Grand Island Anzeiger und Herold. (Grand Island, Nebraska) 1893-1901, August 30, 1895, Page 5, Image 5

Below is the OCR text representation for this newspapers page. It is also available as plain text as well as XML.

    Its-s m D. Islenthst
« Witwe-) l
; Mdifini hatte lerne grose zw
Mnde ans dein Boterrnarkt errichtet,
— dorthin strebten zu der heutigen
- » dritten Vorstellung in den Pserdehohs
sin, ans den Kaniilen, in Schifschen
- nnd Zu Fuß über Brücken und durch
e Gäßchen in ganzen Zügen
Inner, Frauen nnd Kinder-.
In den Eingangspsorten des Cirkus
gab es ein großes Gedränge. Bald war
M gewaltige Bretterhaus auevertaust,
und kein Platz mehr zu haben. Kopf an
Leds war die Menge gedrängt, ed
schwirrte von Stimmen, ed rauschte
von den Bewegungen der Menschen
rnassr. Die Gaslampen, welche von
oben herabhingen, gossen ihr röthlich
lhei Licht aus das buntfarbige erregte
hlikum. Alles schaute gespannt auf
die Arena, in den Gitterraum, der
einein riesigen, ungeheuren runden
lkiisig gleich sah und die ganze
R tbahn aus iillte.
Die Musi ertönte in der bekannten
retten Jnstrumentation mit ihren
rk hervorgeht-denen Rhythmen. Blech
und Bauten thaten ihre Schuldigieit,
und die Klarinetten slöteten lang
gezogene Melodien.
Pldhlich schwieg das Orchester-—
iinderte das Vortragsstüch und es er
schien in dem Gitter-kaum der Berliner
mit seinen beiden Katzen, die heute
nicht sangen, aus denr Arm, gefolgt
von einem indisch getleideten Diener,
der einen Kasten nnd ein Vogelbauer
trug. Das erste Stück der Galavorstel
lung begann-es war sozusagen ein
die Zunge kitzelndes Vor-essen. Der
kleine schmächtige Herr mit den ausfal
lend krummen Beinen, dünnen Armen
»und dem schmalen Köpschen ließ anf
einer Art Riesentisch einen Kanne
tanz, eine Franyaise aufführen von sei
nen zwei Katzen, vier weißen Miiusen
und-zwei Kanarienvögelm
Das war ecn wunoekvatev, noch nie
gesehenes Stück. Die so verschieden
artige kleine Thiergesellschast produ
irte sich, wie wenn sie bei dem ersten
anzmeistet der Stadt einige Winter
hindurch Tanzstunde genommen hätte.
Hier und da wollte sich zwar ein Paar
nicht zusammenfinden. Die Mäuse lie
fen um ihre Banner-, die Vögel, ver
schiedene Male seht wild und ungeheuer
schnell herum, so daß die Verbeugungen «
der Vögel in die Luft gingen, und es
gab dann einige Verwirrung, weil auch
die Kahen die Haltung hierbei ver
loren nnd auf vier Beinen statt ans
zweien ihre Sprünge machten-aber
dergleichen Verwirrt-un en kommen bei
den Kontretiinzen der enschen ja auch
m.
Dus Publikum lachte darüber, amiis
sirte sich doppelt; der Berliner aber
half mit einem winzigen Gertchen bei
sein Künstlern nach und stellte jedes
mal Znell die schönste Ordnung wieder
her. r trat nd, die Katzen unter dem
Arm, die Mäuse und die Vögel gingen
in ihre Behälter, und ein lauter Jubel
und heftiges Hervortlatschen folgten
i
m.
Henry Biifum und seine Schwester
hatten im zweiten Rang ihre Plätze
genommen und befanden sich etwas hoch
nnd iemlich weitvon dem Käfig, konn
ten kedoch recht gut sehen.
Gandentia hatte sich auch über den
seltsamen Kontretanz sehr umiisirt und
lich gelacht.
etzt kamen die Seehunde. Der
schweigsame steife Mister Smith in
dem marinedlauen Rock mit den Gold
tan en, den weißen Hosen, die ld
d rte Kupitilnsmüse ans dem nhli
blonden Krauslzsaah sah sehr seemlißi
m. Er legte seine drei Hunde qu?
schng gestellten Brettchen, gab zwei
von ihnen Handtrommeln in die Flosi
sen, dem dritten eine Guitarre, und
die dem Meere e tronnenen schwarzgrau
zliin nden No ben mit den runden
dpszeen und den großen klugen Hunde
nngen machten ihre Sache se r ni.
Sie knnzertirten, sie tauchten seier,
wie alte Matrosen, allerdings kam
nicht viel Rauch aus ihrem Munde,
nnd einige Male mußte ihnen die
Pfeife, weil sie hernusglity besser
ifchen die Zähne gesteckt werden-—
das schadete nichts.
Zulett schossen sie Pistolen ab,
wol-ei die Seehündin in Ohnmacht fiel
nnd sich iu anerkennen-wendet Weise
gleich einer nerodsen Dame benahm,
wenn sie auch ein IenlgzulanMTch
ans dem Riickeu hin nnd her zte
nnd solch’ ein Gefallen an der Stel
M zn finden schien, dtß es »rrn
Nicht-wie M. sie ums breit
nnd zum Wien veranlassen
Be- keidefttt M kkstlzruäarsen
eng W, a de ie
Diese Biere el gleichsam sehr.
sin- kcmen d eElephanten und dann
die J MI- gis M
Unigin leidet; von dem Stern ans
XX RAE-fiel KARL-REM
Ck W .
BUT geben ihre rheinische isolle
m Besten, sie schlu en bei den gra
vis-ei chen se activen nie-is
»Es-LE- III-As- III-»s
k
mit oer Pano an die cum uno sei-tm
zu grübeln.
Jept kam das Hauptstlick des Abend-,
der Lowenbisndiger Rinconi. Gesolgt
oon seinen sechs Larven, die hinter inin
ruhig nnd gesetzt wie solgsanie Schul
knaben gingen, trat Erich in daa Rund
itter ein. Er verdengte sich vor dein
udliknm leicht nnd rief seinen Larven
ein Crmnnterungswort zu.
Hean Biisuni hatte dem Landen
bändiger ziemlich gleichgiltig entgegen
geschant, er hatte viel dergleichen schon
gesehen, und diese Produktion interes
sirte ihn nicht stark. Bei dem Tone
jedoch, welcher von den Lippen des
Bändigers kam und den folgenden Er
munterungeworten zuate Gandentiaa
Bruder heftig zusammen, er nahm
eiligst and der Hand seiner Schwester
das Opernglaa nnd schaute den Löwen
diindiger an
Tann sulIr er heftig von seinem
Sitze empor, er sah dunkelrotls itn Ge
sicht aus, dae Opernglaa entsiel seiner
Fand und glitt ans den Bretterdaden.
Landentia hackte sich darnach, in die
sem Moment verließ Hean die Sip
reihe. Mit dem Rücken nach der Arena
drängte er sich an den neben ihm
Sitzenden vorüber, schnell dein Uni
gang zu. Dabei glänzten seine weit
eiifsneten Augen siebet-halb sein Ge
sicht war jetzt crdfal)l, und eine Unter
lippe bebte so, daß es aussah, als ab er
etwas äße.
Draußen im Borramn angelangt,
der jetzt ganz leer war, sehte er sich
athetnlos aus den verlassenen Stnl
eines Logenschließera, er bewegte d e
Arme seltsam, sulse sich mit der Hand
vielmal krampsyast hastig über das
Gesicht und rang nach Atheat Dann
) blickte er erschreckt ntn sich, richtete si
jstarr auf und schaute mit unheimli
stumpsem Blick in die Ferne.
sc- -'·- --s«- -»-«---it- -- III-s
»Is- t Is- us- ItIIsII I
jnunP Wer konnte das deuten? Wer
hätte das je gedacht? Das ist mein
freies Unglück, das mich verfol t, mein
boshaftes, teufiifches Untzl C, das
immer-, ich mag thun, was ich will, tm
meine Sohlen sich heftet. seht heist
es Kampf bis auf's Messer-. Es
zwingt mich-es zwingt mich !
Er saß gebückt da, den Kopf mit den
Händen gestützt Ein Logenichließet
berührte den so seltsam zufammen
gekrünnni dasitzenden Mann an der
Schulter. .8si Ihnen unwohh »Den-?
fku ek.
Zenos fuhr erschreckt empor nnd fah
sich wie geistesabivefend inn.
»Kann ich Ihnen irgendwie bei
siehen?« erkundigte sich der Cirinsi
becmie weiter-.
gest verstand Penth. Weit ist nicht
ganz wohi,« flatterte er. .Die Hide
der Durst-es wird gleich vorübergehen.
Ich baute-ich danie.« Er erhob fich
Jelaftifch und stand straff da· »Mir
» einige Minuten möchte ich frische Luft
kfchiipsen," fuhr er fort. »Bitte, be
s mühen Sie fich nicht weiter.« Dann
;driieite er dein Manne einen halben
sGitlden in die Hand nnd begann ein
Gefprach ntit ihm. »Der Herr Rinconi
i ift ein Italiener, wie es fcheint,« er
kundigte er fich leichthin, als ob er ein
öslichieitsgefpriich niit dem Logens
chließer fiihren wollte.
»Ich weiß nicht« Er larn in New
York zn nnd, er spricht deutsch, englifch
und fpanisch gleich gut. Jtalienifch
halte ich ihn nach nicht reden hören,«
meinte der Beamte.
»Ist Rinconi sein wirklicher
Mantel-« sorfchte Henrh in derselben
harmlosen Weise weiter-. »Die Leute
vorn Eirtue führen ja häufig sogenannte
Künstler-lautern «
. »Das ist mir gleichfalls unbekannt,
err,« antwortete der Beamte. »Der
nennt sich ftp-wir nennen ihn
ebenfalls Alle bei diesem Namen. Wir
haben noch nie gehört, da ernnders
heißt. Der Herr Direltor eiro dürfte
das vielleicht wiffen, wenn es den
Herrn intereffirt,« fiigte der Schließer
höflich hinzu.
»Ich habe teine Berensaffnnz neich
darnach zu ertnwigenp fiel nrh
fchnell ein. »Aber in den heißen am
drinnen mag ich nicht zurückkehren
Sie werden nichts dagegen haben, wenn
ich bis zum Schluß der Vorstellung
hier mich aushalte?«
«Dntchaus nicht,« verficherte der
Beamte. »Sie versäumen nur die
Tigerpradnttionen, eines der fchsnflen
Stücke« des Programms. Da fehen
Sie, dort geht Mr. Stadien zntn
Kafi um seine Beftien heranz
znini ein«
Henrh schaute nach der angedeuteten
Richtung. Er erblickte einen grasen,
feh- bleichen Mann mit dunklem Haar
und einer fcharfen herabgepgenen
Refe: ein dlasfer zafatnrnengetlennns
ter Mund vereollstitndi e das wenig
sertranenertvenende di es Gesichten
eneh gefiel diefe Physiognomie. Mit
lnatendent Wes blickte er dein
hierbiindi er, weicher fich nun in die
Arena beg , nach.
Gandentia fiel des fanderbare He
nehtnen ihres Bruders nicht sendet-lich
Inf. Dean hatte oft dergleichen Me
sse-se plsnlicher Unruhe, bei-denen er
— Stahle anffprong nnd ftig
risse stigenbticke irn Zimmer an - nnd
zaqchritn Er war auch fonitvst fett
atnsin feinem Betragen. Er verli
. « III-OW- die Weh-Ums
II- eben e unvermittelt schnell wieder
- ie fand daher nichts Befan
gdaritn daß er feinen Plan verlas
ganzed Beobach
. : etwas-Anderes in
nehmen und den Mann anzuschauen,
lange, unablässig, und dabei begann
allmiiligp ihre nHand zu zittern und ihr
er
V Aaswehe war das silr ein Mensch? Sie
atte noch nie einen solchen ge e.heu
tammte er don einer anderen lt?
Dies Gesicht so sanft, so rein und
heiter-ruhig, wie das eines Kindes,
so freundlich, jüngsingsattig und unbe
rührt von dem Leben. Dies Lächeln des
vollen Mundes, diese leuchtenden,
roßen, braunen Augen, das willens
este Kinn und die ebenmiißige, große,
starke Gestalt mit ihren schonen Be
weaunaenl
Gaudenc..: war wie bezaubern Sie
ah und hörte nichts, als diesen Mann,
ie nahm nichts von den Künsten der
Löwen wahr, sie sah diese kaum, ihr
ganzes Wesen war einzig und allein
von diesem Manne ersiillt. Sie de
sand sich wie in einem Traum, in
einem Rausch, sie war gar nicht mehr
aus dieser Erde-—- in himmlischen
Höhen schwebte sie-es war ihr das
Bewußtsein völlig vergangen hinsicht
lich dessen. wo sie sich befand.
Plöslich trat der Lowendandiger ab.
Erschreckt schaute Gaudentia Biisum
sich um, schlug die Hände vor das Ge
icht, und während das Publikum un
biindig ilatschte, saß sie da und weinte
laut aus. Tas Aufhören des Beifall
sturmes zwang auch sie zum Schweigen
Sie blickte umsiorten Auges in die
Arena. Sie sah tanzende Lichter,
schwankende Eisenstäbe, eine aus und
nieder wogende Menschenmenge. Was
war denn mit ihr geschehen? War sie
behext? War sie denn noch Gaudentia
Biisuny die ruhige, kalte, singe, klare
Gaudentia von iiber dreißig Jahren,
Ldie sich so benahm '
« nre schrauen vegauuen wieder reife
zu ließen, indes fie ftatr aufgerichtet
dafaß, das Geficht zur Arena gewendet,
wo der Tigerdiindi er jent mit feinen
unheimlichen dafen iefenlasen f pielte.
Sie fah dan dem, was dort vorging,
nicht das Geringste. « hre Thriinen ver
iegten, ein heftiger » merz durchfuhr
ie, ein seltsames, wehes, danges Ge
iihl erfüllte ihre Bruft und-bedrückte
f ie centnerfchwer. Ein Gefühl fchrecklich
und felig zugleich, fonderbar selig.
»Das ifl Liedel" fagte fie fich· »Das
muß fiefein. Ich weiß es jetzt. Ich
habe bisher nach nicht geliebt, den
Dnilor Nembald auch nicht. Er ift ein
angenehmer, anständiger Mann, und
ich fehnte mich nach einer Verfargnng.
Das war Alles,« fa rechtfertigte Gau
deutia den Sturm, der-in ihr entftans
den, dies leidenschaftliche Fühlen, wel
ches in ihr erwacht war.
Ader was fall daraus werden?«
fragte fie fich dann. »Der Mann ift
möglicherweife fchan verheirathet. Er
ift ein Eirlusrnaum ein Thierdiindiger,
ein Gaukler. Nein, er ift ein edler
Meni ,« rief ed in ihrem Innern
energi ch dagegen. .Der hefte, edelste,
schönste, reinfte Menfchl Das muß ja
1edes sind fehen, das liegt auf der
nd. Aber wie sollftDuzudiefem
anne kunnten. Du, Gaudentia?«
Die Barftellun war zu Ende. Das
Publikum erhad fich, jetzt erft dachte
Gaudentia Busum daran, daß ihr
Bruder artgegangen war und fie fich
allein de and, wahrfcheinlich auch allein
nach Haufe gehen mußte. Esrn te
dies gar keinen Eindruck auf f e.
Mechanifch folgte fie der Menge und
gelangte zum susgangr.
Dort traf fie auf ihren Bruder.
.Mir var es zu heiß-» fagte dlefer
und reichte Gaudeutia den Urm, um
fie ans dem Gedränge zu geleiten.
qufrauw Biifutn nutte glei iltig
nnd ließ fich von ihm führen. a er
leiu Wart sprach, fandern nachdenklich
auf den Baden ftarrte, fa war Gau
dentia fehr froh darüber, daß fie auch
nichts zu reden brauchte, und in blieben
xie fchweigfam, Beide dallauf mit
hten fang perfchiedenartigen Gedanken
Adel-E tigt.
· Isa- sslnsnhs OQIIO m-- III
v- cui-v s-- - skvso g
- SaittvdentiiimdieI dxdeutnngssall te ihres
Lebens. Sie ichlies leine laute.
r Herz trat erwacht, ilsr Herz, das
leiser sa lange eschlnnnnert hatte,
drängteI stiieiniich estig, mit der gan
zen st einer gewaltigen Natur nach
dein, was schließt ich jedes Weibes iel
ist, nach der Vereinigung mit ni
Manne ihrer Liede. Zwei große « iele
standen ihr zunächst vor Augen: E tens
P ersah-en, ad der Lilwendllndiger
rriga stinkan verheirathet war, nnd
Miene, ad sein Herz noch srei sei.
mußte sie heranedetomnien, nnd
zwar so bald als möglich. Alles Andere
trat var diesem Gedanken sa sehe in
den Hintergrund, daß Gandentia jene
n Nacht gar nicht, zum ersten
a e seit vielen Wachen, an die wich
tige Ausgabe, die Erringung jener gro
ßen Erbschaft, dachte.
lo. capilel
Ebenso wie Gaudentia na der
Nin-lehr vani Cirlne Deira eine chlasi
" lese Nacht sei-brachte, in gleicher ise
slels auch Venry Büsiini der Schlaf.
Er that in dielser Nacht lein In e I;
rndi lag er al erdinge da, ied esse
nen Blickes schaute er zur Zimmerdechr.
CI sann und sann undichmiedete Pldne
iedeichait schnell, ltids nnd tüc
si elee, die er ader alle wieder ver
viel. Das ur.vernnttdete, nicht ini
erntesten je geahnte Erscheinen
Iki Reinlene war ein schrecklicher
Schle gegen sein Unternehmen, eine
lnrcht r drohende Gesadr. Die erregte
ntasie Henrye stellte ihm alle
· ichleiten vor, welche in Feige die
Ies an see-eintretendsasten. Teich
. eniite ihn selten, erste-,
m ee eine-tells III-Jud EIN
Tiebsiahis seiner Papier-e bezichtigen,
denn der Winter in Kossak hatte be
merkt, daß er bei dein Koffer Reinkens’
sich zu thun gemacht hatte. Reinlens
würde darüber wokl nicht lan e itn
Zweifel ewesen ein, was sr ein
.Scherz« Bernh bei seinen Sachen sich
erlaubt hatte.
Bot wenigen Tagen erst hatte Bit
surn sich bei der Polizei gemeldet unter
Vorweisung der entwendeten Papiere
und war als Erich Reinlens, geboren
zu New rt am ib. Februar 1868,
einaes te nworden. DerLöwenbiin
diger iihrte sicher den italienischen
Namen nur in dein Gebiet des Cirlus
und dem Publikum egenilber. Er
hatte zweifellos leine« apiere, die ans
jenen Namen lauteten, er wlirde sich
also gleichsalls als Erich Neinlens, ge
boren am lä. Februar zu New York in
Jahre 1868, melden, das mußte aus
fallen.
Was konnte daraus nicht Alles ent
stehen? Ein Zusall war im Stande,
jenem Manne die Kenntniß von ds·
Erbschaft und dein gesuchten Erben u
bringen. Erich Reinkens würde nicht ja
dumm sein, diese Sache nicht eisrg
anzugreisen, denn wer Perlensischer ge
wesen und sich so schändlich geplagt
hatte, unt sich zu ernähren, und wer
setzt sein Leben allabendlich siir ein
paar lumpige Gulden rislirte, der
wußte den Werth des Geldes wohl zu
schilt-III
Was sollte er in diesem Falle
machen? Fliehen? Wohin?
Wenn er auch vielleicht ein paar
hundert Gulden vorher noch schnell von
dem Dotter Rembald herausschlagen
könnte, wie weit würde diese kleine
Summe reichen? Dann begann siir
ihn wieder jenes alte Elend, die Ta e
ltihnerarbeit oder die kleinen und möge
ren Gaunereien, bei welchen er zittern
mußte, so ost er einen Polizisten zu
Gesicht besann
»eranoeu mus hier werden und
zwar schnell !" rief Henrh verzweifelt,
entschlossen und so laitt ane, daß er
hestig erschrak, aus dent Bette sprang
nnd an seinen beiden Zimmekthiiren
lauschte, ob auch Niemand aus war,
der ihn hätte hören können. Dann be
gab er sich nieder zu Bette nnd sann
nnd grübelte weiter.
Am Morgen skiih erhob er sich und
machte sorgfältig Teilette. Ohne erst
das Frühstück abzuwarten, wobei er ge
wöhnlich tnit Gattbentia iiber sein
Tagespragkamm sprach, ging er sort,
plaaloe durch die Straßen und Gassen
der großen Stadt irrend, bis ee oan
der Kirche am Singelsxtanal neun Uhr
schlug. Dann trat Henrh in ein case,
stühstiictte eilig etwas nnd schlug dar
aus den Weg zittn Boterntartt, znnt
Tit-ins Deira ein.
sn der Nähe des Marttes kam
PMB ein Mann entgegen, der ihn mit
den litten fixirtr. Henrh that dad
selbe. Der Herr ging an ihm vorüber
ttnd drehte sieh dann unt. Hean that
dasselbe. Beide Männer blieben
stehen, und Büsnnt ging ietzt langsam
ans den Anderen zu.
.Sie wünschen?« srng Jener, et
war der Tigerbindi er Stoclton, der
tkmn Circes-, wo er robe gehabt hatte,
sm
»Ich glaubte Sie zu kennen, mein
Der-V sprach Hean gernd. ·
»Ich Sie gleich alls,«· erwiderte
darauf der Tigerbnndigen
.Wir haben nns schon gesehen!« kam
ed Hi Henrha Lippen.
.Zch glaube nur gestern, tm Vor
raunt des Cirlus,« meinte Stocktotn
»Das wird wohl so sein, dann bitte
ich um Entschuldigung,n gab Henry
guriick und zog höflich den nt.
Es ist merkwürdig: Menschen von
eichecn Schlag finden sich leicht und
chließen sich schnell aneinander. Stock
ton hatte eine sehr bedenkliche Ber an
genheit nnd war schon schwerer D nge
wegen mit den Gerichtsbehorden in Be
riihrung ekatmnem jedoch bisher immer
noch gro en, langdanernden Strafen
entgangen. Er mußte in Den einen
Gans-sen in seinem Leben au erhalb
dek. ehe erkannt haben.
Er drach daher, so freundlich aus
sehend, als fein finstered, hartes Ge
sicht es zuließ: »Sie storen mich nicht,
mein Herr. Ich bin fremd hier, lenne
keinen Menschen, sehne mich nach etwas
G- ellfchaftz wenn Sie sich auf dem
il nen Spaziergang mir anschließen
vollen, würden Sie mich verbinden
.Gern, mein Den-, mit Bergniigen,«
antwortete Henrh schnell. .Jch btn in
derselben Lage, glei falls erst seit
Kurzem hier von liber eeischen uiindern
eingelausen. Gehen wir nach dem
Singel, wenn es Ihnen beliebt.«
uAlso nach dem Singel,« stimmte
der Tigerdiindiger zu, und beide Män
ner schritten nebeneinander her
,, habe Sie gestern bewundert,«
lag ttrh. .Jch spreche Ihnen meine
uneingeschränkte Unerletmung aus«
Sie ind ein Meister in hrent Fach.«
« , ndtoerUs il rte Stockton
We . «Sprechen wir nicht dar
r.«
-Mich interessiren die Thiereirlusfe
und besondere die menschlichen Arti
sten,« sehte Henrh, unbeirrt von dem
Eins e seines Begleiter-, das Ge
soriich ort. «Mich fesselt auch der
Ambiindigen wie heth er doch
ca Tisch ja: Arrigo Rineoni. Ist
s, ein wahrer Nat-W
« as toeif ich nicht,« antwortete
der Schotte. »Wir bettiintnern uns um
dergleichen Dinge bei Leuten von der
TMWI III nicht. Da führen wohl
ARE-en richtigen Namen. «
«- kt denn dieser Lomenbiindiger
für eine rt Mensch, der sieht ja wie
ein M tun- tutd dasitbeiuttoenia
-.
tnc seinen Beruf zn posten,· tien
Henrh vernehmen.
»Er ist ein Tugendbold ttnd ein
Weiber-heim den Alle verhiitscheln,«
stieß der lange Schotte hervor nnd ward
dabei noch grangelber im Gesicht, nlo
er schon wor.
Pency bemerkte diese Veränderung
in eines Begleiter-it Gesicht sehr wohl
und horte noch aus deni Ton der Ant
wort etnsoo herant, das ihn hochstanges
nehm berührte.
.D—ie bringen es auch meist ont wei
testen nnd haben ost das unverschäm
teste Gliick,» sprach enry.
»No, na, eine rinsessin tolrd der
wohl nicht liekontmen," meinte der
Tigerbgindiqen »Biö jeht sieht er noch
etwas weiter heiunter.»
»So ein tintittttctktlhck-z Any-« be
merlte lächelnd Drum
»Nein» stieß der Schotte ingrim
mig hervor. »Las sen wir das Thetna,«
setzte er rauh hinzu, nnd seine Augen
bekamen bei diesen Worten einen der
artig zornig- boehoiteth wilden uns
tiittischen Ausdruck, daß Heut-h lebhaft
an einen gereizten Tiger erinnert
wurde.
Diese Wahrnehmung stellte ihn wie
der recht zufrieden. »Der kann mir die
nen,« sagte er gtt s ich nnd schaute unge
ntein freundlich deni neben ihm Schrei
tenden in dao gelbe Gesicht. »Da ist
Eifersucht int Spiel, nnd wenn die
einen solchen Bin-schen wie diesen er
greift, ist er zu Allem fähig. Wenn ich
nnr Zeit hätte,« sann Henrh, indeß er
mit dem sehr schnell gehenden Schatten
Schritt hielt. »Aber jede Stunde,
jede Minute kann das Unheil von
jenem Menschen ausgehen, den das
Schietsal in so boehaster Weise mir
jetzt, gerade ietzt in den Weg stellt.«
.Wollen trir nicht eine Partie Bil
lord spielen's- forderte, in die Spiegel
cheiben eineo Kase blickend, an dem
ie eben vorbeikamen, der Schotte ihn
ons
-.-.- .-.-.- - -,...k! I,-..«- fl.—.«
»(Yvur, gut-, Unfug-ur- Verlus
.Erlouben Sie mir übrigens, daß ich
mich vorstelle," fiigte er init leichter
Verbeugung binzn. »Mein Name ifl
Reinlens.»
Dabei zog er eine Visitenlorte her
bor und reichte sie dem Tioerbiindiger
dor, diesen, indes; er doe Kärtchen loo,
scharf und prüfend ansehend.
Die silge des Schatten zeigten, daß
ihm die er Name keinerlei besondere
fGedonlen oder Erinnerungen erweckte.
s »Mein Name ist Ihnen bekonnt,«
erwiderte darauf der Schotte. »Ehe
Ynezer Stockton. Karten habe ich nicht
bei mir,« feyte er schnell hinzu »Aus
Edinburg.«
Henry verbeugte fich, und die beiden
großgewochsenen Männer traten in dos
Nienwe Otofr.
s
Gondenlia bott«e st an diesem Mor
sxn bleich und übermächtig erhoben
ur ihre Augen halten ein be ondereö
Feuer, sie waren um einen Schatten
tiefer geworden seit dein gestrigen Cr
lebniffe und halten einen Anflng von
Bläne, der dnd siechend Gleißende, wos
idr Blick oft hatte, bedeutend milderte.
Wenn ein Mädchen von dem Alter, der
Verstandoschiirse nnd der Kiihlheit des
Herzens, wie Gnadenlio, endlich von
einer storlen Leidenschaft fiir einen
HMonn ergriffen wird, so ist das etwas
jilnderes, olo die Verliebtbeil junger
»Mädchen, die Liebe tritt hier ouf wie
seine Notnrgewolt, wie ein Element,
oaf dem sie keine Hindernisse sieht,
leine kennt
s Das Bild Neniboldd war in Gau
dentia verblaßt zu einein wesenlosen
Schatten. Sie begriff gar nicht, daß
dieser Mann ihr jemals hatte gefallen
können. Gegen jenen Arrigo Rincani
erschien er ihr dürftig, niichtern und
schwachlich, aber fallen lassen in ihrer
Berechnung durfte sie ihn nicht. Sie
mußte in gleicher Weise wie bisher ihin
Aufmerksainleiten erweisen, ihn —
sozusagen——sich warnt halten, denn er
sollte ihren Zwecken dienen.
Gandentia glaubte sent sicher, daß
der Löwenbilndiger unverheirathet wäre,
sie hatte leine Anzeichen für diese An
nahme, sie glaubte ed eben. Sie hatte
sich überlegt, daß viel Geld eine unge
heure Macht sei und ein großes Ver
mögen ihre Anziehungelraft bedeutend
verstinlen, ihren Werth sehr erhöhen
müsse. Jener Mann arbeitete in einem
leben-ge iihrlichen Beruf, um s ich durch
ubringen. Bot sich ihm nun die Aus
sicht, mit einer Frau eine halbe Mil
lion Gulden zu erhalten, so würde er
sich schwerlich lange besinnen. Auser
deni war sie sa wohlgestaltet, nach
jugendfrisch und nicht ohne Reiz. Das
tonnte ihr Niemand abstreiten. Wenn
dieser tsiitueiibiindiger sich vorstellte:
»Mit dieser Frau tannst Du wie ein rei
cher Mann frei und unabhängig von den
Zinsen dea tiapitala in Deinem schö
nen Stadthause ini Winter, in Deiner
Billa iui Zaunner leben,« sollte es
du nicht beinahe sicher sein, daß sie ihn
gewänne? Aber daa Geld mußte sie
erst haben, und hier war der Haken.
Die Sache war zum Stehen gekommen.
Seit einein Monat fast lief Henrh
herum, nerbrauchte viel Geld, ohne
enen zu finden, den er nöthig hatte.
r Bruder beiniihte sich nach Mästem
aber der Doktor nieuibald schien ihr
nicht eifrig gering die Sache zu verfol
gen. Sie beschloß-daher, ihn anzu
stacheln, zu treiben, zu ermuntern.
Durch unablässige Andeutungech
kleine Pfiffe und Riinle, wie solche
ihr zu Gedate standen, brachte sie den
sungen Anwalt dazu, daß auch er unge
duldig wurde, sich nicht auf Henryo
W allein verließ, sondern auch
seinerseits handelte· Er wartete nicht
litt-ask darauf. bis Gaudenliac Bruder
(
den Zeugen gefunden hatte sondern
legte dein gerichtlichen soll ian
nryd Papiere vor mit einein ifti
title, in welchem er deffen Erb
nnfpriiche dianit begründete, daß Bil
fntn zweifellos der Sohn Odwald
Brannd nnd demnach deffen Erbe fei.
Er fuchte nachzuweisen, daß bei dein
Leben, welches dieser Mann geführt
habe, ed leicht tndglich wäre, daß die
Zeugen nicht beizubringen feien. Die
apttiine, anf deren Schiffen Eri
Neinlene gedient hatte, fnhren ja an
allen Meeren umher, konnten jeyt in
den chinesischen Gewitssekm »ein paar
Wochen später im Jndischen Ozean
fein, und einige Wochen später daO
Atlantifche Meer lrenzein
Er erliesz jedoch trotzdem gleichzeitig
in allen bedeutenden Zeitungen der
Hafenpliihe Aufruse nach Schiffefiihi
rern, auf deren Fahrzeugen in den be
treffenden Jahren ein Erirh Neinlens,
Matt-use and New Worl, geboren 1868
am ts-. Februar, gedient habe. Davon
same er jedoch Hering derjcde Oeffent
ttchieit fast tranthait scheute, vorher
gar nichte. Er betrieb ja die Sache siir
fich, dagegen konnte Jener gar nichts
machen. War dieser Reinlene der Be
treffende nicht, woran allerdings nach
der Meinung des Anwaltee gar kein
Zweifel bestand, fo ging ihn die Ge
schichte gar nichte an. War er dagegen
der Erbe, jo that Rentbold ihtn durch
fein Vorgehen leinenfalls Schaden
Die Aujrnfe erschienen Die «ei
tungen Atnsterdaine brachten sie gle ch
falle, jedoch Gandentia war jent in
einer Geistes- nnd Gentiitheberfasfung
daß sie keine Zeitungen mehr anfah.
Henrh las überhaupt nichte. Zeitungen
nur dann, wenn er irgend einen Ver
dienst suchte, und dieser bitteren Noth
wendigteit war er jetzt vorläufig liber
hoben.
ivaudentia tas auch den Amster
danier Courier" nicht mehr. Die » i
tungenuunnern lagen unent altet au ge
diiust aus ihrem Arbeitet sch, undda .
sie einsah, daß sie die versäumte Let
tiire unmöglich nachholen konnte, so
wars sie den ganzen Stoß zu den alten
Pay-irrem mit denen sie im Winter
Feuer onrnachte. In ihrem Kopfe, in
ihrem Herzen gab ee nur Eines-das
war iener Löwendandiger, til-er den sie
vor Allem jetzt Näheree zu ersalseen
suchte.
Beim Hinaudgehen aus dem Tit-Ins
hatte sie trotz ihrer Aufregung bemerkt,
daß Henrts einen tsagenschließer grüßte
Tas Gesicht dieses Mannes hatte sie
sich eingeprägt. Tie sonst nie aus
gehende, mit der Zeit esenio wietnit
dein Gelde iparende Gaudentia srug
nichts darnach, daß ed Vormittag nnd
Kochenezeit war, sie nahm Hut nnd
Mantel nnd machte sich aus den Weg
zum Ciriak-. Zie benutzte Omnibus
und Faun-, als ob diese nichts kostet-n
Eine Zeit lang siteiste sie um das
Cirluegedaude herunt, sie wußte nicht,
wie sie sich dort einen unversiinglichen
Eintritt verschaffen kannte, sie mußte
doch einen Grund dazu italien. Man
wiirde sie sragen, wae sie wollte, M
dann mußte sie eint-ne Glaultwiirdiges
vorbringen. Mai-lich trat sie schnell in
den Eingang. Jn dem dammeri en
Hause, dae nur durch wenige Fen er
erleuchtet wurde, sah sie verschiedene
Männer in Arbeiterlleiduug mit grü
nen Schürzen putzen und reinigen. In -.
einem derselben erkannte sie den sagen
schließer von gestern.
Sie ging auf den Mann zu. .Jtts
habe gestern auf dein zweiten Plas
erste Reihe Nummern 26 gesessen und
ein werthvollen Opernglae dort liegen
lassen Haben Sie ed vielleicht qefnns
den'.-«« frag sie den Schließer.
Ticscr rief die Frage zu den anderen
Arbeitern hiniiber. Es hatte M sein
Operngtae gesunden. i
»Sie werden Ihr Glas unterwer
verloren haben, bei nnd kommt nichts
sort,« sagte oer Mann.
e »9Jtoglich," erwiderte Gattdetttitt l
scheinbar betrübt. Sie dankte tmd «
opferte einen Viertelgnldeth den sie in .
die Hand des Mannes gleiten ließ. Z i
Der Schließer begleitete arqu die i
Dante it den Vorrat-rn.
»Hm Herr kliineoni seine Frau M
nach Europa irritgebattst?« erkundigte «
s ich Gaudentia geipriicheweise.
«Frau'.-« lachte der Winter sehe de
tnstigt. »Der Here Rinconi dar keine
Frau—niehts dergleichen, der kennt
nur seine Löwen. Er konnte Hindede
don Schützen haben—denn die Frauen
inimer sind ganz toll nach thun-aber
feine Löwen sind ihm Frau, Schuh nnd
Linden »
tsiandenttat Gesicht leuchtete ani.
»Ich dachte ets nIir.« sprach e ""
Stimme in ihr. R
Jn diesem Moment kam oueden .
Dammer des langen dunklen Grian
der den Einrrittagang zur Arena du·
schnitt, ein Herr in Jageriopve ne ,«
einein griinen Hut auf dein Kopfe. - "
»Herr rtiinconi,« ries der Schicksetz — i
immer nach lachend. »Hier nsird M
Ihrer Frau Gemahlin gefragt L-«
sehr erlannte tiiandentia den ff
schwarnierisch Geliebten, sie Mit
satt, and dein Cirlusltiir en. ihr i
ten dle Knie so, daß iie einen »
mehr stehen bunte-dass Herz de
ihr still zu stehen.
Freundlich verbcnqte Eritis fich·
der stattlichen Dame- Er sah, da
in todttieher Vertegenheit war, nnd
that ihm leid, er wollte den tmpss « j
den Scherz des Silsließerv wieder
maitien. Er näherte iiih tsa s- »
verbengte sieh vor ihr nnd I
»Wer-halb hatte ich nicht verbot
ziein wartet-?- Dann wandte as
Jdirett an Insfronw Biisntn
mir seinen alitntendein a