Die Grundmühlef criminalrotnan v. Friedrich Jakobs-m ( Fortsetzung ) Das Gebüsch lag einsam nnd schwei end wie die ganze Flur, aber in seiner tillen Heimlichleit barg es dennoch ein verrätherisches Merkmal: Spuren von Männerstiefelm welche sich tief in den weichen Boden eingedrückt hatten· Stein ging diesen Spuren nach, sie führten in ziemlich weiten Zwischen rämnen über die Aecker bis an den na hen Wald. Der Mensch, welcher diese Eindrücke hinterlassenl)c1tte, ntnßte in gewaltigen Sprüngen vorwärts geeilt sein; er hatte schwerlich mehr als- eine Minute ge braucht, um die äußerste, scharf vor springendc Waldeckc zu erreichen. An dieser Waldeckc ntündete ein Pfad, nnd es befand sich dort ein Wegweiier; »Richtung nach .ngenburg« stand da: taufen-schrieben Was konnte es denn schließlich verschm genP Ein Weg war so gut wie der ande re, dei nächste vielleicht sogar der beste. Stein faßte feinen Knotenstock fester und tauchte in das Gewirrder alten, dich ten Bäume; freilich bemerkte er nach ei ner Viertelstunde, daß die Dunkelheit ·ihn bald überraschen werde, aber daran war nun nichts mehr zu ändern, er muß te vorwärts. Da theilte sich der Pfad nach rechts und links;rechts mußte Hagenburg liegen, aber etwas weiter tamen gar drei ver ichiedene Wege, und nun erschien es ge rathen, sich in der Mitte zu halten. Aber das führte immer tiefer in Gebüsch und GestrüppxFelofteineund Rinnsale nn terbtachen ten kaum mehr sichtbaren Durchhau, und endlich stand der einsame Mann mitten in einer förmlichen Wild nisz, umgeben von dichter Finsternifh rathlos—-—verirrt. Obendrein begann der Wind sich in» Sturm zu verwandeln und der Nebel in« Regen. Wahrlich, eine unbehagliche Lage! Häufig blieb der Anttsrichter stehen und lauschte in den Wald; esz war ihm, zuweilen, eg gehe etwas neben ihm, vor ihm. Wenn er dann Halt machte, hörte das sonderbare tilerausch auf, und dann glaubte er sich getäuscht zu haben. Ging er weiter, dann begann das Kniftern und Erbleichen abermal-Z, bald ferner, bald näher. Er schlug mit dem Stock gegen einen Baum und rief »Holla!« Reine Ant wert. Er sprang nach der Richtung des Ge räusches vorwärts; Busche nnd Zweige schlugen ihm iii’s Gesicht; er glaubte et was zu packen -- es war ein Baum stamm. Bäume, nicht-Z als Baume, und tiefe Fiiisternifz. Was war das? Seine Füße glitten einen Abhang hinunter, es plätscherte, und ein eiskal tes Gefühl stieg von unten herauf, an den Beinen entlang, bis über die Kniee. Hier mußte ein Weiher sein, vielleicht ein unergriindlich tiefes, unheimliches Wasser Stein lag noch mit dem Oberlörper auf der steilen Böschung, er hatte zum Glück einen Busch gefaßt, und zog fich an demselben wieder langsam in dte öbe, bis er den oberen Rand des Ab angs erreicht hatte. Von nun an wagte er nur langsam und mit dem Stocke tastend vorwärts zu schreiten; wie leicht konnte er wieder an den Weiher gerathen, er hatte ja keine Ahnung von dessen Lage nnd Grö sze, es tonnte ebenso gut ein Waldsee fein, wie ein Tümvel von wenigen Fuß Umfang. Was tvar das wieder? Dieseetmal keine unheimliche Tiefe und kein verdachtiges Geräusch, sondern ein trostlicher, erfreulicher Anblick. EinLichU Das Licht brannte nicht unstiit und bewegte sich nicht; esz mußte aus einer menschlichen Wohnung kommen, ausz ei nem Dorfe oder aug einem einzeln lie genden Hause. Stein hatte leine Ahnung, wo er sich eigentlich befand, er vermochte es nicht einmal annähernd zu bestimmen. Das da vorne konnte Schönh-irrt sein, oder Rosenhain, oder irgend ein anderes Nest; vielleicht toar es sogar Hagen barg, aber das wagte der verirrte, miide Mann kaum zu hoffen. Mit derselben Vorsicht wie higher schritt er rastend vorwärts-; er fühlte unter seinen Füßen noch immer den wei chen Waldboden, und das erschien ihm seltsam, denn nach einem Dorfe pflegen doch von den verschiedensten Seiten ge bahnte Wege zu führen. Nun stand er aus einer kleinen Licht lang, und das Licht befand sich ihm gerade gegentiber. Wie weit sich die Wall-bloße erstreckte, vermochte er nicht zu erkennen, aber ringsum war außer dem einen erhellten Fenster tein weite res Zeichen menschlicher Nähe zu ent-! decken. Er ließ seine Uhr repetiren, sie gab halb neun an. Um diese Zeit ging doch kein Dorsbe wohner ins ett demnach mußte das han« ganz einsam lie en; aber einerlei es war doch eine men chliche Wohnung Nun wurden auch die Umrisse dersel ben allmählich erkennbar-; das schien kein Bauernhauö zu sein, wenigxens ver mochte der Amtsrichter keine tallungen zu entdecken, das-equi- schk sent ein Hand an, undd nie ver-« riet en, daß es ein großes Thier sein mii e. Wenige Augenblicke später ward eine» Tbür geöffnet und die ruhige Stimme eines Mannes fragte: I »Wer ist da ?« s Es war eine Stimme, die den Amts richter bekannt biinite; sie gehörte offen bar keinem Bauern an, sie klang zu ge bildet und dialektfrei. I Konnte es denn wirklich möglich sein. , Der Amtsrichter setzte den schon er hobenen Fuß nieder und wandte das Gesicht rückwärts nach dem sinsteren, nngastlichen Walde: er hatte das unbe stimmte GefiihL als ob er dort besser aufgehoben sei als hier, in der Nähe die ses einsamen Hauses-. Da sprach die Stimme wieder und diesmal in offenbar drohender Weise: »Antwort, oder ich lasse den Hund lass-es ist ein böses Thieri« Da blieb tcine Wahl; Stein ging ent schlossen vorwärts nnd trat in den Kreis des Lichtes Was er in den letzten Sekunden geif ahnt hatte, das bestätigte fich jetzt; derf Mann, welcher unter der Thür ftand,f war Revierförfter Selling. In derf einen Hand hielt er die Lampe, mit derf andern hatte er das Hals-band eines; großen Jagdhundess gefaßt; so ftand er plötzlich vor dem Richter und blickte ihm gerade in die Augen. Nur eine einzige Sekunde, dann schqu er den Blick nieder, und eine fahle Bläs fe zog flüchtig wie ein Blitz über fein Gesicht; aber er mußte gelernt haben, fieh zu beherrschen, denn fofort drängte er den zähnefletfchenden Hund zurück und fragte mit feiner gewöhnlichen Stimme, wenn auch mit dem Ausdruck des Erstaunens: »Sie find es, Herr Amtsrichtch Was verschafft mir noch fo spät die Ehre- Jhresz Besuches ?« »Ich hatte mich tm Walde vertrrt,’ Herr Revierförster; aber ntin kann ich ntich nach Hagenburg zttrückfindenz ich will Sie daher nicht weiter belästigen-« »O, bitte, davon ist nicht die Rede! Sie triefen ja von Wasser, Herr Amtsz richter.« »Es regnet, und überdies bin ich hier irgendwo herum in ein Wasserloch ge rathen« Selling schien einer- Augenblick nach sinnen. »Ein Wasserloch? Dass kann nur der Hirschteich gewesen sein-— das ge fährlichste Wasser in der ganzen Umge gend, denn die Userränder sind sehr steil — da können Sie von Glück sagen. Bitte, treten ·Eietti1l)er.« »Ich mochte gleich weiter.« «Untniiglich!« Das klang zwar l)dslich, aber nnge mein bestimmt, nnd Selling siigte sofort hinzu: »Ich habe Feuer im Ofen, Sie müssen sich erst etwas trocktten.« Zugleich trat er vor die Thür nnd hinter den Amterichtetz so daß dieser fast gezwungen war, die Schwelle zu überschreiten Kaum hatte er dies halb widerwillig gethan, so fiel die Thür hinter ihm ins Schloß, nnd Selling sagte fcherzend, idoch ntit seltsam belegter Stimme: T »Nun sind Sie mein Gefangener, Herr »Amt«-richten nnd ich lasse Sie nicht wieder hinan-Z; nennt man das nicht Freiheitsberaubung bei den Herrn Juristen?« Der vertrauliche Scherz kleidete ihn noch feltfamer, als die früher an den Tag gelegte iibertriebene Bescheiden beit; Stein empfing den Eindruck, als wolle jener mit Aufbietung aller Kräfte etwas verhiillen-—den Auebruch eines Gedankens, vielleicht die Absicht einer That — einer wahnsinnigen, eifersiichti aen Handlung. . Jn dem Wohnziunuer deiz Revier fiirfters herrschte behagliche Wärme, itn liibrigen aber machte es einen öden, un: freundlichen Eindruck. s Schon unter gewöhnlichen Verhält nissen hätte es das Fehlen weiblicher iHiinde verrathen, aber hier bemerkte linan schon die Spuren des bevorstehen denAttfbrttchH. Die Vorhange waren von denjeni sstern heruntergerisfeu, die wenigen Mö sbel standen uttordentltch und durcheiu sattder, mehrere fertig gepackte stiften sstauden au die Wand geschoben ! Stein trat an den glühenden Qfeu, sihn fröstelte und die Wärme that gut. i Selling hatte sich auf eine Miste ge s setzt, er ftiitite den tuon in die eine Hand Hund streichelte finster mit der andern ; seinen grossen Jagdhund. ; Er wartete offenbar auf die Anrede seines Gaste-z oder suchte selbst nach Worten. »Sie hausen h.er ganz allein?« fragte der Amtsrichter endlich, uttt ttur etwas zu sagen. »Ganz allein. Jnt Umkreis von einer Stunde wohnt keine Menschen· seele.« »Da ist’s Ihnen wohl oft einsam ge worden ?« : »Manchmal. Aber was hilft’s? Eos fihndet sich doch Niemand, der mein Loosi t eilt.« «Einfatn und unheimlich,« fuhr Stein einlenlend fort. Er fühlte, daß die kaum begonnene Unterhaltung be reits in eine gefährliche Bahn gerathen set. Selling lächelte finster. »Ich kenne keine Furcht, Herr Amts richter. Ich bin ein etttschlosfeuer Mann nnd habe meine Waffen, aber auch ohne dieselben haW keine Noth, ich bezwinge mit der nackten Faust jeden Gegnern-« ,,Wirllich?« sagte Stein mit einem prüfenden Blick auf die schlanke Gestalt. Selling stand aus und nahm aus einer Ue eine schwere eiserne Wel. i »Damit tibe ich jeden Tag, das gibti feste Muskeln. Glauben Sie mir, Herr Amtgrichsey ich fürchte Niemand.« »Ich glaube es,« sagte Stein. »Niemand!« fuhr der Revierförster heftiger fort, als wolle er sich selbst ge waltsam in Eifer reden. »Sie haben wohl keine Zeit, für dergleichen körper liehe Uebungen ?« »Doch——auch ich liebe sie.« Selling stand noch immer da mit dem schweren Eisen in der Hand. Er trat einen Schritt vor und schwang es prüfend in der Lust. Der Hund er hob sieh knurrend. Der Amtsrichter hätte es nicht ge konnt, er sah, dasz jener ihm bedeutend an K rait überlegen sei. »Legen Sie das Ding hin,« sagte er ruhig, »der Hund könnte glauben, daß wir in Streit gerathen seien.« l Aber Selling blieb stehen und heftete. seine Augen fest aus den gegenüber stehenden Mann. »Wo sind Sie heute gewesen?« fragte er dann plötzlich ,,Jnteressirt es Ste?« «Allerdings.« · »Und wenn ich die Auskunft verwei gere ?« Es war das erste feindselige Wort; der Amtsrichter fühlte, daß damit eine Entscheidung ausgesprochen sei, aber er sehnte sie herbei, er konnte die Antwort nicht zurückdrängen. Selling war einen Schritt zurückge-l treten; er ließ die Hantel aus den Bos; den fallen nnd ballte tief aufath nend beide Fäuste. »Dann« —sagte er, die Worte mühsam zwischen den Zähnen hervorstoszend Da pochte etwas an die Fensterscheibe —rasch und heftig. Selling fuhr lreidebleich herum und starrte nach der Richtung des Lautsz der Hund sprang mit heiserem Gebell vor und legte beide Vorderpfoten aus das Fensterbrett. »Fort mit der Bestie!« sagte eine tiefe Stimme dranszenz »wenn sie durch die Scheibe fährt, ich habe den Revol oer in der Hand, ich kann nichts dazu.« ; Der Reviersörster riß mit zitternder IHand den Hund zuritck und jagte ihns smit einem Fußtritt in die stammerJ sdann öffnete er den FenstersliigeL l Eis blitzte etwa-J durch die Nacht wie ein Helm, dann bog sich ein bärtiges IGesicht herein. Es war der Gendarm Werkme Stein athmete erleichtert anf. Was den Mann auch herbeigeführt gaben mochte, eg- war eine treu ergebene Seele, und von irgend einer Gefahr, wenn sie wirklich vorgelegen hatte, konnte nun nicht mehr die Rede sein. Der AmtSrichter hätte den alten lFiiiasterbart umarmen mögen. J «Machen Sie nur immerhin die Hausthiir aus, Herrs)ieviersörster,« sagte» sWerner mit einem breiten Grinsenz »ich siir meine Person kamt schon zur Noth durch-J Fenster, aber oor dem Herrn Amterichter wäre das doch zu schamr lich.« Selling ging stumm hinaus und kehrte wenige Minuten später in Beglei tung des Gendarmen zurück. Dieser siihrte einen großen gelbbrau neu Wolsshund an starker Leine mit sich; er hatte das Thier kurz gefaßt und ging zwischen demselben und dem Fürsten der Hund hinkte ein wenig aus dem ei nenVorderfusz und war aussallend un ruhig. Stein erkannte ihn aus den ersten Blick; es war Hektor, der Hund des ermordeten Griinditiiillers, und es hatte damit eine besondere Bewandtniß. Als der Nachlaß dee alten Merteu unter Gerichtssiegel gelegt wurde, wollte Niemand sich des bissigen Thieres an nehmen; außerdem war es durch die Wunde an der Vorderpfote, welche eine Sehne zerschnitten hatte, lebenslänglich geschändet, nnd das Todesurtheil schien schon gesprochen zu sein. Da hatte sich Werner ins Mittel ge legt. ,,lleberlassen Sie mir einstweilen das Biest, Herr Amtsrichter,« hatte er ge sagt; »vielleicht kurir’ ich es noch herausz, nnd aus meinen nächtlichen Patrouillen kamt ich so’u Kameraden brauchen. Vielleicht hat«-Z auch noch einen andern Zweck Die letzten Worte klangen geheim niszvoll; der Amterichter aber hatte nicht weiter daraus gerichtet. llnd nun stand Werner mit seinem vierbeinigen Genossen mitten in der Stube des Förste·ro, grüßte seinen Vor gesesten militiirisch und sagte zu Sel lingr « »Sie wundern sich wohl, Herr För ster, dass ich so bei Nacht und Nebel hier einbreche? Ja, unsereins hat ein harte-Z Brod. Keine Rulf bei Tag und Nacht. Jch wollte Sie nämlich bitten, mich einmal nach der Grundniiihle zu be gleiten. Nitsch dich. Hektor, du zerrst mich ja uin!« Selling trat zurück und stamnielte erdsahl: i «Nach der Grundiniihle ?« ) »Ja wohl, Herr t)ieviersörster, wenn see Ihnen recht ist. Jch komme nämlich eben daher-—- -« ! Er stellte sich dicht neben den Revier sörster und sagte halblaut ,,Es brennt Licht in der Mühle, Herr Selling-—« Stein wandte sich erstaunt um. »Unmäglich, Werner, Sie müssen sich getäuscht haben. Die Mühle liegt ja unter Gerichtssiegel l« »Um-r Gerichte-siegel, Herr Amts richter,« bestätigte der Alte mit ernster Stimme. »Von wegen der Ermordung des Grunbniüllers. Sie haben ganz recht, aber ich habe auch recht.« Cecina hatte sich inzwischen gefaßt. »Gebt zum Teufel mit Eurer Grund-: mühte, « sagte er grob, »sie liegt nicht in meinem Revier, ich habe nichts damit zu schaffen « s »Richtig,« bestätigte Werner. »Aber ich habe m den letzten Tagen in der Umgegend häufig Schüsse fallen hören; geben Sie acht, Herr Selling, es hat sich eine Wilddiebsbande in dein alteni Bau eingenistet. Einsam genug liegt er ja dazu « »Da macht sie meinetwegen dingfest,« entgegnete Selling ärgerlich, »ich bin von hier versetzt, mich geht es nichts mehr an.« »O, o, Herr Neviersörster,« lächelte der alteGensdarim »ich sollte meinen, daß des Königs Uniiorin überall Gel tung besitzt. Sie haben doch keine Angst, Herr Selling ?« Der Förster sprang erregt auf und griff nach seiner Büchfe ,,tl)iiinetwegen; nur damit Cie sehen« daß ich den Teufel Angst habe. Abers es ist Unsinn, Werner, ich meine das auch schon etwas gemerkt haben.« i »Du lieber Gott, Sie kommen sa nichts in die Gegend, nicht wahr, Herr Revier-: ! förster, Sie sind seit Monaten nicht bei’ der Grundinühle gewesen ?« z Es klang wie Spott; der Amtsrichter blickte erstaunt anf. s »Sie gehen vielleicht auch mit, Herr Amtsrichter,« sagte Werner, ,,es wäre recht gut, damit alles hübsch unter den Augen des Gerichts geschieht, und dann wegen der Siegel.« Stein nickte, und Selling pfiff unter dessen nach seinem Hunde. ,,Lassen Sie das Vieh lieber daheim,« meinte Werner gemüthlich. »Es könnte Jhnen wieder ’was gestohlen werden, wie damals die Büchse. Wenn wir einen Hund brauchen, genügt der mei nige vollkommen; aber gehen Sie nicht so nahe heran, der Hektor scheint nicht Jhr Freund zu seiu.« Die Warnung des Gensdartnen schien vollkommen überflüssig zuseinz Selling machte einen großen Bogen um dasZ knurrende Thier, und Werner konnte esJ nur mit Miihe an der Leine halten. Einige Minuten später befanden sich alle drei ans der Landstraße Das Uni tvetter hatte sich gelegt, und nur der herbstliche Wind strich kalt durch die diistern Tannen, welche die alte, ein same Landstraße iuusatnuteu. Zum-eilen streifte auch ein fliichtiger Mondstrahl die nasse Erde, und dann erschrait der Amtsrichter förmlich iiber das blasse, furchtbar entstellte Gesicht Selliug-3, der wortlos an seiner Seite ging, während Werner einige Schritte voran den widerstreitenden Hund an der Leiue fortrerrten Das Gebahreu des Thiere-J war so aufsallig, daß Stein endlich stehen blieb und fragte, ob wohl irgend etwa-Z- Verdiichtigeez in der Nähe sei. Er däinpste naturgemäß seineStintme, und Werner entgegnete ebenso: »Ich weiss eiz nicht, Herr Amtszriclp ter; ich kann die Bestie kaum halten, sie strebt offenbar rückwärts. Soll ich ’tnal die Leine loslassen?« Wieder trat der Mond hinter den Wollen hervor, und Stein bemerkte, daß Weruer den Strick scheinbar etwas lockerte, in Wahrheit aber denselben doppelt und dreifach nm die Faust wickelte. »Um Gottes willen, nein,« rief der« Revierförster ängstlich, »ich glaube, d rl Hund will mir zu Leibe! « Dabei riß er unwillliirlich die Biichse von der Schulter. »Ich glaube eo beinahe selbst, Herr Jotster,« bemerkte der Geile-darin be-« dijchtig; »habeu Sie ’inal dem Thier wasZ zu leid gethan? Na, lassen Sie das Gewehr nur hängen, vielleicht brau chen Sie den Schus; noch nöthiger, und vorläufig halt’ ich den Hektor fchon.« Nach Verlauf einer Stunde hatten sie die Grundniiihte erreicht. Vorsichtigs umfchritten sie dass einsame Gehöft, aber’ e—3 lag lichtlosz und schweigend vor ihnen. » »Da haben wir die Bescheerung,«i brummte Selliug ärgerlich; »Jhre ver-Z damiute Spiirnase hat Sie richtig ’mals wieder irre geführt, Werner, und wir sind nue die Narren in der Nacht her umgelaufen. Weiin’-3 Ihnen recht ist, Herr Amt-nichten so kehren wir uiu.« ,,Laffen Sie meine Nase in Frieden,« entgegnete der Alte unbeirrt, »und wenn es Jhuen recht ist, Herr Amts richter, fo gehen wir in das Haus. Die Geschichte mit dein Licht mufz ergründet werden, wer weiß, was wir da drinnen finden« Sie standen im Hofe dicht neben der Hausthür. Werner band den Hund an einen Za:.npfahl, ziindete eine Blendlaterne au und leuchtete an die Thür. Der Amte-richtet war neben ihn ge treten und verfolgte aufmerksam jede seiner Bewegungen; plötzlich flusterte er mit erregter Stimme: »Wahrhaftig, die Siegel sind herun tergerifsen t« »Und die Thür ist offen,« fügte der Gensdarni ebenso hinzu, indem er seine Hand auf das Schloß legte. Die drei Männer sahen einander stumm an; jeder suchte in den Gedanken des andern zu lesen· Werner brach zuerst das Schweigen. «Nehmen Sie meinen Revolver, Herr Auitsrichter,« sagte er mit ernster, be deutsamer Stimme, »und Sie, Herr Selling sind wohl so gut, mir Ihre Büchse zu leihen. Sie haben ja noch den Hirschfänger.« Er nahst-» bevor der Satz zu Ende ivar das- Gewehr aus« den nden des Forstbeammy mit eirem f , raschen Griff und einem seltsamen, fast drohen den Blick. Dann fuhr er fort «Bleiben Sie beide hier stehen, ich will hinein und das Haus durchsuchen.« Im nächsten Augenblick war er drin nen geräuschlos verschwunden. Die beiden Männer sahen sich in dem fahlen Mondlicht ungewiß an; Selling preßte die Lippen aufeinander und warf scheue Seitenblicke auf den in einiger Entfernung angebundenen Hund, wel-· cher dumpf knurrend an seinem Bande zerrte. Da kehrte Werner zurück; Er trug Blendlaterne und Büchse in einer Hand und machte mit der andern eine abweh rende Bewegung nach dem dunklen Haus-Hut Dabei sagte er halblaut: »Es ist nichts im Hause, nnd es ist doch etwas da. Glauben Sie an Spuk Herr Selling?« »Geben Sie mir mein Gewehr und gehen Sie zum Teufel!« knirschte der Förster zwischen den Bahnen »Es strich da drinnen etwas kühl an mir vornher,« fuhr Weruer fort. »Rich- « tig, Ihr Gewehr wollen Sie —- ist es denn überhaupt geladen?« Er richtete blitzschnell den Lan in die Luft und berührte den Drücker —— der Schuß krachte durch die stille Nacht, und: Hektor zerrte mit wüthendem Geheul an seinem Stricke. »Herr, sind Sie verrückt?« schrie Selling mit gellender Stimme. Der Gendarm lehnte die Büchse an die Wand. »Es thut mir leid,« sagte er in seiner ruhigen, spöttischen Weise. »Hoffent lich hat der Schuf, in diesem Hause des Todes nichts geweckt.« »Wollen Sie nicht mit mir da hinein -gehen, Herr Selling? Es ist die Stube, in welcher der Grundmiiller Merten er ;niordet worden ist, ermordet von seinem Feigenen Sohne, wie die Leute sagen. Es wäre kein Wunder, wenn der Alte im Grabe keine Ruhe hätte und um gehen müßte, bis das Verbrechen ge siihnt ist, und das möchte ich doch gerne mit Ihnen zusammen ergriinden.« Der alte Gensdarni hatte bei diesen Worten seine Hand auf den Arm des Försters gelegt und umschloß ihn mit eisernem Griff. Das war nicht mehr eine freund schaftliche Aufforderung, sondern heim lich drohende Gewalt nnd seltsam ge nug, der riesenhaste Mann lies; sich willig führen, wie ein zitterndes Lamm. Stein blieb draußen stehen nnd griff an die Stirn, wachte er denn wirklich, oder war alles ein wiister Traum? War der besonnene Werner plötzich verriicktgeworden, oder begannen sich hier der Schleier eines furchtbaren Geheim nisses zu lustent (Schlus3 folgt.) Umschau auf technischem Gebiete. lit. v. TIJL ltl der ,,’Ls. P.« Unser-en Lesern ist bekannt, dasz eine Gesellschaft am Niagarafall ein Wasser-J wert baut, mit welchem man eine Krafts von 155,«()» Pferde-stärken dem Flnfzi abzuringen gedenkt. Davon sollen 5.s’),-s W» nachdem 42 Kilometer entferntenf Buffalo iibtragen werden und dort» die Stadt beleuchten und die Straßen-; bahntvagen schleppen. Was mit der übrigen Kraft angefangen werden soll, ist noch nicht ausgemacht, Einstweilen gedenkt man, sie, nach dem Vorgange von Frankfurt, ganz oder theilweise, nach dein 700 Kilometer entfernten Platze der Chicagoer Ausstellung zu lei ten. Dies soll unter Anwendung des Dreihafenstromecz und bei einer Span nung von :3(),()«» Volts geschehen. Ge lingt der Versuch und stellen sich die Kosten nicht zu hoch, io wäre sicherlich nach dein Schluß der Aussftellung in der aufblühenden Stadt Chieago eine Ver tvendung für einen guten Theil dieser Kraft zu finden. Die Angelegenheit des Baues einer Bahn auf das Matterliorn und auf den Hornergrat bei Zermatt ist insofern um einen Schritt vorwärts gelommen, als der schweizerische Bundesrath die Erthei lung der Coneession beantragt. Dieselbe wird jedoch, bezüglich desJ Matterhot·iis, an die Bedingung des Nachweisesz ge knüpft, dafz die ziemlich rasche Abnahine desJ Luftdructrs nicht gesundlieitgschädlich wirkt. Leider sollen die in einer Heil austalt der Schweiz vorgenommenen bezüglichen Versuche uugiiustig aus-gefal len sein, jedoch nur bei schwächlichen Leuten. Als Banseit für die Matters hornbahu sind « Jahre in Aussicht ge: nonnnen. Die llnternelnner rechnen anf jährlich sit-W Reisende zu 60 Fran ken für die Fahrt nach dem Gipfel und zurück. Hinsichtlich der Bauart -- Seil strecken nnd Zahnradstrecken, die elek trisch betrieben werden«-vermessen wir auf die früheren Angaben. Nur schreibt der Bundesrath für den Tunnel nach dem Matterhorngipfel ein dreifaches» Seil, Treppen an der Seite der Fahr-? bahn, damit die Leute sich retten könnenJ wenn der Wagen stecken b,eibt, und zahl- s reiche Nischen, wahrscheinlich für die Ar beiter, vor. s Von Neuem wird die Frage erörtert,: ob Lokomotivführer und Heizer ihrenf Dienst sitzend verrichten können, was fürs die geplagten verdienstvollen Beamten: eine große Erleichterung bedeuten würde. ! Jm Organ für Eisenbahnwesen verficht. v. Jaxtthal die Ansicht, es gehe nicht,! toeil der Lokomotivführer erst aufstehen s müßte, um den Brentö- oder den Steuernngshebel zu handhaben, wo-« durch zu viel Zeit verloren geht. Zur Handhabung dieser Hebel reiche näm lich die Kraft der Arme nicht aus; es müsse vielmehr der Lokomotiv hrer mit seinem ganzen Korpergewi den seminis-Ins zie- Hins- tom. Der Heizer dagegen möge sitzen; viel werde er aber nicht dazu kommen. Hierauf wird erwidert, daß die ame rikanischen Lokomotivführer ihren Dienst sitzend versehen, obwohl sie wegen des mangelhaften Signalwesens viel schär fer aufvassen müssen, als unsere. Der Führerstand ist, um dies zu ermöglichen, drüben anders gebaut und es erfordert die Handhabung der Hebel keine so große Kraft, weil sie zweckmäßiger an geordnet sind. G. v. M u y d e n. Haitswirthfchaftltches. Das Eierlegen der Hühner. Der Eierstock der Hühner ist eine traubenförmige Driise, die aus sechs biH achthundert Zellen besteht, welche alle bei einer regelrechten Entwickelung zur Reife gelangen können. Da aber dieselben weder ergänzt, noch erneuert werden, ist das Huhn nicht im Stande, mehr als die genannte Zahl Eier zu le gen, und es handelt sieh also daruin,daß die Henne diese in kürzester Zeit ablegt, wodurch an Futter gespart wird. Legt z. B. ein Huhn bei schlechter Fütterung jährlich nur achtzig bis hundert Eier, so müssen wir sechs bis sieben Jahre füttern, bis wir die genannte Zahl Eier gewinnen; erhalten wir durch gute Füt terung und Pflege aber jährlich etwa hundertundsünfzig, so gewinnen wir die selbe Anzahl in vier bis fünf Jahren, haben somit eine Futterersparniß für zwei Jahre und zudem in dem abgängi gen Huhn ein weit werthvolleres Fleisch, als in dem ersteren Falle, wo es alt, trocken und zähe geworden. Es kommt bei Anschaffung einer Hühnerrasse für Eiergewinnung ungemein viel auf die Thiere selbst an. Die Jtaliener und Leghorns gehören zweifelte-ohne zu den besten Leghennen. Will man deren Legthätigkeit erhöhen, so sind Abwechs lung, Piinktlichkeit und Sorgfalt bei der Fütterung zuerst zu empfehlen, weder zu viel noch zu wenig, immer zu regel rechter Zeit. Demnach sorge man da fiir, daß die Thiere, wenn sie keinen frei en Auslanf haben, wo sie in der Suche nach Fliegen, Larven, Käfern, Maden, »Wiirnten u, s. to., eine große Riihrigkeit ;entfalten, etwa-Z Fleischfutter ab und jzn erhalten; das einiachste ist frische, sgesunde Riudlunge oder Leber, beim Ist ochen mit etwas Salz und Pfeffer ge swiirzt, oder Fleisch von Schasen, Läm smern, slsälberin gar gekocht und sein ge sschnittelu Fleisch von kranken Thieren sist selbstverständlich ausgeschlossen ’!lliorgens3 erhalten die Hühner meistens ein Weichfutter, dessen Bereitung hier noch kürzlich beschrieben wurde. Ferner soll man braune gerostete Gerste sieden und diese den Hiihnern zum Fressen, und die Brühe zum Sausen geben; Eicheln, Bucheckern, stark getrocknet und pulverisirt mit Leinsclialenabiochung, Weizen,- Gerste: oder Roggenkleie zu Teig gemacht; eiweißhaltiae Milcherek abfälle, wie Quark, abgerahnite Milch, Sommer- und Buttermilch kann man den Hiihnern vorsetzen, wie auch mit Schrot und Kartoffeln vermischen. Ani malische Stoffe befördern die Furchtbar keit, das Wachsthum und den Glanzdes Gefieder-J, sind deshalb zur Mauserzeit, im Winter, wie bei kaltem regnerischen Wetter, wo die Hühner keine Insekten und Würmer finden, am Platze. Eine unbehaalichc SiJiatioit. In eine mindestens sehr unbe qseme Lage gerieth dieser Tage der Thierwärter Patrick Moran in dem s ärenzwinger im Central Park in New !York. Indem Zwinger befanden sich zw i Grisli Bären, ein brauner und ein schwarzer Bär. Der letztere war krank, und es war Moran’s Aufgabe, ihm Arznei einzuflößen. Zu diesem Zwecke begab er sich neulich, nur mit einer Har ke bewaffnet, in den Zwinger, jagte die beiden Griglibiiren auf die Steinplatten an den Zwingerwändeiy flimmerte sich aber n cht uin den braunen Petz, der für sehr gutmiithig galt und Jahrelang mit seinem Italiener als Tanzbiir im Lande umhergezogen war. Morai. lniete ne ben deni Kranken nieder, um ihm die "Arznei zu verabreichen. Plötzlich aber packte Meister Braun ihn an der Hofe über dein litefäß nnd schwang ihn in die Lqu Moran rief um Hülfe-; alles Sträuben und Strainpeln half ihm nichts-, denn Petz fuhr fort, mit ihm den Staub inc Zwinger zusammenzufe »gen. Alc- schließlich Beistand kam, ließ sMeister Pelz ihn nieder und verzog sich, Moraii«s Hoseusitz als Siegesbente mit sich nehmend, in eine beschanliche Ecke. ZAußer dein Verluste jenes unerläßlichen Bestandtheile der Hase hatte Moran keinen weiteren Schaden zu beklagen. Auf eine eigenthiiniliche Weise wurde in Philadelphia eine Frau Na mens Wallie Janers als Diebin ent larvt. Frau Scott, eine Krankenpflege rin, besafz einige hundert Dollars in Bank Noten. Jhr 1() Jahre alter Sohn zählte einmal dieses Geld und schrieb die Nummern der Banknoten auf. Als Frau Scott später als Wärterin in das Hans der Frau Jayers gerufen wurde, nahm sie das Geld mit und es wurde ihr dort gestoh len. Sie klagte dem Arzte ihr Leid und erinnerte sich zugleich, daß ihr Sohn sich die Nummern aufgeschrieben hatte. Der Zettel mit den Nummern fand sich noch vor nnd es stellte sich heraus, daß der Arzt mit Noten bezahlt worden war, welche die betreffenden Nummern tru gen. Unter diesen Umständen erkann ten die Geschworenen nach kurzer Be rathung ans «Schuldig«. Ehas. Miller von Albland erseht-s sich in einer Wirtbschaft n Bart o I einem Dorfe in der Nish- MM M i«"« . s» "-" »i« , .«--» . s. .«««- «