Unschuldig verurtheilt. Roman von gi. Mkadawm Guts-sung ) Die Frau verschwand hinter einei Seitentiziire Kurz daran ward diese weit an gerissen nnd eine angenehme, männliche Stimme fragte «Wo ist der Heu-:- nosfenii ich nicht « draußen? Mam, Matu,i wo ist Deine 1 Gustfteundschaft geblieben « I Ein kleines, altes, gebe-untre Männ- i then mit schneeweißen, flatteinden Haaren nnd langem Bart trat zu mir auf den Flut-. »Treten Sie ein, n ein Ucir Tre ien Sie ein. Ich emaile Zie schonj ieit langer cit; nnr iiijtte ichiiicht; sedachi, daß sie im Winter bei Wind ! und Schnee kommen würden. Ich habe Sie im Sommer erwartet. Bald sah ich Sie im Geiste, wie Sie aus stolze-m Roß die Landstraße hinansprengten, unt dann unter mein bescheidenes Dach tt treten, ein anderes Mal wieder rank nnd aus schweren Wunden blu tend, und ich stellte co mir lebhast vor, wie wir Sie wochenlang pflegten, biet Sie esundeten, und ich wünschte mir eine schöne Nichte, in die Sie sich ver lieben tönnten. Sie haben lange aus sich warten lassen, aber ich wußte mit Bestimmtheit, daß Sie früher oder später kommen würden. Treten Sie ein, mein Herr-, Sie sind herzlich will iommeni" Ich richtete meinen Blick fragend ans seine Schwester-, und ihr Gesichts ansdruck sagte mir: »Gehen Sie auf seine Ideen ein." So folgte ich denn dem alten Mann in’o Haus. Der Hund wich nicht von meiner Seite· »Ihr-no hat Sie schon lieb gewon nen, er geht nicht mehr von Ihrer Seite. Sie werden sich wohl iiber sei nen seltsamen Namen wundern? Aber das ist ein Geheimniß. Wollen Sie nicht Ihren Ueberrock ablegen? Er ist ganz naß. Mai-h, dieser Herr wird heute mit uns speisen !" Wieder sah ich zu der Frau hinüber. Leise kam es von ihren Lippen: »Blei ben Sie.« sch war da in eine merk würdige Gesellschaft gerathen und be zweifelte nicht mehr, daß der Alte nicht ganz klar im Kopfe war. Neugierig betrat ich mit meinem Nastsreund ein behaglich eingerichteteo Empfangszims mer« Ein helles Feuer brannte im Kantin; ein großer karmesinrother Lehnsessel nnd ein zierlicher niedriger Fauteuil waren dicht an dasselbe gerückt. Der Alte sank sofort in den Lehn stuhl und schien mich im nächsten Mo ment vergessen zu haben, erst als ich mich in den eleganten Fauteuil nieder lassen wollte, sprang er ans und rief laut: »Nicht dorthin! Pier er, mein lieber « Herrl« und dabei drli te er mich mit einer Kraft, die ich ihm nicht zuge muthet hätte, in seinen Lehnstuhl. »Dieser gehört siir einen Engell"z sagte er, aus das zierliche c«.-·JtiihlchenI deutend. »Ihr eine Märtyrerinl Ent schuldigen Sie meine Barschheit, aber Niemand dars dort Platz nehmen, als mein Engel l« Er brachte siir sich einen anderen Sessel herbei, wandte jedoch keinen Blick von dem Fauteuil .ech sehe sie ost darin sit-ens spra rlzn sich selbst, »ich sehe ihre wundervol en Augen, ihre Märchen attgen, ich höre ihre Silberstimmel Sie wird vielleicht doch noch eines Tages da sihenl Sie muß lotnmen!« Während er mit sich selbst Zwie sprache hielt, sah ich mich neugierig in dem Gemach um· Es machte sast den Eindruck einer Musikinstrumentenhandi lang, denn an einer Wand stand ein Flli el, an der entge engesetzten eine gro Zimmerorgel; äiiolinem Man dol nen, Guitarren und sonstige Jn strttrnente waren in allen Winkeln aus gestellt «Sind cie Musiker von Berus?« wagte ich zu s.ragen »Nein, nein « wehrte er ab. »Diese Instrumente sind noch von Niemandem berührt worden; sie sind sur meinen Engel bestimmt, siir das schönste Weib aus Erdenl» Ich streckte meine Hand nach einer Violine aud; er machte eine Bewe gung, als ob er mir sie entreißen wollte, doch überlegte ersieh d offenbar nndlehnte sich matt in seinem Sessel zurück. lifMinnen Sie spielen-« fragte eri e e. »Oui« antwortete ich und fuhr tniti dem Bogen über die Saiten. Sie waren verstimmt. Nachdem ich sie ge stimmt, spielte ich Mendelsohns »Lie der ohne Wortc.« Die Wirkung, welche mein Spiel ans ten Alten ausübte, überraschte mich. zsit-erst schien eeihtn nnsagbake Pein zu reiten, ieine Glieder guckte-» sein Gesicht net-zerrte sich wie unter eine-n großen Seelenschntekz, Zchweißpcklen traten auf seine Stirne und er wurde lei nblaß. Nach und nachiedoch kam wie r Farbe und Leben in seine Wan gen, seine Au en funlelten wie Sterne, er richtete se ne zusamtnengebrochene Gestalt anf, iein ganzes Wesen drückte Verzückung aus. «Fiins Jahre, fiinf lange Jahre Zabe ich die göttliche Musik vertnißtl einen Ton gehört. O, wie schon, wie erhebend das klingt und doch nicht so seelenvoll wie von tin-. Es ist nicht ihr weicher Strich! Singen Sie auch, mein Den-W Ach beiabte ·ee. »Singen Sie etwas, tch bitte Sie darum. Sie machen einem alten Manne, der seit siin Jahren kein Lied aus einer menschlichen Kehle gehört hat, eine große Freude. Ich hatte nicht gedacht, daß ich einer anderen and. als der meines Engels gestatten würde, das Klavier zu berühren. Bitte, bitte, singen Sie etwas. » Ich nahm vor dem Flügel Platz nnd sang das alte, schöne itied »Annabel Lee." Als ich schwieg, bemerkte ich, daß mein Gastfreimd sein Gesicht mit beiden Händen bedeckt hatte nnd still. var sich hinweinte· Nach einer Weile begann er mit trostloser Stimme: ; »Man hat mir sie entrissen und sie» an einen Ort gebracht, der schlimmer; ist ale das Grab! O, mein Gott. wie» konntest Du ein so herrliches Geschöpr erschaffen und das zugeben? Das; schönste Weib der Erde eingeschlossen an einem Ort, der schlimmer ist als das Grab!" Wie ein Blitz durchzuckte mich jetzt der Gedanke, daß er von meinem Liebs ; ling sprach, daß der elegante Fauteuil vor dem stamin und die unbeniitzten Instrumente ihrer harrten, daß der Alte sie geliebt habe wie einst sein Perr fie geliebt und daß er sein Ein iedlerleben führte, seitdem das Gesetz sie verurtheilt hatte. »Sie fingen sehr schön,« sagte er, eine Bewegung bemeisternd, »aber hrer Stimme gleicht nichts! Haben Sie schon einmal die berühmteste San gerin der Welt fingen hören. « »Ja, die Adeiine Patti." »Eine Sängerin, die sich fiir Gold gern läßt und nach dem Beifall der enge gei3t!" meinte er verächtlich. »Ach, Sie müßten die Sängerin horen, die mir den Sinn berückt hat, ihre Stimme macht lachen und weinen zu gleich; wer sie einmal gehört hat, wird sie nie wieder vergessen und dabei ist sie schön wie keine! Warten Sie, bis Sie einmal Miß Moore singen ge hört, dann erst werden Sie wisfen, welche Wirkung ein Lied aus uüb vermag, und Sie werden alle rima dannen der Welt verlachen!" Mein Herz pochte zum Zerspringen bei dem Gedanken, daß mir dieser alte, halbverriickte Mann bei meinem schwie rigen Unternehmen helfen könnte. Jch beherrschte mich und fragte ganz unbe fangen ,,Und wann kann ich sie hören?« Er erbleichte. «Stille!" slüsterte er. »VieleLso"gel sterben in der Gefangenschaft vor Sehnsucht nach Freiheit, andere ver lieren ihre Stimme, sobald sie in einen engen Käfig gesperrt werden, wieder andere schlagen sich die Flügel wund-— sie können Hilda ietzt nicht singen hören, aber," dabei erhob er sich von seinem Sit-, trat ganz dicht an mich heran, legte seine Hände auf meine Schultern und fliifterte mir in’o Ohr: »Sie werden eines Tages ihre Stimme hören und dieser Tag wird der sein, an welchem ich alles erische von mir werfe. Wenn sie auch nicht mehr zu mir kommt, ihre Stimme sollen Sie dennoch horen!" kc—-- -—4 .- !I-—-- kn-?..-I.7I-s UUIIUUIILIO OIL Ist-ble OLIUUJZ fragte ich seltsam erregt. Ein schmerzliches Zucken huschte iiber sein Antlitz und es dauerte eine Weile, ehe er mit zitternden Lippen antwor teie: »Ich weiß nicht, ob es mir noch in diesem Leben vergönnt sein wird, sie zu sehen, aber das weiß ich, daß ich mit dem Klang ihrer wunderbaren Stimme im Ohr von dieser Welt in die jen seitige hinübergehen werde.« Er verfiel nach diesen Worten in ein stumpses Hinbriiten und ich hatte Zeit, meinen Gedanken Audienz zu ertheilen. Ich war nunmehr iiberzeugt, daß der fehlende Phoiiograph sich in seinem Besitze befand, ob mir das aber auch aus die Spur des wahren Mörders ver helfen lonnte, war freilich eine andere Frage. Erost hatte zu Lebzeiten seines Gebieters wahrscheinlich seine Leiden schaft siir dessen Seiretarin niederge kiimpst, und, als er ihn todt sah, war sein erster Gedanke, sich des Instru mentes zu bemächtigen, das die Stimme seines sdals wiederzugeben vermochte. Aus seinen Reden ging deutlich hervor, daß er es bislang kei nen Ton hatte reproduziren lassen und damit bis zu seiner Todesstunde war ten wollte. Wir wechselten kein Wort mehr, bis Marh uns zum Speisen ries. Ich versuchte es, mich damit zu entschuldi gen, daß Herr Crost mich noch zu wenig kenne-. Er ließ mich jedoch nicht ausreden und sagte vorwurssvoll : »Ich habe Sie seit Jahren erwartet und jetzt wollen Sie nicht einmal meine Einladung zum Speisen anneh men? Daraus wird nichts, nennen Sie knir Ihren Namen, ich habe ihn verges en.« Ich Heute mich vor. »Lionel Tickenson,« wiederholte er lächelnd. »Nicht wahr, Many, ich habe Dir oft genug erzählt, daß ich Lionel Dickenson erwarte? Und Du wolltest mir nicht glauben, daß er kommen werde. Jch muß vom stelle- eine Flafchc guten Weines herausholen; seit fünf Jahren habe ich keinen Tropfen getrunken-« Er eilte and dem Zimmer und ich wandte mich an feine Schwester »Was soll ich thun'.-« »Bleibt-n Sie,« bat diese. »Wenn Sie einen Funken Gefühl in Ihrem Perzen haben, vpfern Sie einem wergeptiiften, alten, fchwachfinnigen S ann einen Abend. Vor fiini Jahren schickte er nm mich-sich lebte bis dahin m meinem kleinen Häuschen aus dem Lande-damit ich ihm die Wirthschaft führe. Sie haben doch sicherlich von dem Bromleh - Halt - Mord gehört? Mein unglückliche-r Bruder liebte die wegen vorfätzlichen Mordes vernrt eilte Sekretiirin seines verstorbenen ebie terd nnd seitdem diese nach Widelands, dem LandeeverbrechersJrrenhause, ge bracht wurde, zog er sich von der Welt zurück und siihrt hier ein einsames Leben. Wenn Sie ihm den Abend schenken können, so bleiben Sie, viel leicht wird ihm ein neues Gesicht wie der Interesse am Leben einfliißen." »Wal« er immer so—fo eigenartig?« fragte ich. »Nein; sein Sinn hat sich dum nebelt, seit Miß Moore des «- ordes schuldig erklärt wurde. Wollen Sie hier bleiben«."-" »Seht gerne !" seh speiste mit dem alten Mann und seiner Schwester, aber das Gespräch gerieth bald in’d Stockcn, denn keiner von den Beiden wußte, was in der Welt vorging und der Alte interesfirte sich auch gar nicht dafür. Da ich hungrig war, schmeckte mir das einfache, aber gute Mahl vortreff lich und ich beglückwünschte mich zu der Idee, hierhergelommen zu sein. Ich war auf der richtigen Fährte und nahm mir vor, diese gedudlig und energisch wie ein Jäger zu verfolgen. Während mich diese Gedanken erfüllten, wurde an der Gitterthüre die litingel gezo gen. Marh sprang auf, eilte hinaus, nnd kam bald darauf mit einer schlan len, eleganten und schönen Dame u rück, die sie mir als Frau Towlinson vorstellte. Die Genannte verneigte sich tadel los, schien 1edoch durch meinen Anblick überrascht. Sie trat sofort auf den Alten zu, legte ihre beiden weißen Hände auf seine Schultern und sagte »Heute bin ich zufrieden mit Ihnen, Steve; jetzt ist das Eis gebrochen und Sie haben einen Freund zu Tisch ge beten. Zch hoffe, daß dies in Zukunft jeden Abend geschehen wird und daß Sie bald wieder der Alte sein werden!" Jhre Stimme und ihr Wesen waren bestrickend, während sie sprach. »Nein, nein, Julia," entgegnete er, ihre Hand streichelnd, »ich mag von der Welt nichts mehr wissen, sie ist falschl Diesen Herrn habe ich seit fünf Jahren crwartet.« »Fiinf Jahres-» rief sie und sah mich dabei verständnißvoll lächelnd an. »Das ist eine lange Zeit! Ei, Herr Dicken son, welche Entschuldigung sonnen Sie dafiir angeben, meinen Freund so lange warten gelassen zu haben·.-« »Die beste von der Welt: Ich wußte nicht, das; er mich erwartete, sonst wäre ich schon längst gelommen." Sie war wirklich ein reisender Weib, und ich machte meinem Lieblin im Stillen Vorwürfe, sie berichte - lichen That verdächtigt zu haben. Nein, MrtL Towlinson würde unter keinen Um tänden einen Mord begehen, dazu mli te man aus anderem Stoff gemacht lein. Diese schlankem weißen Hände waren nicht mit Blut befleckt! «Wisien Sie, Juliu, ich dachte mir immer, ein Unfall wiirde ihn Unter mein Dach bringen," begann jetzt der Alte und schien ärgerlich, daß dies nicht der Fall gewesen. »Er hat mir vorhin ein Lied gesungen Sie verfiirbte sich ein wenig und blickte besorgt auf ihren Freund: »War ers klug von Ihnen, Musik zu hören?" fragte sie vorwurssvoll und streichelte dabei seine Schulter-. »Hm Sie das nicht noch trauriger gestimmt, Siebel-» »Nein," entgegnete er leise. »Es war wie ein Klang aus der Vergangen heit, aber nicht so iiisz; nichts auf der Welt kann so süß fein wie ihre Stimme. Fetzen Sie sich, Julia, und essen Sie mit una. Es ist eine kalte Nacht und Sie hätten heute nicht kom men sollen-· Sie nahm ihren Hut ab, wars ihn aus den nachsten Stuhl, strich sich mit der Hand iiber ihr volles Haar und rückte dantfan den Tisch heran. »Die Nacht hatte noch viel kalter und stürmiicher sein müssen, um mich daran zu verhindern, Sie heute zu be suchen. Wissen Sie, was flir ein Tag heute ist, Sterns-« ,,Nein,« entgegnete er barsch. »Für mich find ietzt alle Tage gleich. Nur wenn der Wind manchma den Klang des Glockenspiels zu uns herübertreibt, weisz ich, daß ein ag ist, den die Leute Sabbath nennen. Ich verftopfe mir dann in der Regel die Ohren, damit ich das Geläute nicht höre. Wozu ist der Sabbath gut? Es kann ja leinen Gott geben, sonst hätte er nicht zulaf ien können, das; mein Engel von der» Welt abgeschlossen werde-C i »Sllll, still, Siche! Es gibt eitlen j Gott, und er ist sehr gut und gerecht! J Sie sollten sich nicht die Ohren ver-i stopfen, wenn Sie die Glocken hören, s die zu seinem Lade ertönen. Soll ichs Ihnen sagen, nselcher Tag heute ist? Ihr (s)ebnrtetag!« So suchte sie ihni von seinen diisteren Gedanken abzuleu ken. »Ein schrecklichen ein unglücklicher Tagl» jammerte er. ! »Nein, nein, ein glücklichek!" rief sie voll Erbamien. Sie sah in diesem Augenblick niie einSinnbild der Weib- s lichkelt ane. »Das Eis ist heute gebro- » chen und Sie haben sich endlich ents! schlossen, einen Jhres Geschlechtes zu empfangen. Sie sollen sehen, wie bald Sie wieder Freude am Leben finden werden! Ich habe Ihnen ein Geschenk mitgebracht, Stene.« »Das txt sehr freundlich von Ihnen, Juliu- a er Geschenke können mich nicht mehr erfreuen. Wissen Sie, welche Gedanken mich heute beschäftig ten?« »Wie soll ich das?" »Ich habe mir gesagt, daß ich sie hätte retten können. Neulich las ich eine tsieschiihte und in dieser beging die Heldin irgend ein Verbrechen, wenigstens wurde sie dessen beschnldigt. Ein Jüngling, der sie liebte, nahm alle Schuld auf sich, stellte sich dem Gericht nnd biißte die Strafe für sie. Weshalb habe ich das nicht gethan? Jn dem Buche endet Alles sehr gut, die Unschuld beider kommt an den Tag nnd der Veritrtheilte heirathet das Mäd chen. Jemand anders hatte das Ver brechen veritlit, Jemand, an den Nie mand gedacht. Warum habe ich mich nicht siir Mis; Moore geopfert?" »Das hiitte nichts geniitzt," sagte sie traurig. »Die einzige Möglichkeit, ihr Leben zu retten, war, sie siir anzurech tunggfähig zu erklären. Doch hier ist mein Geburtstagsgeschenh Steve." Sie reichte ihm ein winziges Pack chen. Er streifte das Papier ab, jede Farbe wich aus seinem Gesicht, dann driickte er seine Lippen auf den kleinen Gegenstand in feiner Fand »Mein LieblingN liisterte er zärt lich. »Mein Liebling! Julia, Sie brechen mein Herz mit dieser Gabe-. O, mein Engel, mein armer, geopfer ter Engel, was können wir fiir Dich thunI-" Er legte ein kleines, vorzüglich aus geführteo Miniaturbild Mis; Moore’s auf den Tisch, neigte sich darüber und küßte es wiederholt. Mir kochte das Blut bei diesem Anblick und ich mußte meine Selbstbeherrschung ausbieten, um mich nicht zu verrathen. »Ich werde den ganken Prozeß noch einmal studiren, ich muss auf den wirk lichen Thäter tommen," fuhr der Alte klagend fort. »Ich und mein Herr, wir Beide waren in Sie verliebt, Julia, ehe der Engel zu uns karn. Er ätte Sie auch sicherlich zu seinem eibe gemacht; er sagte ed mir an demselben Tage, an welchem .« ilda bei ans einzug. Als er jedoch die e kennen lernte, dachte er nicht mehr daran, Sie zu heirathen. Hätte Hilda nicht Ihren Lebendwcg gekreuzi, vieles wäre anders geworden. Oft wunderte ich mich dar über, daß Sie so gar nicht eisersiichtig waren, Julia!" »Nein, ich war es wirklich nicht,» entgegnete sie mit treuherzigemLächelm »denn ich liebte das Mädchen vom ersten Augenblick, wie jeder, der es kannte, es lieben niuszte!« ) »Herr Gret) hiitte Sie zu seiner Uni versalerbin gemacht," fuhr er, seinen Gedanken weiterspinnend, fort, ,.er sagte es mir selbst." » Jch bin keine Mammonsanbeterim « entgegnete sie in dem weichen, rnit leidigen Tone, den sie anschlug, wenn sie mit dem Altensprach »Siewissen, Steue, daß ich bei Lebzeiten unseres braven Herrn mehr Geld hatte, als ich verbrauchen konnte. Sie tniissen die Mörderin schon in jemand Andereni suchen als in mir!« . Ich nruttte dte Sanftmuth und Ge duld dieser Frau bewundern; jede An »dere an ihrer Stelle wäre zum Minde lsten ärgerlich geworden über die nicht ’mißzuverstel)enden Anspielungen des Alten« Freilich war ee ein Halbver rückter, der den Verdacht aussprach, aber kränkend blieb dieser dennoch. »Jn Jhtten?" wiederholte er ganz verwirrt. »Was fällt Ihnen ein, Julia, Sie habe ich keinen Augenblick verdachtigtt Frauen sind manchmal eifersitchtig und lieben den Reichtl)um." »Mehr gesprochen, alter Freund; studiren Sie nur den Prozeß recht, recht aufmerksam und wenn Sie etwas entdecken, was zur Befreiung des armen Mädchens fuhren kannte, werden Sie mich zu einem gliictlicheren Weibe machen als ich ed heute bin!" Sie stürzte ihr schdngeformtes Haupt mit der Hand und versank in tiefe Gedanken. Ihr Gesicht verwandelte sich ganz merkwürdig, es sah kummer voll, alt und fast häßlich aus. Tiefe Linien zogen sich um die Augen und Lippen, ja selbst ihre Gestalt schien in sich zusaunuenzusinten. Ich machte heute zum zweiten Mal dem Mädchen, das ich über Alles liebte, Vorwürfe, diese Frau angetlagt zu haben. So sah das bosc Gewissen nicht aud! Mein Verdacht gegen Croft nahm immer mehr zu. Meiner Ansicht nach hatte Dieser den Mord aus Eifersucht begangen, den Verdacht mit der den Geistes-kranken eigenen Verstellungss kunst von sich sern zuhalten gewußt und heuchelte heute Bedauern, die Schuld nicht aus sich genommen zu haben. Frau Towlinsan saszte sich bald, die Sorgensalten verschwanden ebenso rasch wie sie gekommen aus ihrem Ge sicht, die Schnnheit——und sie besaß eine merkwürdig sesselnde Schönheit —gewann wieder die Oberhand. »Unser ganzes, langes Gespräch ist siir Sie wohl ,griechiseh?’" wandte sie sich lächelnd an mich. »Sie haben, wie ich ans demselben entnommen, von einein geheiinniszvols len Mord gesprochen. Es ist merkwür dig, das; solch’ grusclige Themata die meisten Menschen zu imeressiren ver niögen!« Sie siihrte ihr Weinglav zum Munde nnd leerte eö schliirfend. »Es handelt sich um den sensationel len BromletyHall-Mord, der uns sehr nahe geht nnd der Ihnen sicherlich auch zur Genüge bekannt ist.« Ich verneinte dies, was sie sehr zu iiberraschen schien. »Wer ungefähr fünf Jahren sprach man monatelana in aanz England von .nichts Anderem Die osfentltche Mer- l nung hielt das Urtheil der Jury flir ungerecht und achtbare Männer der besten Gesellschaftokreise boten der Angeklagten, die, wie auch ich überzeugt bin, ungerechter Weise verurtheilt wurde, Her-, und Hand zum ewigen Bunde an." »Vor fiins Jahren befand ich mich in lDeutschland und deshalb mag mir der Prozeß entgangen sein. Würde es Sie zu sehr ausregen, wenn Sie mir davon erzählten?" fragte ich mit er heuchelter Zagl)aftigkeit. Sie warf einen fragenden Blick auf den Alten »Erzählen O sie ihm, ;ulia, er soll wissen, wie es die ganze Welt wissen sollte, welche Ijkärtyrerin mein Engel if.» Frau Towlinson ertziilsltc mir die ganze Geschichte genau so wie ich sie in den Akten gelesen. I Während sie von dem fehlenden Phonographen sprach, beobachtete ich den alten Mann und bemerkte, daß er wie ein Espenlaub zitterte. »Wenn Sie sich an jenem verhäng nißvollen Morgen nicht oerspätet hät ten, würden Sie Herrn Grey vielleicht noch lebend gefunden haben,« sagte ich, als sie geendet. »O, nein; wenn dein so wäre, würde ich mir Zeitlebens Vorwürfe machen. Die Aerzte ionstatirten, daß er s on viele Stunden todt gewesen sein mü fe, als ich ihn sand." »Und Sie glauben, daß die unglück liche junge Dame unschuldig ist?" »Ich glaube es nicht, ich weiß es bestimmt! Unser Freund hier hat Recht, sie ist eine Märtyrerin," ent egnete sie mit tiefem Ernst. ,,Doch Ietzt mus; ich heim, Siebe-« Ich erhob mich ebenfalls und fragte, ob ich sie begleiten dürfe. »Wenn es Ihnen nicht zu weit ist," meinte sie lächelnd. »Ich wohne am Siußell Square." Als ich bemerkte, daß auch ich in jener Gegend wohne, nahm sie meine Begleitung an. Wenn ich ein wenig eitel wäre, wiirde ich sagen, daß Frau Towlinson Gefallen an mir gefunden. Wir verabschiedeten uns von Crost und seiner Schwester und mußten bei den versprechen, bald wieder-zukommen Meine Hand drückend, flüsterte mir der Alte in’s Ohr: »Eines Tages, ich hoffe, es wird nicht mehr lange dauern, werden Sie die schönste Ztinime der Welt hören." Der Schnee fiel noch immer dicht, als wir aus dein Hause traten, und lag fußhoch in blendender Weiße auf der Erde. Ich reichte Frau Towlinson Inei nen Arm und sie nahm ihn dankend an. Auf dem Wege erzählte ich ihr, wie ich in Crofts Haus gekommen. »Sieh in einer solchen Nacht zu ver irren, und dann noch einem Geistes lranken tsiesellschaft leisten zu müssen, ist mehr als schwache Nerven vertragen konneni Aber nicht wahr, Sie werden ihn gelegentlich wieder besuchen? Der Aerniste ist sehr zu bedauern !« »Nicht so sehr wie das arme Mäd chen!" sagte ich und ich selbst wunderte mich über die Wärme meines Tone-T Sie sah mich prüfend an. »Ich glaube, wir sind alle drei zu bedauern-»der Eine mehr, der Andere minder; der Eine leidet offen, der Andere in tiefstem Herzen. Bedenken Sie doch, daß der Kummer den armen Crost um seinen Verstand gebracht hat.« »War er früher nie geisteskrank?" fragte ich heute schon zum zweiten Male. ,,Nein!« lautete die Antwort. »Nur der Gram und die Einsamkeit haben ihn verrückt gemacht. « »Liebte er das MadchenP" ,.Ja!« Ich fand es nicht gerathen, noch län ger bei dem Gegenstand zu verweilen, und begann von anderen Dingen zu plaudern. Wir legten den Rest des Weges in angeregter Stimmung zurück. Als ich mich vor ihrer Thüre empfahl, reichte sie mir die Hand und lud mich ein, sie auch einmal zu besuchen. »Hier nnd da thut einem jungen Manne ein Plauderstitndchen mit einer reiferen Frau sehr gut. So oft Sie sich einsam fiihlen, Ihrer Vergniigun gen nnd Freunde iiberdriissig sind, besuchen Sie mich. « Ich versprach es und verließ sie mit einem warmen Händedruck Ich war wohl meinem Ziel um keinen Schritt näher geriickt, freute mich aber doch mit dem Erfolg des heutigen Tages. Die Abschiedeworte Erostcz klangen in mei :nen Ohren fort. Eines Tages werden Sie die » schönste Stimme der Welt hören!» 7. Kapitel. Zu jener Zeit ging es in meiner Kanzlei noch jctns stitl zu. Mein Schrei ber konnte stundenlang damit zubrin gen, das Zchrciljpult tnitseinem Feder ntesscr 3n ;c1·sclwitzcln. Hätte ich nicht Privatocnnogen besessen, so wäre ich danmlis nicht in det Lage gewesen, so .viel Zeit auf die Eifotschung des ge hcininiswoltcn Wien schen Moich zu verwenden; so aber dnistc ich mir das ’crlanbcn i Nach riiflichcr Ueberlcgnng und nochmaligein Studium der Akten be schloß ich, auch dem smnptvertheidigcr Mist Moorch nicincn Besuch abzustat ten. Er hatte während dieses merkwür digen Prozesscs alle Zeugen wiederholt personlich vernonnnnn was er sonst den jüngeren Mitvcrtheidigcrn überließ. Ich wußte-, wie kostbar die Zeit des berühmten Advokaten war, wie selten er auch nur streuwerböre mit den be daraus, daß er für diese Klientin eins mehr als gewöhnliches Interesse gebebt haben mußte-. Ich bat ihn schrifti , mich am folgenden Morgen um ha b neun Uhr empfangen zu wollen. Zur anberaumtcn Stunde begab ich mich in seine Wohnung Ich hatte das Tagebuch zu mir gesteckt, um es Mr. Huzzle mit der eingeklebten Eintragung zur Ansicht zu unter-breiten Ein Weib, das getreue Ebenbild meiner eigenen Aufwärterim sehr alt, sehr kurzatlfmig, aber sehr sauber und hoflich, öffnete auf mein Klopfen die Hausthüre »Sind Sie Herr Dickenson?" fragte sie mit einem Knir. Ich bejahte. »Dann bitte ich, einzutreten. Herr Huzzle wird sofort erscheinen." Wir durchschritten einen langen Gang, dann ein großes Bibliothets A lasfenden Zeugen anstellte und folgerte " ’ « « e simmer und gelangten in ein geräu miges, mit auserlesenem Geschmack eingetichtetes Speisezimmer, das eine prächtige Aussichtan den TemplesPark und das Themseufer bot. Der Tisch war fiir zwei Personen zierlich gedeckt. Jch trat an’s Fenster und versank in den herrlichen Anblick. Als ich mich endlich umwandte, hatte Herr Huzzle bereits geräuschlos das Zimmer be treten. »Guten Morgen, Herr Dickensonl Sie sind pünktlich, das gefällt mir," sagte er, mir freundlich die Hand reichend. Er war ein Mann in den besten Jahren; seine vollen, runden Wangen strotzten von Gesundheit und die Augen blickten fragend, wie die eines Kindes, in die Welt· Der Bau der Nase und Stirne bekundete den be deutenden Menschen. »Nicht wahr, eine herrliche Aussicht von diesen Fenstern aus? Aber Sie müssen mich einmal im Hochfommer besuchen, da ist sie noch viel malerischer und imposanter. Doch jetzt bitte ich, Platz u nehmen, und mit mir zu frühstii en. Ariel wird sofort erscheinen.« Ich wandte ein, daß ich bereits ge friihstiickt hätte. »Das thut nichts, ein Mensch wie Sie verträgt auch ein zweites Frühstück. Ariel ist eine Meisterin im Rosten der Hammelnieren ! « Er berührte eine silberne Tisch glocke und Ariel, das alte Weib, brachte keuchend ein großes Tablette herein, auf dem melfrereszitgedeckte Schüsseln und eine große Kasseekanne standen. Die gerofteten Nieren waren in der That vorzüglich, wie Alles, was ausge tischt wurde-. Wir plauderten während des Essens iiber Dinge von allgemei nem Interesse (Foi·tsetzung solgt.) l Babv war krank, wir gaben ihr Gast-ritt Iis sie ein Kind war, tief sie nach Castorisz Sie wurde ein Fräulein, und hielt zu Castor-M, Uls sie Kinder hatte, gab sie ihnen ccfivriw EV. 11. ’l’lt()mps()n. Untsoßul und Jloitm Praktizirt in allen Gerichten. Grundeigcnihumsgeschäfte und Collektim nen eine Spezialität. Robert shikkwit Deutscher Advokai ——und— friedensrichteU Ofsice im Security Nat. Bank Gebäude-. ABEBBEEN. Graus Harbor Gegend, Wafhinqiou. Ein Geschiij Vorschlag, der Untersu chung werth. Alklsl lcl)l«« lc N LIND CO. semdekmann ä- co» Leichcnbcstaiien Alle Eint-ten Säkgc zu nicdrigstcn Preisen misy«(0inbaljamircn auf-J Veer txt-sorgt Alle in dir Brauche eint-g Deichsnbestatters schlagt-»den Msorgungenausgeführt gi --M—W-W. m ein« tu Im .ui--ksut)-Ixen, (’.Is»UV-.«7»v«1s ·’.«s.: Ost-. H tm In , Innst ’. Eli-· ch likn Hu. laut mumi- -!:-«i:1!«(» ipssshs stlwnlunn wickde 1.n:s us, die As U Chr losm. Vfiuhuuu 1« Inle Isd hm Männer uhd Man-n tm un n-«. verdienen langt. Beim-u n W bieuftgur. E muss-« Is- » k. nnd mehr sung-uni- an: 6. Einst-M mit michtiqteit M has-no M» cI Imm. W -—·—— SPEEDY and LASTING RESULTS. FAT PEOPLE/^ 1 No Inconvenience. Simple,*.,,, .„ Tl sure. ABSOLUTE’-? /EJZl ", from any injurious substance. 7 LARGE ABI0ME1TS BEBUOED. We GUARANTEE a CURT or refund your moc y. I>rle<> #3.00 per bottle. Send 4c for