Grand Island Anzeiger. (Grand Island, Nebraska) 1889-1893, April 22, 1892, Image 3

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    Die Grundmühle. A
Kriminalroman v. Friedrich Jvksdsen
(SchlUß-)
Da begaben sich zwei Dinge. Wel
ches von beiden Ereignisse-c das frühere
war, oder ob sie zu gleicher Zeit eintra
ten, das ist nnausgellärt geblieben.
Stein vernahm aus dem innern Theil
des auses einen marlerschiitternden
Schrei nnd er spürte, dass ein weicher,
warmer Gegenstand seinen Körper
streifte, daß etwas wie ein Blitz lautlos
an ihm vorüberfuhr.
Dann erfolgte als drittes Ereigniß
ein dumpfes Gepolter, ein grauenhasteg
Stöhnen und dazwischen die fluchende
Stimme Werner’s. s
Der Amtsrichter stürzte halb besinJ
nungslog in das Haus Und in die Stubei
Dieselbe war von dem hereinfallendens
Mondlicht matt beleuchtet, auf der Erde
wälzte sich ein wirrer Knäul, bestehend
aus zwei Männern Und einem großen
hunde; und im Hintergrund des Zim
mers stand eine lange weiße blutbeslectte
Gestalt und breitete drohend die Armee
CUS.
!
— -.
»Im Namen des gerechten Gottes, ich
vill bekennen-—«
Die Sonn-schien heain das Zim-!
mer, von deren Wänden diese so selten;
oernommenen Worte feierlich, schauer
lich zurückhallten
Der Amtsrichter Stein saß auf fei
nem Richterstuhle, ihm gegenüber, durch
den Aktentifch getrennt, der Revier
förster Selling.
Er trng nicht mehr die königliche Uni
form, sondern die graue Drilljacke der
Untersuchungsgefangenem sein Gesicht
war verbunden, nnd den einen Arm
trug er in der Binde.
»So bekennen Sie,« sagte der Richter
finster, nnd jener fuhr, den Kopf in die
band stützend, fort:
»Das lastet wie Blei auf meiner
Seele nnd muß herunter; dann mag
kommen, was kommen soll.
»Ich, der königliche Nevierförster Jo
hann Georg Selling, habe den Grund
müller Merren in der Grundmiihle zn
Schönborn getödtet.
»Ich habe ihn am fünfzehnten Sep
tember dieses Jahres, Abends zwischen
acht und neun Uhr, mit meiner Büchse
erschossen, nnd zwar vermittelst eines
von der Landstraße ans durch’s Neben
fenster abgesenerten Schnsses; aber
Gott ist mein Zeuge, ich habe ihn nicht
emordet, ich habe ihn nicht« einmal er
schlagen.
»Und es ist dennoch ein Mord gewe
sen, ein Mord vor meinem eigenen Ge
wissen; wie die Richter darüber urtheilen
mögen, das soll mir gleich sein.
»Ich bin ein einsamer Mann, und es
hat niemals in meinem Leben ein
Mensch an mir gehangen; meine Eltern
hätten es vielleicht gethan, aoer mein
Vater war schon gestorben, als ich ge
boren ward, nnd meine Mutter starb
an meiner Geburt.
»Ich habe sie gewissermaßen umge
bracht, es ist mein Verhängnis, daß ich
Menschen nmbringe, die ich nicht um
bringen will.
»Es hat keiner an mir gehangen,
aber mein einsames Herz hing an einem
Mädchen, nnd wenn sie meine Liebe
erwidert hätte, dann wäre alles gut ge
worden.
»Sie kennen das Mädchen, Herr
Amtsrichtey nnd es ist ein seltsamer
nsall, daß m dieses ganze Verhängnis
hre Person immer wieder hinein
greist; Sie wissen, warum das Mäd
chen mich nicht wieder lieben konnte nnd
wollte.
»Das wußte ich damals noch nicht,
aber ich ahnte es; dazu kam meine nn
iglürkseltge Stellung.
»Ich bin nicht Unterbeamter und
nicht Oberbeamter; ich gehöre nicht in
einen festbegrenzten Kreis nnd hege des
halb gegen alle gleichmässiges Miß
tranen; so kam es, daß ich die erlittene
Demüthigung nicht zum geringsten Theil
auf meinen Beruf schob nnd infolge
dessen in derselben eine persönliche Be
leidigung erblicken mußte.
»Herr Muts-richten Sie haben keine
Ahnung, wie das wurmt; ich bin doch
auch ein gebildeter Mann nnd sehne mich
nach gebildetem Umgang, nach gebildeten
Verwandten.
i
i
»So tam der erste Rachegedante über
mich. Erst ganz leise, wie dass zu gehen
pflegt· Aber ehe ich mich dessen versah,
war auch die richtige Teufelei, di- ver
fluchte Eifersucht mit im Spiele.
»Das war an demselben Tage, wo
Sie nach Hagenburg versetzt wurden.
Da war mein Obersörster in Geschäften
bei mir. Sie kennen den Mann nicht,
Herr Amtsrichtey er ist alt und schon
etwas stumpf.
»Er kam unter anderen Dingen aus
meine bevorstehende Versetzung zu re
den und sragte, ob ich denn gern ginge.
»Als ich verneinte, sing er an zu
poltern nnd meinte, ich sei selbst schuld
daran; warum ritte mich denn der
Teufel, daß ich einem verlobten Mäd
en nachlause; das wäre eine Schlech
tateiy und sie sei auch viel zu gut siir
mich. Er habe dem alten astor Bade
meine Versetzung nicht weh abschlagen
können, und nun sähe ich in der Patschr.
»Mit wem das Mädchen verlodt sei,
sage er nicht, vielleicht wußte er ei auch
ni t.
»Herr, da ging es mir siedendheiß
zum Herzen, und von dein Augenblicki
an war’s beschlossene Sache.«
»Was war beschlossene Sache?«
fragte Stein befremdet, als jeners
schwieg.
s Seaiug strich sich mit der Hm aber
»die Stirne, als müsse er einen wüsten
IGedanken verschweben
»Richtig, Herr Umtsrichter, Sie sihen
da und wollen etwas über die Ermor
dung des Grundmüllers hören, und ich
rede von Anna Bode. Aber haben Sie
nur ein wenig Geduld, es kommt no.
alles an die Reihe.
,,Also, es war deschlossene Sache, daß
keiner das Mädchen haben sollte, weder
ich, noch mein unbekannter Nebenbuhler·
Jsch wollte sie ermorden.
»Ich wußte, daß sie jeden Mittwoch
Abend nach der Grundmtihle ging, um
die Frau des Müllers zu pflegen; ich
hatte sie ja ost über die Heide gehen
sehen, sie trug stets ein rothes Tuch unt
die Schultern.«
»Ein rothes Tuch!« rief der Amts
richter ausspringend.
Selling betrachtete den erregten Mann
mit düsterem Lächeln.
»Ahnen Sie etwas?« fragte er dann
bitter; »ja, Herr, ost hängt unser
Schicksal an einer Kleinigkeit
»Später habe ich erfahren, daß Anna
Bode dieses Tuch an die Dienstmagd
aus der Grundntühle verschenit hatte,
an jenem unseligen Abend wußte ich es
noch nicht.
»Ich hatte meine Biichse bei mir, die
mit dem Silberbeschlag.
»Abends zwischen acht und neun Uhr
ging ich direkt aus meinem Revier nach
der Grundmühle nnd ftellte mich an ein
Drahtgitter, welches den Hof von der
Landstraße trennt.
»Von dort aus konnte ich durch die
unverhüllten Fenster in die Wohnstube
der Mühle sehen; es war um die Zeit,
wo das Mädchen sich zu entfernen pflegte,
und ich sah sie zum Aufbruch bereit am
Tische stehen; sie wandte mir den Rücken
zu, aber ich sah das rothe Tuch und die
schwarzen Haare, es konnte kein Irr
thum obwalten.
»Im nächsten Augenblick konnte sie
vor die Thiir treten; denn hätte ich ihr
in’s Gesicht geblickt, dann hätte es mir
an Muth gemangelt.
»Ich riß die Biichse an die Backe und
dritckte ab—meine Hand zitterte. Und
dann vernahm ich einen Schrei, so, wie
ein todtwunder Mensch ihn aus-zustoßen
pflegt, aber dieser Schrei kam von tei
nem Weibe, sondern von einem Manne,
und dann fuhr das Mädchen mit dem
Kopfheruin
»Da sah ich, daß es nicht Anna Bode
war-, sondern ein fremdes Gesicht, und
mich überkam die schauerlichste Angst —
wen hatte ich denn getroffen? Ich
koollte fliehen, aber es hielt mich etwas
est.
,,Spiiter ist mir klar geworden, was
es gewesen; ich lehnte fest gegen das
Drahtgitter, und ein Knopfmeiner Jagd
joppe hatte sich eingeklemmt.
»Jn demselben Augenblick kommt der
Wolsshund, den ich schon zuvor hinter
dem Hause hatte bellen hören, und
springt wüthend gegen mich an.
»Ich zog mein Jagdtnesfer heraus
und habe ihm eins über die Borderpfote
gehauen, so daß er heulend zuriickkrochz
dann riß ich mich los und floh von dan
nen——hinauf auf die Heide.
»Es hatte geregnet, aber nun zertheil
ten sich die Wollen, und der Mond kam
zum Vorschein·
»Sie wissen ja, Herr Amtsrichter,
daß die Heide hie und da mit Vuschwerk
bewachsen ist, und daß sich in unmittel
barer Nähe der Heid.-buche mehrere
solche kleine Gebüsche befinden
»Ich hatte just eins derselben erreicht,
als ich von der Landstraße her langsam
einen Mann die Anhöhe hinansteigen
sah.
»Ich fand noch Zeit, mich platt auf
den Boden zu werfen und meine Gestalt
hinter einigeWachholderbüsche zu schmie
gen; der Fremde konnte mich noch nicht
bemerkt haben. Er zog oicht an mir
vorbei, und ich erkannte ihn: es war der
Zuchthänsler Klaus Merten.
»Nun fiel mir auch ein, daß seine
Straf-seit ahgelaufen sei und daß er
wahrscheinlich im Begriff stehe, nach
Hause zurückzukehren; aber sein Gebah
ren deutete nicht ans diese Absicht. Er
trat an den ausgehöhlten Stamm der
Heidebuche und versuchte offenbar hi
neinzukriechenz aber die Oeffnung war
wohl zu klein.
»Ja diesem Augen lick kam ein zwei
ter Mann den von S önborn fiilirenden
Fußpfad heraufgegangen; den Mann
kannte ich nicht; erst am folgenden Tage
habe ich aus Ihrem eigenen Munde er
fahren, Herr Amte-richten daß Sie es
selbst gewesen sind.
»Der Zuchthäusler trat von Stamme
der Heidebuche zurück, nnd Zie gingen
dicht an ihm vorüber; Sie sahen ihm
schars ins Gesicht. Sie hatten offenbar
irgend einen Verdacht und mußten sich
wohl die Züge eingeprägt haben. Dann
verschwanden Sie hinter einem entfern
teren Buschwert
»Was nun zimächstgeschah, das wis
sen Sie, Herr Atntsrichter. Maus Mer
ten scharrte die in der Nähe liegenden
heuhausen zusammen nnd kroch hinein;
er wollte die Nacht aus der Heide zu
bringen.
»Etwa eine Stunde blieb ich in mei
nem Versteck liegen, und während die
ser Zeit reiste in mir ein Plan, der wohl
um vieles schlechter war als alles, was
ich hatte thun-wollen, als alles, was ich
gethan hatte. Jet) wußte, daß der alte
Merten mit seinem Sohne verseindet
sei, ich wußte, daß der Sohn bereits
einmal seine Hand gegen den Vater er
hoben hatte. .
»Daß ich den alten Grundmüllee mit
meiner Kugel getroffen, das stand bei
mir fest; es war der Schrei eines Man
nes gewesen, den ich hörte, und es be
fand sich nur ein einziger Mann in der
Grundmtihlr.
»Warum sollte nicht der Sohn die
That begangen haben?
»Es war ein Zeuge vorhanden, daß
Klaus Merten sich am Stamm der
Heidebuche zu schaffen machte, ich brauchte
blos meine Büchse dort zu verstecken und
in unauffälliger Weise Nachforschungen
zu veranlassen, dann schlug die Falle zu
sammen. Es war ja ein Zuchthäusler,
und dem traut man alles zu. Als ich
sicher war, daß der elende, heimathlose
Mann schlief, kroch ich aus den Bauch
von hinten an die Buche und schob das
fGewehr in die Höhlung des Stammes;
dann stürzte ich wie von Furien gehetzt
nach Hause.
»Dort stieß ich, um den Diebstahl des
Gewehres glaubhaft zu machen, eine
Fensterscheibe ein; ich that es hastig und
iungeschicky und Sie wissen, daß dieser
s Umstand beinahe mein Verräther gewor
den wäre.
»Das übrige ist Jhnen bekannt. Es
ging ja alles wider Erwarten gut; am
andern Morgen entdeckte ich aus dem
Gericht, daß Sie selbst jener Zeuge
waren, und es war infolge dessen ein
Kinderspiel, Sie auf falsche, von mir
vorbereitete Fährte zu lenken. Das ist
mein Geständniß·«
Selling schwieg und stützte den Kopf
in die Hand.
Da fragte der Richter
»Jst das alles, was Sie zu gestehen
haben ?«
Jener schüttelte unheimlich lächelnd
,den Kopf
s »Eine That ruft die andere herlor.
Vor dem Gesetz habe ich nichts mehr zu
»betenneu, vor Gott noch eins. Sie
ssollen auch dies eine wissen, dann bin ich
alles los «
» Der Gefangene erhob sich und trat
einen Schritt näher an den Richtertisch.
»Sie habe ich ermorden wollen, Herr
Anitgrichter.«
. Der Beamte griff unwillkürlich nach
ders- Schelle, aber Selling nahm seinen
Platz wieder ein und fuhr fort:
. »Es hat ja jetzt keinen Zweck mehr,
ich bin todt für die Welt, zum minde
sien für die Freih it. So mögen Sie
meinetwegen glücklich werden. Aber
gestern hegte ich noch die Absicht.
»Schon seit mehreren Tagen hatte
ich Sie in einem doppelten Verdacht;
der eine hing mit meinem Verbrechen,
der andere mit dem Grunde desselben
zusammen-«
»Reden Sie deutlicher,« sagte
Stein —--—
,,Haben Sie noch bis in die letzten
Tage den Glauben festgehalten, daß
Klaus Merten der Mörder seines Va
ters sei?« fragte Selling s
Der Richter schwieg und blätterte ins
seinen Akten. —- f
»Sie haben es nicht, « fuhr jener be
stimmt fort, »aber ans der andern Seite
haben Sie sich gegen den richtigen Ver
dacht zu wehren gesucht. Wie war es
auch möglich, einen königlichen Beam
ten der Blutthat für fähig zu halten!
Die Geschichte mit der Fensterscheibe,
meine Unvorsichtigkeit, daß ich dem
Bäcker Schulze von der Entlassung
Mertens aus dem Zuchthause erzählte
und auf dem Amte nichts davon wissen
wollte, endlich der Widerspruch in mei
nen Angaben hinsichtlich der gestohlenen
Büchse, in deren Besitz ich zur Mit des
Diebstahls gesehen worden bin, alles
das zusammen genommen mußte Sie
stutzig machen, hat Sie argwöhnisch ge-! ’
macht.
»Sie blicken mich erstaunt an, Herrj
Amtsrichter, und Sie können nicht be
greifen, woher ich das alles weiß? Man
hat mir erzählt, was bei jenem Früh
schoppen in der Krone verhandelt wui de
aber die Mittheilnngen geschahen arglos
und harmlos, und daraus erkannte ich,
daß keiner mir gefährlich werden konnte
—außer Jhnen
»Wir begegneten uns gestern im
Walde, als Sie nach Rosenhain hin
übergingen; schon damals sah ich in
Ihnen meinen natürlichen Feind und ich
suchte Streit. Wie leicht konnte bei ei
ner heftigen Scene etwas geschehen-es
konnte zum Beispiel unversehens ein
Gewehr losgehen— dann wär’ s ein Zu- !
fall gewesen. f
»Sie sehen, Herr Anitsrichter, daß
ich unendlich feig war, just wie ein!
Mordgesell. Aber es kam noch besser i
»Als Sie sich an der Waldecke trenn
ten —- damals hielt ich die Büchse schon
schußfertig und wagte doch nicht abzu-:
drücken — da kam mir ein neuer Ge
danke.
»Sie gingen eine Strecke nach Schott
born zu und bogen dann wieder ab nacht
Noscnhain; Sie wollten niich offenbar
iiber Ihren Weg täuschen Herr, da
ward es mir klar, dass Sie der Raube-J
meines Glückes seien.« s
Selling athinete rief auf; seine Stint- !
nie ward leise und heiser. !
,,Zioeihundert- Schritte von dens
Schwedensteinen lag ich im Anschlags
auf der Lauer; aber Sie hielten dass
Mädchen im Arm, und das Mädchens
toar schon einmal die Ursache eines gräß- j
lichen Mißgriffe gewesen. Jch bin aber s
gläubisch wie alle Jäger, ich schlich mich
wieder davon. Und dann lam jene
fürchterliche Stunde, in welcher Sie bei
Sturm und Nacht als verirrter Mann
unter mein Dach traten.
»Als wir uns Auge in Auge gegen
überstanden, da erwachte zum etztenmal
der Dämon in meiner Brust mit unbe
zwinglicher Macht, und wenn Sie eute
als lebender Mann mir gegenüber pen,
dann haben Sie es nur jener and zu
verdanken, die ans Fenster po te und
mich dem Verderben überlieferte.«
Jst den Alten, welche der vorstehenden
i « i
seltsamen Begebenheit zu Grunde liegen,
findet sich noch ein Protokoll, das ge
wissermaßen die letzte Lösung der son
derbaren Verkettungen gibt.
Es bildete die Vernehmung des Gen
darmen Weiner und lautet:
»Ich habe niemals daran glauben
mögen, daß der Zuchthaussträsling
Klaus Merten die That beging. Der
Hund ist schuld daran, daß ich es nicht
glaubte, und der Hund brachte mich aus
den wahren Thater. Ein Hund fällt
den Sohn seines Herrn nicht an, aber
er kennt den Mörder seines Herrn.j
Jch hatte das Thier zu mir genommen,!
und so oft ich in seiner Begleitung den?
Förster traf, wollte es auf ihn ein-!
springen. ;
»Am Nachmittage jenes letzten Abends
war ich auf der Grundmiihle gewesen
und hatte ganz im Stillen Nachforschun
äen angestellt, und da fand ich einge
emmt in das den Hof umgebendej
Drahtgitter einen Unisormlnopf, wel-’
cher an einem Stück grünen Tuchs hing;z
da wußte ich, daß der Reviersörstet au;
der That betheiligt sei. Den Grund;
vermochte ich freilich nicht einzusehen,i
aber dasiir sind die Herren vom Gericht
da; meine Sache war es, den Mörder;
zu entlarven. i
»Es reiste in mir ein sonderbarer
Plan, und ich gründete denselben aus
die abergliiubische Furcht, welche jeden
Verbrecher beherrscht. Vielleicht habe
ich ein Unrecht begangen. Jch nahm
das Gerichtssiegel von der Thür und
ging in die verlassene Wohnung; ich
hatte durchs Fenster einen Gegenstand
gesehen, welchen ich zu meinem Vorha I
ben verwenden lonnte
»Es war das blutbefleckte Hemd des
Ermordeten; man hatt diesen Gegen
stand achtlos liegen lassen, es war ja;
kein «corpus delicti« im Sinne des
Gesetzes, denn die Todesursache war ja
bereits festgestellt. Ich zog eine Schnur
durch das Hemd und hing es mit ausge
breiteten Aermeln neben dem Ofen aus;
bei schwacher Veleu tung konnte man
glauben, daß eine weiße, blutige Gestalt
im Zimmer stehe
»Wie ich dann den Förster unter
nichtigen Borwänden in die Wohnung
lockte und wie er sich selbst verrieth, das
brauche ich nicht mehr anzugeben; aber
die Haupt sache hat do u wohl der Hund
dabei gethan, wenn auch ohne meinen
Wille , denn ich hatte ihn meiner Mei
nung nacktfntgenug un .Hose angebun
den. lich hatte Mühe, die Bestie von
dem Mörder loszureißen. «
Die Akten sind geschlossen, und das
IIrthell ist gesällttvorden.
Eine vielleicht nicht ganz gerechtfer
tigte Rechtsanschauung hat verhindert,
daß den Mörder die volle Strafe traf;
er hatte morden wollen, aber ein Jn
thum schob sich zwischen Willen und
That; so öffneten sich ihm nur die
T üren desselben Zuchthauses, welches
den vermeintlichen Thater entlassen
hmw
Klaus Merten hat die Grundmühle
verkauft und ist in die weite Welt ge
gangen
Der Amtsrichter aber ließ sich bald
hernach versetzen; er wollte die Schatten
der Erinnerung nicht Herr werden lassen
über das Glück seiner jungen Ehe·
Ende.
Eine Räuberfamilie in Jdahok
Jn letzter Zeit sind unweit Harvels’s
Rauch in Jdaho wiederholt Positutschen
überfallen und geplündert worden. Der
Verdacht fiel auf den alten Harvey und
seine Familie, weshalb der Sheriss die
sem eme Falle stellte und sich an der
Stelle-, wo die Plünderungen gewöhnlich
veriibt wurden, mit sechs Bewaffneten in
ein Versteck legte. Als die nächste Post
kutsche angefahren trun, traten sechs
Wegelagerer aus die Landstraße und
zwangen den Kutscher anzuhalten, indem
sie ihre Geivehre auf ihn anlegten und
ihn vom Bock zu schießen drohten. Der
Sherisf stürzte mit seinen Leuten aus
dem Versteck hervor und nahm die sechs
Räuber gefangen. Es ergab sich, daß
diese die sechs Töchter Harvel)’s waren,
welche Männertleider angelegt halten.
Eines der Mädchen legte ein Geständnißs
ab und sagte aus, sie und ihre Schwe
stern seien von ihrem Vater nnd ihrer
Mutter sur das Räuberhandwerk eingess
übt worden; die geraubten Sachen seien
nach dem Osten geschickt und dort zus
Geld gemacht worder, da sie in der Ge-f
gend selbst nicht ohne Gefahr hätten ver
kauft werden können. Das reuige Mäd
chen sagte noch, es sei ihr lieb, verhaften
worden zu sein, denn das RäuberlebeuJ
so ramantisch es an sich auch sein möge,J
habe ihr wenig Spaß gemacht. «
Dieser Tage erkrankte den Sohn von
George Huniphrey vom Treniont House
in B r o o ll y n an den Blattern, und
es erschienen zwei Aerzte und zwei Ge
sundheitspolizisten, um den Kranken -in
das Vlattern Hospital zu schaffen. Der
Vater des Kranken widersetzte sich dem
jedoch mit dem Revolver in der Hand
und befahl ihnen, als sie in den Haus
flur getreten waren, sich zu entfernen,
aber noch ehe sie die Hausthür erreichen
konnten, schoß Humphrey zweimal, sodaß
die Kugeln über die Köpfe der Beamten
hinwegpsifsen. Darauf wurden von
ver Straße fünf gewöhnliche Polizisten
gerufen, welche Humphreh nach Nummer
Sicher brachte-.
TeputysShertff Caldwell hat Modi
son Dan, George L. Taylor, James
»Stewart und E. Jsaacs nach Ozark,
Mo» gebracht, wo dieselben ohne Bürg
ichaft das Verfahren der Grund - Jury
in der gegen sie erhabenen Mordan
klage- in Verbindung mit dem Lynchen
des Frauenmörderc Bright abwarten
sollen.
puworistischei. i
Wenn m öglich »Wie wünschen;
Sie, daß ich Sie heute frisiren soll, Herr
Direktor ?«—— «Schweigend, wenn es Ih
nen möglich ist, Herr Scheerle. «
ZarterK ochlöffelwink. Kö
chin (den folgenden Tag nach ihrem Ein
tritt): »Gnä’ Frau, ich bin öfters ein
Bischen hitzig, und wenn ich hitzig bin,
da kann ich recht grob sein; aber das
braucht Sie nicht zu geniren— mit einem
kleinen Geschenk können Sie mich jedes
mal gleich wieder gut machen !«
Ein gemüthlicher Hand
lungsreisender. Kaufmann:
»Ich habe ja schon vorher erklärt, daß
ich von Jhnen nichts kaufen kann und
überdies heute sehr beschäftigt bin! Was
wollen Sie also noch ?«——Reisender:
»Nur noch a Bissel plaudern! Schau’n
S’, ich müßt’ mich ja vormeinem Dienst
mann genir’n, wenn ich alleweil so
schnell aus den Läden draußen bin!«
Reiseerinnerungen. Erster
Stutzer: »Da bist Du ja wieder. An
genehmeReifeerinuerungeu mitgebracht.«
—Zweiter Stutzer: »Na ja, ich habe
mich mehrmals photographiren lassen.«
V e r s p r och e n. »Ich habe diesen
Mann an vielen Orten begegnet,« rief
der Advokat mit äußerster Strenge in
Antlitz und Stimme, »an welchen ich
mich tief geschämt hätte, gesehen zu wer
den.« Dann machte er eine Pause und
sah erstaunt auf den lachenden Gerichts
hof und die Geschworenen.
W id er leg t. Erster Arzt (bei ei
ner Settion): «Sehen Sie einmal,
lieber Kollege, die Leber des Verstorbe
nen ist ganz gesund, und Sie haben ihn
doch daran behandelt i« Zweiter Arzt:
»Das macht mir eben große Ehre. Man
sieht, ich habe ihm die Leber durch meine
Kur ganz hergestellt; d ß er an einem
anderen Uebel gestorben ist, dafür kann
ich nicht.«
R a r i t ät. Student A.: »Was ver
schließest Du denn so sorgfältig ?«—
Student B.: »Einige bezahlte Rech
nungen.«—Student A.: »Ach. zeige sie
mir doch einmal! Jch habe so etwas
schon lange nicht gesehen.«
Der stolze Vater. »Ich ver
stehe, Jungens zu erziehen; mein Tom
hat sich in New York selbst einen Namen
geinacht.«—Detective: »So, wie lautet
sein »Alias« dort 9«
DernobleFiaker. Das Her
renhausmitglied Graf L. stieg kürzlich
in einen Fialer und rief dem Kutscher
alZ sziel der Fahrt zu: Gerold s Buch
handlung! Der Fiaker blickte eine Weile
unschliissig drein, dann bekannte er of
fenherzig: »Gut-r Gnad’n, wo dö Buach
handlung is, maß i .iet.«—»Was,« rief
Graf L» ärgerlich aus, »Du willst ein
Wiener Fiaker sein und weißt eine so
große Buchhandlung nicht?«— Halb
entfchuldigend, halb hochmüthig, meinte
darauf der Fiater: ,,,, tschuldigen schon,
Euer Gnaden, iführ halt lauter Gam
lier!«. . . ·
Bei einem Fastenvortrag.
Professor: »Wie kann man nur solch’
flaches Zeug in Versen schreiben ?«——
Populärer Author: »Bitte, mein Herr-,
die Verse sind von mir.«——Prof.: »Ent
schuldigen Sie, ich meinte, daß die Frau,
welche sie liest, soschlechte Betonung hat,
Wer ist sie denn ?«———Authur: »Das ist
meine Frau.«
Vorbeugungsmittel. Zim
niermädchen: »O, Fraulein, im Parlor
sitzen beide Herren, mit welchen Sie sich
verlobt haben Und es scheint mir, daß sie
beide davon wissen. Jch fürchte, es
giebt ein Ungliick.«—Miß: »Um Got
teswillenl Was ist da zu thun ?«---—
Zinnnermädchen: «Warten Sie, Fräu
lein. Jch gehe hinein und sage beiden,
daß Sie in Thranen aufgelöst sind, weil
Ihr Vater sein ganzes Vermögen ver
loreu hat-«
Ein Wasserapostel. »Eure
letzte Versaminlung,« so sagt Einer zu
einein Anhänger strengster Enthaltsam
keit von Vier, Wein und allen Spirituo
sen, »hätte Euch gewiß mehr Mitglieder
zugeführt, wenn der Redner des Abends
nur besser bei der Sache geblieben wä
re.«——-»Wie so?« entgegnete der Nüch
ternheitsaposteh »er malte doch deutlich
genug die Folgen der Sunde des Bier,
und Weingenusses.«—»«Ja wohl; als er
aber einmal trinken wollte, versuchte er
von seinem Glas Wasser erst den
Schaum wegzublasen·«
N a tiirlich e E rklärun g. »Jnn
ge,anrierstja, als ob zehn Grad
Kälte wären, während doch das Ther
monseter draußen einen Wärniegrad
answeist.««——,,Ninim’s mir nicht übel,
Papa, das nächste Mal will ich ganz
gewiß vorher nachsehen.«
A intlich. Bewerber: Also essällt
nicht ins Gewicht, daß ich zwanzig Jah
re älter bin als Ihre Tochter?—--—Bater
(Amtsrichter, zerstreut): Nein, das ist
kein Milderungsgrnndi
Ein Märchen Vater: Eure
Mutter ist ein sanftes Weib. ——Mntter:
Du wolltest doch den Kindern ein Mär
chen erzitlJlm.-—Vater: Na ja, das ist
ja eines.
Etwas zerstreut. »Unser Bub’
muß Jngenienr werden.«——,,Aber wir.
haben ja gar keine Kinder !«——-,,Ja so!«:
l EinekleineVerwechslungi
»Es kam ein Bedienter des Direktors F.
zum Heirath nnd Dichter Wieland und
» sagte: Sein Herr lasse herzlich grüßen
Hund bäte sich den Oberrock aus.—-Dich
ster Wieland stutzse und begriff nicht,
»was der Direktor mit seinem Oberrock
imachen wolle; da indessen ein Scherz
dabei obwalten könne, ließ er kopfschüt
,telnd seinen Oberrock verabsolgen. Nach
. einer halben Stunde kam aber der Be
- v
diente ganz beschämt zurück und sa e,
daß nicht der Oberrock des Hosrat s,
sondern sein-—»Oberon« gemeint gew
sen sei.
Wahr gesprochen. Kunde:
»Sie sagten, dieses Tuch würde sich wie
Eisen tragen. Jch habe nun diese Ho
sen erst seit zwei Monaten und sehen
Sie einmal, wie sie jetzt schon aussehen-«
Schneider:. «Well, sind sie Jhnen nicht
rostig genug ?«
M oderner Junge. ,,Mama,
wird bald ein anderer Krieg ausbre
chen ?«——Ms1tter: »Nietnals, wie ich
hoffe.«-—-—Knabe: »Oui« Du und Papa
habt einen großen Krieg gesehen, als
Jhr noch jung waret, und jetzt liegt
Euch gar nichts daran, ob wir Kinder
auch etwas Spaß haben oder nicht.«
Kleid er machen nicht die Frau
en, sie ruiniren aber oft die Männer.
Die beiden Reisenden. »Al
so Sie wollen sich selbst etabliren?
Werden sich auch nicht besser stehen ds
durch.« »Mag sein, aber wenn ich
hinaus-geworfen werd’, weiß ich doch we
nigstens wofür.«
Bedenkliche Rechtfertigung.
Richter: »Sie siizd als Hehler angeklagt.
Wußten Sie, daß die Sachen, welche Sie
kauften, gestohlen waren ?« Angeklagter;
»Gott, was en Stußl Hab’ ich gegeben
zehn blanke Gulden Hätt’ ich gewußt,
daß se sind gestohlen, hätt’ ich gegeben
doch höchstens zwei Gülden.«
Ein Vorschlag. Wirth zum
Gast, der zu einer Cigarre etwa schon
das zwanzigste Streichholz verbraucht)
»Herr Müller, ich will Jhnen alle
Abende die Cigarren umsonst liefern,
wenn Sie sich eigene Streichhölzer mit
bringen«
W i e scha de. Frau Z.: «Werden
Sie diesen Sommer einen Badeort be
suchen ?« Frau L., ,,Leider nicht!
Unglücklicher Weise leidet mein Gaite in
diesem Jahre nicht an der Gicht.«
Die Verhaftung der Brüder Bloom
in D etr o it wegen Anlegens von 21
Feuern, hat den Brandstiftungen daselbst
noch kein Ende gemacht. Zwei kürzlich
von der Lake Shore Bahn entlassene
Arbeiter wurden unter der Anklage ver
haftet, in der Nähe der Werke der
Standard Oil Co. und im Lake Shore
Rundhaus Feuer angelegt zu haben. Sie
leugnen
Warnung für deutsche Einwande
ter.
Die New Yorker Staats-Zeitung ist
unablässig bemüht, deutsche Einwande
rer vor jenen Agenten und Arbeits
Bureaux zu warnen, die unter den rosig
sten Schildersungen stellsuchende Einwan
derer für Arbeiten an Eisenbahnen im
Süden anzuwerben suchen. Schon un
zählige Fälle find vorgekommen, in de
nen die Angeworbenen, statt der ver
sprochenen einträglichen Thätigkeit,
Noth und Elend gefunden haben, aber
ininier wieder finden jene Agenten ihre
Opfer. Dafür legt wieder ein Brief
Zeugniß ab, den die »Staatszeitung«
kürzlich erhalten hat und der im Ausng
etwa folgende Mittheilungen enthält:
Am 10. März unterzeichneten 75
Deutsche in dem Arbeigbureau No. 16
Greentvichstr. einen Kontrah, auf
Grund dessen sie für drei Monate als
Arbeiter bei einer Eisenbahn auf Cuba
engagirt wurden, und zwar mit einem
Tagelohn von 81.25 abzüglich :3() Cents
für Beköstigung. Der betreffende
Agent verstand eg, den Angeworbenen
ihre neue Stellung in den leuchtendsten
Farben zu schildern. Wie erstaunt wa
ren diese daher, als sie, statt an der
Eisenbahn und unter »Dattelbäuinen«
in einem sumpfigen von Felsen hingebe
nen Steinbruche arbeiten mußten. Be
reits am ersten Tage der Arbeit brachen
zehn Mann von der unerträglichen
Hitze, die in dem von jedem Luftzuge
avgeschlossenen Bruche herrschte, zusam1
men und mußten nach dem Hofpitale
gebracht werden. Von denjenigen Per
sonen, die seit einigen Monaten jene
Sklaveiiardeiten verrichten mußten, hat
Schreiber nur einen Einzigen getroffen,
der nicht zwei Drittel der Zeit im Hos
pitale darnieder gelegen hätte. Doch
nicht allein die Arbeit, welche die Un
glücklicheu unter der Fuchtel eines rohen
italienischen Bormannes bis zur Er
mattung verrichten mußten, war uner
träglich, auch das Essen, womit man die
Arbeiter ,,sütterte«, war Ungenießbar
und bestand ans kalten schwarzem Tr.ee,
trockeneni Brode und übelriechendem
Fleische Daß unter solchen Umständen
Fluchtversuche der Arbeiter fast täglich
vorkamen, ist begreiflich, aber die Be
wachuug war eine so strenge, daß es
nur den Wenigsten gelang, zu entkom
men. Zu diesen Letzteren gehörten auch
der Briefschreiber und eine Anzahl sei
ner Leidensgefährtenz es gelang ihnen,
zu entkommen und unter den schrecklich
sten Strapazen Santiago de Cuba zu
erreichen, von wo sie einen Mahnruf an
die vielen Arbeitslosen erlassen haben,
der hoffentlich nicht leichtsinniger Weise
wieder überhört werden wird.
Die N e w s) o r f e r Union der elet
trischen Arbeiter, welche an elektrischen
Schellen, Einbtecher Alarms tc arbei
ten, hat einen Streit zum Erztvingen
einer Lohnerhöhung angeordnet. Die
Leute erhielten seither 81.5() und M. 00
per Tag und verlangen jetzt SI. 00
Auf einem MedizinevBaw
ke tt. Ein Arzt erhebt sich zum Toast:
»Meine Herren, ich bitte Sie, trinken
Sie auf die Gesundheit» .« Die gan
ze Gesellschaft: »Niemalö! Wir pro
testiren!«