«’«· Rentens. Ormanni-Geschichte —- von — Friedrich Friedrich Ungefähr eine halbe Stunde von ei ner deutschen Residenz entfernt, lag das Gut des Herrn von Börner. Es war i eine große, reiche Besitzung Das neue, im gothischem Stil erbaute geräumige Wohnhaus oder Schloß, wie es gewöhn -lich genannt wurde, war halb in dem ’ großen Parte, der es von drei Seiten umgab, versteckt; da es indeß aus einer Unhöhe erbaut war, blickte es mit der Borderseite essen und weithin in die Ebene hinein. Es bot durch seine Lage fund durch die geschmackvolle Bauart ei nen herrlichen Anblick dar, und mer je die inneren, tnit allem Luxus auggestat teten Raume dieses Gebäudes durch « schritten hatte, wer den großen Park I kannte mit seinen dunklen, schattigen Baumgängen, mit den großen sonnig heiteren Rasenplätzem wer den Dust der verschiedensten, seltensten Blumen in . ihm eingeathmet hatte, dem erschien das Alles wie ein Feenreich, und unwillkür lich belebte die Phantasie jene Raume mit Gestalten aus der Märchenwelt. Es waren indesz wirkliche Menschen, die sie bewohnten, Menschen mit mensch " lichen Neigungen und Leidenschaften, welche das Glück, uin welches Tausende sie beneideten, nur sehr wenig oder gar nicht empfunden. Es liegt siir die Acr Itieren in dein Gedanken und der Wahr-« nehmung, daß die Reichen nicht immer J«gliicklich sind, eine genugtltuende Em pfindung. Diese sind tnit allem Luxus umgeben, können durch iljren Reichtlmin sich jede Lebensfreude verschaffen, all’ die Leiden, welche stir die Aeriueren aus Arbeit und Entbehrungeu entspringen, sind ihnen unbekannt, allein dies wirk liche Glück können sie sich dennoch nicht erkauien. Die Bewohner dieses Schlosses boten freilich nichts dar, woran Aertnere eine xplche Wahrnehmung hätten kniipsen bauen. Der Glanz des Reichthqu s das sast unansgesetzte Geräusch ver schwenderischer Festlichteiten blendeten und berauschten. Gesellschaften rethten sich an Gesellschasten, und nur selten wurde das Schloß leer von Gästen aus der nahen Stadt und aus der weiteren Umgebung. Der Besitzer deo Gutes galt stir gastsrei in der weitesten Ausle gung des Wortee, und Viele suchten s« diese Eigenschasten siir sich soweit als möglich auszunutzen. Der Herr von Börner war eine ein fache Erscheinung Mittelgroß, fast zierlich gebaut, stets ntit einem meist er - zwangenen Lächeln iin Gesicht, wiirde er Niemand, trotz seiner seinen Kleidung. als Besitzer des Gutes erschienen sein. Nur wer ihn genauer beobachtete-, konnte in der Haltung seiner Lippen, in dem Blicke seiner Augen einen vornehmen und stolzen Zug nicht verkennen. Er zählte erst einige vierzig Jahre, dennoch sah er nni Vieles alter ano, denn eine augschweisend verlebte Jugendzeit hase tiese Zurchen in sein Gesicht gegra « ben und seine Gesundheit in deni Maße »- zerriittet, daß er sich nie wieder völlig erholt hatte, trotz der Hilfe der tüchtig -sten Aerzte und wiederholter .8adereiset:. Seine Wangen blieben bleich, der matte, fast lebenetniide Blick seiner Augen - schwand nicht, seine abgeblaszten Lebens s,. anschauungeu vermochten sich nicht wie ff der emporzurichten und zu kräftigen. Ohne daß er sich je billig wohlsiihlte, I klagte er doch selten iiber seinen Zustand, i und Diejenigen, welche häufig init ihm verkehrten, hatten sich so sehr daran ge wbhnt, daß ihnen sein leidender Zustand k-« kaum noch aussiel. Vorner yane one Vermogein weiches er von seinem Vater geerbt hatte, itt we— « nigen Jahren durchgebracht Es war ihm unmöglich gewesen, einfach zu le ben, außerdem hatte er große Reisen entacht, nnd durch dieie ioar der letzte est seines Vermögens aufgezehrt. Die sieiselust war seht längst geschwunden. Er hatte mdesz von seiiten früheren Rei sen eine ausgeiliirtere Weltanschauung und mehr Neuntnisse mit heimgebracht als bei dett meisten Männern seines Standes zu finden war. Ta er mit reichen Geistesanlagen ausgestattet war und die Schwachheit seines Körpers ihn von manchen Vergnügungen zurückhielt, so hatte er in Leetiire und ernsten Studien Zerstreuung gesucht und bald sks ·ne solche Liebe dazu gewonnen, daß er tagelang aus seinem Zimmer über den .» Büchern sihett konnte Zur rechten Zeit hatte er die Besiderin dieses Gutes geheiratliet. Sie war ei nige Jahre alter gewesen also er, nnd so wenig äußere Vorzüge sie auch besessen, hatte er doch gliietlich tnit ihr gelebt, weil er durch die Milde und Sanftmnth ihres Charakters völlig entschäbigt war. Vei der Geburt seinee ersten Ilindee, k: eines Knaben, war sie gestorben, und die Fasse Liebe, welche ihn an sie gefesselt, b f tte er aus dies Ilind in erhöhter Weise ertragen. Aus ihm suchte er das zu Hestalteih was aus ihm selbst bei seinen reichen Anlagen durch eine richtige und Merecrziehung hätte werden können. · Zwei Jahre nach dem Tode seiner rau hatte er im Bade ein junge-V Mitb · kennen gelernt, welches durch seine — itnheit alle Derren bezaubert hatte. such er wai durch des Mädchens Reize " esselt ui d obschon er um Vieles älter ;s— r, hatte sie dennoch ihm ihre Hand s . chentt, als er um sle geworden. m Rausche und Triumphe hatte er . — - unge, schöne Frau heim estihrt, und " » beneideten Alle um d elbe, welche HA — c— sie kennen lernten. Sie war in der Tlxat eine bezaubernde Erscheinun . Jhre große, schlanke Gestalt-machte ei nen imponirenden Eindruck. Ihre Stirn war hoch nnd fein gewölbt. Vol leö, blondes Haar fiel m Locken bis auf die Schultern herab ---— es hatte einen ietgenthümlichen Glanz. Ihre großen blauen und von langen und dunklen »Witnpern überschatteten Augen blickten so klar und schienen unetgründlich tief zu sein, wie ein Bergsee. Jhr Mund war sein geschnitten und ließ, wenn sie lachte, ihre glänzend weißen kleinen Zähne durchbliclenx waren die Lippen fest aufeinander gepreßt, dann gaben sie dem so schönen Gesichte einen festen, selbst harten Ausdruck. Sogar ihre illu gen schienen dann starr zu blicken nnd oerriethen dein scharfen Beobachter, welch· ein fester nnleugsanier Willen in diesem schönen Körper wohnte. Derselbe bildete einen Hauptng ihres Charakters. Es lag Herrschsucht in demselben begründet, sie war tndesz zu klug, dieselbe ihrem Manne gegenüber in bemerkbar-er Weise geltend zu machen. Sie überblickte denselben vollständig und wußte ihm gegenüber durch Ruhe nnd Sanftninth stets ihren Willen durchzu setzen. Es war nicht wirkliche, innige Liebe, welche Beide aneinander sesselte, denn ihre Eharaltere waren zu verschieden, ihre Interessen gingen zu weit auseinander, ebensowenig konnte Jemand die Wahr nehmung machen, daß ihre Ehe eine un glückliche war-« Es war ein heiterer, sonniger Früh lingbmorgem Der Parl lag in dem ganzen vollen Schmucke des Lenzes da. Die Lust war mit dem Duste des fri schen Grüne und der tausendsachen Blüthen erfüllt. Aus den Bäumen und Sträuchen schallte jenes wunderbare Leben, Singen und Zwitschern der Bö gel, wie es nur im Frühling, der herr lichen Flitterzeit der lustigen Luftbes wohner vorkommt. Schmetterlinge flat terten von Blüthe zu Blüthe, und sum mend flogen die Käfer durch die Gebüsche hin. Nur wer dies heitere Liebes-leben der ganzen Natur inmitten des Grüne selbst beobachtet und belauscht hat, vermag sich ein klares Bild desselben zu bilden; die Feder lann immer nur einige aus den tausendfachen Erscheinungen hervorhe ben. Wohin das Auge blickte, traf es aus frischer-, heiteres Leben, und doch lag über der ganzen Natur ein stiller Frie den, und der blaue Himmel spannte sich wie ein schirniender, segnender Dom darüber aus. Nur durch die geschäftig hin nnd her eilenden Diener, welche im Schlosse und Barte die Vorbereitung zu einer Festlichleit, oie au dem Abende statt finden sollte, trafen, wurde dieser Frie den gestört. Der Herr von Böener hatte den Mor gen, wie gewöhnlich mit seinen Studien beschäftigt, auf dem Zimmer zugebracht. Seit langer als einer Stunde war sein Anwalt und Geschäfte-sichrer bei ihm, und der an der Thiir lauschende Diener vernahm, dass beide Männer laut und heftig mit einander sprachen und dass sein Herr mit schnellen Schritten im Zimmer auf und ab gut-» Tak- pflegte er nur in heftiger Aufregung zu thun. Der Anwalt verließ endlich dae Schloß. slurze Zeit daraus trat Börnei aus feinem Zimmer in den Parl. Seine bleichen Wangen waren schwach gero thet, seine Brauen finster zusammenge zogen. Suchend fuhr fein Auge umher. Die Frühlingslust, welche ihm von allen Seiten entgegenlachte und strahlte-, schien in seiner Brust nicht den geringsten An llang zu finden. Wie ein Fremder schritt er durch die ihm so liebe Umgebung hin· Sonst konnte er lange sinnend vor einer schön entsalteten Blume stehen jetzt wars er nicht einmal einen Blick darauf. Jn seiner ganzen Erscheinung, in der Haft seiner Bewegungen sprach sich un verlennbar große Aufregung aus. Wo ist meine Frau? fragte er endlich einen ihm begegnendeu Diener. Unter der Kastaniem lautete die Ant wori. l Ohne den Diener weiter eines Blicke-J zu witrdigen, schritt er schnell der bezeich neten Stelle za. Aus einem etwas erhöhten, von niiich tigen itastanien überschattcten Plane traf er ietne Frau. Mit einent Buch beschäftigt, in weißer Morgentoilette saß sie da. Den Stroh hnt hatte sie aus einen neben ihr stehen den Stuhl gelegt. Ungehindert fielen ihre vollen blonden Locten bitl aus den Nacken herab. Es toar eine reizende Er scheinung. Ihre Wangen waren leicht eröthet -- man konnte sagen, nnr ro fig angehaucht. Die kleine Hand hielt das Buch. Der Aermel des Kleide-s hatte sich zurückgeschoben nnd ein weißer-, plastisch schön abgerundeter Arm wurde sichtbar Ihre ganze Gestalt, wie sie dasaß, hatte etwas Leichtea nnd Grazilp seg. Jhr zn Füßen spielten ihre beiden Kinder, zwei Mädchen von acht nnd seche Jahren. Als sie den Schritt ihres Mannes ,htirte, blickte sie ruhig lächelnd aus nnd legte das Buch neben sich aus den Stuhl Dte Kinder sprangen ihrem Vater in belnd entgegen. Sogar die Kindtr srenen sich, wenn Du Dich zur nngewohnten Zeit bei nnd sehen laßt, sprach sie, während ihr Blick forschend aus ihm ruhte, denn die rothen Flecken ans seinen Wangen. die zusam mengezogenen Brauen waren ihr nicht entgangen Börner hatte sich nur sltichtig zu den Kindern nieder ebengt nnd war schmei chelnd milder and ltber ihre blonden kLoelentbpse Auges-Ihrem ,—-— Jch habe mit Dir zu sprechen, wandte er sich an die schöne Frau. Sie blickte ihn mit ihren großen blauen » Augen sragend, offen an. Den Hut und das Buch nahm sie von dem Stuhle ne ben sich, um denselben für ihn frei zu machen. Börner blieb stehen-« er hatte es nicht einmal bemerkt. Nur flüchtig war sein Blick über die schöne Gestalt hingeschweist, dann blieb er starr aus dem Tische vor ihm haften. Du hast für heute Abend eins Deiner beliebten Feste arrangirt, sprach er, wäh rend er bemüht war, die in ihm stürmende Aufregung zu verbergen, obschon sein schneller, kurzer Uthem, die Hast seiner Worte, dieselbe nur zu deutlich ver rieth. Eins meiner beliebten Feste? wieder holte die Frau langsam, mit Erstaunen. Jch habe nie ein Fest nur für mich ar rangirt, ich habe es nie ohne Deinen Willen gethan, zum Wenigsten habe ich Dein Schweigen so ausgelegt, dasz Du damit einverstanden seiest. Ich glaubte, Du würdest längst be merkt haben, daß ich an diesen Festen kein Vergnügen finde, warf Börner ein. Jch wiiszte in der That auch kaum, wo durch sie mir Interesse abgewinnen könnte. Bis jetzt habe ich freilich dazu geschwie gen, weil ich hoffte, Du würdest selbst derselben endlich müde werden, jetzt zwin gen mich nothwendige Rücksichten, dage gen auszutretenl rau von worner hatte ihn ruhig sprechen lassen. Jhre Stellung war ganz dieselbe geblieben, nur das halbe Schließen ihrer Augen und das Zacken ihrer Lippen verrieth, daß es in ihrem Jnnern keineswegs fo ruhig war. Zum ersten Male trat ihr Mann ihr in so ent schiedener Weise entgegen. Sie sah seine Aufregung, noch wuszte sie indeß nicht, wodurch dieselbe hervorgerufeu war. Welche Rücksichten zwingen Dich? fragte sie.—-Doch dies ist keine Unter haltung, welche fiir die Kinder geeignet ist, fügte sie sogleich hinzu. Jch bitte Dich, mir zu folgen, damit Du ungestört mir Deine Ansichten mittheilen kannst! -— Bleibt hier, Kinder. Ich werde so gleich zu Euch zurückkehren und werde dann mit Euch spielen. Sie küßte die Kinder auf die Stirn mtd schritt dann, ohne ihres Mannes Antwort abzuwarten, einein kleinen nahegelegenen Gartenhause zu. Börner folgte ihr schweigend, immer noch die Brauen mißninthig zusammen gezogen Als sie indem Gartenhanse angelangt war, ließ sie sich auf einen Sessel nieder. Die dustige Ruthe war von ihren Wan gen geschwunden Darf ich Dich jetzt bitten, mir die noth wendigen Rücksichten niitz.itheilen, sprach sie, während sie den rechten Fuß schan: telte. Sie hatte leise gesprochen, den noch hatte ihre Stimme einen harten Klang. Börner schritt in dem kleinen Raume auf nnd ab. Es hätte dieserllmstände nicht bedurft, erwiderte er endlich. Ich wollte Dir nur mittheilen, dasz diese fortwährenden Festlichteiten nnd Gesellschaften meine Rasse erschöpfen und daß ich tiinftighin weder im Stande noch Willens din, solche Summen dafiir wegznwerfen. Die Frau atlnneie langsam, tief auf. Es war fast, als ob sie eine andere, sie näher berührende Mittheilung erwartet hatte. Ich glaubte-, Du seiest reich genug, un. solchen Aufwand inachen zu können, warf sie sast liichelnd ein. Dieant ist groß, und Du hast iiiehr wie einmal iiber seinen hohen Werth zu niir ge sprechen. Es hat auch einen hohen Werth, allein Du vergißt, baß die-Z Gut nicht mein freies Eigenthum ist, sondern daß ich nur den Nieszbrauch desselben habe, bis Heinrich —-die«3 war der Sohn aus sei ner ersten Ehe -- mündig erlliirt ist. Dann hat er das Recht, das Gut selbst zu übernehmen, und ich werde mich die sem seinem Rechte nie entgegensetzein Nur was ich inir bis dahin erworben, ist mein Eigenthum; das ist auch das Einzigis was ich unsern beiden Kindern hinter-lassen iann, und biet jetzt bin ich noch nicht im Stande gewesen, die ge ringste Stimme zurürtzulegen Mein Geschäftssiihrer hat iiiir heute sogar so bedeutende Rechnungen vorgelegt, dasz ich augenblicklich nicht einmal iin Stande bin, sie zu bezahlen. Die meisten Rech uungen beziehen sich aus Deine Gesell schaften und Feste; Du wirst deshalb begreifen, Vertha, daß eszseit zu größe ren Einschränkungen wird. Die junge schöne Frau hatte die Lip pen sest auseiiiandergepreszt. Die ver schiedenartigsten Gedanken schienen durch ihren iiops hiiiznsliegem ihr tiefer-, blaues Auge hatte einen fast starren Ausdruck erhalten. Dann leben wir alle nur von dem Vermögen Deine-z Sohnes und sind einst aus seine Gnade angewiesen, sprach sie endlich bitter. elimi, es ist noch Zeit, die Gäste, welche flir heute Abend einge laden sind, unter irgend einem Vor wande bitten zu lassen, nicht zu kommen. Ich werte den Dienern den Befehl geben, mit den Vorbereitungen inne zu halten Sie erhob sich rasch, um das Garten hause zu verlassen. Bleib, Berthai ries Bot-new die Hand ans ihren Arm legend und sie zurückhal tend. Du willst meine Worte absichtlich falsch auffassen, denn Du weiß recht wohl, daß ich sie nicht aus das heuti e Fest bezogen habe, sondern nur ausd e Zulu o Sie blieb. Vielleicht war es gar nicht ihr fester Wille gewesen, ihre Worte aus suführm , Weshalb sollen wir nicht heute schon rnit den Erfparungen beginnen? sprach sie halb spottend und halb trotzig. Jch meine auch, es ist gleichgiltig, ob unsere Bekan ten jetzt oder fpäterhin erfahren, oaß wir zu Einschränkungen gezwungen sind; ihren spöttischen Bemerkungen werden wir ohnehin nicht entgehen! Sie brauchen und sollen es nicht er sahreni warf Börner verletzt ein. Daß ich kein Vergnügen an den Gesellschaften finde, wissen sie, nnd ich sehe durchaus nichts Anffallendes und Unnatürliches darin, wenn auch Dein Geschmack end lich eine andere Richtung nehmet Wozu sollen wir uns selbst von dem Willen 21nderer abhängig machen ? Jch glaubte, Dn wärest Deinem Stande einige Rücksichten schuldig, be merkte Werth-L Jedenfalls nicht die, jährlich durch Festlichkeiten große Summen zu ver schwenden, fuhr Börnersort. Ich sveiß, dasz man mir in der ganzen Gegend nachs rühmt, die glanzendsten Gesellschaften zu geben —-— haha! Auf diesen Ruhm bin ich nicht stolz, ich habe ihn ohnehin theuer genug erkaner müssen! Man rühmt auch Deine Unterhaltungsgabe und Deinen gesellschaftlichen Takt; ich denke indefz, Du wirft diese Eigenschaft in kleinerem Kreise ebenso glänzend zei gen können! -—— Paganini verstand es sogar auf einer Saite zu spielen. Er hatte die letzten Worte argloi3, halb scherzend hinzugefügt, um so mehr überraschte es ihn, als feine Frau ihn mit einem heftigen, leidenschaftlich: Ge nnal unterbrach. Jhre ganze hohe Gestalt bebte leise. Ihr Auge blickte glühend, es schien dunk ler geworden zu sein, jede Farbe war aus ihrem Gesichte geschwunden. Jch bin jedenfalls keine Saite, auf der Du spielen kannstl fuhr sie mit leiden schaftlicher Stimme fort. Du sprichst von meiner Verschwendung, beklagst Dich über die Gesellschaften, allein Du scheinst ganz zu vergessen, welche Summen Du jährlich für Heinrich ausgiebst Du hältst ihm einen theuren Hauslehrer und hast sogar das Gartenhaues siir ihn neu herrichten lassen, weil die Räume, welche wir bewohnen, nicht gut genug siir ihn zu sein scheinen. Börner zuckte zusammen. Einige Se künden lang hielt er den Blick auf seine Frau gerichtet, und das Beben seiner Lippen verrieth seine Aufregung. An dem empfindlichsten Punkte hatte sie ihn in ihrer Leidenschaft unvorsichtigerweise verletzt. Die Liebe zu seinem Sohne er schien ihm wie eine heilige Pflicht, die er seiner erstenGattiin mit der er sehr glück lich gelebt hatte, schnldete. Ich weiß, dasz Du Heinrich nie geliebt hast! rief er. Er hat noch nie ein liebe volles Wort ans Deinem Munde gehört, nnd jetzt machst Du mir sogar einenVor wurf daran-Z, daß ich für seine Erzie hung Sorge trage. Er ist kränklich, der Arzt hat mir gerathen, das Gartenhaus für ihn einzurichten, weil es geschützt nnd sonnig liegt, ich habe es von dem Gelde, welches ihm gehört. thun lassen «- nnd nun legst Du dies Alles in Dei ner liebevollen Weise ans! Doch i— ich konnte esz kaum anders von Dir er warten! Sie nagte an ihrer Lippe. Sie fühlte« dasz sie zu weit gegangen war nnd daß sii einlenken mußte und doch konnte sie sich nicht dazu entschließen, zum wenigsten in diesem Augenblicke nicht. Jch habe ihm gegenüber nie meine Pflicht verletzt, sprach sie. Hahn! Du hast den Standpunkt, den Dn ihm gegenüber einnimmst, ganz rich tig bezeichnet! rief Börner bitter. Du wagst Dein Benehmen wie eine Pflicht ab. Eine Mutter thut indesz mehr, als das Pflichtgefühl ihr vorschreibt. Sie soll Liebe zu ihren Kindern empfinden, uud die Liebe handelt aus freiem, in nerem Antriebe. «. «··-. . «.. Yemruy ist litt-m Kind meytl wollttI sie erwidern; zur rechten Zeit hielt sie dies Wort noch zurück. Heinrich schließt sich nicht an mich, sprach sie. Er würde es nicht empfin den, wenn er inich in Wochen nicht sahe. Soll ich ihm meine Liebc-ansdrätigeii? statt weist er ost sogar meine Sorge nm ihn znriiek Oder glaubst Dn vielleicht, dasz er mich wie seine Mutter liebt?. » Nein, er liebt Dich nicht so, erwiderte Börner; allein, Bertha, er hat Dich wnst so geliebt, nnd daß es andere geworden ist, daran tragst Du die Schuld. Er innerst Dn Dich an die Nacht, als Du zum ersten Male in dies Hans kanist? Er war damals ein Knabe von vier Jahren. Mit ossenen Armen kam er Dir entgegen, denn ich hatte ihm gesagt, dasz ich ihm eine Mutter bringe, nnd seit Tagen nnd Nächten hatte das Kind sich daraus gefreut. Er hatte gesagt, das; er Dich sehr ------ sehr lieben wolle --— nnd Bei-tha, Kinder von vier Jahren ver stehen noch nicht in der Weise zu lügen, er hat Dich anfangs auch sehr ge liebt, —— oh, ich sehe noch im Geiste, wie ost er mit den kleinen Armen Dichzärt lich umschlang, und Du s— Du dräng: test ihn meistens mit stüchtiger Lieka sung von Dir, weil er Deine Toilette in Unordnung brachte. Ich bemerkte da male schon, daß Du ihn nicht liebtest; ich hosste indeß ans die Zeit nnd Ge wohnheit, allein Du bist stets noch kalter gegen ihn geworden. Und jetzt beklagst Du Dich, daß des Knaben Liebe zn Dir, mit der er Dir einst entgegengekonnnen, erkaltet ist, ja in Deinen Augen lese ich ost einen unansgesprochenen Vorwurf, daß ich »daß ich meinem eigenen Kinde mit Liebe ent e entretet-«--— Doch enng ierüber. J gabe über diesen Gergen Ptand zum ersten Male mit Dir gespro chen —- ich würde es vielleicht fchon früher gethan haben, wenn ich nicht ge wußt hätte, daß es fruchtlos fein werde. Jetzt kennst Du meine Ansicht und weißt, daß ich auch die Deinige kenne. Er wandte sich kurz ab, um das Gar ; tenhiiuschen zu verlassen. Die junge Frau sprang auf, um ihn zurückzuhalten Zum ersten Male war ier ihr in so entschiedener Weise gegen süber getreten, und eine innere Stimme f rief ihr zu, ihn nicht so von sich gehen zu ilassen Sie streckte die Hand nach ihm sausz — er bemerkte es nicht, und der Stolz und Trotz in ihr hielt ihre Lip pen fest geschlossen. Als sie allein war, gab sie sich unge stört ihrer Aufregung hin. Hastig schritt sie in dem engen Raume auf und ab, ihre Augen zeigten einen kalten, fast un heimlichen Ausdruck. Dann ließ sie sich wieder auf dem Stuhle nieder, um jedes Wort ihres Mannes sich zu wiederholen und ruhig darüber nachzusinnem So lange sie mit ihm verheirathet war, war er scheinbar gleichgiltig gegen ihre oft verschwenderifchen Ausgaben gewesen. Sie hatte wohl gewußt, daß er an den Festen und Gesellschaften kein Vergnügen fand, dies hatte sie indess wenig berührt, war sie doch von dem festen Glauben be fangen gewesen, daß sein Vermögen ein großes und unerschöpfliche-J fei. Nun niit einem Male erfuhr sie, daß sie sich künftig einschränken müsse, daß ihre bei den Kinder arm seien, wenn sie Nichts für sie spare, daß sie alle nur von dem Vermögen des ihr verhaßten Knaben lebten. Regungslos saß sie da. Gedanken auf Gedanken stürmten durch ihren Kopf hin. Sollte sie sich dem Willen ihres Mannes beugen? Er hatte denselben fast wie einen Befehl ausgesprochen, und sie hatte nie in ihrem Leben sich befehlen lassen, selbst von ihrem Vater nicht, als sie noch ein Kind gewesen war. Der Gedanke an die Zukunft ihrer Kinder mahnte sie zwar, zeitig für deren Geschick zu sorgen, allein gleich darauf schüttelte sie diesen Gedanken wieder von sich ab und richtete stolz und keck den Kon ems por. Jch habe ihn nicht geheirathet, um eingeschränkt zu leben! rief sie. Nur als Mittel sollte er mir dienen, um zu glän zen und ich will glänzen! Schon vor Jahren haben die Aerzte das Leben des Knaben, dem dies Gut gehört, aufge geben, er lebt zwor noch, allein sein Leben ist nichts mehr als ein laugsaines Da hinsterben! Sie erhob sich und mit leichtemSchritte trat sie in den Garten. Ihre Kinder kamen ihr entgegen, und lächelnd nahm sie dieselben an die Hand. Jn der Ferne sah sie ihren Mann mit Heinrich iiber einen sonnigen Rasenplatz schreiten. Jhr Auge folgte ihnen. Fortsetzung folgt. Die Schloszwache. Eine geniiithliche Geschichte ans Dresden von Eduard Jiirgenson. Es war in Dresden, im schönen Dress den, und zwar vor langer, langer .Zeit, nämlich dazumal, als dort noch «-—sächsisch gesprochen wurde. Jn jener vorweltlichen Periode also war die gesammte Welt selbstverständlich auch noch viel harmloser-, als heutzu tage,und besonders beim Militär, beim sächsischenlljiilitär ging es noch bedeutend »keiniedlicher« zu. Der alte Major b. W. war ein her vorragender Keiniedsinensch hauptsäch lich anszerhalb des Dianstes, zu Hause nämlich, wo seine liebe Frau Gemahlin in des Wortes berwegenster Bedeutung die Umform ----- anhatte. Das mag jedoch am Ende anderswo auch zuweilen ’mal vorkommen, und es wäre vielleicht Unrecht, wenn man das »diehofenanhaben« als eine Spezialität sächsischer Damen bezeichnen wollte, ob gleichder etwas weibliche ,,Tialekt« dem männlichen Geschlecht daselbst ja nicht ge rade übermäßig viel Respekt verschaffen dürfte. Genug, der alte v. W. sächselte »sehre«, und Mutter war ihm bedeutend über. Nun war aber dieser sehr glücklichen Ehe auch noch ein sogenannter Sohn ents sprcksetn der »Deodor«,’ein toller Kunde, der mehr in die Fußstaper der Frau Mama zu schlagen versprach. Deodor war zu Zeit des Vorkommen-J unserer wahrhaftigen Geschichte nun also »Bor debee Fähniich« im Leibregiment und alsz solcher selbstverständlich zu allen Zireichem die sich nur irgendwie ans hecken lassen, ausgelegt. Also eines schönen Tages traf es sich, daß Deodor Höchsteonmtandirender der Wache im königlichen Schlosse wurde, und da dies gleichzeitig seine erste Wache war, so kann man sich wohl vorstellen, dass sich an dieselbe auch eine geniüthliche Frueiperei knüpfen mußte, toie dies ja von jeher üblich war. lingliicklicher oder siir unsere kleine Geschichte vielmehr glücklicher Weise hatte aber der alte von W. an jenem selben Tage gerade den Ronde Dienst ausgehalst bekommen, und da der liebe Deodor von diesem Faktnm rechtzeitig in Kenntniß gesetzt wurde, so war es wohl mehr, als natürlich, daß der geniiith volle junge Kriege-Halbgott darüber im tiefsten Herzen erfreut wurde und seine Kameraden sofort nach Aufzug aus die Schloßwache instruirte: ,,Gmderl wenn heit Atvend de Roude gonnnen sollte, denn braucht’r Eich weiter nich ze benu ruhigen; mei Babba duht nämlich de Runde, un mit dem toer’ch schond sert’g wcr’nl« Und wie gesagt, so geschehen. Als der gestrenge Her Major am späten Abend — vor die Schloßwache kam und der Posten sein sächsisches »Er-wöl« gebrüllt hatte da trat der gute Bordebee-Fähnrich De odor v. W. ganz ungemein ,.kemiedlich, allein vor die Thür, legte seine Finger vertraulich grüßend leicht an sein Käpvi toder heißt es Gäbbi?) und meinte im fidelsten Tone von der Welt: ,,Ei gu’n Amend, Baba! ,Nu, wie geht Der’sch denn!« J! zum Donnerwetter! Das war denn aber doch eine Unver—frorenheit, die sich selbst der alte biedere Major trotz seiner mehr,wie großen Kemiedlichkeit auf kei nen Fall gefallen lassen konnte. Er blickte daher den pflichtvergessenen Fähn rich so dienstlich nnd wütbend, als nur möglich, an und erwiderte im höchsten »Denor« der Entrüstung: »Was-? Babba? WerifthierBabba? ’S hat sich kar Nichts zu verbabba’n! Ich bin gee Bahn nicht! Ich bin der Herr Major von W., der hier die große Rande duhtl Verstanden? Der Deiwel is Jhr Baba, Herr Bordebee-Hähnrichl Lassen Se sofort de Wache ausdreteni« Großes Tableau natürlich. Die Wa che mußte also selbstverständlich in’s Gewehr, und der strenge Herr Major nahm die pflichtgemäßen Meldungen entgegen,so, wie sich Dies ja auch ge hört. Dann aber, nachdem dieser dienstliche Theil des Ronde-Geschäfts vorüber war, kam doch eben so naturgemäß das brave sächsische kentiedvolle Vaterherz wieder bei dein Alten zum Durchbruch, und im freundlichen Tone von der Welt meinte er nunmehr: »Siehste woll, Deoder, mei Sohn, so warsch richtig! Awer vor allen Dingen darfste den dienstlichen Reschpekt nich bei Seite setzen, Deodorchen, wenn noch mal e bedeitender Mensch aus D’r werden solll Das merk Der for alle Mal, mei liewer Sohn! Heerschte ?« Aber o Schreck! Deodor schien für diese Anwandlungen väterlichwarmer Zuneigung in diesem Augenblick absolut keine Empfindungen Izu haben, denn er richtete sich stramm in die Höhe und ec widerte .«mit genau demselben Pathos, wie der alte Major: »Was? liewer Sohn? Wer is hier liewer Sohn? Es hat sich gar Nichts zu versohnenl Ich bin Jhr licwer Sohn uichl Jch bin der Bordebee-Fäl)ndrich v. W., der hier de Wache duhtl Der Deiwel is Jhr liewer Sohn, Herr Majori« Alle Hagel! Machte der alte von W. aber jetzt erst vollends für ein paar Au gen! So etwas von persönlicher Fr— heit und Tapferkeit war denn doch sicher noch niemals in der gesammten sächsischen Armee dagewesen! Der Junge schnauzte ja mindestens wie ein General oder we nigstens wie ein—pfui Schpinne,s—-preu szischer Unteroffizierl Einen Augenblick stand der alte brave v. W. vollständig wie hypnotisirt da. Dann aber raffte er sich zu seiner gan zen väterlichen sowohl, als auch mili tärischen Energie empor und donnerte los: ,,Heeren Se ’mal, was unterschtehn Se sich denn awer, mei kutester Herr Vordebee-Ftil)iidrich?l Wissen Se denn iewerlsaubh wen Se hier vor sich haben? Jch niocht’ Se doch kesälligst nich rathen, daß Se so e Stickchen noch e eenziges Mal wieder browireu, mei Verel)rdester, denn sonst wer ich Se’mal e par Dage in’s Loch stecken lassen, Das gönnen Se mer sicher kiauben!« Deodor aber glaubte Das augenschein lich keineswegs, denn indem er den alten Haudegen so kalt lächelnd aublickte, wie überhaupt nur ein Bordebee Fähnrich zu lächeln vermag, erwiderte er ungebeug ten Sinnes: »We.eszte, Babba, wenn De doch blos das lieuommiren lassen woll’st! Daß De mich in’s Loch steckst, Das erlaubt ja de Mainma gar nich!« Da soll der brave Herr Major kein Wort der Erwiderung weiter gesunden und sich stillbetrübt nach Hause ge schlichen haben. So hat man mir’s er zählt! ———-— Neue Nationalbmtkem Während des mit dem BU. April ab gelaufenen Jahres wurden, laut amtli chem Aus-weis, 176 neue Nationalban ken mit einem Gesammtlapital von 817, 1:u),()(n), gegründet Davon wurden in der ersten Hälfte jenes Zeitraumes 89, mit einem Kapital von s:3,5:3(),000 in eorporirt. Die fiir das ganze Jahr angegebene Ziffer ist größer als die in den Jahren 1885, 1886 oder 1888, bleibt aber weit zurück hinter der Zahl, welche für das mit dem Jst. Oktober IRS-» zu Ende gegangene Jahr berichtet wurde. Damals wurden nicht weniger ale Lzu7 neue Nationalbanken, mit einem Gefammtkapital von stet.n;,25(),()00, in’s Leben gernfen. Wie sich nicht anders erwarten läßt, entfällt die Mehrzahl der im letzten Jahre gegründeten Bauten anf den Westen; jedets Territorium ift in der Lifte vertreten, und die seit dem Jahre 1888 aufgenommenen sechs Staa ten haben fünfzehn neue Banken aufzu weisen. An der Spitze der letzten Jah redltste steht Tean mit 21 neuen Ban ken; dann kommt Pennsylvanien mtt l2; es folgt Iowa mit U; Minnefota mit tu; Illinois, Indiana und Ohio mit je 8; Wisconsin und Montana mit je 7 n. f. f. Entschuldigung Jn einer Menagerie harrt das Publikum unge duldig auf das Vorzeigen der annoncir ten Brillenschlange Endlich tritt der Besitnsr hervor und spricht: »Entfchul-s digen Sie nur noch einen Augenblick, verehrtes Publikum, die Schlange puyt vorläufig nur ihre Brille.«