Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893, December 16, 1892, Image 3

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    getragen- Beträgen
Roman von Raing Ottmnllll.
Während Dernberg nun mit roßer
Wärme über den Gegenstand prach,
sich dabei vorzugsweise an Komtesse
Elsa wendend, hatte Graf Egon wie
derholt sehnsüchtige Blicke nach jener
Thiir geworfen, hinter welcher helles
Gläsertlingen und lustiges Lachen die
fröhliche Stimmung der Gesellschaft
verrieth, und endlich konnte er sich nicht
enthalten, in seiner harmlos gutmü
thigen Weise mit seinen innersten Ge
danlen herauszuplatzem
»Mir scheint wirklich, lieber Profes
sor, daß ich bei dieser Vorberathung
ziemlich überflüssig bin, um so mehr,
da ich mich im vornhinein mit Allem
einverstanden erkläre und mich ganz
und gar als-z willenloses Werkzeug an
zusehen bitte. Wenn Sie also die Be
sprechnng mit meiner Schwester zu En
de führen loollen, so bekomme ich viel
leicht die Erlaubniß, dem Zuge meines
Herzens und meines nicht unbeträcht
lichen Durstes Folge zu leisten.«
Mit einer übermüthigen Neckerei er
theilte ihm seine Schwester den erbete
nen Abschied, und sporenllirend ver
schwand der stattlich Osfizier in dem
Nebensalon.
Nach seiner Entfernung entstand fiir
einige Augenblicke ein verle enes
Schweige zwischen Beiden; dann chick
te sich der Professor an, mit seinen Er
läuterungen fortzufahren; aber Elsa
legte ihre Hand auf seinen Arm und
fragte, indem sie ihn mit ihren Schel
menaugen lustig ansah:
»Wie in aller Welt wollen Sie es nur
zu Wege bringen, Herbert, ein so in
grimmiges Othello-Gesicht zu machen,
wie dieser Nebenbuhler da aus Jhrem
Bilde! Jch fürchte,——ich fürchte, Sie
werden so sanftmüthig aussehen, daß
Jhnen Niemand die verzehrende Eifer
sucht glauben wird, die Sie nun doch
einmal nothwendig zur Schau tragen
müssen!«
»Sie scheinen eine bessere Meinung
ron mir zu haben, als ich es verdiene,
Elsa,« sagte er ernst, indem er ihre
Hand anseine Lippen zo . »Ich glaube,
mir ist diese Leidenscha t ebensowenig
sre:-.d, als alle anderen menschlichen
Gebrechen.« ,
»Sie glauben II nur, mein Herr,
und wissen noch nicht einmal zuverläs
sig, ob Sie eisersüchtig sind oder nicht«
O, da wird man ja auf ein Mittel
denken müssen, es festzustellen! Wie
wäre es zum Beispiel ,wcnn wir meinen
Bruder durch einen anderen siavalier
ersetzten —-s- etwa durch den Grafen
Listeinau oder den Freiherrn von Hiide
toch«
»Sie spotten, Eisi; denn Sie wissen
wohl, das-, mich solche harmlose Kotet
terien niemals zur Eifersucht reizen
könnten, dass, ich aber hundert Veran
Zasiungen statt einsr l;abe, fiir die Dau
erhaiiigieit meines Glückes zu zittern.«
»Pfui, Sie halten mich für wanlel:
mitthig?«
»Nicht doch,« sagte er, »ich tenne
Ihr Herz zur Genüge, um Ihnen zu
vertrauen, aber eZ können Verhältnisse
auf Sie einwirten, welche stärler find,
als Ihre Liebe zu mir.«
»Niemals!« unterbrach sie ihn rasch
nnd mit leuchtenden Augen« »niemals!
Was ich Jhnen versprochen habe, Her
bert, das werde ich halten; und es ist
gar nicht hübsch von Ihnen, daß Sie
uns jede der spärlich zugemessenen Mi
nuten des Alleinseins mit so ängstli
chen Vorstellungen verderben. Mein
lieber Papa ist trotz seiner soldatischen
Rauhheit der lieb-vollste Vater von der
Welt. Er wird im schlimmsten Fall
vielleicht ein wenig weitern; aber er ge
winnt es nicht über sich- mir einen
etncglichen Kummer zu bereiten, und da
er » ie ohnedies aufrichtig schlihh wird
es mir nicht eben gar zu viel Mühe lo
sten, feine Einwilligung zu erhalten.«
,,Wollte Gott« daß Jhre Zuversicht
Sie nicht betrüge, tbeuerste Elsa. Aber
ich lann die Besorgnisz nicht los werden,
daß Sie die Macht des Jahrhunderte
alten Vorurtheils unterschätzen, und
daß Sie in diesem Fall einen ungleich
börteten Widerstand bei Jhretn Vater
finden werden, alg sonst, wenn eS sich
nur um die Befriedigung einer, wenn
auch vielfach übermüthigen, so doch
immerhin erfüllbaren Laune handelte.
Man wird Jhnen v·elleicht arg zusetzen,
denn auch Graf Egon wird trotz all
seiner Liebenzwiirdigteit schwerlich auf
meiner Seite stehen, und ich habe rnir
schon wiederholt die Frage vorlegen
niiissen, ob ich wirklich ein Recht habe,
Sie solchen Gefahren auszusetzent«
Sein ernster Ton vermochte ihre
Heiterkeit nicht zu unterdrücken. Sie
lachte lustig auf und sagte sorglos:
»Nun aber genug mit der Grillen
fiin erei, mein lieber Herberit Wir
mti en uns jetzt ebenfalls zu der Gesell
schaft begeben, wenn wir nicht den rnit
ßigen Zungen einen willkommenen
Stoff zu allerlei Vermuthungen liefern
wollen. Also, es bleibt natürlich bei
dem, was zwischen uns verabredetx
worden ist! Bis zu unserer Soiree und!
bis zunr Erscheinen Jhres neuen Bil
des in der Ausstellung bewahren wir
unser Geheimnis; auf das ängstlichfte;
denn es wäre allerdings recht fatal,
wenn mein Papa auf irgend welchen
tlmwegen von dem Bündniß unserer.
herzen Kenntniß erhalten sollte. Dann
aber, wenn Ihr Ansehen bei Papa noch
urn einige Stufen gestiegen sein wird,
treten Sie mit einer offenen Erklärung
vor ihn hin, und Sie können darauf
zahlen, daß Sie auf keinen allzu hef
tigen Widerstand und in mir überdies
eine starke Stütze linden werden«
Es war ihr w rllich gelungen, den
ernsten Schatten von seiner Stirn hin
weg zu plaudern und ihn sogar zu
einem Lächeln zu bringen. Noch ein
mal küßte er ihr beide Hände, dann,
als sie hinter der Thiir des Nebenzim
mers das Geräusch zurückgeschobener
Stüge vernahmen, zum Zeichen, daß
die afel aufgehoben sei, fuhren sie
ras auseinander und Eise sagte in»
« tomis eher Verzweiflung: s
»O weh, nun haben Sie mich nicht«
nur um einen Theil meiner guten Lau
ne, sondern auch um meinen meiß
gebracht. Jch werde mir Mühe gehem
Jhnen das heimzuzahlen. Bei unserem
nächsten Diner sollen Sie mein Nach
bar werden und ich werde Sorge tra
gen, daß Sie sich ebenso hungrig wie
der erheben, als Sie ich niedergesetzt
haben.«
Mit ihrem gewöhnlichen reizenden
Lachen flog sie davon, während ihr der
Professor mit leuchtenden Augen nach
schaute. Aber gleich daraus lehrte doch
ider Ausdruck der Sorge auf sein Ge
sicht zurück, und während er langsam
die zum Garten führenden Stufen
lhinunterschritt, murmelte er wie unter
Idem Bann einer trüben Ahnung vor
i sich hin: · » «
; »Ich vermag ihre frohliche Zuversicht
jnicht zu theilen und ich fürchte nur zu
,sehr, ihre Standhaftigkeit wird den
Eheifzen Kämpfen nicht gewachsen sein,
iwelche sie erwarten.«
s· K a pite l.
f Jn vor ertickter Abendstunde des
sniimlichen ageö und nachdem er einem
ssrheit ver Baaet-Voksteuun im könig
lichen Theater beigewohnt atte, begab
lsich Graf Egon Holzhaufen, alter Ge
1 wohnheit folgend, in seinen Klub. Die
felegante Gesellschaft vornehmer junger
L Lebemänner, in welcher er sich behaglich
fühlte und die Zerstreuungen, denen
zman sich in jenem Kreise hingab, wa
«ren viel mehr nach seinem Geschmack,
1als die schöngeistigen Unterhaltungen
iim Hause seines Vaters.
! Als er eintrat, fand er bereits eine
« ganze Anzahl junger Offiziere und Di
plomaten in den luxuriös ausgestat
-teten Klubräumen beieinander, und
man begrüßt ihn alg einen der lie
Fbenswijrdigsten und gerngeseheniten
«Mitglieder von allen Seiten auf das
·Herzlichste. Hier und da hatten sich
bereits kleinere Partien an den dazu
« aufgestellten Tischen zum Spiel nieder
·gestzt nnd Graf Egon trat zu diesem
und jenem, um eine Erkundigung oder
sonst einige freundliche Worte auszu
tauschen. Da rief man seinen Namen,
und als er näher trat, redete ihn ein
«l)eweglicher, kleiner Herr in französi
«scher Sprache an.
J ,,Pardon, lieber Graf, wenn ich Sie
für einen Augenblick festhalte! aber ich
kmöchte Ihnen einen Landsmann rot
- stellen, welchen bei uns einzuführen ich
heute die Ehre habe. Der Marguis
Zkliaoul du Berdy — — der Graf Egon
F Holzhaufen!«
i
1 Der Graf verbeugte sich höflichst vor
; dem hochgewachsenen, schlanten und
kduntellockigen Herrn, welchen ihm der
i lleine Herr —- ein Attache der franzö
ssischen Botschaft --vorgestellt hatte und
«hief3 ihn mit höflicher Redensart wills
! tomipen Auch Herr Raoul du Berdy
: hatte sich mit der vornehmen Sicherheit
Idee vollendeten Weltmannes geneigt
kund die Anrede itn elegantesten Fran
Izösisch mit einer verbindlichen Phrase
ierwidert. Er war ein etwa fünfund
I zwanzigjähriger Mann mit dem ausge
prägten Typus des Südländers, mit
trausem, tief in den Nacken herabfallen
cdem schwarzem Haar, einem lecken
I Schnurrbärtchen und lebhaften, blitzen
tden Augen. Seine Bewegungen wa
I ren vielleicht etwas zu unruhig, um im
mer distinguirt zu erscheinen, und
iwenn er eifrig sprach, entschlüpfte ihm
i zuweilen eine Wendung, welche man in
diesem Kreise nicht gewohnt war zu
hören. Aber der kleine Attache, wel
cher ihn eingeführt hatte, entschuldigte
ihn bei den Umstehenden leise damit,
daß der Msrquis ein sehr reicher
Grundbesitzer aus dem Süden Frank
reichs sei und bisher stets auf seinen
Gütern elebt habe. so daß es wohl
verzeihlig erscheine, wenn er sich dort
freiere Manieren angeeignet habe. Auf
die Frage, wie er denn selbft zu der
Bekanntschaft mit dem Landsmanne
gekommen sei, erzählte er, daß der
Marquis heute in der Kanzlei der Bot
schaft erschienen sei, um einen Ver
nierl in seinem Paß vornehmen zu las -,
sen, daf; er dabei seine Papiere Vorge-«
legt und zugleich mit dem diploma-«
tischen Personal der Botschaft Bezie l
hungen angebahnt habe. I
Nach einer so zuverlassigen Aus-s
tunft über die gesellschaftliche Stellungs
des Fremden durfte man nicht zögern,
ihn als ebecsbürtigen Kavalier zu be
handeln und ihm zu beweisen, daß die
Gastlichkeit eine hervorragende Tu
gend des deutschen Adels sei. Auch
Graf Egon, der wegen seiner liebens
würdigen Urngangssormen ohnedieö
den Ruf eines charmanten Gesellschaf
ters genoß, ließ es nicht an Zuvorlom
menheit gegen den Franzosen fehlen,
nnd es konnte darum Niemandem auf
sallen, daß sich der Marquis vorzugs
rseise ihm anschlon und offenbar be
müht schien, sich seine Freundschaft zu
erwerben.
Gegen Mitternacht trat ein anderer
Offizier an Egon heran, um ihn zu
einer Spielpartie aufzufordern, und
der Marauis bat in thslichster Form,
sich ebenfalls anschließen zu dürfen.
Die kleine, aus vier Personen beste
hende Gesellschaft ließ sich in einer Ecke
des Spiel aales an einem der vierecki
gen Tisch n nieder und einer der auf
wartenden Diener brachte das verlang
te Kartenspiel. Bald erschienen an
sehnliche Häuschen von Goldstücken
und Bantnoten auf der walächq und
die anfangs sehr gleichniüthigen Mie
nen der Spielenden nahmen einen im
mer gespannteren Ausdruck an. Der
junge Franzose war offenbar stark im
Verlust, denn von den Hundertfranks
billets, deren er eine ganze Hand voll
aus seiner Brieftasche genommen hat
te, waren nur noch wenige übrig ge
blieben, während die überwiegende
Mehrheit in den Besitz des Grafen
Holzhaufen übergegangen war. Aber
man mußte dem Marquis das Zuge
ständniß machen, daß er seinen Verlust
wie ein vollendeter Weltmann trug.
Nicht eine einzige ärgerliche Miene
verrieth, daß er sich im Geringften da
von betroffen fiihlte, und seine gute
Laune schien vielmehr in demselben
Maße zu wachsen, ais sich sein Vorte
feuille entleerte.
Als man sich endlich nach Verlau
mehrerer Stunden erhob, bezifferte sich
der Gewinn des Grafen auf eine recht
beträchtliche Summe, die beinahe aus
schließlich aus der Brieftasche des
Franzosen stainmte, und der junge
Offizier konnte sich nicht enthalten,
zu sagen:
»Ich hoffe, Herr Marquis, Sie wer
den mir morgen Gelegenheit bieten,
Jhnen Revanche zu geben, denn Sie
möchten sonst nicht eben den besten Ein
druck aus unserem Klub mit hinweg
nehmen«
»Den allerbesten, Herr Graf,« ver
sicherte Berdh, der für einen Franzo
sen, welcher bis dahin nur auf seinen
Besißungen gelebt hatte, übrigens ein
aussallend gutes Deutsch sprach, »der
kleine Verlust ist ja nicht der Rede
werth, und ich werde mich glücklich
schätzen, daß er mir dazu verholfen hat,
die Bekanntschaft des liebenswürdig
sten deutschen Edelmannes zu machen,
Jm Uebrigen hoffe ich in der That,
noch morgen und an manchen weiteren
Abend mein kleines Spiel in Ihrer
Gesellschaft zu machen.«
»Sie gedenken also, längere Zeit
hier zu bleiben?«
»Für einige Monate gewiß, voraus
aesetzt,« daß man mich in der Gesell
schaft Ihrer Hauptstadt willkommen
heißt!«
»Woran keinen Augenblick zu zwei
feln is,« fiel der Graf liebenswürdig
ein. »Mir zum Beispiel würde es zum
besonderen Vergnügen gereichen, Sie
in das Haus meines Vaters einzufüh
ren, nnd ich bitte Sie, in dieser Be
ziehung ganz über mich zu rerfüsien.«
Blitzfchnell glitt es ivie ein trium
phirendes Viuflcuctiken über das leicht
gebrännte Antlitz des Mar.iuis; aber
wohl keiner der Umstebenden hatte die
slüchtige Verständnng in seinem Mie
nen gemerkt, und aus seiner höflichen
Versicherung daß er von dieser »Hüte
dankbar nnd baldigst Gebrauch machen
werde, klang wieder die ganze liihle
litelassenheii des welterfahreneri Gen
tleman. Er lud die drei Herren, irr-el
che an dein Spiel theilgenommen hat
ten, zu einer Flasche Champagner in
einem benachbarten titestaurant ein und
erwies sich auch in der Eigenschaft
des Gastaebers als ein Gesellschafter
von besten Manieren und von spru
delnder Laune.
Wie es in diesen Kreisen üblich ist,
drehte sich das Gespräch vornehmlich
um schöne Pferde und schöne Frauen;
man redete von Schauspielerinnen und
Tänzerinnen und erörterte einen Stan
dalartikel über eine bekannte Ballerine.
Der Graf ließ sich das Blatt bringen,
und während er die Spalten über
flog, um jenen Artikel zu suchen, haf
teten seine Blicke zufällig an einer
kleinen Notiz im Tagesbericht.
,,Sind Jhre französischen Spitz
buben auch so frech wie die unserigen,
Marquis?« fragte er. »Hören Sie
nur von dieser neuesten Gauner-Hel
denthat.«
Und er las ihnen die Zeitungsnotiz
vor: -
»Während der verflossenen Nacht
gelang es einigen Einbrechern, auf
bisher noch völli unausgeklärte Weise
in das Stassenloeal des hiesigen Ban
kiers Jakob Treumann einzudringen,
den bisher für völlig diebessicher gehal
tenen Geldschrank init Hilfe von
Nachschlüsseln zu offnen und eine grone
Summe in Papieren und in baarem
Gelde zu entwenden. Ein Theil des
Geldes bestand in .L)undertfrantsbil
tets, deren Nummern leider nicht no
tirt waren, so daß man nicht hoffen
dars, die Diebe bei der Verausgabung
derselben anzuhalten. Das Ausfal
lendste bei diesem augenscheinlich mit
ebenso großer Kühnheit als-« Berschlas
genheit ausgeführten Diebstahl ist der
Umstand, daß ein in unmittelbarer
Nähe des Thatortes stationirter Wäch
ter nicht das geringste verdächtige An
zeichen wahrgenommen hat und bei der
Behauptung verbleibt, die Straße sei»
nur von einigen seingetleideten Herren
passirt worden. Den Behörden fehlt.
bis jetzt jeder Anhalt für die Ver-s
solging der Verbrecher.« s
er Marquis zuckte gleichmiithig die,
Achseln und zündete sich eine neue
Zigarre an.
,,Dergleichen Gesindel giebt es Uber-l
all,« meiste er, »die Narren, welche
ihre Schätze nicht besser verwahren,
haben es am Ende steh selbst zuzu-’
schreiben, wenn sie von einem sindigen
Kopf um ihren Uebersluß erleichtert«
werden« Z
Damit war der Gegenstand abge
than und das Gespräch wendete sich
wieder den vorherbehandelten Stoffen
zu. Als die Zeiger der Uhr aus die
dritte Morgenstunde wiesen, zeigte der
Marquis eine gew: sfe Ungeduld, welche
seine Gäste veranlaßte, an den Auf-«
bruch zu denken. Zuvor verabre:·ete
er jedoch mit dem Grafen, daß ihn der
selbe am niichsten Mittag zu einem
Spazierritt abholen und ihn nach dem
selben seiner Familie vorstelleu sollte.
Auf der Straße gingen die vier« Herren
nach verschiedenen Richtungen aus
einander Der Marquis schlug zwar
zunächst den Weg nach jenem vorneh
men Hotel ein, welches er dem Grasen
als seine Wohnung bezeichnet hatte;
aber als er sich überzeugt halten
icnnte, daß er sich außerhalb des Ge-.
sichtsireises der andern befand, wen-s
dete er sich in eine Nebenstraße, und
schritt einem entfernten und viel we
niger ariftolratischen Stadtviertel zu. I
Vor einem unansehnlichen Haufe in
der engen und ziemlich übelberufenen
Kathadinenstraße machte er Halt. Eine
trübe brennende Laterne verkündete
daß sich in diesem Hause eine Schenk
wirthschast befinde, und in der That
war n trotz der vorgerückten Stunde
die Fenster des Erdgeschosses noch im
mer matt erleuchtet. Aber die Haus
ihiir war verschlossen, und der Herr
Marquis mußte nach dem Glockenzuge
greifen um sich Einlaß zu verschaffen
Ein verschlasen aussehender Bursche
öffnete ihm nach einer kleinen Weile
und beantwortete eine hastiqe Frage
des vornehmen Herrn mit einem ver
drießlichen Kopsnicken und mit dem
Hinweis auf eine der in den Hausflur
einmündenden Thüren. z
Du Verdy riß, ohne sich durch vor-,
heriges Klopfen anzumelden, die be
zeichnete Thüre auf und ttat in einen
niedriaen Stamm dessen kahle, roh ge
tünchte Wände und fchmutzige Tische
nnd Stühle einen gar seltsamen Ge-»
gensatz bildeten zu dem prächtigew
Solon und den fchwellenden mit schwe
ren Seidenstoffen überzogenen Sesseln
des Refiaurants, welches er soeben
i
verlassen hatte. i
Von einem verschossenen Sopha er
hob sich bei du Berdy’s Eintritt die
kleine, breitschultrige Gestalt eines
aufsalleno häßlichen Mannes, welcher
den Marquis mit einem merkwürdig
vertraulichen Grinsen willkommen hieß
und ihm einen der unsauberen Siühle
an den Tisch heranzog
»Du hast mich verteufelt lange war
ten lassen,« mein Lieber,« sagte Uhlig,
»aber es soll Dir gern verziehen sein,
wenn Du gute Nachrichten bringst. Jch
hoffe, Du hast Dein erstes Debut in
der vornehmen Welt mit Ehren be
standen.«
Von dem Antlitz des Herrn Mar
quig war der verbindliche und liebens
niiroiae Liluzdrnch welchen er wäh
rend der ganzen Nacht getragen, voll
ständig: verschwunden. Er geiite eine
abgesponnte und verdrieszliche Miene
und aus seiner Stimme klang ev- wie
nervöse Gereztheit, als er erwiderten
»Du wirst mir hoffentlich eine aus
führliche Berichterstattung erlassen«
Dazu bin ich doch zu müde und es war,
wie ich Dir von vornherein bemerken
will, das einzige Mal, daß ich mich zu
einem Weg in diese Spelunle herbei
gelassen habe. Du wirst dafür Sorge
tragen, daß wir uns künftig an einem
anderen angemesseneren Orte treffen
können und daß es mir ersp.:rt bleibt,
hier etwa einem von Deinen Spiefzge
sellen zu begegnen, deren bewunde
rungswürdige Geschicklichkeit man eben
jetzt in allen Zeitungen rühmen l;ört.«
Der Andere zeigte sich durch diese
unwirsche Anrede nicht im Mindesten
beleidigt; er lachte vielmehr mit un
rerkennbarem Behagen vor sich hin und
meinte:
,,Diesen Stolz lasse ich mir gefallen,
theuerster Brunol Je mehr Du auch
uns gegenüber den Edelmann heraus
lehrst, desto kleiner wird die Gefahr,
daß Du auf dem Schauplatz Deiner
Thaten aus der Rolle fallen könntest.
Die Geschicklichkeit unserer guten
Freunde aber könntest Du immerhin
mit etwas größerer Hochachtung er
irähnen; denn ohne den Geinestreich,
trelchen sie bei dem Bankier ausgeführt,
hätten wir schwerlich die Mittel gehabt,
unser Spiel schon setzt zu beginnen.
Ich denke, das Häuflein von Hundert
francsbillets ist Dir bei Deinem Ein
tritt in die große Welt nicht schlecht zu
siatten getominen."
»Es ist bis auf das letzte dahin und
wenn ich in derselben Weise weiter ar
beiten soll, fo wird ein Vermsgen
drauf gehen, ehe wir am Ziel sind.
Aber ich bin trotzdem Init diesem Arend
zufrieden Graf Holzhaufen wird mich
morgen seinem Vater präsentiren nnd
die erste Schwierigkeit wäre damit ja
glücklich überwunden«
»Ich dente mich- Alles Andere wird
sich finden, wenn Du auf Deiner
Hut bist, und Dich gewissenhast an
Deine Jnstruitionen hältst. Daß Du
an Uns eine mächtige Stütze und einen
sicheren Rückhalt kast, haben wir ja be
wiesen und Du wirst vernünftig genug
sein, diesen Beistand und das herrliche
Leben, welches Dir bevorsteht, nicht
leichtsinnig durch irgend eine Eigen
niächtigleit aufs Spfel zu setzen, welche
uns und Dich um die Früchte unserer
Bemühungen bringen kann.«
»Aber ich möchte denn doch vorerst
bestimmt wissen, woran Jhr hinaus
wollt. Jch will nicht leugnen, daß mir
dies Leben gefällt, und daß ich nicht
einsehe, warum ich es nicht auf Eure
Kosten und Gefahr fortsetzen sollte;
aber Jhr iönntet Euch doch vielleicht in
der Größe meiner Dankbarkeit verrech
nen und Hoffnungen auf mich setzen,
welche ich nicht zu erfüllen vermag. Ich
bin wohl bereit, eine Komödie zu spie
len, aber ich bedanke mich fiir die Rolle
des Bösewichts in einem Trauerspiel!«
»Der Einfluß Deiner holden Base
und Pslegeschwester scheint ja noch im
mer ein recht erfreulicher zu sein,« spot
tete der Andere. »Ich glaubte, Du
würdest mit der Altweibermoral gebro
chen haben, seitdem Du das neue Da
sein angefangen hast, und ich will Dir
nicht verhehlen, daß mir dieses zimper
ichs Jung erchen, aus das wir bestän
dig Rücksicht nehmen sollen, nachgerade
lästig zu werden anfängt. Es wäre
nicht so übel, wenn wir sie auf einige
Zeit an einen Ort schickten, an dem
sie uns weniger im Wege ist, als hier.«
Hätte der Sprechende seinen Kame
raden während der setzten Worte in
Auge gefaßt, so würde er vielleicht we
niger gleichmüthig geblieben sein. Jn
dem Antlitz des Herrn Marquis präg
te sich nämlich eine so zornige Entrü
stung aus Und seine ol;nedies schon so
lebhaften Augen sunkelten so ingrim
mig, daß der Ausbruch der Erregung,
welcher nun folgte, wohl vorauszu
sehen gewesen wäre. Der junge Mann
schlug mit geballter Faust heftig auf
den Tisch und donnerte mit der gan
zen Kraft seiner Stimme dem in vor
sichtigem Flüsterton Sprechenden zu:
»Die Pest auf Deine Zunge, wenn
Du mir das Mädel nicht endlich in
Ruhe lassen kannst. Lieber schicke ich
Dich und Deine ganze Kumpanschast
zum Teufel, als daß ich an Helenen
zum Verräther und Meineidigen wer
de. Wenn etwas Derartiges etwa in
Eurem Programm stehen sollte, so bit
te ich von vornherein auf meine Mit
wirkung zu verzichten. Es ist wahr
lich genug, daß ich gezwungen bi:i, ihr,
die es noch allein gut mit mir meint,
täglich als Lügner gegenüberzutreten
und sie in den Glauben zu versetzen,
daß ich mir hier eine bescheidene und
rechtschaffene Existenz verschafft habe.
Ich habe Dir mein Wort darauf ge
geben, ihr unsere Pläne niemals zu
verrathen, und ich werde dieses Wort
schon deshalb halten, weil ich weiß,
daß mir in demAugenblick der Entdeck
ung nur die Wahl bleiben würde, ent
weder sie oder Euch aufzugeben. Da
rüber hinaus werde ich niemals gehen,
und ich will nichts auf mein Gewissen
laden, was ich ihr nicht doch einmal
eingestehen könnte. Danach magst
Du Dich richten. und außerdem magst
Du Dir denken, daß ich niemals das
geringste sphttische oder beleidigende
Wort aus Deinem Munde über sie
dulden werde.«
,?91«rsei;n:ig s«-Iz«7..
——«ieser Tage wurde in Louis
ville in Kentucky der Agent der
,,ilnited States lfipresz Eomdany« in
Huntingburg in Indiana H. H. Le
stetter in dem Augenblicke verhaftei,
als er im Begriffe war, Diamanten im
Werthe von sechzshundert Dollars bei
einem Pfandleiher zu verpfänden. Jn
seinen Taschen wurden noch zwei Dia
mantknödse und eine goldene Damen
uhr gefunden. Er gestand in der Po
lizeihauptwache ein, daß er der Expreß
gesellschaft gehörige Gelder vdn einem
nicht unbedeutenden Betrage verspielt
und eine nach New York bestimmte
Diamantsendung aus Booneville in
Indiana, welche in Huntingburg durch
seine Hände gegangen sei, gestohlen
habe, um aus deren Erlös das unter
schlagene Geld zu ersetzen. Der Be
trag des letzteren soll sich auf eintau
send bis eintausendfiinshundert Dol
lars belaufen.
—Arn 25. November fand m Ca
stua, einer ehemaligen altrömsschen
Ausiedlung in der Nähe von Abhazia,
eine großes Fest statt, welches durch
feine Eigenartigkeit das Interesse wei
terer Kreise verdient. Es herrscht
nämlich unter den Castuanern seit
vielen Jahrhunderten die Sitte, daß
nur an einem Tage des Jahres— -dern
stathariiientage (25. November-—
Ehen geschlossen werden, und bcuer
erschienen an diesem Tage 34 Paire
vor dem Traualtar. Dieses -riginelle
Fest wurde in diesem Jahre besondxrs
feierlich begangen. Am Abend war
di: große Kirchenruine, in welcher die
nationalen Tänze-darunter auch der
Kolotanz«—aufgesührt wurden, mit
Lampions und bengalischen Fla n nen
bzleuchteL
MUm den Kindern das Stottern
abzugetvöhnen, theilt Gymnassallehrer
Dr. Zradlet iu Leobschiitz ein Mittel
mit. Er hat dasselbe immer waLihri
gesunden und empfiehlt es deshalb
den Eltern zur Anwendung Dieses
Mitel besteht darin, dasz man ein stot
terndes Kind veranlaßt, beim Sprechen
und Lesen jedes Wort mit »u« zu be-:
ginnen. Der Satz: »Die Lerche singt
fröhliche Lieder,« würde demnach lau
ten: »u« Die »u« Lerche »u« singt un)
so weiter. Nach drei Monaten hat
das Kind durch erleichterte Sprechtveife
das Stottern verlernt, und man kann
es auch von der Verpflichtung, jedes
Wort mit »u« zu beginnen, entbinden.
Den Erfolg bezeichnet Dr. Zradlet als
sicher.
Zweierlei Auffassuna.
Marie: ,,Kein Mann dürfte mich küs
sen, außer ich wäre mit ihm verlobt.«.
——Claire: »Und mit keinem Mann
würde ich mich verloben, er hätte mich
denn zuvor geküßt.
Große Fortschritte. Tan
te: »Nun, Elfe, laß’ mal hören, was-,
Du schon französisch gelernt hast. Ruf
einmal die Gouvernante auf franzö
sisch: sie soll herkommen!« «
Exsk,;».,Pst. Pfu
Maler-e
Theeriaäsen - Ameisen-Im
Vom Fbrsterlatein haben wir Alls
genug gehört, aber nachstehendes
Prachtstiickchen von Neuengland-Fi
scherlatein kann es mit jeder Jäger
Münchhausiade aufnehmen:
Im niedlichen Dörfchen Siasconset
unterhielten sich jüngst Sommergäste
und biedere alte Fischer, wobei Lehtere
die Kosten der Unterhaltung und Er
stere die Kosten der »Feuchtigkeit« tm
gen. »Wenn vom Walfischfang die
Rede ist,« bemerkte ein weißbärtiger
und rothnascger Wasserheld, »so weiß
Keiner mehr darin Bescheid, als ich.
Noch heute lebt mein Geist in den Ta
gen, als die Wale hierherum so diclet
schwärmten, daß man sie schaarenwe
an das Ufer kriechen und sich wie
Schildkröten sonnen sehen tonnte.«
»Wie lange ist das herd« fragte ein
vorwitziger Urünschnabel
,,Erst ungefähr 40 Jahre, « war die
Antwort. ,,Damals hatten die Wale
aber auch noch Oel in sich, das der Re
de werth war, ja es waren eigentlich
weiter nichts als OelschlätUche und
wenn aus so einem Biest der Thran
genommen war, so blieb nicht mehr
Haut aenug übrig, um einen Baseball
damit zu überziehen Jetzt aber sind
sie gar nicht mehr explosiv.«
»Was meinen Sie mit nicht-explo
sto?« fragte ein Gast, indem er ihm
aufs Neue die Flasche mit dem Med
sord-Tlium reichte.
Der Fischer that einen tiefen Schluck
und fuhr dann fort: »Ich meine, daß
die Wale so voll Thran waren, daß
man nur einen Docht in einen zu ste
cken brauchte, und er brannte ein hal
bes Jahr lang. Bah! Dagegen ist der
,,Kerzenfisch«, auf den man sich heut- ·
zutage am Stillen Ocean etwas einbil
det, noch gar nichts. Wir haben noch
viel mehr damit anfangen können.
Wozu sollten wir uns mit Holz und
Kohlen plagen? Wir hackten einfach
Stücke von einem Wale ab, und warfen
sie in den Ofen, und sie gaben das
schönste Feuer, das man sich denken
kann. So einen Wale, oder einen
Theil davon, hatten wir immer wie
ein geschlachtetes Schaf im Hinterhof
hängen, und so oft wir Feuer machen
wollten, gingen wir einfach hin und
hackten einen oder zwei Klumpen da
von ab, je nach der Größe des Ofens.
»Bl) Jore«! meine Kehle ist ganz tro
cken geworden.«
Wieder ließ er sich die Flasche rei
chen Und stiirkte sich für seinen Haupt
trumpf, Dann sprach er weiter:
»Ich habe einmal einen alten Ma
trofen gekannt, der ein sehr gräßliches
Ende nahm; ein Wale machte ihm den
tåiarails.«
»Auf dem Ltsasser, natürlich?« warf
Jemand ein.
»O nein!« versetzte der Fischer ernst,
»in seinem Hinterhof.«
»Ei was! Der Wale hat ihn wohl
mit dem Schwanz todtgeschlagen?«
»Auch das nicht. Mein unglückli
cher Freund kam mit feinem Beil, um
sich ein Stiick von der Bestie zum Feu
ermachen abzuhacken, und da—hul)!«
»Ist sie wohl noch einmal lebendig
geworden und hat ihn gebissen. ehe er
zuschlagen konnte?« «
»Ist ihr gar nicht eingefallen; sie
war so todt wie ein Thürnagel.«
»Aber wie hat sie denn Jhren armen
Freund umgebracht?«
»Seht einfach. Dem Matrosen
fuhr zufällig ein Funke aus seiner
Pfeife und fiel auf den Walc. Jm
Nu explodirte dieser wie eine Betro
leumlampe, und mein Freund wurde
in tausend Fetzen zerrissen. Es war
gerade Nacht und der Ocean wurde
meilenweit durch die Explosion erhellt.
Drüben in Martha’s Vinehard glaub
ten sie, in Nantucket sei der erste Vul
lan ausgebrochen Jch sage euch, die
Wale in den alten Tagen—.« Er
blickte zufällig um sich und entdeckte,
daß er ganz allein war. Seine Zu
hörer hatten bei den letzten Sätzen
Reißaus genommen, aus Furcht, daß
der alte Seeheld auch noch explodireu
könnte. Letzterer that noch einen
greulichen Fluch-denn sein Hals war
wieder sehr trocken geworden.
Für junge Haussrauen.
Mina war im Institute erzogen. Als
sie heirathete, wußte sie nichts von Kit
che und Haushalt, wie es öfters so
geht. Was konnte es helfen? Sie
mußte auch den hausbackenen Theil
des Ehestandes kennen lernen. ,,Ach,«
sagte sie, als ihre Magd sehr kleine Ei
er vom Markte brachte, ,,es ist doch ei
ne Schande! So winzige Eier, die
sollte man doch länger im Neste liegen
lassen, bis sie etwas größer sind.
D e s h a l b. »Du bist ja nie zu
treffen, wohl lkehnmal war ich bei
Dir!«
»Aber ich bin ja fast immer zu
Hause.«
»Na, Deine Wirthin hat mich doch
stets abgewiesen.«
»Ja, Mensch, warum hast Du auch
mit meinem Schneider Aehnlichkeit!'«
V e r t a n n t. Frau: Schon wie
der in’s Wirthshaus? Keinen Abend
bist Du mehr zu Hause. Brauche ich
eines weiteren Beweises, daß Du mich
nicht mehr liebsM
Mann (entriistet): Da geht man
nun täglich in solch dumpfiqu Bierloss
kal, nur um seine sechs Seidel aus das
Wohl seiner Frau zu trinken und wird
so verkannti
Neues Zeitmaß: ,,Gras A.:"
»Wie lange gedenken Sie in Monaeo
zu vertveilen?« Graf B.: «Ungesähr
30,000 Mark lang!"