eine Rolle einzustudiren, die er nun mit vollendeter Schauspielkunst darstellte. »Um diese Tages- oder vielmehr Nachtzeit dürfte Jhr . err Sie doch wohl kaum mit einem so chen Auftrage betraut haben," sagte er laut mit scharfer Betonung Allerdings nicht, Herr Boysen. Ich erlaubte mir nur, auseinanderzw sehen, auf welche Weise ich die frag liche Persönlichkeit kennen gelernt habe. Was ich heute mit dem Manne zu besprechen hatte, betraf dann freilich meine eigene Angelegenheit. » »Die Stunde, die Sie dazu ge wählt haben, ist jedenfalls eigenthiimi lich. Sehen Sie hin» — er wies nach der Pendiile auf dem Kamin s— »es ist zwei Uhr in der Nacht! Warum gingen Sie nicht eher?« »Bei-or Herr Buterweer zurück war, getraute ich mir nicht, das Haus zu verlassen. Es konnte doch fein, daß er noch nach mir tlingelte. Ich war selbst recht ungeduldig, wie ich gestehen will, da er heute ein wenig spät heim kam. Jch sah von meinem Fenster aus Herrn Boh en allein zurückkehren und wartete dort sodann noch eine Zeit lang, ob mein Herr nicht komme. So sah ich zufällig, daß Herr Bonsen das Haus noch einmal verließen-« Der Klang seiner Worte verrieth ed nicht, daß sie eine Drohung enthalten sollten, aber doch fühlte Voysem daß eine solche in ihnen lag, daß der Bursche ihn beobachtet hatte und ihn einzuschiichtern versuchte. Jm gleich mäßigen Tone sprach dieser weiter »Jm Hause drüben schien ia ein Un glück passirt zu sein, und wenn Herr Warnen-» »Sie sind ein Spion !" Die Worte suhren ihm heraus wider Willen, aber rr bereute sie nicht« Es war ihm, als taste die fchmutzige Hand eines gemei nen Menschen nach einem heiligen Bilde und suche es herabznziehen in den Staub. Dieser Bursche hatte ihn gesehen mit dem Mädchen, dao ihm so thener geworden, dae ihn gebeten hatte, »in schweigen über ihren nächt lichen Ausgang im Dienste des tranken Vaters, und due er nun mit sich vereint in die Gewalt eines glatten Schurken —- dafiir hielt er ihn in diesem Augen blick-—Iuehrloe gegeben sah. WehrlosP Doch wohl nicht ganz —- auch er hatte Waffen in den Händen, nnd er war entschlossen, sie zu gebrauchen. Der Diener beantwortete den zot nigen Ausruf mit einem Zucken der Achseln. »Verzeihung, et- war nicht meine Absicht, zii spioniren," sagte er höflich. »Mein Zimmer oben liegt nach vorn heraus—ich sah ganz zufällig, daß die junge Dame driibeii aus dem Hause lam, und daß Herr Bohsen gleich darauf noch ein wenig frische ikust schöper ging. Dann habe ich mich in den itleidern auf mein Bett gelegt, bin eingeschlafen, und als ich aufwachte und hinausfah, fand ich, daß die Lichter im Hause geloscht waren Jch meinte, die Herren seien zusam nien guriicigetominem und din dann — leider ohne Erlaubniß, wie gesagt selbst noch siir ein halbes Stündchen fortgegangen. Das ist Alles, was ich," wider Willen, von Herrn Bohsens Spaziergang gesehen habe." »Nun, wenn Sie so wenig von mir wissen,« sagte Bohsen, »so weiß ich vielleicht uni so mehr von Ihnen. Jawohl, ich weiß, daß Sie eine Zu sammenkunst gehabt haben mit jenem Manne, den Sie Glohstedt nennen, an einein Orte, wie ihn nur Gesiiidel zu solcher Stunde aiiszusuchen pflegt. In einer der halbniedergerisseneii Ba racken da draußen habenSie sich mit ihm eingeschlossen-eingeschlossen, obwohl Sie nicht glauben konnten, daß eines Menschen Fuß um diese Zeit sich in jene Eint-de verirren werde. Erllaren Sie mir doe, wenn Sie kennen-— tön nen Sie’s nicht, so weiß mein Freund heute noch Atlee, wao ich von Ihnen gesehen habe. « Wie der Schatten eines Lächelns ging es iiber des Dieiiers Gesicht, aber lgleich war die alte, steinerne Ruhe wieder hergestellt. »Zu meiner Freude-« gab er zur Antwort, »bin ich in der Lage, eine, wie ich hasse, ge nügende Auelunst zu ertheilen. Herr Glohstedt hat sich durch Unternehmun i gen verschiedener Art-Genaue hat er inir dariiber nicht iiiitgetheilt——-ein kleines Vermögen erworben, das er gegenwärtig durch Veuspetiilationen zu vergroßern sucht Er hat ein paar der Baupliiue da dransie gekauft und will an Stelle der Hiiiilley die abgerissen werden, neue nnd graßere erbauen las sen. Vor einiger Zeit bereits hat er » mir den Vorschlag gemacht, meine klei inen Ersparnisse niit in diesem Unter ’nehnien anzulegen- Er verspricht mir thohen Ertrag, aber es ist nicht viel, was ich besine, und so können Herr Bohsen sich denken, daß ich rnir die Sache genau ilberlege und daß ich mehrfach mit deni Manne verhandelt habe. Heute Nacht nun wollte er mir die Pläne der Häuser —- ich verstehe ia nicht viel davon, aber man sieht doch gern die Dinge, sitr die man Geld her geben soll — und die genauen Berech nung-n verlegen. Das wer der Grund, « that tiile nicht tin Dreien- send-en in vvvvva, svvv v- sffffffffffs H I i i i . »me! einem der von Monsiedr angekansrenl Häuser zusammenlamem wo wir Licht anziinden und die Zeichnungen besich tigen konnten. Da auf dem Bauplatz bereits werthvolles Material vorhan den ist, hatte er mir eingeschiirst, die Thiir wieder zu verschließen, zu der er mir einen Schlüssel gegeben hatte.i Tie Aengstlirhkeit war vielleicht über- i trieben, aber in diesem Falle mußte ich ( mich doch wohl nach dem Eigenthümer i des Grundstiickes Und seinem Willens richten. Uebrigens bin ich Herrn Boh- i sen sehr dankbar, daß Sie die Sache’ zur Sprache gebracht haben—schon; lange hatte ich gern Herrn Buterweck um Rath gefragt, was er von jener! Bauspelulation halt. Vielleicht dars’ ich auch in dieser Sache um eine giitige Fürsprache bitten'r" « Bohicn halte ihn ausredenlassenH ohne ihn zn unterbrechen, aber er hatte i sich von ihm abgewandt und war an den Kaniin getreten, um nicht aus seinem Gesicht lesen zu lassen, daß er sich besiegt siihlte. War Alles gelogen, was der Mensch da liickenloth mit ruhiger Sicherheit vorbrachte? Hatte er ihm Unrecht gethan, und hatte sein verletzten Gefühl ihn blind gemacht? Er sah keinen Punkt, bei dem er sagen kannte: »Das ist nicht wahrl» er sand teinen Widerspruch, keinen uner tliirten Vorgan . Es blieb ihm nichts übrig, als ein n Wassenstillstand zu schließen mit diesem Menschen, der ihm txab alledem stets widerwärtiger nnd verdächtiger wurde, und mit sent zwang er sich zu srenndlicheni Adsch edss wert. - - »Sie haben mir da in der That eine genügende Erklärung gegeben, und ich bedauere, wenn ich Ihnen Unrecht ge than habt-. Ich will Sie also nicht länger aushalten-gute Nacht." «Dars ich die Lichter im Schlaszims mer noch anziindeii?« »Ich danle Ihnen, selbst.« »Dann habe ich die Ehre, eine gute Nacht zu wünschen Er war sort. Bohsen blickte ihm nach, den Verlans des Gesprächs noch einmal erwägend-dann lachte er aus: »Da hatten wir uns ja recht gründlich blamiri," sagte er zu sich selbst, »nun können wir einmal prabiren, wie Be siegte schlafen.« Er kleidete sich aus nnd legte sich nieder. Eine schwere Müdigkeit war nach all’ den Erlebnis fen dieser Nacht über ihn gekommen. Gleich einein hellen, freundlichen Sterne blickte Evas Bild nach einmal in seine schlunnnernde Seele, dann erblaßte auch dessen Leuchten in dem tiefen, dunklen Frieden eines traum lasen Schlasee. Es war heller, sanniger Tag, als er erwachte, frisch, heller, voll neuer Krust—er fand beim Eintritt in das ich thue es » Friihstiiitszimmer den Freund seiner Ischon warteud mit iniidein, blassem Ge sicht. ; »Hast Du nicht gut geschwenk sragte Boysen, ale der Morgengruß gewechselt war. . f »Ausgezeichuet. GenauzweiMinui sten und eine halbe. Das ist doch eine -Leistung, was2« »Mir wurde sie kaum genügen. War Deine Nacht wirklich so schlecht?" »Meiuent Feind wiinsche ich eine bessere. Ich habe gelegen und die Stunden gezahlt, als wäre ich der arme Teufel, den sie heute sriih in’s soge nannte Jeuseits befördert haben. Aber den haben sie dann wenigstens hiibsch in den Schlaf gewiegt ans dent nied licheu Schwungbrett der Guillotine — »wir ist es nicht so gut geworden ) »Aber, urrrico rni0,« rief Boysctl— »Du siehst, ich rede schon italienisch, unt Dich anzuheitern —- das ist ja das steine, graue Elend, das Dich plagt! fWie kommst Du dazu, mir auch von sdieser unseligen Hinrichtung vorzu erzählen, mit der uns Sassi gestern schon gequält hatt-» «Sasii!" Buterweck murmelte den Namen mit einem unsiiglich melancho lischeu Ausdruck-dann aber warf er Peinen Blick auf den Diener-, der basl Friihstiirt aufgetragen hatte, als wolle er sagen: «Vetlange nicht, daß ich vor diesem da meine heiligsten Gefühle f offenbare. « Und laut, zum Diener ge wandt, frigte er hinzu: »Sag’ einmal, August, ist denn diese Hinrichtung nun f auch wirtlirh gewesene . Der Nefragte war stehen geblieben i und gab die Antwort mit seiner kalten, halblantrn Stimme: »Die Exelntiott hat stattgefunden, uiie ich höre. Die rothen Zettel au den Anschlagsfiiulen sind bereite erichienen." . »Der Pasz tn die Ewigkeit," mur ntelte der Haueherr, »dantit auch Alles hiibsch seine Ordnung hat. Was soll denn der Kerl eigentlich ausgefressett haben-« Wieder der gediimpste Klang der kal ten Stimme. »Man spricht viel dar liber, es ist eine seltsame Geschichte. Der Mann hat sich selber angezeigt wegen eine-J Mordes, den er vor langen Jahren an einer Frau verübt hat. Man sagt, das Gewissen habe ihn dazu ge trieben-« Es war ein seltsanrer, schneidender Ton, indem dieser Mensch das Wort Gewissen aussprach, und mit absicht lich starkem Nachdrtnt siigte Bohsen hinzu, halb zu sich felbst, halb zu dem Freunde redend: »Das ltiewissenk Es ist doch etwas Großes, daß eine moralische Kraft in uns lebt, die stärker ist, als der Wille zum Bösen. « »Das hast Du wunderbar schon ge ggt « warf Buterweck ein, mit einem e nche zu scherzen, doch immer noch ais-M mildewie sum. Dann wandte Ist set-New m Im Die-km « d- THE-: ·«·«3-"’«""T--Z., s- « » , »Es in gut, August, Du kannst Igehen." Sie blieben allein, und Vohsen blickte kopfschüttelnd auf den Freund. »Was fehlt Dir nur?" sagte er in ernstem, herzlichem Ton. »Ich wollte nicht fragen, so lange der Mensch im Zimmer war, doch nun mußt Du reden. « »Ich habe die Absicht-aber zu ihrer Ausführung brauche ich eine ziemliche Portion von der sogenannten morali schen Kraft, von der Du eben gespro chen hast. Die kannst Du nach einer schlaflosen Nacht und vor dem Frühstück nicht von mir verlangen. Laß uns also vorerst dem sterblichen Menschen in uns sein Theil geben-—hier hast Du Honig siir ihn, wenn er ihn mag." Bohsen nahm die dargebotene, mit goldbrauner Flüssigkeit gefüllte Schale und sagte: »Wie Du willst, also nachher. Aber schwatzen muß ich zum Frühstück, mir ist nach Schweigen heute gar nicht zu Muthe.« »Zum Trapvisten habe ich eigentlich auch wenig Anlage," gab Buterweck zur Antwort, versank aber doch gleich in ein schweigsames Sinnen und beobach tete aufmerksam die feinen Schaum blüschem die von dem Zucker in seiner Tasse emporstiegen. »Na, dann also von etwas Heite rem," sagte er plötzlich, von seinen Gedanken sich lgkeiisznd ugq mit einem erneuten r zu zeu. »Weißt Du nach, wie bei uns Jus-use auch einmal eine Frauensperson umge lmntktgwurdeim . » enn dies das heiterste Thema ist, das Du heute finden kannst, bin ich auf die Anderen wenig begieri-g,» gab Boysen mit schwachem Lachen zurslnts wart. »Wir sind doch nnn einmal bei Mord und Todtschlag Erinnerst Du Dich der Sache nicht mehr? Vorhin, als August von dem Geständnisz des Mörders sprach, siel mir ein, ob viel leicht die alte Geschichte auch noch ein mal an den Tag kommen sollte. Man hat ja den Mörder niemals gefaßt. Weißt Du’s nicht mehr?" Boysen blickte nachdenklich vor sich nieder, und wie er so da saß, kamen die Gestalten der Vergangenheit, die er sries, in seine Seele. »Ja, ja," sagte er, ,,jetzt dämmert Jmir’s auf. Wunderlich, das; man so Jetwas so ganz vergessen kann, und doch Jnicht ganz, denn im Augenblick sehe ich sdas Bild wieder deutlich, EFZZLIiir Tdamals einen gewaltigen Eindruck ge nnacht hat. Ich war noch recht klein, und es war das erste Mal, dasz ich von einem Morde reden hörte. Wenn ich nicht irre, war ich im Garten, als irgend Jemand die Nachricht herein-J hrachte—«ich bin dann gleich hinaus gelausen den vielen Menschen nach, die alle in einer Richtung gingen» den Wall hinaus. Warst Du niat auch dabei-« »Ich habe leider den Anschluß ver fehlt — war damals todtungliicklich, daß ich die Umgebrachte nicht zu sehen kriegte. Der Mensch ist eine Bestie von Natur.« »Du hast nicht weniger gesehen, als ich. Die Todte lag auf der Böschung des Walles nach außen hin, nach der Stadtgrabenseite, wo die An lagen sind. Aber als ich hinkam, war schon eine so dichte Wand von neugie rigen Menschen um den Platz, daß ich kleiner Knirps vergeblich mich durch gudrangen suchte. Dann tam unser altes Mädchen und holte mich nach Hause-ich glaube, ich habe fürchter lich geheult." »Eine Befrie, sage ich Dir, eine Bestie,« wiederholte Buterweck, schwer müthiger noch als zuvor. Bohsen aber versank in ein neues und tieferes Nachdenken —- er legte die Hand liber die Augen, dann sprach er halblaut vor sich hin: »Und ich glaube fast, es war bald, nachdem-» »Was meinst Dur« fragte der Freund, als der Andere mitten im Satze schwieg. »Es ist Thorheit," gab Bohscn zur Antwort. »Ich dachte an einen Traum. Laß uns jetzt wirklich von anderen Dingen reden. Wir haben gefriihstiiclt, also nun vorwärts und beichte mir, was Dir passirt ist. Gestern Abend, als ich fortging, warest »Du seelenvers gnügt, und nun-« »Mit der vergnügten Seele war es nicht so schlimm. Es giihrte und kochte chon allerlei in mir —- zum Ausbruch ist die Krankheit freilich erst gekommen, als Du fort warst." Boysen blickte ihn kopfschüttelnd au, er kannte den heiteren Freund nicht wieder in dieser melancholischen Laune. Der zeichnete schweigend mit den Fin gern Figuren anf’s Tischtuch, dann sagte er: »Das habe ich freilich schon lange gewußt, daß es diesmal schlimmer war, als je zuvor.« »Was nennst Du schlimmer?" »Na, diese (-5)eschichte, diese dumme, mit der-mit ihr-—,zum Teufel noch mal, mit Saffi !« »Dann konnten wir diese dumme Geschichte ans gut Deutsch wohl Deine Liebe zu ihr nennen ?« »Wenn wir als litt de Maule-Mitt chen uns mit so poetischen Ausdrüiten n Unkosten stürzen wollten, dann konnten wir’s allerdings-« »Alle eine wirkliche, große, tiefe Leidenschaft?«« Buterweck sprang auf und lief im Zimmer hin und wider. »Die tiefste, die größte, die wirk lichste, die mich armen Erdenwurm semale heimgesucht hatt Aber bisher stinkva ans-. da« liest its-« »w t» D allerlei Stißtgteit ans der Gift-name saugen. Doch nun-—seit gestern-» »Seit gestern·r"« »Da sitzt der Mensch und fragt ganz ruhig wie ein gesiihlloses Echo: ,Seit gesinnt-« Als wenn Du nicht allein das ganze Unglück angerichtet hättest mit Deinen keuschen, blauen Augen Deinem blonden Haar und Deinem Prachtkadaverl Hätte ich Dich doch zu Hause gelassen! Aber da will man ein Kleinod zeigen, von dem man sich einbildet, es gehöre einem, und der weil verschwindet es ganz leise in der Tasche des Anderen, der noch nicht ein mal die Hand darnach ausgestreckt hat." »Meine Hände sind rein l« »Das weiß ich. Würde ich sonst mit Dir reden? Wäre es anders, ich hätte Dir heute bei nachtschlasender Zeit den Hals nmgedreht.« »Nun, zum Trost erkläre ich Dir noch einmal feierlich: Aus Sassi mache ich mir gar nichtsl Sie hat mir gefallen, körperlich, siir’sAUge, das ist Alles. Jch könnte aus den Gedanken kommen, sie zu malen, aber nie dar auf, sie zu lieben. Und wenn sie, was ich nicht glaube, die Absicht haben sollte, sich siir mich zu interessiren, ich würde dankend ablehnen müssen-« »Das ist’s geradei Das fühlt sie heraus-oh, diese Weiber sind schlan! —-und nun steht sie aus einmal in hel len Flammen. Ja, ja, ich sage Dir’s, in heitre-n Flammen! Alles hat bis jetzt nach ihrer Pfeife getanzt —- zum ersten Mal stößt sie ans einen Wider stand, nun tobt sie nnd rast sie. Wie hat sie sich betragen, als Dnsort warst stern! Mit den Füßen hat sie ge steampsh wie sie sah, daß Du ingest, oben ans dem Podium vor allen ten. Und als-die Kerls weiter applandirten nnd briillten, hat sie ihnen ein Gesicht geschnitten und gerufen: ,Ich singe nicht mehr, und wenn tausend Esel darnach schreien.’" Das Geheul hättest Du hören müssen-sie aber ab nach Kassel, in die Garderobe hinein, nnd kein Getrampel und kein Geschrei hat sie zuriickgerusen." »Hast Du sie nicht wieder esehen?" »Doch, gewiß. Als die Beute sich endlich müde gebrüllt hatten, nnd das alte Reff oben stand, die Lange mit den Apfelsinen, und irgend ein schenßliches Lied meckerte, da kam sie aus einmal heran an meinen Tisch. Jm Straßen kleid, ganz blaß, mit wiithendem Ge sicht, und nun ging’s über mich her, wie ein Wasserfall. Daß ich schuld sei, daß ich Dich sortgetrieben hätte aus alberner Eifersucht, daß Du der Einzige seist, der ihr je gefallen, das; sie sich ans mir und den Anderen nichts mache, gar nichts, weniger als aus der leeren Apfelsinenschale, die sie auf die Erde schleuderte. Und nun-weißt Du, das war doch komisch, so verdrieß lich ich übrigens war —- da kam dieser Mensch-—" Ein Lachen unterbrach seiner Rede Strom siir einen Augenblick, ein gur gelnder Ton, in dem Aerger nnd Heiter keit miteinander tämpften. »Welcher Mensch?" fragte Boysen. »Dies mit Pergament überzugene Gerippe, der Malersmann, der uns gegenüber saß-—ich meinte, wir hätten von ishm gesprochen ?" »Ja, ja, ich weiß, der Mann mit den Zuckerrüben." »Nun also, der schien den Moment siir günstig zu halten, der Schafskopf, und schlängelte sich an unseren Tisch heran. Jch glaube, er wollte sie trö sten. Gesprochen hat er aber kein Wort, das besorgte Sasfi! Schöne Dinge hat er zu hören gekriegt! Der darf’s heute nicht probiren, ob noch ein Hund ein Stück Brod von ihm nimmt. Er aber saß selber da, wie ein Hund, den man prügelt, und der noch immer dabei wedelt." »Und wie hast Du dagesessen, mein alter Junge?" »Laß mich in Friedeni Jch bin fort gegangen-ja, ja! Mit kurzem Ab schied-habe ihr gute Besserung ge wünscht, und dann hinaus. Aber in der Nacht habe ich dagelegen wie der alte, heilige Onkel auf seinem glühenden Rost-ich weiß nicht mehr, wie die Kreatur heißt, ist auch egal —- aber die Flammen, die mehr in mir, als außer mir waren, haben nach und nach einen Entschluß aus mir herausgegliiht. » »Nun, und?» Buterwcck war dem Freunde gegen über getreten, hatte einen der Stiihle an den Knänfcn seiner hohen Lehne er griffen, und indem er mit ihm auf den Boden stampfte, als könne er so den Worten größeren Nachdruck verleihen, sagte er: »Ich werde sie heirathen.« »Aber, Karl !" »Sag’ mir nichts, ich werde sie hei rathen. Das ist ihr noch nicht geboten. Die Kour haben sie ihr Alle geschnit ten, aber ich glaube, vom Heirathen hat ihr noch Keiner gesprochen. Das ist ein Zauberwort, das schon manche wilde Kahe zahm gemacht hat. Und wenn sie erst mein ist — was willst Du hier, was schnüfselst Du hier herum i« Die Worte galten dem Diener, der schon ein paar Augenblicke sriiher ein etreten war, ohne daß Buterweck in Peiner Erregung ihn bemerkt hatte. »Ich dachte, die Herren seien schon nach oben gegangen, und ich dürfte ab räumen,» lautete die Antwort. »Ueberlaß das Denken mit und scher’ Dich zum Teusel," herrschte Buters weck ihn an. Ohne Widerspruch, laut los verschwand der Gescholtene-Boh sen aber hielt die Zeit siir einen ver nünftisn Einwurf, einen freundschaft Mgn www-« .. . » - —