— Die Grundmühlc. Kriminalromau v. Friedrich samtnen Als die Männer dann durch den Hof schritten, fiel der Blick des Doktors auf den Hund, welcher ruhig in einem Win kel lag nnd abermal-z an seiner Vorder pfote leckre. Er blieb stehen nnd fragte-: »Was hat du«-z Thier ?« »Ich weiß es nicht,« entgegnete Grete mich nnd wollte weiter-gen »dem da, Mädchen; laß ihn ’nml am Hat-band« Sie gehorchte zögernd. »So. Alle Wetter-, das ist ja ein grenlicher Schnitt, bis auf den Knochen Das arme Vieh wird wohl zeitlebens lahm bleiben: wenn der Hund mir ge hörte, würde ich ihn iodtschießen.« »O, nicht doch, Herr Doktor,« sagte das Mädchen leise, »er hat ihn sc gern gehabt-« e »Wer? Der Grunoinunere via, Lind, der ist ja auch tadt·« Sie schien noch etwas erwidern zu wollen, schwieg aber und folgte mit ge fenttetn kva in das ans-. »Und nun an’s Ge chaft,« sagte der Doktor. »Aha, da liegt ja der alte Mer ten auf dem Sofa, wir können ihn gleich untersuchen.« »Sie meinen also, r Pfarrer.«-— »Ich meine zunä ft nicht6,« fiel hartuiann mit einem Seitenblick auf das Mädchen rafch ein. »Geh in die Miche, Grete; enn der Herr Amts richter Deiner edarf, werden wir Dich rnfen.« « Während er das Mädchen hinaus schpb, war der Arzt an das Kanapee getreten und hatte die Decke von der ruft des Todten zurückgefchlagen Er warf nur einen flüchtigen Blick auf tie Wunde nnd fragte dann rafch: »Alfo in einen Nagel will der Grundniiiller gefallen sein, Herr Pfar per-( »So’hat er mir kurz vor feinem Ende mitgetheilt, und das Mädchen bestätigte diese Aussage-· »Glauben Sie selbst daran Herr Pfarrer?« »Nein, Herr Doktor, sonst hätte ich das Gericht nicht bemüht.« Der Arzt nahm eine Sande aus der Teiche und wandte sich an den Amte richter. »Sie find Jäger, wenn ich nicht irre; für was halten Sie diese Wunde ?« Auch Stein hatte nnr einen Blick auf die Leiche gewarer und entgegnete bestimmt: »Für einen Schußlanal, Herr Dot tar.« »Für einen Schitleanal, ja wohl. Und hier,n1eine Herren, hier,« « er führte die Sande in die Wunde - ,,hier habe ich auch die Kugel« Der Doktor legte das kleine Metall ftück auf den Tifch und blickte mit sehr ernstem Gesicht feine Gefährten an. Keiner sprach einWort,nur der Attuar breitete feine Papiere ane; er wußte daß die Thatigleit der- Gerichts begin nen würde. Und es war nur ein schwache-r Ver such, die Enthiillnng der grausigen Wahrheit hinaneznschiebem als der 'Ainterichter fragte: »Halte-i Sie einen Selbfnnord fin niitglich, Herr Davon-« »Nein, lieber Herr, unter feinen Umständen; der Schnßlanal liiust sent recht, ein Selbstmdrder konnte nur eine Pistole in dieser Richtung halten, diese Kugel stammt aber aus einer Büchse. Ueberdies würde eine Büchsentugel, aus unmittelbarer Nähe abgeseuert, viel tiefer eingedrungen sein, eile es that sachlich der Fall gewesen ist, und endlich ist mir belannt, daß der -- sagen tvir vorläufig der Verungliielte — niemals eine Blichie besessen hat; das letztere festzustellen, ist freilich Sache des Ge richte, meine Thätigteit ist zu Ende.« »Und die nteinige beginnt nn dieser Stelle,« sagte Stein, aus das Fenster deutend, durch welches man iiber den Zaun hinweg auf die Landstraße blickte, »denn in jener Scheibe bemerke ich ein rundes Loch, und solche Oeffnungen können nur durch eine lingel hervorge rufen werden; jede andere Einwirkung hätte das Glas zertrümmert; somit steht fest, daß von außen aus den Ermordeten eschossen worden ist. Gendarni Werner, hren Sie die Dienstmagd des Grund tnüllerd Merten herein; ich will die Untersuchung niit ihrer zeugenfchastli chen Vernehmung beginnen « Der Amtsrichter nahm hinter dem Tisch neben seinem Protokollsührch Platz, legte die Büchsenkugel neben sier und stityte nachdenklich den Kopf in die Hand. Als er wieder ausblickte, stand Grete mit gesalteten Händen und bleichen Zü gen vor ihn-. Stein eröffnete das Verhör mit einer in ihrer Schlichtheit erschütternden Fra c; . »Um wie viel Uhr ist Dein Herr ein«-n Abend erschossen worden, Mäd Keiner von den Anwesenden hatte diesen Beginn der Bernelnnun erwar tet, und das« einfache Bauern ind ver mochte dem etoaltlgen Eindruck von der Mwissen tdei Gerichts nicht zu widerstehn-. Stammelnd und unter einein Strom von Thrllnen ent egnete sie: »Es san-ex neun getvesen sein, Herr Ilnuirt er; toir hatten gerade abgegessem und der Bauer wollte just zu sett gehen-« »Er le den Vergang« « ott ich toeij es nicht. Ich hatte den Iisch til-geräum, nnd der; Gmndmuller sagte zu mir, ich solle den Hund hereinrnfen, weil er gar fo arg draußen bellte. Es wehte sehr stark, und darum that ich das Tuch um, wel ches ich vor acht Tagen von dem Fräu lein zum Geschenk erhalten hatte »Von welchem Fräulein, Grete?« unterbrach der Amtgrichter die Erzäh lerin. »Aus der Rosenhainer Pfarre, Herr Amtsrichter.« »Ach fo! Nun also, weiter !« Ich hatte das Tuch just unt die Schulter gelegt und fragte, ob ich den Hektor an die Kette legen solle; ich stand dabei mit dem Rücken gegen das Fenster, und der Bauer stand da hinten am Ofen und wollte eben feinen Rock ausziehen. Da fiel draußen von der Straße her ein Schuß, es flog mir etwas heiß an der Backe vorbei, und zugleich griff der Grundmiiller an feine Brust und schrie laut auf, dafz er getroffen fei. Das kam alles auf einmal, und was weiter geschehen ift, das lann ich nicht augfagem der Hektor heulte draußen ganz fürchterlich, und die kranle Frau fiel vor Schreck in Ohnmacht· Als ich dann dem Bauer auf das Kanapee ge balien hatte. denn er war aar ara schwach, befahl er mir, zum Herrn Pfar rer zu laufen und-—« Das Mädchen schwieg und blickte ver wirrt zu Boden »Grete,« sagte der Richter ernst, »ich glaube, daß Du bis jetzt die Wahrheit erzählt haft, aber jetzt eben wolltest Du anfangen zu lügen, oder mindestens etwas zu verschweige-r Jch will daher lieber eine Frage an Dich richten, und die Antwort wirst Du später beschwören müssen Warum befahl der Grund müller Dir, dem Herrn Pfarrer mit zutheilen, daß er in einen Nagel gesal len sei?« Das geängstigte Mädchen blickte sich Ischeu um. l «Muß ich es sagen, Herr Amtsrich te r?« »Ja, Grete, Du mußt es « Sie athmete tief auf. »Nun denn, in Gottes Namen! Wir wußten, daß der Klang aus dem Zucht hause entlassen sei, der Herr hatte mit der Frau darüber geredet Und als der Grundmiiller nun aus dem Sosa lag und die Frau wieder zu sich kam, da sagte er: »Mutter, die Kugel kam von Klaus, das ist Gottes Strafe. Aber es soll nicht mehr Schande auf mein Haus kommen, als schon daraus ruht, wir wollen den Leuten sagen, daß ich im Keller über ein Faß gestürzt sei und mir einen Nagel in die Brust gerannt i habe. « Und dann nahm er mir das seier liche Versprechen ab, dasselbe zu sagen, ywenn ich gefragt würde, und er meinte, sdie Sache hätte nichts zu bedeuten. sAber dann wurde ei immer schwächer, Iund schließlich mußte ich auf fein Geheiß zum Herrn Pfarrer laufen. Dag- ist die reine Wahrheit, und mehr weiß ich nichth Der Anitsrichter ließ das Protokoll niederschreibenund von dem Mädchen unterzeichnen Dann fragte er noch: »Weißt Du denn, Grete, auf welche Weise der Hund seine Verwnndung er halten hat. 'D« «Jiein, Herr! Der Hektor war noch gegen Abend frisch nnd munter; erst später, als ich mit dein Herrn Pfarrer zurückkam, bemerkte ich, daß er hmkte « Stein ließ die Zeugin abtreten, ver nahm den Pfarrer Hartmann und den Gerichtsarzt zu Protokoll nnd sagte dann mit ernster Miene: »Bevor ich ans den bereit-I festgestell ten Verdacht hin weitere Schritte nn ternehme, wollen wir uns zu der Heid buche begeben; vielleicht findet sich dort ein stummer, aber dennoch beredter Zeuge Kommen Sie, meine Herren!« Er wickelte die Kugel sorgfältig in ein Stück Papier, befahl dem Gendarm Werner, in der Grundmühle zu blei ben, und verließ mit seinen Begleiter-n das Haue-. Jn einer Viertelstunde hatten sie die Heide erreicht und näherten sieh erwar tungsvoll dem alten, weithin sichtbaren Baume. Etwa dreißig Schritte vor demselben blieb Stein stehen und blickte sich nm. Hier war die Stelle, wo der Fremd ling sich am gestrigen Abend mu nenn Uhr in das Heu eingennthlt hatte, nach dem er von seiner geheimniszbollen Ve schastignng am Stanune des Baumes zuruckgelehrt war. Das Heu lag noch aus einen Hausen geschichtet, nian bemerkte deutlich den Eindruck eines menschlichen Körpers Ilnd die Heide lag einsam und schwei gend ini Sonnenschein Der Stamm der Heidebuche tuar zum Theil ausgehöhlt, ein schmachtiger Mann hätte sich darin verbergen können Aber es barg ein anderes Geheimniß; der Richter griss in die Oeffnung und zog aus derselben ein Gewehr hervor, eine schön gearbeitete Büchse, deren Schast mit Silber aus-gelegt war. Die Drei Männer blickten sich stumm und bedeutungsvoll an, sie wußten alle aus der Erzählung des Richters, daß dies dieselbe Buchse sein müsse, welche dem Reviersörster Selling Tage zuvor aus seiner Wohnung entwendet worden war. Das Gewehr war nicht eladen, aber eöttug ietnlich frische ulverspuren, und dte ugel, welche man in der Brust des Ermordeten gesunden hatte, paßte genau in den Laus. Noch an demselben Tage erließ der Amt-richtet einen Dastbesebl gegen den entlassen-n Zuchthausstrtifling Klaus Werten ans der Grundmähle wegen dringenden Verda tsdes Mord-s, be angen an seinem eiblichen Vater-, dem rundmttller Werten. — Dann legte er Akten an und faßte ins demselben alle Verdachtsmomente zu-j sammen, um der Staatsanwaltschaft die Uebersicht zu erleichtern. ’ Der junge Richter hatte selten einen so schlüssigen, klaren Fall unter den Händen gehabt; aus den festgestellten Thatsachen ergab sich das Verbrechen mit fast unanfechtbarer Gewißheit Der gewaltthätige rachsüchtige Cha raIter des Angeschuldigten ergab sich aus seiner Vorstrafe und aus den Zeugnissen des Anstaltsgeistlichen; die Beweggründe der That waren Haß ge gen den Bater, welcher ihm die Braut genommen und ihn selbst der schimpfli chen Strafe überliefert hatte. Einige Stunden vor der Mordthat war dein Revierförster Selling ein ge ladenes Gewehr entwendet worden, wel ches von der Landstraße aus sichtbar am Fenster der Försterwohnung gelehnt hat te; Klaus Merten mußte diese Land straße entlang gekommen sein, wenn er von der Strafanstalt aus nach Hause ging; er war mit der Oertlichkeit hin länglich vertraut und hatte ein Interesse an dem Besitz der Waffe, während der Bestohlene selbst nicht im Stande gewe sen war, gegen irgend eine dritte Person die geringsten Verdachtsmomente vorzu bringen. Genau zu derselben Zeit, wo der Mord ausgeführt sein mußte —- dafern nämlich das Mädchen aus der Grund milhle die Wahrheit berichtet hatte-— waren der Amtsrichter Stein und der Pfarrer Hartmann durch den zwischen Schönborn und der alten Chausfee ge legenen Wald gegangen, und mitten in diesem Wald hatten sie jenen räthselhaf ten Schuß fallen hören, dessen Schall enau aus der Richtung der Grundmüller gerübertlang Wenn man annahm, daß dieser Schuß auf den Grundmüller abgeseuert wurde und daß der Mörder nach voll brachte-e That anf; die Heide flüchtete, dann tras die Zeit, welche er von der Grundmühle bis zur Heidebuche ge brauchte, genau mit dem Augenblick zu sammen, wo der Amtsrichter den un heimlichen Fremden am Stamme des Baumes erblickt hatte. Jn diesem Baume war das Mordge wehr versteckt, denn die in der Brust des Grundmiillers anfgefundene Kugel paßte genau in den Lauf der Büchse; jener Fremde hatte das Gewehr in dem Stamm verborgen, denn ein anderer vernünftiger Zweck seiner Thätigteit war nicht aufzufinden, und die Züge des Mannes, welche der Richter seinem Ge dächtniß unausldschlich eingeprägt hatte, stimmten genau mit der in den Mer ten’schen Akten enthaltenen Personalbe schreibung überein. Nachdem Stein dieses vorläufige Er gebniß seiner Ermittelungen zu Papier gebracht hatte, legte er die Feder hin Hund sann nach. s Das war ein strasrechtlicher Muster fall, es bedurfte eigentlich nur einer iKleinigteiL nämlich der Einlieferung des Fliichtigem um eine spannende Ge srichtsverhandlung in Scene zu setzen; faber dennoch fanden sich zwei Punkte, iwelche nur mit einein gewissen Zwang Lin die sortlausende Linie der Beweise l eingesetzt werden konntet-· Der Mörder hatte kaum eine halbe Stunde von der Mordstiitte entsernt lan der Heide übernachtet; er hatte es Jmit dem Bewußtsein gethan, daß we Hiigstengs ein Mensch ihn an dieser Stelle gesehen, und er hatte dennoch just die sen Lrt ausgesucht, obgleich ein began gener Fußpfad an demselben vorbei führte. Konnte dieses Gebahreu wirklich mit dem gewöhnlichen Anstreten eines schuldbeladenen seigen Mörders, oben drein eines Vatermörders, in Einklang aebracht werden ? Wer eine so unnatürliche, grauen haste That vollbracht hat, den peitschen hintendrein die Furien des Gewissen-J, der bricht wie ein gelietzter Wolf durch» die Busche und mochte bis ans Ende dier Welt tausen, um zwischen sich und sein» starre-I Opfer wenigstens den Raum zus legen, weil er dae Vergessen nimmer-i nicht zu finden vermag. i Klaus- Merten konnte kein MenschJ er inusite ein Ungeheuer sein, wenn er im Stande war, ander-J iu handeln. Aber es giebt solche stumpfe Unge heuer, das allein war kein Beweis gegen die belastenden Thatsaehen Anders verhielt es sich mit dein zwei ten Punkte. Die Wunde-, welche der Hund des Er mordeten an seiner Vordisrpsote trug, staininte nach dein Gutachten des Arztes von einem Messerschnitt. - sturz vor der That hatte das Thier sdiese Wunde noch nicht gehabt, kurz snach derselben war sie bemerkt worden. Stein selbst hatte sie ja gesehen, als er sich an jenem Abend der Grundniiihle näherte, um Auskunft über den Weg zu erhalten. Unmittelbar bevor der Schuß fiel, hatte das Thier hestig gebellt und ge tobt, es erschien daher sast gewiss, daß es mit dem ans der Chaussee stehenden Mörder zusammengetrossen und von diesem verwundet worden war, wahr scheinlich im elnspringen durch einen Schnitt oder Hieb mit irgend einer schar sen Wasse. Klaus Merten hatte sicherlich bei sei iner Entlassungg aus dem Zuchthause Keine derartige asse nicht besessen, aber er konnte sie ebenso gut gestohlen haben, wie er das Gewehr entwendete. Aber hatte denn der Hund den heim-s Iehrenden Sohn seines Herrn nicht er-’ kannt? Wäre ee nicht natürlich gewe sen, wenn er jenem sreudig entgegen sprang, anstatt ihn wüthend anzusal len? Freilich, Klaus Merten war zwei-Jah Jahre ootn Hause abwesend und er kehrte so ganz anders zurück, als er wegging, aber das treue Gedächtnis eines Hundes überbrückt Zeit wie Um stände, das läßt sich kaum aus Augen blicke täuschen. Hier lag einWiderspruch, welcher auf geklärt werden mußte. Stein ließ den alten Werner rufen, der Mann kannte jedes Kind im Bezirk, warum auch nicht jeden Hund. Das Amt war schon geschlossen, und es ging stark aus neun Uhr, beror der Gendarm in die Privatwohnung des Richters kam. Er sah müde und verdrießlich aus, ganz anders als sonst, wenn er eine tvichtige Sache unter den Händen hatte. Stein empfing ihn mit der Frage, ob er bereits auf den steckbrieslich verfolg ten Klaus Merten gefahndet habe. »Wie es meine Pflicht ist, Herr Amts richter,« entgegnete der alte Beamte, »aber bis jetzt olme Erfolg. Die Bür germeister der umliegenden Ortschaften sind alartnirt, diese Nacht soll die Hatz abermals losgehen.« »Und wie steht es mit den Aussichten, ihn zu sangen ?« »Na, kriegen thun wir ihn schon,Herr Amte-richten Was soll denn so’n armes Menschenkind anfangen, wenn alle Welt hinter ihm drein ist, wie die Wind hunde hinter dem Hasen? Ja, wie die Windhunde, Herr Amtsrichter Das knäfst unds schnappt an allen Ecken und Enden nach dem fetten Braten, und der Bursch mag sich ducken und wenden und all seine arinseligen Kunststückchen an bringen, schließlich liegt er zappelnd auf dein Rücken und muß sein Fell lassen.« »Und das mit Recht, Werner.« ,,Jawohl mit Recht. Haben der Herr Amtsrichter sonst noch ’was zu befeh len ?« »Eine Frage. Kennen Sie den Wolfshund des ermordeten Grundmtil lers ?« »Ich kenne das Vieh, ’s ist eine Teu felsbestie, aber an der Hasenhatz würde sie sich nicht betheiligen.« »So, so. Sie meinen, ein Hund verräth seinen Herrn nicht D« »Juft dasselbe meine ich, mit Ver laub, Herr Amtsrichter « Stein riebs sich die Stirne. »Ja, Werner, das paßt nun doch nicht ganz auf diesen Fall. Der alte Grund »miiller hat nun seine Ruhe, den hetzen die Hunde nicht mehr « »Wenn er sie hat, « entgegnete giftig den Gendarin. »Aber einerlei, ich meine auch den jungen. Der hat den Hund ausgezogen, und es müßte ein undank bares Vieh sein-— -« Der Alte brach ab und wandte lau Ischend den Kopf gegen das Fenster· Es klang von der Straße heraus wie ver worrenes Geschrei, wie Fusztritte lau ernder Menschen und Hundegebell Werner riß das Fenster anf, horchte hinaus und sagte: »Gott’s Donner, Herr Amtsrichter, lich glaube, sie haben ihn. Jst es mir doch just, als wenn ich den dicken Bitckermeister Schulze- Mord und Todt schlag rufen hörte. Da muss ich uur gleich hin, sonst priigelu sie den armen Schelm zu Tode.« Der Gendarui griff heftig nach sei nein Helin und stiirzte hinaus. Stein aber blickte niit eigeuthiiiulich gemischten Gefühlen auf die Thür, welcher jener verlassen hatte. War es denn denlbar, das; der streng rechtliche Beamte mit dein Verworfensten unter der Menschheit, mit einein ruch losen Vaterinörder auch nur das ge ringste Mitleid hegen konnte ? War es möglich, daß er seinen Dienst vielleicht lau versah, um jenen der Ge rechtigkeit entrinnen zu lassen ? Nein, das letitere sicherlich nicht, da von war der Richter selsensest liber zeugt, und dasz erstere liesz sich nur dann erllaren, wenn man annahm, dasz Wer ner nicht an die Schuld des Ver-folgten glaubte. Aber wer konnte denn daran zweifeln? Freilich, die Geschichte mit dem Hunde wurde immer rätljselljafter, immer vers worrener. War vielleicht noch ein Helfersljelsey ein Coinpliee vorhanden ? Stein hatte Dienstwohnung in dem Amte-gericht, unter seinen Füßen besan den sich die Linn-any nndindeni Audienz zimnier aus dein groszen Schreibtisch lag dac- allerneueste Aktenstück in Sachen sllaus Merten ans der Grnndmiihle wegen Mord — es sollte morgen an den Staatsanwalt abgeben. Der Atutsrichter sah auf seine Uhr; er tjatte noch ausgehen wollen, um ein Glas Bier zu trinken, aber es war schon neun vorbei, die agenburger Honoratioren saßen sicherli schon bei dein letzten Schnitt. Und dann lockten die Alten den eis rigen Kriniinalisten; er mußte sie noch »einmallesen, er mußte noch einmal prüfen, ob das verljängnißvolle, rotlje JFormulay aus welchem der Hastbefehl geschrieben stand, nicht vielleicht dennoch "zu voreilig ausgefüllt worden war. i Stein nahm die Lampe vom Tisch und stieg die Treppe hinunter-. Seine Schritte hallten unheimlich in dem weiten leeren Bau wieder, jede Thtir knirschte in den Angeln und ächzte in den Fugen. Das hört man nicht im Lärm und Partei eziink des Tages, aber in der stillen acht ist der Sitz des Rechtes wie eine Leichenhalle. Und als der junge Richter nun in seinem eilgentlicheu Reich mitten unter seinenAten saß und seine Hand ausj das rothe, fürchterliche Blatt legte, welches Glück und Ehre eines Menschen flehens vernichtet, da durchschauerte es sihn seltsam, und er fühlte zum erstenmal in seinem Leben die entsetzliche Wucht jund Verantwortung des richterlichen EAmtes Zufolge eines einzigen Federzuges, den im Namen des Königs feine Hand geführt hatte, wurde draußen durch die Nacht ein Mensch gejagt, wie man ein Thier hetzt, vielleicht heftete sich an seine Ferse das unerbittliche Recht, viel ileicht auch ein Jrrthum, ein Wahn ! Stein legte den Kopf in die Hände iund wagte nicht, sich umzuschauen; er fühlte, daß hinter seinem Stuhle un sichtbar jenes Gespenst stand, welches mindestens einmal im Leben seine kalte Hand auf jeden gewissenhaften Richter legt, das Gespenst des nagenden Zwei fels über Recht oder Unrecht. ! Draußen schien der Mond klar und Ilalt, wie er in stillen Septembernächten u scheinen pflegt, jeder Gegenstand ragte, von seinem Licht übergossen, unbewegt in die dunkle Luft, am unbe weglichsten drüben jenseits des Hofes die düstere Mauer des Gefängnisses mit ihren kleinen, vergitterten, lichtlosen Zellen. « Es war ein seltsamer Gedanke, wel ’cher plötzlich den einsamen Richter über kam; er wollte in dieser späten Abend stuude eine Revision der Frohuveste un ternehmen, die Gefangenen sollten mit dem Bewußtsein einschlafen, daß nicht nur eine strafende, sondern auch eine siirsorgende Hand den Riegel ihrer Zel len verschlossen hatte. Er ließ die Lampe auf dem Schreib tisch brennen und trat in den Hof hin aus; eg- waren von dort nur wenige Schritte bis an die Wohnung des Ge sangenmeisters. Das große, von Bäumen beschattete Gitterthor des Hoer stand noch offen, es wurde erst mn 10 Uhr geschlossen, und eben schlug es erst dreiviertel vom Thurme. An dem Thore führte eine Landstraße vorbei, sie ließ hier die letzten Häuser der Stadt hinter sich und tauchte etwa zehn Minuten weiter in einen dichten, umfangreichen Wald; man konnte durch die Steinpseiler des Thores hinaus auf den grünen Saum des Gehölzes blicken. Neben dem Thore, im tiefen Schatten der Linden regte sich etwas-, als der Richter durch den Hof schritt; dann löste sich eine Gestalt von der Mauer und trat mitten auf den freien, mond hellen Platz. Stein blieb wie gebannt stehen und griff an seine Stirn. War das denn ein Trugbild der Nacht oder ein Wesen von Fleisch und Blut ? Wie vor vierundzwanzig Stunden auf der einsamen, stiirmischen ·Heide, so stand jetzt mitten im Bannkreise des Gericht-:- die seltsame, verwilderte, ab gehetzte Gestalt eine-J Mannes-«- vor dem Amtsrichter, stumm und regungslos-, vielleicht nur müder nnd gebrochener Das war derselbe braune, billige sTrödleraniug nur aus Hemd, Hofe und l Jacke bestehend, das waren dieselben schlaff en, bartlosen, gealterten und doch jugendlichen -3iige, da-: war dasselbe grausam kurz verschnittene Haar, welche-J überall die it opfhaut durchschimiuern ließ. Der Mann stand in deiniithiger Stel lung da und griff mit der Hand an die Stirn, als- wotle er seine Kopfbedeckung ehrerbietig abnehmen, dann schien er sich zu eutsinneu, daß er barhäuptig sei, und fragte leise: »Sind Sie der Herr Amt-« richter?« Stein siihlte instinktiv, daß e-: diesem Manne gegeniiber unreiuiger Bestimmt heit bediir,se um ihn vollends zubrechen, und er entgegnete daher gelassen: »Es-I ist gut, Klaus Merten, daf; Jhr Euch freiwillig stellt, dass Umherlauseu in den Wäldern um diese Jahreszeit hält doch leiu Mensch ausz.« Der Mann blickte scheu auf. ,,Also Sie kennen mich, Herr Amtsz richteer Freilich, das ist ja nicht schwer, liuich zu kennen, jedermann kann es Fasten « « » Er zerrte mit beiden Händen an sei iier Jacke und fiilir bitter fort: »Die ist siusi nicht nach der Mode-, Herr Aiiitczricl)ter, aber die Kinder haben wenigsten-:- ihre Freude darau. Sie haben recht, mit den Wäldern ist es nichts-, dass Zeug ist gar zu diiun, in der ersten Nacht biu ich schier erfroren.« Abgerissen iiud wie aiisz einetii hal: ben Traum kamen die Worte iiber die Lippen des lliigliicklichen, dann griff er mit den Händen iu die Luft und tau iiielte. Der Auitsrichter spraiia hinzu nnd vackie den Mann fest am Ariu; dabei fragte er hastig: »Seid Jhr verwundet, Merteii?« Jener hatte sich wieder aufgerichtet und entgegnete: ,,Verwundet? Nein. Wenigstens glaube ich nicht, daß man auf mich ge schossen hat; gewiß weiß ich das freilich nicht. Nein, Herr Anitsrichter, aber gehetzt haben sie mich ein wenig, und das macht auch müde, denn aus dem .Zi-chthause bringt man nicht übermäßig viel Kraft mit Wenn ich einen Angen blict sitzen dürste »Komm mit, « sagte Stein mit einem unwillkürlichen Aiiflug von Mitleid, »du drunten könnt Jhr Euch einstweilen ausruhem dann will ich eine Zelle in Stand setzen lassen.« Er deutete nach dem Gerichtszimmer und ging voraus; Klaus Merten folgte ihm wie ein Hund auf den Fersen (Fortsetzung folgt. ) — Reue astronomische Entdeckung-m Die ungeheuren Fernröhre der Neuzeit )— oder vielmehr die neuesten Fernrohre von ungeheuerster Bergrößeriings-Krast, , wie das aus dem Lick’schen Observatoriuni jin Calisornien, haben erstaunliche Ent deckungen in der Sternen-Welt ermög licht. Und die Photographie derselben hat große Veihülfe dazu geleistet. Nach stehendes wird Dies zeigen. Die Beobachtungen des Mondes-, von welchen jetzt die genauesten Karten vor liegen, gehen ohne Unterbrechung weiter und haben gezeigt, daß in dessen Jnnerem noch nicht alle Wärme und alles Leben erloschen sein muß, so todt auch seine Oberfläche erscheint. Man hat bemerkt, daß aus einem seiner als ausgestorben angenommenen Krater sich Rauchwolken, wie von einem inneren Feuer herrüh rend, gezeigt haben. Die Sonnen Corona, die Sonnen Flecken, die Messungen der Größe der Sonne und ihrer Umdrehung um sich selbst haben viele neue Aufschlässe ge bracht. Die Sonnen-Flecken, die alle 11 Jahre ihre höchste Größe und Anzahl er reichen, lieferten das Mittel zur Bestim mung der Umdrehungs-Zeit der Sonne um sich selbst — die 27 Tage dauert — ihres Aequators und ihrer"Pole, sowie des Sonnenjahressz » sure neuene Beobachtung geht dahin, sdaß die Sonnen-Flecken einen gewaltigen TEinsluß aus den Erdmagnetismus aus üben, und zwar in den Jahren ihrer größten Anzahl natürlich den größten, was sich dann durch Nord- und Süd Lichter offenbart. Ein Astronom hat entdeckt, daß sich dieser Einfluß erst le merkbar macht, wenn die Flecken nach ihrem Umgang über die Sonnenscheibe sich deren Rand nähern. Von der Sternen-Welt sind dem blo ßen Auge nur 6000 bis 7000 sichtbar. Aber die größten Teleskope haben bereits shundert Millionen entdeckt, und weitere lMillionen werden sicher noch entdeckt werden. Eine höchst überraschende neue Entdeckung ist die des Astronomen Mr. S. C. Chandler zu Boston. Derselbe sand, daß der merkwürdige Stern Algol im Sternbild des Perseus-, dessen Licht fortwährend wechselt, einen dunklen Mond ( Satellit) hat und sich selbst um einen bis jetzt nicht sichtbaren Mittel punkt bewegt. Algol ist einStern zweiter Größe, und einmal innerhalb 69 Stunden wird sein Licht in einigen Stunden so geschwächt, daß es etwa 20 Minuten lang einem Stern vierier Größe anzuhören scheint. Alsdann nimmt sein Schein wieder all mählich zu, bis er seinen früheren Glanz wieder erlangt hat. Diese Licht-Abnahme verursacht einen Mond, der in 69 Stunden den Stern um kreist, während dieser selbst in der Zeit von 130 Jahren sammt seinem Mond einen nntz noch unbenierkbaren oder nicht entdeckten Stern umkreist. Dieser wird die-Sonne eines ungeheuren Sternsystems sein, wozu der Algol gehört, aber nicht etwa ein ansgebrannter tiörper, wie Manche glauben, sondern nur ein allzu weit entsernter, um fiir uns sichtbar oder tleicht entdeckbar zu sein. Die weitere Verbesserung der Fernröhre wird wohl auch hierüber ausklären. Tie Bestimmung dieser neuen unsicht baren Central Sonne geht ans einer smatlnsmatischen Berechnung hervor, swelche ebenso merkwürdig ist, wie die sEntdectnng desz Planeten Neptun in slHiU durch den Astronomen Leberrier izu Paris-, nach welcher der Astronom sGalle zu Berlin den Planeten später » wirklich auffinden konnte. Neue Situcrgruven in (5oloradv. Jn Colorado ist infolge grosser Sil ; her-Entdeckungen seit ein paar Monaten fdie Stadt Creede gleichsam aus der Erde !getoachsen, so daf; sie bereits 8000 Ein ftoohner hat. Vor drei Monaten wohn ten daselbst ZW Menschen· Man kann sich leicht denken, toelch’ ein aufge regter Streit dort beim Belegen von Bauptätzen stattgefunden hat nnd noch stattfindet. Wie in den ältesten Zeiten derivestlichen Besiedelnngen, oder auch toie noch neuerdings in Oklahoma, wurde Besitzrecht nnd Befitznahme nur alle oft mit der Biichse in der Hand geltend ge macht. Ebenso toie in der Nähe des Jiidianergisbietg, hat man auch hier über sehen, einen ganzen Landstrich, dort ei nein Staat, hier den benachbarten Counties anzufiigen Derselbe ist 30 Quadratmeileisi groß, und drei benach barte Counties streiten sich um dessen Anschluß. Aber der Ort erkennt deren Jnriediktion nicht an, will sich selbst ständig verwalten und hat sich einen eigenen Friedensrichter eingesetzt. Trotz seiner stindheit als Stadt hatCreede doch schon eleltrische Beleuchtung; seine Hauptstrafze ist drei Sauares lang, mit Gefchäftshäusern an beiden Seiten, und Tag nnd Nacht wird an neuen Häusern gebaut. Die Anlage von Wassertverken steht bevor. Die Mineralschätze der Umgegend an Silber und Kupfer sollen grofzartig sein; man erwartet einen im mer größeren Menschenzulans, sobald nur die Berge schneefrei fein werden und das Suchen (Prospeltion) nach Mine ralien leichter wird. Bis zum nächsten Juli erwartet man 25,000 Personen in lder Schlucht beifammend zu sehen, und z jetzt schon strömen sie von allen Seiten Jherbei. Passendee Geschenk. -—— Frau A.: »Was hat denn Jhr Sohn, welcher in der Waffenfabrik beschäftigt ist, Jhnen zum Geburtstag geschenkt?« . Frau B.: »Er schickte mir einen Re :volver, weil er in der Fabrik Alles zum iKostenpreis bekommt.«