Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, September 06, 1895, Page 5, Image 5
Die montwischc Ekvtchun Ism- Isn yfäolenthtbsinth i GMMUUU «u derselben Zeit, in der Wem-a diee herrlichen Gedanken nuespann nnd mit glückseligen Phantasien ang nialte, war Heut-n in das Zimmer des Doktors Netnbold getreten und hatte diesem nach kurzer, hoflicher Be gküßnng eröffnet, daß er Geld brauche. »Ich bemithe mich lebhaft, obwohl ed mir widermiittig ist, um den ge wünschten Zeugen. Falls ich der Ge suchte bin, und ich sunge on, es beinahe jeht selbst zu glanben, so wäre esja thtiticht, wenn ich nicht auch etwas in det Sache thun lolltc, znsei Millionen sind la immerhin ein Gegenstand, fiik den man sich schon riihren darf," meinte Hemis. Jedoch ohne Geld kann ich in der Angelegenheit nichts bewirken nnd ich hnbe augenblicklich nur liber wenig zu neesiigem Unl ein gutes Stint in meinen Bestrebungen weiter zu kommen, benolhige ich zwei hundettsiinszig Gulden-Sind Sie so sest überzeugt, daß ich der Erbe bin, Herr Doktor, so geben Sie mir auch wohl noch so viel itrcdit, mir diese Suinme vorzustreeten » l f Otto breinbold schoß das Geld nicht gern vor. Er hatte schon vierhundert Gulden Henrh geliehen, und außer Inkttem dreihundert Gulden in der Ange . legenheit verbraucht. Die Auslagen wuchsen ihnt bedenklich an. Er hielt auch Henr , dein cr nicht in der besten Gesellschayt da nnd dort schon begegnet war, siir ziemlich liederlich. , Henrh errieth aus dem Gesichtsauss drurk des Doktors, was dieser dachte. , »Herr Doltor,« fuhr er daraus nach driiitlich fort, »Sie glauben vielleicht, daß ich das Geld siir mich verbrarrchen würde; dieser Gedanke wäre unter anderen Umständen anch wohl nicht so unrichtig——ich rnusz das bekennen; jetzt jedoch steht etwas aus dem Spiele, viel aus dem Spiele, Herr Dotier. Jch . brauche die Summe siir den Zweck, Z welchen Sie verfolgen nnd dem ich jetzt ) auch rnitErnst nachstrebe. Verweigern " Sie rnir den verhältnisnniiszig kleinen Betrag, so kann etwas verloren gehen, was nnwiederbringlich ist, eine Ge legenheit, die nicht wiederkehrt-« «K"onnten Sie nicht etwas weniger geheimnißvoll sein und rnir priizisere Andeutungen darüber geden, in welcher Weise Sie das Geld verwenden mits sen«.-" warf Ltto Nenibold ein. »Nein, das kann ich nicht,« entgeg nete Henrh rauh und kurz. »Geben Sie mir diesen itredit nach beiden Rich tungen hin, siir meine Person sowohl, wie hinsichtlich dessen, daß ich der zErbe bin, nicht—-rnm, dann muß ich anrch eben Jemand anders anvertrauen. ,abei kitnnte es aber leicht geschehen, st Jener Ihnen die Sache aus den . ändert wilnde. Den-n bin ich der be, so will ich auch in denr mir Ge hdrenden gelangen, nnd wer mir dazu verhilst, der ist mir willkommen !" Nembold überlegte, daß Blisum, salls er das Geld wirklich siir den angegebenen Zneck brauchte, Recht hatte. Der Ernst und !ltachdruck, mit dem Hean sprach, hatten etwas Ueber zeugendes. Der junge Anwalt glaubte, daß der Geldfordernde es jetIt siir die große Angelegenheit verwenden würde. iHatte er schon so viel ausgegeben, onnte es aus die zweihundertsiinszig Gulden auch nicht mehr anlomrnen. Vielleicht war in der Vergangenheit ·,dieses Mannes etwas, weshalb er ihn t« nicht klar in sein Tlsun blicken lassen wollte. ? s Doittr Neinbold ging an feinen Sekretilr, schloß diesen langsam auf, entnahm das Geld, schrieb einen Empfangschein, den Hean Büsuru mit Erlch Reinlena unter,;eichnete, und gab dein Bruder Gaudentiaa die verlangte Summe· Hean Biisutn dankte höflich kurz. »Das war das Vernunftlgfte, wati Sie thun konnten. Die Verweigerung die ser Summe hatte gar leinen Sinn ge h bi. Ihr Mißtrauen war in diesem F le vollig unberechtigt, wenn ich ca auch begreife,« bemerkte er. »Ich danke Jhnen,« schloß er freundlich " s« »Das wird Ihnen hoffentlich vielfach . ieder einkommen. Dafür werde ich init Eifer sorgen. « Nach diesen Worten verließ Henry das Zimmer des Doktors und auch ofort feine Wohnung, und lain erft pitt in der Nacht wieder heim-— Am nächsten Tage zeigte er fich der artig nachdenllich, unruhig nnd aufge regt, daß es Gaudentia, troydeni sie von ilkrer Leidenschaft io erfüllt war, daß e nicht wie sonst Alleainertte und ah, auffiel und-stutzig machte-. hk Bruder mußte irgend etwas Wich t geb vorhaben. »Gibt ed in der Crbschastaangelegens heit etwas Neues-« ertundigte sie sich daher bei Henrn. .Nicht das lsteringite,« wies dieser s rosf ab. »Die islcfchcchte sieht eine-n .ugenblirk, aber ich werde fie· schon wieder in Fluß bringen. Verlag Dich daraus, daa wird gefchehen," ver sicherte er· Gandentia schaute ihren Bruder " scharf an. jilfr Blut war wieder so weiß sunielud wie sliiifiges Silber. ean sah bleich aus-, attnnete schwer, ; I-« » Eine Augen flatterten unsicherer wie -— I· Iifotn und das nervafe Zacken seines »Gut tee machte sich verfinrlt bewert - Mar. Juffrouw Blisniu kannte ihren ..—.««-’ritder, ohne ichwerwiegende Ursache war er nicht in eineinfalchen Zustande Bedeulendee laa in der Lust its-. g--,Fz- »Es-se « »k und weil Henrn es ihr verheitnttchte, war es sicherlich nichts Gutes, sondern irgend eine bose That, bei derer die gand itn Spiel hatte. Gaudentias orge und Mißtrauen wurden verstärkt. Sie forderte Henrh aus, wieder tnit ihr in den«Cirtus zu gehen. Siesiihlte das dringende :1tediirsnisz, sich zu zer streuen. Tag letzte Mal hcitte ed ihr so sehr gefallen nnd sie wirklich von ihren schweren Gedanken eine Zeit lang be reit, erklärte sie ihm i Hean weigerte sich entschieden, heute in den Cittutz zu gehen, und ver s uchte, seine Schwester von dein Vorsatz adzubringen i »Warum dass-« srng s ich Gaudentim Es lag doch kein Grund vor, den Cirlus Zu meiden, sie von dein Besuche dessel en abzuhalten sehr-Herz zog sie dort hin, sie tviire gern jeden Abend in dem Bretterhaus gewesen, wenn es, ohne fiean aufsusatlein hatte geschehen onnen. Weshalb suchte ihr Bruder gerade heute sie ant Besuche des Cirlus zu hindern? »Ich mochte gerade heute gern in den Cirtus," beharrte sie. »Ich gehe nicht hin," sprach Henry «unwtrsch. »Es ist immer dieselbe Ge schichte und langtneilt mich.« »So gehe ich allein, ich bin alt genug. Es ist nichts dabei," erklärte Gandentin. »Du konntest auch lieber zu Hause bleiben, wir brauchen setzt Geld ge nug," meinte Henrh ungeduldig und sinster. »Für Dich sparst Du nicht, aber siir mich wirst Du plötzlich so sparsam,« wars sie bitter ein. »Ganz gleich, Du brauchst nicht alle Tage in den Cirtus zu gehen· « »Alle Tage?« lachte tslaudentia »Sonst treibst Du mich, auszugehen, hast alle möglichen Grunde, weshalb ich unter die Leute gehen, mich zer streuen soll, und nun mit einein Male willst Du nicht. Was liegt siir ein Grund vor, das; ich nicht in den Cirkus soll?« «Keiner.» »Also werde ich gehen." »Ein Mädchen geht nicht allein in den Cirtut5; Du bleibst hier," befahl Henrn. »Hast Du mir zu besehlen? Ich gehe!" »So werde ich Dich einschließen »Und ich Dich aus meiner Wohnung hi nattdwersen « Diese Worte waren in einem Ton gesprochen, den Hean kannte. Es war nicht ntit seiner Schwester zu spaszem wenn ihre Stimme in der Weise schnei dend klang. »So ehel« rief er zornig und wandte Pich um. Jedoch that er dies nicht schnell genug, daß Gaudentia nicht noch die Veränderung seiner Ge sichtsziige tvahrnahnt, welche sich so höhnisch lachend verzerrtem daß sie schauderte nnd das Herz ihr still zu stehen drohte. «Wad hat er nur vor? Was kamt iae sein«-» srug sie sich ängstlich und öesargt. »Mit-W etwas indetnCirtusP Wie tomtnt ader der Cirtue dazu, in seine Angelegenheit hineinzuspielenP Jch werde jedenfalls htngehett.——8a, ich gehe hin," sagte sie laut, die Augen » Izs ihren Bruder bestem-. » Dieser hatte sich abgewendet undI tnachte sich ittt Zimmer zu schaffen. l »Du begleite-it michaiso nichts-« srug i Gaudent ia» nochmals. l »Nein," brummte Hemis. ! »Dann lebe wohll« sprach Gan-i dentia, ging in ihr Zimmer, kleidete sich an, und verließ wenige Minuten später das Haue-, eilsertig den Weg zum Botertttarlt einschlagend. l l2. Kapitel. i Es gibt zweierlei Arten, wildes Thiere zu bandigein die zahme und die wilde Bandigung. Bei der erstgenann ten sind die sogenannten Zahmnngsi mittel: Geduld, Nachsicht, vorsichtige, sanfte Behandlung der Thiere, gegriins « det aus genaue Charakterlenntniß der selben, oftere Darreichung von Lecker bissen und dergleichen mein-. Dies be wirkt, daß die Thiere den Bandiger gern haben und schließlich mit ihm umgehen und spielen, als wäre er ein guter Kamerad. Die andere, die wilde Zithmung wendet Gewalttitittel an, sie strebt darnach, daß die Thiere den Bandigerstirchtem seinen Winken des lb solgen; iie arbeitet daher mit trafen durch die Drahtpeitsche, mit Schreckmitteln, wie Schießen, mit Feuerbränden, welche die Bestien ein schlichtern und blenden. Die Vorstellungen dieser Art spielen sich sehr schnell ad, werden meist in engen ltiisigen aufgeführt und hinter laisen einen beeingitigendem peinlichen Eindruck, want-end die zahme Brin digung bei dem vzzuiehauer Bewunde rung dariilier hervorruft, wie weit es der Ziitmicr in dem ireundschaftlichen Verkehr mit .den großen geflirchteten Naubthieren gebracht hat. « Erich war ein großer Meister in der ! zahmen Dressur. Er hatte eine ins-i glaubliche Geduld; die Barmherzigkeit und die Liebe für jede- Kreatur, die ein Haupttennzeichen seinesCliaraltcrs waren, ließen ihn in diesem Berufe ungewö nliche Erfolge erzielen. Man vergaß i den Vorstellungen, die er gab, daß es Löwen waren, mit denen Arrigo Ninconi so lustig spielte, in dem großen ttiifig lich l)crunijagte, allerhand Straße machte und komische S enen auffuhr-te Die wilden Bestien erschienen, weint er mitten unter ihnen lich besand und zu innen sprach, die Harntloflgteit und lsiutartlgleit selber. Das war ia auch bitt meinem oc ,—— « wissen Grade wirklich so; aber ed gad hier eine Grenzlinie, die nicht über schritten werden durfte, ohne daß ein schreckliches Unglück bliffrhnell eintre ten konnte. Der Bänd ger mußte aux das Schärsfte die Thiere beobachten, o sie guter oder böser Laune, ob sie durch irgend etwas aufgeregt oder vielleicht trank und aus diesem Grunde unwirsrh und zornig waren. Fand dies statt und verlangte er von solchen etwas, das den liebellaunigen nicht gefiel, so trat sofort die wilde, tiickische Bestie hervor, und die furchtbare Kraft dieser Thiere konnte dem Vändiger verhangnisivoll werden. Das wissen alle Eingeweihten, und die Leute im Cirkus lassen die größte Vorsicht walten, damit an den Vorstel lungstagen die Thiere durch nichts aufgeregt und aus der ihnen so mühe sarn anerzogenen Ruhe und sorgsam erhaltenen guten Laune gebracht werden. Erich Reiniens pflegte jeden Vor mittag mit seinen Löwen in dem Vor stellungsraum zu spielen und diesen eine Stunde fröhlicher Freiheit außer-« halb ihrer engen Tagesliisige zu gestat ten. Dabei sah er dann, wie das Ber halten jedes einzelnen war, und wer von lseinen ,,Atteurs« ihm nicht ganz gefie , der wurde Abends von der Vor stellung ausgeschlossen. Jeeer rowe trug em starkes Leder haldband mit einem eisernen Ring, und am Eingang des Vorstellunge teifigs hingen kleine, starke, verschließ bare Ketten. Kam es nun vor, daß bei· den Vormittagduroben oder bei der Vorstellung die Thiere in Streit ge riethen, einer der Löwen sich zu iibers miithig oder verdrießlich zeigte, so nahtn ihn Erich beim Halsband, zog ihn zu der Kette, befestigte ihn vermit telst dieser an der Vergitterung, machte dadurch das Thier unschädlich und gab ihm auf diese Weise eine wilde Strafe. Manchmal genügten wenige Minuten dieses Versahrene, den Unartigen oder Widerspenstigen zur Ordnung zu brin gen, hier und da mußte einer ange- ’ leitet bleiben. Diese Methode wandte Erich stets mit Erfolg an. ; Er hatte am Vormittage Probe mit den Thieren gehalten, sie spran en « lustig wie junge Katzen in dem grogen ; Gitterraunt umher, lauerten einander « aus, rannten sich um, kugelten durch einander, und zeigten sich fröhlich. Nichts erinnerte an die Furchtbarkeit der harmlod Spielenden, als gelegent liches bedenkliches Krachen, wenn eines der Thiere an does isiitter flog, der donnerude Aufschlag bei den oft stinf Meter weiten Sprüngen anf dein-Bret terboden und ein kurzee Fauchen ab und zu, dad höchst widermärtig an das Ohr drang. Erich scherzte unt den Thieren, jagte den itniiuei der Zusam men esturzten hier und da auseinander und Zorgte slir ein friedliched Spielen, ähnlich dem Lehrer, der eine liber rniithige Klasse auf dem Schulhose in der Zwischenpause leitet. Er fand die Lotven heiter und geiniithlich, wie immer, und er hatte keine Gelegenheit, eines der Thiere anzutetten oder dem selben seine llbiiche Jiiischerei und Be lohnung sür gutes Verhalten, bestehend in einem kleinen Stückchen Fleisch, zu entziehen. Nach dieser Probe ließ Erich die sechs Löwen wieder in ihren Reisig den sie, ohne gu zögern, auf seinenkiuf hin willig un eilig betraten. Ihre enge Behausung wurde hieraus, damit sie ruhig blieben, durch Zuziehen der oberen und unteren Holztlappen dunkel gemacht. Nachdem Erich sich iiberzeugt, dasz Alles in Ordnung war, traute er noch einmal dem Löwen, der sich an das Gitter drängte, unt die ge wöhnlichen Schmeichelworte zu hören, die Mahne und verließ den Grind-— ES ist Gebrauch, beim Ansziehen junger Löwen in den Menagerien ihnen, wenn sie andauernd rniide schei nen und geringe Fresziust haben, etwa einen Theeldffel itognal in die Milch u gießen. Die Thiere lecken säch iilch mit Begierde. Die Einw I dielser kleinen Portion Alkohoi auf die wi den Thiere ist jedoch so stark, daß man sich hiitet, einige Stunden nach dieser Labung in die Nähe der Bestjen zu kommen. denn sie zeigen sich dann eicht reizbar und tückisch Bei erwach enen Thieren wird auch hier und da in ogenonnten »Bleichsuchtefiillen" von tesem Stärkungsmittel Gebrauch ge macht Vor dem Beginn der Vorstellung er halten die Thiere eine leichte Fütte rung und darauf eine Schale Milch. Erich pflegte sonst stete bei dieser Spei Lung zugegen zu sein. Heute jedoch er ielt er einen Pries, der ihn ausspr derte, in einer wichtigen Geschäfts angelegenheitnach dem siase Vandei zu kommen. Er war einigermaßen erstaunt nber diesen Brief. Da er jedoch mit dem Namen einen ihm von der Perlen sischereistntion icossat her bekannten Fiapitatw unterschrieben war, begab et sich in die entlegene Parkstraste. Er traf dort dipxsietressenden nicht und eilte sofort nach dein Ciran zurück, um die Futter-trug nicht zu versaunten. Eine Zeit lang hatten die Wärter mit der Futterng aus den Anwendun diger gewartet. Ta jedoch Arrigo Nin eoni heute nicht zu kommen schien, aben sie den vornen ihre vorgeschriebene ortion und zu je zweien ihre Schale Milch. Sie nahmen nicht wahr, daß, wäh rend sie die übrigen Thiere des Eiran versorgten, der Tigerbandiger Stockton den braunen Inhalt eines kleinen Fläschchens in die Milrhschale der bei den größten sten goß. Nachdem der Schotte das heimlich und schnell ge tbatt....tvattderte er ruhitu wie vorber » - seht-f an den Kotigen auf und ad uno fah der Fütterung feiner Thiere zu. Die Käfige der Raubthiere wurden wieder verduiilelt, und jeder der Ange stellten des Cirkus ging an fein Ge schäft, die Vorbereitungen fiir die kom mende Vorstellung zu treffen. O Gaudentia hatie sich in den Cirlus begeben, so schnell die Benutzung ver schiedener Omnibuslinien dies zuließ. sSie war in großen Sorgen, sie glaubte schon das große Bretterhaus in Brand zu finden oder sauft irgend etwas Un heilvertiindendes darin zu gewahren. Die Rotunde stand jedoch da, wiejeden Abend bisher. Die Leute strömten hinein, so erwartungsvoll und lustig, wie immer, und die verschiedenen Ange stellten, welche sie scharf prüfend an fah, hatten ihr täglich gleichgiltiges Gesicht. « Das beruhigte Goudentia einiger maßen, die heute einen Platz auf dem ersten Rang nahm« Sie wußte nicht recht, warum; es geschah aber offenbar, um recht in der Nähe des von ihr fo schwärmerifrh verehrten Löwenbäm digers zu fein. Was konnte ihr das nützen? War sie ini Stande-, dem geliebten Mann zu helfen, wenn ihm etwas geschah? Er war ja durch einen Gitteriiifig von ihr geschieden. Außerdem hatte er nur ein mal flüchtig ein paar Worte mit ihr gesprochen. Er kannte fie kaum und erinnerte fich vielleicht ihrer gar nicht mehr. Was durfte, was konnte sie ihm hier sein«-L »Ich bin auf diese Weise wenigstens im Stande, Alles genauer zu sehen und zu beobachten, was vorgeht, als von dein zweiten Range,» sagte sich Gaudentia, und nahm ihren them-en Sitz dicht an den Eifenstaben in der ersten Bankreihe ein. Hier saß sie jetzt voll Unruhe, das Herz bedriiekt von allerlei unklaren » l» edanken, und baugte um alles Mög Tliche, dao sich ereignen konnte. Jhr ; war triib uno schwer zu Muthe. Seit der klkiicktehr ihres Bruders und dem gewagteu Unternehmen hinsichtlich der Erbschaft, in dass-halb durch Um istände gezwungen, halb freiwillig-— ;sie sich eingelassen, hatte sie keine J ruhige Stunde mehr gehabt. Ihr Leben s war immer sorgenvoll und peinlich ge swesen, von dem verhängnisvollen Tage ijedoch, da Henrh tu ihr trat und den IEntschluß ihr mittheilte, auf Grund l dieser Papiere fur den Erben sich aus « zugeben, trat-en die Sorgen anders ge sworden, driickender, peinlicher, benag I stigender, aufregender. ' Jhre sonst so unverwiistliche Ge sundheit begann unter dieser Last zu wanken. Der Schlaf floh ihr Lager. Die Sorgen hausten sich- sie hingen wie Centnergewichte an ihr. Die An gelegenheit ging unendlich langsam oorruartd, es wuchsen Schwierigkeiten empor. Sie hatte schon die Hälfte ihrer so sorgsam verheimlichten Erspar nisse-zweihundert Gulden-»für die Sache geopfert und Henrh allmälig geben miissen. Der Doktor sollte nun auch noch Henrh tausend Gulden siir die Bestechung dees Zeugen geben. Der Täuschung über die Person des Erben folgte eine zweite böse Sache, die sie mit ansehen, bei der sie gewissermaßen helfen mußte, und sent briitete und plante Hean noch etwas, gewiß etwas furchtbar Schweres-. Tar- war eine Kette, die sie umschloß, immer fester und fester. Gaudentia schauderte. Da nahm die Vorstellung ihren Anfang. Die Istauen und Hunde erschienen an diesem Abend nicht, ebenso wenig die Storchkiinstlerin Der Cirtue war aus stete Abwechselung bedacht; an Stelle dieser beiden tinnstleistungcn zeigten sich daher heute wunderbar dressirte Schweine, die Leitern auf und nieder stiegen, und ein Fuchs-, der mit zwei Henuen manierlich Skat spielte, wobei der Firhrer den Werth der geworfenen Karten dem Publikum mittheilte. Die Paar ewannen die Partie, der s ver engte sich, aus den Hinter inen stehend, vor seinen beiden Part net-innen galant und hofåech Tae war sehr hübsch Nun latn Arrigo Ninconi an die Reihe. Die Wärter zogen seinen Lowenkiisig der ebenso wie der Tiger kiifig auf Rädern stand, an das Ein gangögitter zn der Eisenftabrotunde. Erieh betrat schnell die Arena, die Gitterthiir zum t«o"wenliifig wurde auf gezogen, die Löwen folgen dem Bän diger in den Vorstellungsrantn, nnd der Käfigwagen wurde wieder zurück geschoben an seinen Platz nebelt den Tigerlitfig, wo Stockton stand nnd in die Arena schaute. Die Eifengitterthiir deo gewaltigen Arenakiifigo war in ihr Zehnaupschlofz gefallen, und Erieh allein mit seinen Löwen in dein abgespeist-ten Raum In dein lsiange, der zur lsiitterarena fiihrte, waren, wie das jeden Abend ftattsand,alle Vorkehrungen fiir etwaige unangenehtne Zivifehenfalle getroffen. Es lehnten scharf geladene Gewehr-e in ihren Haltet-n, und über tsiaeflannnen glühten die Spitzen mehrerer langer Eisenstangen. Von hier aus konnte man gut in die Arena sehen, und hier hielt sich der Direktor ans und liber waehte die Vorstellungen Zwei War ter hatten ihren Posten an der Gitter thiir, die übrigen befanden sich bei dem Direktor-. An diesem Plane pflegte auch regelmitßtg Fräulein Sigiennund sich einznfindem wenn Arrigo Rinconi bei seinen Löwen in dem großen Käfig war. So stand die Storchliinftlerin auch heute neben dein Direktor und schaute Arrigo zu. Vier von den sechs Löwen waren vmntex und .luftia. wie immer. aus dein » « »V Käsig in die Arena gesprungen, zwei gingen langsam und mürrisch und leg ten sich nieder-. Erich ließ sie vorerst unbeachtet. Das kam manchmal vor. »Wenn der Cirkus sehr voll war, die Luft heiß und schwer, wirkte dieser Umstand im ersten Moment etwas« niederdrückend auf die Thiere. Heute ! war das große Bretterhaus ungewöhn- « lich stark gefüllt und die Luft nicht gut. i Erirh rief die beiden Löwen, damit sie sich an dem Jagdspiel betheiligten; der eine, ein großes, nicht mehr ganz junges Thier, brummte und leistete der Aufforderung nicht Folge. Crich hielt es für gut, den Uebelgelaunten anzuketten, er nahm ihn beim Hals band nnd zog ihn zum Gitter. Der Ungehorsame leistete Widerstand. Er stemmte sich gegen den Boden fest, setzte sich mehrere Male, aber es e lang dem Vändiger verhältnißmä ig schnell, das brummeude Thier an die Stabe zu schließen Jetzt wandte sich Erich dem anderen Löwen zu und rief ihn mit freundlichen Worten an. Jn diesem Moment duckte sich das Thier und schlug mit dem Schweif einmal heftig den Boden. Erich machte einen Schritt dem Ansgange zu. Was nun erfolgte, war das Werk weniger Sekun den Man sah einen ungeheuerlichen Sprung des Löwen, wobei die Bestie den Schwanz seltsam starr hoch hielt. Man hörte ein donnerndes Gepolter, dann lag der Bändiger am Boden, und der Löwe aus ihm. Eine Todtenstille war im Cirkns eingetreten, nnd man hörte einen dumpfen, röchelnden Laut des Löwen, der mit seinem Schweif laut dröhnend aus den Bretterbelag der Arena schlug. Dann gellte ein entsetzlicher Schrei durch den Eirkus, und man sah eine Dame von der ersten Sihreihe an die Stäbe des Gitter-s sich klammern. Dieser Schrei schien die Losung zu einem schrecklichen Lärmen und Hilfe rufen des nach mehreren tausend Köp fen zählenden Publikums zu sein. Alles erhob s ich, drängte nach den Ausgängen, und eine furchtbare Panik entstand. Dann ward es mit einem Male wieder still. Denn ein seltsamer Vorgang in der Arena fesselte und lähmte das Publikum in athemloser Spannung. Eine junge Dame, die Staatskunst lerin Sigismund, eine glühende Eisen stange in der Hand, hatte die Gitter thür ausgerissen und war in die Arena eingetreten. Sie stürzte sich, gefolgt von einigen Wärtern, die gleichfalls dieselbe Waffe trugen, aus den wüthen den Löwen, dieser erhob beim Erblicken der gegen ihn Zueilenden den Kopf, starrte mit unheimlich weit geöffneten Augen das Mädchen an, sauchte laut nnd sträubte seine Mähne noch höher. Das Mädchen rannte furchtlos aus den Löwen zu und hielt ihm die glühende Eisenstange vor die Angen. Der Löwe erhob sich schnell von seinem Opfer und ging langsam rückwärts mit einge klentmtem Schwanz rauh brüllend und fauchend, und drückte sich auf die ent gegengefetzte Seite gegen das Gitter. Diesen Augenblick benutzten die Warten den daliegenden Bändiger aus der Arena heraus zu schleppen, eine starke Blutspur bezeichnete den Weg. Bertha Sigisntund folgte eilig dem Berungliirkten und wars die Gitterthür« hinter sich in das Schloß. Die Löwen in dem Gitterranm sprangen wie tollI umher, sauchten und brüllten, daß es gräßlich anzuhören war. · Die Musik, welche mit einem grel len Mißlaut plötzlich zu spielen aufge hört hatte, setzte mit einem lustigen Stück wieder ein. Das Publikum be-· ruhigte sich, kehrte ans seine Plätze zurück, und mehrere Leute von der ersten Sitzreihe bemühten sich, Gaudentia— denn sie war es, die mit dem zuerst ge hörten Entsetzensschrei zu dem Gitter hingestiirzt und verzweislungsvoll dort sich angeklaunnert hatte-von ihrem efährli en Platzewegzubringem Man ielt daf r, da die Dame aus alle an ie gerichteten Fragt-n keine Antwort gab, sondern die Frager verständniszlos nnd wild anstarrte, daß sie durch den ausregendeu Vorfall nnihnsinnig gewor den sei. Hinter dein Gange zu der Arena be fand siih ein Bretter-verschlag, der tape zirt war nnd einen großen Tisch mit ausgelegten Zeitungen und einige Stuhle enthielt. Der Raum führte den Namen: das Konversationözimmer nnd diente lzum ttlufenthaltsorte der Artisten, zum Verfammlungern-te der unbesehiiftigten Angestellten und Gast spieler det- Cirtue überhaupt. Jn dies Zimmer hatte man den Lorvenbandiger Arrigo siiinevui gebracht, und hier hat ten sieh aus der Zahl der Zuschauer einige Aerzte eingefunden, welche den Vernngliickten untersuchten. Der Larve hatte ihn in die Schulter gebissen nnd ihm mit den Tatzen den Arm zeifleisch lDiese Wunden schie nen den Renten nicht so bedenklich, wie die andauerude Vesinnungslosig keit des Liiirtdik1e1«s, hervorgeruer dnrrh seinen Sturz, als der Löwe mit der vollen straft gegen ihn ansprattg. Sie verlangten nach Verbandzeug Man brachte eine Schachtel aus dem Zimmer des Direktor-ex die das Nathigste davon enthielt. Der Vorrath reichte nicht. Beriha Eigisnmnd wußte durch Rin coni, daß er in seinem alten grünen Matrosenholzkofser, den er sehr tverth hielt nnd überall niitschlepptc, nach seiner vorsorglichen Art Verbandzeng aufbewahrte, sie eilte in den Antleides ramn des Verwundeten und sprengte vermittelst einer großen Scheere und eines Hammers-, die hier lagen, die verschlossene Lade auf. Die Angst unt Verzweifluna aaben ihren feinen. ischmalen Händen eine Ungeahnte Kraft. Bertha fuchte hastig nach dem Verlang ten, sie fand es, ergriff das Bündel und war damit schon an der Thiir des Raurnes. Da entfiel ihren Händen ein Büchelchen, das sie in der Hast mitge packt hatte-, sie hob es anf, nahm sich jedoch keine Zeit mehr, das Ding in den Koffer zurückzulegen, sondern schob es in ihre Tasche und eilte znni Ver fammlungszitnnier zurück. Dort hatte man indessen einen neuen Vertvundetcn niedergelegt Der Tiger biindiger Stockton war, im Blute schwimmend, unter dein Käfig seiner Thiere gefunden worden. Die rechte Seite desHalseS des Schatten zeigte eine gräßliche Wunde, die Schlagader war aufgeriffen, nnd der lingliickliche fast schon verbluten als man ihn ent deckte. Es gab nur eine Erklärungfiir diefen neuen Ungliickssall. Man Butte, mäh rend Rinconi die Arena etrat, den Schatten vor seinem Tigerkäsig stehen sehen. Jn dem Momente der Er regung, als das Gräsiliche in dem Bor stellungstäsig sich abspielte, mußte er dann wohl zu nahe an seinen Käfig ge treten sein. Das Gebrüll und Gefauche der Löwen hatte unzweifelhaft auch die Tiger im höchsten Grade aufgeregt und wiithend gemacht, und einer von ihnen, wie das in solchen Fällen zu geschehen pflegt, hatte durch die Gitterstäbe des Käfigs einen tlickifchen Tatzenschlug nach dem vor ihm Stehenden ausge fnhrt, den Hals getroffen und den Mann zu Boden gerissen. Für diese Annahme sprach auch die Verwundung der rechten Halsseite nnd die Lage, in welcher Stockton unter dem Käfig wagen entdeckt wurde. Die Aerzte waren dieser schrecklichen Verletzung gegeniiber machtlos. Jn der allgemei nen Verwirrung war der unter den Wagen Gerollte zu spät aufgefunden worden; er verschied wenige Minuten nachdem man ihn in das Zimmer ge bracht hatte, an Verblutung. Der Direktor begab sich in die Arena und iiindigte dem bang lauxchenden Publikum an, daß das Befin en des Lowenbändigers nicht hoffnungslos sei, die Vorstellung für heute jedoch nicht fortgesetzt werden konnte. Die Anwe senden diirften aber ihre Karten für die nächste Vorstellung behalten. In dem Konversationszinnner fand sich eine Abordnung der Polizeibehörde ein, welche den Thatbestand sorgfältig auf nahnu Die Aerzte ordneten eine Verbrin gnng des verunglückten Läwenbän digers, dessen Bewußtlosigkeit immer noch fortdauerte, in das Spital an. 13. Kapitel. Hean Biisum war nach dem Fort gehen seiner Schwester allein in der Wohnung zurückgeblieben Jhm kam der hartnäckig festgehaltene Wunsch Gaudentias, an diesem Abend den Cir tus zu besuchen, hochst ungelegen. Un ruhig ging er in seinem Zimmer auf nnd ab. «Weibereigensinn,« murmelte er, ,,gerade heute, und ich konnte sie nicht länger abhalten! Die Sache schien ihr schon verdächtig, nnd sie ist klug. Jetzt mag sie sehen, wie sie mit ihren ar ten Nerven fertig wird. Es war liber izanpt dumm non mir, sie von dem 5irkns fernhalten zu wollen. Weshalb that ich dies eigentlich? Diese zarte Stiiicksichtnalnne auf ihre Nerven war unnöthig, sehr unnäthig Ich ließ mich dann auch von meinem Aerger fort reißen, das soll man nicht, das ist fatal bei einer solchen Person, wie Gaudentia, die das Gras wachsen härt. Es wird viel Miihe kosten, ihr diesen Verdacht zu nehmen« « So murmelte Henry verdrießlich vor sich hin, indeß er seine rastlose Wan derung fortsetzte. Alle Miether seiner Schwester waren ausgegangen Heurn war ganz allein in der großen Wohnung Plötzlich schallten thm seine Schritte so laut, so unheimlich entgegen· Es war eine sonderbare Stille in dem Gemach, Hean gian leiser-: seine Gedanken irrlen um den CiriutL Er zog die Uhr, athmete schwer und zündete sich eine Cigarre an. Er lief in dem Zimmer hin und her nnd rauchte in schnellen Zügen, schneller-, immer schneller. Er schmeckte gar nicht, daß er rauchte und nahm die Cigarre öfters aus d in Munde und betrachtete sie. Dann wars · er sie verächtlich weg und wanderte wie der weiter-, die Uhr in der Hand. Mit einem Male schritt er zu seinem Koffer, entnahm diesem einen kleinen Hut anderer Form alg jenen, den er sonst zu tragen vsleate, zog eine blaue Brille ans einem Futteral, bedeckte mit dieser die Augen, setzte den Hut auf und verliest, mitleisen Schritten die Treppe l)inalisteigend, eilig die Wohnung. Er ging zum Cirkud und schritt dort, ald wenn er auf Jemand warte, gemiichlich mn das Bretterhaus. Mehr als eine Stunde war schon seit Beginn der Vorstellung vergangen. Da vernahm Heut-n von innen einen seltsamen Laut. Ein dumpfes, kurzes Ausbriillen der roweu nnd ein mark durchdringendes tausendstimmiged Ge schrei. Hean stand einen Moment wie angewurzelt, er zitterte und reckte sich dann gewaltsam in die Höhe. Leute entströmten mit ausgeregtent Gebuhren dem Eil-tild, sie riesen, sprachen, Kin der weinten, Frauen schluchzten. Bli sum näherte sich einer Gruppe der Letz teren, welche aus dem Plane Halt ge macht und etwaet erregt sprachen. Er hörte, daß der Löwenbändiger von einem Löwen angefallen und errissen worden tei. Ein zweiter warm